Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan, Markus Ganserer, Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.03.2018 Sonderprüfung für die Bezirkskliniken Mittelfranken II Ende vergangenen Jahres hat der Bezirk Mittelfranken beschlossen , eine Sonderprüfung aufgrund verschiedener Unregelmäßigkeiten bei der Führung des Kommunalunternehmens Bezirkskliniken Mittelfranken (Anstalt des öffentlichen Rechts – A. d. ö. R.) durchführen zu lassen. Nach jüngsten Presseberichten gibt es Unstimmigkeiten bei der Ausgestaltung der Vergabe durch den Bezirk Mittelfranken. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Staatsregierung: 1.1 Kann im eingeleiteten Vergabeverfahren – nach erfolgter Angebotsaufforderung an die Bieter – die Referenzgröße „Manntagessatz“ für das einzige Zuschlagskriterium „Preis“ geändert werden oder setzt dies die Beendigung des eingeleiteten Vergabeverfahrens und eine Neuausschreibung voraus? 1.2 Welche Verzögerung hätte dies für die Einleitung der Sonderprüfung zur Folge? 2.1 Welche zivilrechtlichen Konsequenzen könnten sich für die Bezirkskliniken Mittelfranken (A. d. ö. R.) durch eine nachträgliche Änderung des Wertungskriteriums im aktuellen Verfahrensstand ergeben? 2.2 In welcher Höhe könnten Ansprüche entstehen? 2.3 Wurde bereits die Geltendmachung solcher Ersatzansprüche in Aussicht gestellt? 3. Welche personellen Verflechtungen bestehen oder bestanden zwischen den Bezirkskliniken Mittelfranken (A. d. ö. R.), Herrn N., den von ihm gehaltenen Unternehmen und den Bietern seit 2000 (insbes. Geschäftsführungs - und Aufsichtsratstätigkeiten von aktuellen oder früheren Mitarbeitern der Anbieter von Beratungsleistungen für die Sonderprüfung)? 4.1 Hat die Verwaltung des Bezirks Mittelfranken Herrn N. zu entsprechenden Geschäftsbeziehungen befragt? 4.2 Wenn ja, welche Antworten hat er gegeben? 4.3 Wenn nein, warum wurde auf eine Befragung verzichtet ? 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass ein früherer Partner einer der Bieter jahrelang Aufsichtsratsvorsitzender einer der Firmen von Herrn N. war? 6. Welche Umsätze haben die Bieter mit den Bezirkskliniken , dem Kommunalunternehmen und den Firmen von Herrn N. seit 2000 gemacht (aufgeschlüsselt nach Jahren und unter Bezeichnung des Beratungsgegenstandes )? 7.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass laut Presseberichten zwei preislich sehr ähnliche, sich von Mitbewerbern deutlich nach unten hin unterscheidende , Teilnahmeangebote eingegangen sind? 7.2 Kann die Staatsregierung ausschließen, dass ein Bieter vor dem Ablauf der Angebotsfrist Kenntnis vom Inhalt eines Konkurrenzangebotes erlangt hat? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 09.05.2018 1.1 Kann im eingeleiteten Vergabeverfahren – nach erfolgter Angebotsaufforderung an die Bieter – die Referenzgröße „Manntagessatz“ für das einzige Zuschlagskriterium „Preis“ geändert werden oder setzt dies die Beendigung des eingeleiteten Vergabeverfahrens und eine Neuausschreibung voraus? 1.2 Welche Verzögerung hätte dies für die Einleitung der Sonderprüfung zur Folge? Die Änderung der Referenzgröße „Manntagessatz“ für das Wertungskriterium „Preis“ während des eingeleiteten Vergabeverfahrens ist eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen . Dies würde eine Aufhebung der Ausschreibung und Neuausschreibung im Sinne eines erneuten öffentlichen Teilnahmewettbewerbs zwar rechtfertigen. Sie ist jedoch rechtlich nicht zwingend erforderlich. Es ist nicht damit zur rechnen, dass sich mit der Änderung des Wertungskriteriums in der vom Auftraggeber gewünschten Konzeption der Kreis der Bieter um neue interessierte Bewerber erweitern würde. Die vom Auftraggeber stattdessen gewählte Zurückversetzung des Verfahrens in die Angebotsphase, bei der alle bereits beteiligten Bieter die Möglichkeit einer Neukalkulation erhalten haben, verstößt nicht gegen bindende öffentlich-rechtliche Vorschriften und die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.07.2018 Drucksache 17/22080 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22080 2.1 Welche zivilrechtlichen Konsequenzen könnten sich für die Bezirkskliniken Mittelfranken (A. d. ö. R.) durch eine nachträgliche Änderung des Wertungskriteriums im aktuellen Verfahrensstand ergeben? 2.2 In welcher Höhe könnten Ansprüche entstehen? Grundsätzlich denkbar wäre es, dass Bieter, die bereits aufgrund der ursprünglichen Vergabeunterlagen ein Angebot kalkuliert haben, Ersatz der vergeblichen (sogenannten frustrierten) Aufwendungen geltend machen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Rechtsaufsicht, Mutmaßungen anzustellen , ob und in welcher Höhe in diesem Fall ein Zivilgericht einen Schadenersatzanspruch anerkennen würde. Die Höhe des Schadens zu beziffern, wäre Aufgabe eines eventuellen Klägers. 2.3 Wurde bereits die Geltendmachung solcher Ersatzansprüche in Aussicht gestellt? Nein. 3. Welche personellen Verflechtungen bestehen oder bestanden zwischen den Bezirkskliniken Mittelfranken (A. d. ö. R.), Herrn N., den von ihm gehaltenen Unternehmen und den Bietern seit 2000 (insbes. Geschäftsführungs- und Aufsichtsratstätigkeiten von aktuellen oder früheren Mitarbeitern der Anbieter von Beratungsleistungen für die Sonderprüfung )? Die staatliche Rechtsaufsicht über den Bezirk Mittelfranken und das Kommunalunternehmen Bezirkskliniken Mittelfranken ist gemäß Art. 77 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 Bezirksordnung (BezO) darauf beschränkt, die Erfüllung der gesetzlich festgelegten und übernommenen öffentlichrechtlichen Aufgaben und Verpflichtungen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu überwachen. Personelle Verbindungen sind im Zusammenhang mit der Beauftragung und Durchführung der Sonderprüfungsleistungen dann rechtlich relevant, wenn sie – einen Interessenkonflikt bei der Auftragsvergabe vermuten lassen, wobei der Rechtsgedanke des § 6 Vergabeverordnung (VgV), wonach in einem Vergabeverfahren keine Personen mitwirken dürfen, bei denen ein Interessenkonflikt wegen personeller Verflechtungen besteht, auch auf Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte übertragbar ist, – unter den Tatbestand des Art. 40 BezO und des Art. 76 Abs. Satz 7 BezO fallen und zu einem Ausschluss bei Beratung und Abstimmung im Verwaltungsrat bei persönlicher Beteiligung führen würden oder – erwarten lassen, dass die beauftragte Sonderprüfung vom Auftragnehmer nicht mit der gebotenen Unabhängigkeit und Objektivität und damit nicht sachgerecht ausgeführt wird. Handlungs- oder Entscheidungsbefugnisse bei der Vergabe der Sonderprüfung haben der Bezirk Mittelfranken, dessen zentrale Vergabestelle das Vergabeverfahren einschließlich der Zuschlagserteilung für das Kommunalunternehmen durchführt, und der Verwaltungsrat der Bezirkskliniken Mittelfranken , der die Vergabeentscheidung trifft. Es liegen weder dem Bezirk noch der Staatsregierung Erkenntnisse oder Anhaltspunkte vor, dass bei diesem Personenkreis personelle Verflechtungen im Sinne des § 6 VgV und des Art. 40 BezO gegeben sind. Die Objektivität der Auftragsausführung soll durch die Interessenkollisionsklausel sichergestellt werden. Im Rahmen des in die Angebotsphase zurückgesetzten Vergabeverfahrens wurden die Vergabebedingungen außerdem um eine Bestimmung im Vertragsentwurf ergänzt, wonach der Auftragnehmer nur Mitarbeiter oder von ihm Beauftragte für die Leistungserbringung einsetzen wird, bei denen keine Interessenkollision aufgrund einer früheren Tätigkeit des Mitarbeiters oder von ihm Beauftragte vorliegt. Bei der Festlegung der Kriterien für die Eignung der Bewerber hat der Auftraggeber einen Gestaltungsspielraum, dessen Interpretation von der Rechtsaufsicht nicht zu beanstanden ist, sofern diese nicht mit dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und der damit verbundenen Notwendigkeit der Beschaffung einer sachgerechten Leistung schlechthin unvereinbar ist. Vor dem 01.01.2005 waren die Bezirkskrankenhäuser unselbstständige Regiebetriebe des Bezirks Mittelfranken. Nach Auskunft des Bezirks sind keine personellen Verflechtungen zwischen Mitarbeitern der damaligen Regiebetriebe oder der Bezirksverwaltung und den Bietern bekannt. Zu möglichen Verbindungen des vom Vorstand der Bezirkskliniken gehaltenen Unternehmens zu den Bietern wird auf die Antworten zu den Fragen 4.1 bis 4.3 und 5 hingewiesen . 4.1 Hat die Verwaltung des Bezirks Mittelfranken Herrn N. zu entsprechenden Geschäftsbeziehungen befragt? Im Rahmen der ihm übertragenen Durchführung des Vergabeverfahrens war der Bezirk rechtlich nicht verpflichtet, den Vorstand des Kommunalunternehmens zu eventuellen personellen Verflechtungen des von ihm getragenen Unternehmens mit den Anbietern der Sonderuntersuchungsleistungen im Sinne der Frage 3 zu befragen. Da das Unternehmen nicht in das Vergabeverfahren eingebunden ist, liegt kein Anwendungsfall des § 6 VgV oder des Art. 40 BezO vor. Aus Anlass einer Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN im Bezirkstag und der Schriftlichen Anfrage hat der Bezirk den Vorstand des Kommunalunternehmens befragt. Zu Geschäftsbeziehungen im Sinne der Interessenkollisionsklausel wurde der Vorstand des Kommunalunternehmens im Rahmen des Vergabeverfahrens ebenfalls nicht befragt. Die Bieter haben entsprechende Eigenerklärungen abgegeben, dass Interessenkollisionen nicht vorliegen. Nach Auskunft des Bezirks lagen der Verwaltung keine Anhaltspunkte vor, dass Bieter hier unzutreffende Angaben gemacht hätten. Es gibt keine vergaberechtlichen Bestimmungen , die einen öffentlichen Auftraggeber oder die Stelle , die die Ausschreibung für den Auftraggeber durchführt, verpflichtet, Eigenerklärungen ohne einen solchen Anhaltspunkt zu hinterfragen. 4.2 Wenn ja, welche Antworten hat er gegeben? Nach Mitteilung des Bezirks hat der Vorstand des Kommunalunternehmens angegeben, dass das von ihm gehaltene Unternehmen keine gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu den Anbietern der Sonderuntersuchungsleistungen habe. Es seien keine Verflechtungen im Sinne des § 6 VgV gegeben . Drucksache 17/22080 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4.3 Wenn nein, warum wurde auf eine Befragung verzichtet ? Siehe Antwort zu Frage 4.1. 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass ein früherer Partner einer der Bieter jahrelang Aufsichtsratsvorsitzender einer der Firmen von Herrn N. war? Die der Staatsregierung hierzu vorliegenden Informationen lassen keine Anhaltspunkte erkennen, wonach eine solche Konstellation rechtlich relevante Punkte für Interessenkonflikte berührt. Auf die Antwort zu Frage 3 wird Bezug genommen . 6. Welche Umsätze haben die Bieter mit den Bezirkskliniken , dem Kommunalunternehmen und den Firmen von Herrn N. seit 2000 gemacht (aufgeschlüsselt nach Jahren und unter Bezeichnung des Beratungsgegenstandes)? Am aktuellen Vergabeverfahren nehmen nach den Erkenntnissen des Bezirks, die sich auf die von den Bietern abgegebenen Eigenerklärungen stützen und zum Teil durch eigene Recherchen des Bezirks untermauert wurden, nur Bieter teil, die seit dem 01.01.2005 keine entsprechenden Geschäftsbeziehungen hatten. Umsätze vom Jahr 2000 bis zum 01.01.2005 sind für das aktuelle Vergabeverfahren nicht relevant, da nach der Interessenkollisionsklausel nur Geschäftsbeziehungen mit den Bezirkskliniken Mittelfranken , also mit dem seit 01.01.2005 bestehenden Kommunalunternehmen als selbstständiger juristischer Person des öffentlichen Rechts ausgeschlossen sind. Soweit Bieter nicht mehr am Vergabeverfahren teilnehmen, können zur Wahrung schützenswerter Geschäftsgeheimnisse keine Angaben zu Umsätzen gemacht werden. 7.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass laut Presseberichten zwei preislich sehr ähnliche , sich von Mitbewerbern deutlich nach unten hin unterscheidende, Teilnahmeangebote eingegangen sind? Allein der Umstand, dass in einer Submission zwei von vier Angeboten preislich nahe beieinander liegen und die weiteren Angebotssummen im Vergleich deutlich abweichen, gibt keinen Anlass zu der Vermutung, es läge eine Manipulation vor. 7.2 Kann die Staatsregierung ausschließen, dass ein Bieter vor dem Ablauf der Angebotsfrist Kenntnis vom Inhalt eines Konkurrenzangebotes erlangt hat? Nach den Angaben des Bezirks wurden die ordnungsgemäß verschlossenen Angebote bis zur Öffnung in einem verschlossenen Schrank verwahrt und zum Öffnungstermin von zwei Mitarbeiterinnen der zentralen Vergabestelle des Bezirks, die nicht unmittelbar mit dem Vergabeverfahren befasst waren, entsprechend dem Vier-Augen-Prinzip geöffnet und dokumentiert. Die Staatsregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vertraulichkeit der Angebote nicht gewahrt worden wäre. Ein Vertreter der Staatsregierung war nicht vor Ort, um das Verfahren persönlich zu überwachen.