Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 28.02.2018 Situation der Tafeln und vergleichbarer sozialer Einrich tungen in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Tafeln und vergleichbare soziale Einrichtungen (etwa Suppenküchen, Kleiderkammern etc.) karitativer Organisationen gibt es in Bayern (bitte nach jeweiligen Standorten auflisten)? 1.2 Welche regionalen Unterschiede existieren im Hinblick auf Ballungsräume und den ländlichen Raum bei der Verteilung der Tafeln? 1.3 Wie viele bedürftige Menschen in Bayern nutzen die Tafeln und vergleichbare soziale Einrichtungen karitativer Organisationen (bitte nach jeweiligen Standorten auflisten)? 2.1 Wie hat sich die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer der Tafeln in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte nach Jahren, Standorten, Landkreisen und kreisfreien Städten auflisten)? 2.2 Worin sieht die Staatsregierung die Ursachen für die Entwicklung? 2.3 Aus welchen Bevölkerungsgruppen (Arbeitslose und Langzeitarbeitslose, Geringverdiener, Obdachlose, Flüchtlinge und Asylbewerber, Schüler und Studenten, Rentner, Alleinerziehende etc.) kommen die Nutzerinnen und Nutzer der Tafeln und vergleichbarer sozialer Einrichtungen karitativer Organisationen in Bayern? 3.1 Wie hoch ist bei den Nutzern der Einrichtungen jeweils der prozentuale Anteil von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter und Erwachsenen im Rentenalter? 3.2 Mit wie vielen Menschen, die auf die Nutzung der Tafelangebote angewiesen sind, rechnet die Staatsregierung bis zum Jahr 2020? 3.3 Wie viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer arbeiten bei den Tafeln und vergleichbaren sozialen Einrichtungen karitativer Organisationen in Bayern mit (bitte nach jeweiligen Standorten auflisten)? 4.1 Wie viele Lebensmittel wurden in Bayern in den letzten fünf Jahren durch die Tafeln und vergleichbare soziale Einrichtungen karitativer Organisationen verteilt (bitte Angaben in Tonnen pro Jahr, monetärem Gegenwert und Standort)? 4.2 Was unternimmt die Staatsregierung, um die Weitergabe von Lebensmitteln an die Tafeln durch Spender zu erleichtern, auch im Hinblick auf das Lebensmittelrecht ? 4.3 Inwieweit werden die Tafeln bei ihrer Arbeit durch die bayerischen Kommunen unterstützt? 5.1 Wie beurteilt die Staatsregierung den Beitrag der Tafeln bei der Bekämpfung bzw. Linderung von Armut in Bayern? 5.2 In welcher Höhe wurden die Tafeln vonseiten des Freistaates durch Haushaltsmittel in den letzten fünf Jahren unterstützt? 5.3 Welche Fördermittel können Tafeln auf Landesebene beantragen? 6.1 Was im Konkreten umfasst die Schirmherrschaft für den bayerischen Landesverband der Tafeln durch den Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Fors ten Helmut Brunner ? 6.2 Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob Gerichte und Staatsanwaltschaften eingezogene Bußgelder an die Tafeln zuweisen? 6.3 Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung der Tafeln nach einem Armutsbeauftragten und einer Entwicklung einer Strategie gegen Armut? 7.1 Sind in Bayern Fälle bekannt, dass Bedürftige bei Tafeln abgewiesen wurden? 7.2 Sind in Bayern Fälle bekannt, in denen es an den Verteilstellen der Tafeln zu Anfeindungen gegenüber einzelnen Kundengruppen kam? 7.3 Was hat die Staatsregierung unternommen, um die Tafeln bei der steigenden Zahl der Bedürftigen durch Geflüchtete zu unterstützen und sprachliche und kulturelle Barrieren zu verringern? 8.1 Inwieweit sieht die Staatsregierung in der Zunahme der Tafeln einen Indikator für zunehmende soziale Ungleichheit und wachsende Armut in Bayern? 8.2 Worin sieht die Staatsregierung die Ursachen, dass trotz langjähriger positiver konjunktureller Entwicklung die Zahl der bedürftigen Menschen in Bayern nicht abnimmt ? 8.3 Wie hat sich nach Kenntnis der Staatsregierung das Spendenaufkommen bei Sach-, Geld- oder Dienstleistungsspenden seit 2012 bei den Tafeln in Bayern entwickelt (bitte nach Jahr und Sach-, Geld- oder Dienstleistungsspende in Euro aufschlüsseln)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22030 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22030 Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern und für Integration, dem Staatsministerium der Jus tiz (zu Nr. 6.2), dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und unter Einbindung des Bayerischen Städtetags und des Bayerischen Ge meindetags vom 05.05.2018 1.1 Wie viele Tafeln und vergleichbare soziale Ein richtungen (etwa Suppenküchen, Kleiderkammern etc.) karitativer Organisationen gibt es in Bayern (bitte nach jeweiligen Standorten auflisten)? Beim Engagement der Tafeln sowie anderer sozialer Einrichtungen wie Kleiderkammern oder „Suppenküchen“ handelt es sich um freiwillige Leistungen, die durch private Nichtregierungsorganisationen erbracht und nicht staatlich gefördert werden. Diese Einrichtungen sind in den Sozialgesetzbüchern oder sonstigen Gesetzen weder definiert noch normiert. Eine Statistik ist nicht vorgesehen. Das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat daher außerhalb der öffentlich zugänglichen Quellen (Internet) keine Erkenntnisse über die Entwicklung der Tafeln oder anderer Einrichtungen wie Kleiderkammern und Suppenküchen hinsichtlich deren Anzahl und der dort mitwirkenden Personen, der Anzahl und Zusammensetzung der Nutzerinnen und Nutzer, der Menge der abgegebenen Lebensmittel oder sonstiger Güter oder Leistungen. Es handelt sich um Organisationen , die auf zivilgesellschaftlichem Engagement beruhen. Der Tafel Landesverband Bayern e. V. macht auf seiner Homepage (www.tafel-bayern.de) folgende Angaben zu Tafeln in Bayern: „Im Bundesland Bayern gibt es 169 Tafeln mit ca. 7.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, es werden ca. 40.000 Tonnen Lebensmittel gerettet und über 200.000 bedürftige Menschen unterstützt. In Nordbayern gibt es zwei Tafel-Verteilerzentren für Lebensmittel, drei weitere Logistikzentren sind in Planung; dadurch können weitere 35.000 Tonnen Lebensmittel gerettet werden.“ Flächendeckende Informationen über Tafeln vor Ort in Bayern konnten nach Mitteilung des Gemeindetags und des Städtetags nicht zusammengestellt werden, weil die umfangreich abgefragten Informationen in den Städten und Gemeinden nicht vorliegen, sodass vielfach keine Angaben gemacht werden konnten. Trotz intensiver Bemühungen war es daher nicht möglich, auf die detaillierten Fragen in Gesamtheit zu antworten. Der Städtetag hat in einer Umfrage von den kreisfreien Städten einzelne Daten erhalten. Da sich damit kein vollständiges Bild herstellen lässt, wurde auf die Angaben des Tafel Landesverbandes Bayern e. V. als allgemeine Zusammenstellung zurückgegriffen. Festgehalten werden kann, dass es eine große Bandbreite der Tafeln in Bayern gibt, mit nach örtlichen Gegebenheiten verschieden ausgeprägten Strukturen und daraus resultierenden erheblichen Unterschieden bei beispielsweise Mitarbeitenden, Nutzenden und Gestaltung des Angebots. Daneben versorgen viele soziale Einrichtungen vor Ort bedürftige Bürgerinnen und Bürger mit Kleidern und Gebrauchsgegenständen , auch unabhängig von den Tafeln. Für Suppenküchen und Kleiderkammern gibt es keine übergeordnete Dachorganisation in Bayern; hier liegen dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales keine umfassenden Daten und Zahlen vor. 1.2 Welche regionalen Unterschiede existieren im Hin blick auf Ballungsräume und den ländlichen Raum bei der Verteilung der Tafeln? Nach Recherchen im Internet lässt sich für die einzelnen Regierungsbezirke folgende Verteilung in der Anzahl der Tafeln ableiten: Regierungsbezirk Anzahl Tafeln (lt. Adressverzeichnis des Tafel- Landesverbandes – ohne Verteilstellen) Oberbayern 62 Schwaben 29 Niederbayern 21 Mittelfranken 16 Unterfranken 12 Oberpfalz 10 Oberfranken 10 Weitere Aussagen können nicht getroffen werden. 1.3 Wie viele bedürftige Menschen in Bayern nutzen die Tafeln und vergleichbare soziale Einrichtungen karitativer Organisationen (bitte nach jeweiligen Standorten auflisten)? Nach Angaben des Tafel Landesverbands Bayern e. V. nutzen bayernweit über 200.000 Menschen die Tafeln. Über die Situation in den einzelnen Standorten wie Städten und Gemeinden liegen keine flächendeckenden und somit aussagekräftigen Erkenntnisse vor. Die Nutzerzahlen, die im Übrigen nicht von allen Tafeln erhoben werden, bewegen sich je nach Standort im dreistelligen bis fünfstelligen Bereich (in Großstädten mit in der Regel mehreren Ausgabestellen). 2.1 Wie hat sich die Anzahl der Nutzerinnen und Nut zer der Tafeln in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte nach Jahren, Standorten, Landkreisen und kreisfreien Städten auflisten)? Über die Situation in den einzelnen Standorten liegen keine bayernweiten Erkenntnisse vor. Nicht alle Tafeln führen Statistiken . Der Tafel Landesverband Bayern e. V. spricht auf seiner Homepage von einer „stetigen Steigerung“ sowohl der Anzahl der Tafeln wie auch der Nutzerinnen und Nutzer. 2.2 Worin sieht die Staatsregierung die Ursachen für die Entwicklung? Mangels detaillierter Zahlen zur Entwicklung der Anzahl der Tafeln, ihrer Nutzer und deren Zusammensetzung und ohne weiterführende statistische Analysen können seitens der Staatsregierung keine Aussagen zu Ursache-Wirkungszusammenhängen getroffen werden. Drucksache 17/22030 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 2.3 Aus welchen Bevölkerungsgruppen (Arbeitslose und Langzeitarbeitslose, Geringverdiener, Ob dachlose, Flüchtlinge und Asylbewerber, Schüler und Studenten, Rentner, Alleinerziehende etc.) kommen die Nutzerinnen und Nutzer der Tafeln und vergleichbarer sozialer Einrichtungen karita tiver Organisationen in Bayern? Über die Situation in den einzelnen Standorten liegen keine bayernweiten Erkenntnisse vor. Nicht alle Tafeln führen Statistiken , aber die meisten Tafeln lassen sich die Bedürftigkeit der Tafelkunden durch die Vorlage offizieller Dokumente (z. B. Arbeitslosengeldbescheid, Bescheid über Sozialhilfe) nachweisen. 3.1 Wie hoch ist bei den Nutzern der Einrichtungen je weils der prozentuale Anteil von Kindern, Jugend lichen, Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter und Erwachsenen im Rentenalter? Nach Angaben des Tafel Landesverbands Bayern e. V. unterstützen die deutschen Tafeln regelmäßig bis zu 1,5 Mio. bedürftige Personen, davon 23 Prozent Kinder und Jugendliche , 53 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter (v. a. Arbeitslosengeld-II- bzw. Sozialgeld-Empfänger, Spätaussiedler und Migranten) und ca. 24 Prozent Rentner. Eine bayernspezifische Aufstellung oder weitere Aufschlüsselung hierzu ist nicht angegeben. Der Staatsregierung liegen keine weiteren belastbaren Zahlen dazu vor, wie hoch die Anteile der einzelnen Gruppen sind. 3.2 Mit wie vielen Menschen, die auf die Nutzung der Tafelangebote angewiesen sind, rechnet die Staatsregierung bis zum Jahr 2020? Die Nutzung von Tafeln und ihrer Angebote stellt zum einen eine sinnvolle Verwendung von qualitativ einwandfreien Produkten, insbesondere von überschüssigen Lebensmitteln dar. Zum anderen eröffnet sie finanzielle Spielräume für Menschen, die nicht über ausreichende Mittel für Ausgaben verfügen, die wesentlich über das soziokulturelle Existenzminimum hinausgehen. Das soziokulturelle Existenzminimum wird durch Grundsicherungsleistungen gedeckt (vgl. auch Antwort zu Frage 5.1). Das Angebot der Tafeln stellt insofern eine Möglichkeit dar, finanzielle Spielräume zu weiten , ist jedoch zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums nicht notwendig. Eine Aussage darüber, ob und in welchem Ausmaß die Nutzerzahlen steigen werden, ist nicht möglich. 3.3 Wie viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ar beiten bei den Tafeln und vergleichbaren sozia len Einrichtungen karitativer Organisationen in Bay ern mit (bitte nach jeweiligen Standorten auflis ten)? Nach Angaben des Tafel Landesverbands Bayern e. V. sind bei den Tafeln in Bayern rund 7.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer beschäftigt. Weitere Zahlen zu den einzelnen Standorten liegen nicht bayernweit vor. 4.1 Wie viele Lebensmittel wurden in Bayern in den letzten fünf Jahren durch die Tafeln und vergleich bare soziale Einrichtungen karitativer Organisatio nen verteilt (bitte Angaben in Tonnen pro Jahr, mo netärem Gegenwert und Standort)? Laut einer internen Umfrage der Tafeln 2014 in Bayern werden jährlich ca. 33.000 Tonnen Lebensmittelspenden entgegengenommen . Der monetäre Gegenwert beläuft sich auf knapp 13 Mio. Euro. Für die einzelnen Tafeln kann derzeit kein punktueller Wert ausgewiesen werden. Über verteilte Mengen an einzelnen Standorten liegen keine Zahlen vor. 4.2 Was unternimmt die Staatsregierung, um die Wei tergabe von Lebensmitteln an die Tafeln durch Spender zu erleichtern, auch im Hinblick auf das Lebensmittelrecht? Die Weitergabe von Lebensmitteln durch Spender an Tafeln ist grundsätzlich unproblematisch möglich, wenn das Lebensmittel sicher ist. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat hierzu 2014 einen öffentlich zugänglichen „Leitfaden für die Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen – rechtliche Aspekte“ erstellt, der sich mit den gängigen Fragestellungen befasst. Aktuell sind keine Probleme aus der Praxis der Tafeln im Hinblick auf das Lebensmittelrecht bekannt. 4.3 Inwieweit werden die Tafeln bei ihrer Arbeit durch die bayerischen Kommunen unterstützt? Die bayerischen Kommunen unterstützen die Arbeit der Tafeln teilweise u. a. durch Zuschüsse und/oder andere Hilfen wie Fahrzeugspenden, Bereitstellung von Lagerraum. Der überwiegende Teil der Finanzierung der Tafeln erfolgt jedoch durch Spenden, Sponsoren und bürgerschaftliches Engagement. 5.1 Wie beurteilt die Staatsregierung den Beitrag der Tafeln bei der Bekämpfung bzw. Linderung von Ar mut in Bayern? Der deutsche Sozialstaat ist durch das Grundgesetz dazu verpflichtet, seinen Bürgerinnen und Bürgern dieses soziokulturelle Existenzminimum zu sichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09) umfasst dieses sowohl „die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben […], denn der Mensch als Person exis tiert notwendig in sozialen Bezügen“. Dieses Existenzminimum wird in jedem Fall (auf Antrag) mit den durch den Deutschen Bundestag legitimierten Mindestsicherungsleistungen gedeckt. Da durch die Leistungen der Grundsicherung also Armut vermieden wird, kann nur bewertet werden, inwiefern die Tafeln dazu beitragen, dass Menschen mit unbestreitbar geringen finanziellen Spielräumen die Möglichkeit erhalten, diese zu erweitern und so beispielsweise mehr Möglichkeiten zur sozialen und kulturellen Teilhabe wahrzunehmen. Hierzu leisten die Tafeln ganz unbestreitbar einen wertvollen Beitrag. 5.2 In welcher Höhe wurden die Tafeln vonseiten des Freistaates durch Haushaltsmittel in den letzten fünf Jahren unterstützt? 5.3 Welche Fördermittel können Tafeln auf Landes ebene beantragen? Es wurden in den letzten fünf Jahren keine Haushaltsmittel an die Tafeln ausgereicht. Im Rahmen der Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung hat das Staatsministerium für Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22030 Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für den Aufbau von sogenannten Logistikzentren eine einmalige Projektförderung in Aussicht gestellt. 6.1 Was im Konkreten umfasst die Schirmherrschaft für den bayerischen Landesverband der Tafeln durch den Staatsminister für Ernährung, Landwirt schaft und Forsten Helmut Brunner? Staatsminister a. D. Helmut Brunner hat den bayerischen Landesverband der Tafeln ideell unterstützt. So würdigte er in Reden und informellen Gesprächen die unverzichtbare Leistung der Tafeln, insbesondere im Zusammenhang mit der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und schuf über sein Ressort nutzbringende Kontakte für den Landesverband der Tafeln. 6.2 Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob Gerichte und Staatsanwaltschaften eingezogene Bußgelder an die Tafeln zuweisen? Es wird davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „Bußgelder “ keine Geldbußen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) gemeint sind, die der öffentlichen Hand zufließen, sondern Auflagen an einen Beschuldigten, Angeklagten oder Verurteilten zur Zahlung eines Geldbetrags. Bezüglich der insoweit in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen sowie der listenmäßigen Erfassung gemeinnütziger Einrichtungen, die um Zuweisung von Geldbeträgen durch Staatsanwaltschaften und Gerichte nachsuchen, kann auf die einleitenden Ausführungen in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 13.03.2014 betreffend „Bußgeldzuweisungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Bayern“ (Drs. 17/1695) verwiesen werden. Zuwendungen können grundsätzlich auch an gemeinnützige Einrichtungen erfolgen, die nicht in diesen Listen verzeichnet sind. Dies folgt bereits daraus, dass bei den Gerichten die Auswahl der jeweils zu begünstigenden gemeinnützigen Einrichtung in richterlicher Unabhängigkeit erfolgt . Beispielhaft ergibt sich aus der statistischen Auswertung für das Jahr 2016, dass Staatsanwaltschaften und/oder Gerichte in Bayern Geldauflagen verschiedenen als „Tafeln“ bezeichneten Einrichtungen zugewiesen haben. 6.3 Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung der Tafeln nach einem Armutsbeauftragten und ei ner Entwicklung einer Strategie gegen Armut? Ein Armutsbeauftragter ist aus Sicht der Staatsregierung sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene nicht erforderlich . Wie in der Antwort zu Frage 5.1 dargestellt, ist die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums gewährleistet . Damit wird Armut in Deutschland und Bayern erfolgreich bekämpft. Auf Bundes- und Landesebene werden Strategien erarbeitet und verfolgt, wie möglichst breite Bevölkerungsschichten am Wohlstand teilhaben können. Die erfolgreiche Strategie der Staatsregierung ist hierbei eine nachhaltige Standortund Arbeitsmarktpolitik, die den Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, um nicht nur auskömmliche, sondern auch gute Einkommen zu erzielen. Vollbeschäftigung, überdurchschnittliche Einkommen und überdurchschnittliche Vermögen in Bayern zeigen, dass dieser Weg der richtige ist. Menschen, die weniger Chancen haben, am arbeitsmarktpolitischen Erfolg teilzuhaben (Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende, Ältere) unterstützt die Staatsregierung gezielt mit geeigneten Maßnahmen . Diese erfolgreiche Strategie wird weiterverfolgt. 7.1 Sind in Bayern Fälle bekannt, dass Bedürftige bei Tafeln abgewiesen wurden? Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie die einzelnen Tafeln die Prüfung der Bedürftigkeit und Ausstellung sogenannter Berechtigungsscheine durchführen. Diese Verfahrensweise obliegt nach Aussage des Tafel Landesverbands Bayern e. V. den einzelnen Tafeln vor Ort, da die Tafelbetreiber ihre lokal begrenzten Gebiete kennen. Die Bedürftigkeit der Tafelkunden lassen sich die Tafeln in der Regel durch die Vorlage offizieller Dokumente (z. B. Hartz-IV-Bescheid, Bescheid über Sozialhilfe, Wohngeld) nachweisen. Es ist nichts darüber bekannt, dass Bedürftige abgewiesen worden wären. Der Städtetag teilt hierzu mit, dass Abweisungen den rückmeldenden Städten nicht bekannt seien. Es kann unter Umständen zu einzelnen Hausverboten aufgrund störenden Benehmens kommen. 7.2 Sind in Bayern Fälle bekannt, in denen es an den Verteilstellen der Tafeln zu Anfeindungen gegen über einzelnen Kundengruppen kam? Es liegen keine Erkenntnisse über Anfeindungen vor. Der Städtetag teilt mit, dass es in der Vergangenheit „vereinzelte“ Berichte „in den Medien“ über Konflikte zwischen einzelnen Nutzergruppen gegeben habe, aktuell aber nichts rückgemeldet worden sei. 7.3 Was hat die Staatsregierung unternommen, um die Tafeln bei der steigenden Zahl der Bedürftigen durch Geflüchtete zu unterstützen und sprachli che und kulturelle Barrieren zu verringern? Die bundesgesetzlich festgelegten Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes decken sowohl im Grundleistungsals auch im Analogleistungsbezug den notwendigen Bedarf der leistungsberechtigten Personen, zu welchem auch Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke gehören. Da die Versorgung zur Deckung des Bedarfs an Lebensmitteln sichergestellt ist, sind Leistungsberechtigte nicht auf die Tafeln angewiesen. Soweit es sich um anerkannte Flüchtlinge oder Asylbewerber mit subsidiärem Schutz handelt, ergibt sich das gleiche aus dem Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II). 8.1 Inwieweit sieht die Staatsregierung in der Zunah me der Tafeln einen Indikator für zunehmende soziale Ungleichheit und wachsende Armut in Bayern? Wie in der Antwort zu Frage 5.1 dargestellt, wird Armut in Bayern und in Deutschland erfolgreich durch die Mindestsicherungsleistungen bekämpft. Die Mindestsicherungsquoten in Bayern waren in den letzten elf Jahren weitgehend stabil, zwischen 2006 (5,1 Prozent) und 2016 (5,1 Prozent) gab es keinen Anstieg, dazwischen einen leichten Rückgang und dann wieder einen leichten Anstieg. Das bedeutet , dass der Anteil der Menschen, die mit einem sehr geringen Einkommen auskommen müssen, stabil geblieben ist. Von wachsender Ungleichheit kann hinsichtlich dieses Indikators keine Rede sein. Auch der bekannteste Indikator für Ungleichheit, der Gini-Koeffizient (vgl. Vierter Bericht der Drucksache 17/22030 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Bayerischen Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern, S. 88) zeigt keine Veränderungen, die von wachsender Ungleichheit zeugen würden. Die Inanspruchnahmequote von „Tafeln“ erscheint hingegen als Indikator nicht geeignet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5.1 verwiesen. 8.2 Worin sieht die Staatsregierung die Ursachen, dass trotz langjähriger positiver konjunktureller Entwicklung die Zahl der bedürftigen Menschen in Bayern nicht abnimmt? Dass eine bestimmte Anzahl von Menschen nicht in gleichem Umfang am wirtschaftlichen Erfolg teilhat wie breite andere Bevölkerungsschichten und deswegen Grundsicherungsleistungen beziehen muss, kann zahlreiche Ursachen haben, die teilweise in der Antwort zu 5.1 dargelegt wurden. Meist handelt es sich um Hindernisse, am Arbeitsleben teilzuhaben und so ein Einkommen zu erzielen, das oberhalb des soziokulturellen Existenzminimums liegt, z. B. mangelnde Qualifikation, Langzeitarbeitslosigkeit, Suchtproblematiken , Überschuldung, Scheidung/Trennung und vieles andere mehr. Diese Ursachen verschwinden nicht mit einer positiven konjunkturellen Entwicklung. Andere Ursachen für ein niedriges Einkommen wie eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, Krankheit, das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wegen Alters oder ein laufendes Asylverfahren wiederum sind gar nicht von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Die konjunkturelle Entwicklung hat also nur begrenzt Einfluss auf die Anzahl der Menschen, die auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen sind und zwar dort, wo konjunkturelle Arbeitslosigkeit der alleinige Grund für den Bezug von Mindestsicherungsleistungen ist. Und hier zeigt sich die positive Entwicklung sehr deutlich: Die Anzahl der SGB-II-Leistungsberechtigten (erwerbsfähige Leistungsberechtigte und deren nichterwerbsfähige Bedarfsgemeinschaftsmitglieder ) ist seit Ende 2005 bis Ende 2017 um beinahe 20 Prozent gesunken, obwohl deren Anzahl in Bezug zur Bevölkerung in Bayern ohnehin weit niedriger lag als in anderen Bundesländern. 8.3 Wie hat sich nach Kenntnis der Staatsregierung das Spendenaufkommen bei Sach, Geld oder Dienstleistungsspenden seit 2012 bei den Tafeln in Bayern entwickelt (bitte nach Jahr und Sach, Geld oder Dienstleistungsspende in Euro auf schlüsseln)? Der Tafel Landesverband Bayern e. V. gibt hierzu an, dass „der Bundesverband Deutsche Tafel e. V. und die lokalen Tafeln sich fast ausschließlich über Spendengelder finanzieren . Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat dem Bundesverband das DZI-Spenden-Siegel verliehen . Bundesweit unterstützen Tausende Unternehmen die Tafeln. Nach dem Motto Jeder gibt, was er kann engagieren sich örtliche Bäckereien, Metzgereien, Supermärkte, Kfz- Betriebe, Druckereien und Banken ebenso wie überregional agierende Unternehmen. Unter ihnen sind u. a. große Einzelhandelsketten , Lebensmittelproduzenten, Automobilhersteller , Mobilfunkanbieter und Werbeagenturen.“ Weitere Erkenntnisse über das Spendenaufkommen oder dessen Entwicklung liegen nicht vor. Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22030