Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 10.04.2018 Riedberger Horn: keine teure Modernisierung der Grasgehrenlifte auf Kosten der Umwelt! Die Grasgehrenlifte am Riedberger Horn sollen durch moderne Hochleistungslifte ersetzt werden. Insgesamt sind Investitionen in Höhe von 10 Mio. Euro für eine künstliche Beschneiungsanlage und einen Achter-Sessellift geplant. Dabei besteht die Gefahr, dass in erheblichem Umfang in Biotope und Moore eingegriffen würde und diese zerstört würden. Sowohl die betroffenen Moorbereiche als auch die Magerwiesen werden im Eingriffsleitfaden des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz als hochwertige Lebensraumtypen beschrieben, in denen regelmäßig Maßnahmen zum Ausgleich ausscheiden. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie bewertet die Staatsregierung die geplanten Eingriffe in Moorgebiete angesichts der Erhaltungsziele des benachbarten FFH-Gebietes (FFH = Fauna-Flora- Habitat) Hörnerkette, die sich konkret auf den Verbund mit benachbarten Lebensräumen beziehen und die Erhaltung der Moore fordern? b) Inwiefern sieht die Staatsregierung die zuständigen Behörden in der Pflicht, die nach Bayerischem Naturschutzgesetz (BayNatSchG) anerkannten betroffenen Moorflächen vor Zerstörung zu bewahren? c) Wie bewertet die Staatsregierung das Vorhaben im Hinblick auf die Bedeutung des Klimaschutzes durch intakte Moore? 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung den Eingriff des Vorhabens mit Blick auf den am Riedberger Horn besonders wichtigen Birkhuhn-Lebensraum? b) Wie bewertet die Staatsregierung die geplanten Ausgleichsmaßnahmen angesichts der Tatsache, dass der Ausgangszustand der betroffenen Biotoptypen dadurch kaum wiederhergestellt werden kann? 3. a) Mit welchen ökologischen Beeinträchtigungen ist durch Anlagen zur künstlichen Beschneiung zu rechnen ? b) Welche voraussichtlichen Auswirkungen haben die Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten, und damit auch auf die wichtige Vernetzung zu benachbarten FFH-Gebieten? c) Welche Auswirkungen können die künstliche Beschneiung und der Bau von Speicherbecken auf den Wasserhaushalt der umliegenden Bäche und deren Ökologie haben? 4. a) Welche bayerischen Rechtsnormen, Ziele und Schutzprogramme widersprechen dem Vorhaben hinsichtlich des öffentlichen Interesses „Naturschutz“? b) Welche bayerischen Rechtsnormen, Ziele und Schutzprogramme widersprechen dem Vorhaben hinsichtlich des öffentlichen Interesses „Klimaschutz“? 5. a) Inwiefern ist die Modernisierung der Skilifte mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms (LEP) Bayerns und des bayerischen Alpenplans zu vereinbaren, Skilifte und andere Baumaßnahmen so zu konzipieren, dass die Naturschönheiten als Erholungsgebiet und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten bleiben? b) Inwiefern ist die Modernisierung der Grasgehrenlifte mit den Zielen der Internationalen Alpenkonvention zu vereinbaren, welche den langfristigen Schutz der natürlichen Ökosysteme fordert? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr vom 11.05.2018 Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage bezieht sich auf Planungen zur Modernisierung der Grasgehrenlifte sowie zur Erweiterung der bestehenden Beschneiungsanlage um einen Speicherteich: – Um das Skigebiet Grasgehren zu modernisieren, beabsichtigt die Grasgehrenlifte Betriebs GmbH, eine bestehende Doppelschleppliftanlage (Grasgehrenlifte III und IV) durch eine moderne, kuppelbare Achter-Sesselbahn (Hörnlebahn) zu ersetzen. Hierzu wurde am 22.04.2014 beim Landratsamt Oberallgäu die Erteilung einer Bau- und Betriebsgenehmigung beantragt. – Des Weiteren wurde am 28.11.2017 die Anlage eines Speicherteichs mit einer Kubatur von ca. 26.000 m3 für eine ausreichende Beschneiung der dortigen Trainingsbzw . Rennstrecke des Bundesstützpunktes für Ski- und Boardercross beantragt. Die Verfahren zu beiden Vorhaben sind noch nicht abgeschlossen . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22105 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22105 1. a) Wie bewertet die Staatsregierung die geplanten Eingriffe in Moorgebiete angesichts der Erhaltungsziele des benachbarten FFH-Gebietes (FFH = Fauna-Flora-Habitat) Hörnerkette, die sich konkret auf den Verbund mit benachbarten Lebensräumen beziehen und die Erhaltung der Moore fordern? Nach Auskunft des Landratsamts Oberallgäu befindet sich im Grasgehrenkessel ein Teil eines Biotopkomplexes, in dem auch Hochmoore von nationaler Bedeutung enthalten sind. Es gebe im Kessel aber keine nennenswerte Offenlandfläche , die nicht die Qualität eines Biotops nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besitze. Die wichtigsten Teile des Biotopkomplexes seien unter FFH- Schutz gestellt und von dem Projekt nicht berührt. Auch innerhalb des Skigebiets gebe es sehr wertvolle Hochmoorflächen . Der Standort sei jedoch gezielt gewählt worden, um diese wertvollen Teile zu meiden. Durch den geplanten Ersatz der Schlepplifte durch die Hörnlebahn würden Moore nicht gefährdet. Die Bahn überspanne Einzelflächen, die als Übergangs- oder Flachmoor einzustufen seien. Durch eine geeignete Wahl der Standorte für die Stationen und Stützen könne ein Flächenverlust weitgehend vermieden werden. Lediglich der Bereich der Talstation sei (teilweise) als geschädigtes Übergangs- und Zwischenmoor eingestuft. Die mit dem beantragten Schneiteich verbundene dauerhafte Überbauung betrifft nach Auskunft des Landratsamts Oberallgäu teils vorgeschädigte Flach- und Quellmoore, mäßig extensiv genutztes, artenreiches Grünland sowie Borstgrasrasen , einige Alpenrosengebüsche und Fließgewässer. Zudem müssten auch bereits gering zersetzte Torfschichten mit einer Stärke von ein bis drei Metern abgegraben werden . Es handle sich um Flächen, die im Winter teilweise für den Skibetrieb genutzt werden oder in dessen unmittelbarer Nähe liegen; im Sommer diene die Fläche als Viehweide. b) Inwiefern sieht die Staatsregierung die zuständigen Behörden in der Pflicht, die nach Bayerischem Naturschutzgesetz (BayNatSchG) anerkannten betroffenen Moorflächen vor Zerstörung zu bewahren ? Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Es obliegt dem Landratsamt Oberallgäu als zuständiger Genehmigungsbehörde , auf der Grundlage sämtlicher aktueller und vorhabenspezifischer Datengrundlagen sicherzustellen, dass die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen beachtet werden. Der Entscheidung des zuständigen Landratsamts kann nicht vorgegriffen werden. c) Wie bewertet die Staatsregierung das Vorhaben im Hinblick auf die Bedeutung des Klimaschutzes durch intakte Moore? Nach Auskunft des Landratsamts Oberallgäu seien nach den vorliegenden Anträgen keine intakten Moore in ihrem Bestand bedroht. Der Schutz intakter sowie auch die Renaturierung geschädigter Moore ist gemeinsames Ziel der unteren Naturschutzbehörde, des Landkreises und der Moorallianz. 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung den Eingriff des Vorhabens mit Blick auf den am Riedberger Horn besonders wichtigen Birkhuhn-Lebensraum? Nach Auskunft des Landratsamts Oberallgäu führe die beantragte Modernisierung der Liftanlage zu keinen nennenswerten Änderungen am dortigen Birkhuhn-Lebensraum. Positiv sei zu berücksichtigen, dass bei einer Sesselbahn die für Birkhühner gefährlichen dünneren und bodennäheren Seile und Leitungen der Schleppliftanlage entfallen würden. Im Zusammenhang mit der geplanten Modernisierungsmaßnahme seien zusätzliche Hilfsmaßnahmen für Birkhühner, insbesondere Besucherlenkungsmaßnahmen, geplant. Der Schneiteich sei durch einen Wildbiologen als unproblematisch eingestuft worden. Die betroffene Fläche weise aufgrund ihrer Ausstattung und Nutzung weder für die Überwinterung noch im Sommer eine Relevanz für die dortige Birkhuhn-Population auf. Zudem liege sie im Bereich unmittelbarer Störungen durch den Menschen. b) Wie bewertet die Staatsregierung die geplanten Ausgleichsmaßnahmen angesichts der Tatsache, dass der Ausgangszustand der betroffenen Biotoptypen dadurch kaum wiederhergestellt werden kann? Nach Auskunft des Landratsamts Oberallgäu können die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen im Hinblick auf die Biotoptypen einen gleichwertigen Ersatz leisten. 3. a) Mit welchen ökologischen Beeinträchtigungen ist durch Anlagen zur künstlichen Beschneiung zu rechnen? Vorhandene wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen einer künstlichen Beschneiung befassen sich – soweit bekannt – nur mit den allgemeinen Auswirkungen auf Böden und Vegetation. Weitergehende allgemeine Erhebungen stehen hierzu nicht zur Verfügung. Die zu erwartenden konkreten Auswirkungen auf die betroffenen Vegetations- und Lebensraumtypen sind im Genehmigungsverfahren fallbezogen zu prüfen und zu bewerten. b) Welche voraussichtlichen Auswirkungen haben die Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Lebensräume , Tier- und Pflanzenarten, und damit auch auf die wichtige Vernetzung zu benachbarten FFH- Gebieten? Nach derzeitiger Einschätzung des Landratsamts dürften sich der Rückbau der Schlepplifte und die Errichtung der Sesselbahn in Bezug auf die Auswirkungen auf die betroffenen Arten vielfach ausgleichen. Der beantragte Standort des Schneiteichs sei für viele Arten aufgrund der Nutzung durch Ski- und Freizeitaktivitäten sowie als Viehweide wenig geeignet. In Bezug auf das Birkhuhn sei die konkrete Fläche vom Hauptbalzplatz deutlich abgesetzt und als Brut-, Aufzucht- und Nahrungshabitat praktisch bedeutungslos. Beide Maßnahmen lägen im Grasgehrenkessel, der weitgehend durch Grate von den benachbarten FFH-Gebietsflächen abgeschirmt sei. Daher könnten Emissionen die FFH- Flächen kaum erreichen und würden ohnehin im Rahmen Drucksache 17/22105 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 des bestehenden Betriebs untergehen. Eine Verschlechterung des benachbarten FFH-Gebiets kann nach Einschätzung des Landratsamts daher ausgeschlossen werden. c) Welche Auswirkungen können die künstliche Beschneiung und der Bau von Speicherbecken auf den Wasserhaushalt der umliegenden Bäche und deren Ökologie haben? Der Speicher würde in erster Linie durch das Überwasser der vorhandenen Trinkwasserquelle gespeist. Das Abschmelzen erfolgt bei Kunstschnee sehr langsam. Bei den im Grasgehren natürlich auftretenden extrem hohen Niederschlägen und Schneehöhen ist der Einfluss als nicht messbar und aus Sicht des Wasserhaushalts als unproblematisch einzustufen. Eine Prüfung dieser Sachverhalte erfolgte bereits im Rahmen des wasserrechtlichen Verfahrens durch den amtlichen Sachverständigen. 4. a) Welche bayerischen Rechtsnormen, Ziele und Schutzprogramme widersprechen dem Vorhaben hinsichtlich des öffentlichen Interesses „Naturschutz “? b) Welche bayerischen Rechtsnormen, Ziele und Schutzprogramme widersprechen dem Vorhaben hinsichtlich des öffentlichen Interesses „Klimaschutz “? Die Überprüfung der konkret beantragten Vorhaben im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen obliegt dem Landratsamt Oberallgäu als zuständiger Genehmigungsbehörde. Der Entscheidung des Landratsamts kann nicht vorgegriffen werden. 5. a) Inwiefern ist die Modernisierung der Skilifte mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms (LEP) Bayerns und des bayerischen Alpenplans zu vereinbaren, Skilifte und andere Baumaßnahmen so zu konzipieren, dass die Naturschönheiten als Erholungsgebiet und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten bleiben? Gemäß LEP 2.3.3 (G) soll die Erschließung der bayerischen Alpen mit Verkehrsvorhaben, wie Seilbahnen und Liften, soweit sie dem öffentlichen Verkehr dienen, so geordnet werden, dass die Naturschönheiten und die Eigenart als Erholungsgebiet sowie die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten werden. Gemäß LEP 2.3.5 (Z) sind in der Zone B des Alpenplans Verkehrsvorhaben landesplanerisch nur zulässig, wenn eine Überprüfung im Einzelfall ergibt, dass sie den Erfordernissen der Raumordnung nicht widersprechen. Dabei haben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein besonderes Gewicht (vgl. Begründung zu LEP 2.3.5 (Z)). Die Regierung von Schwaben, höhere Landesplanungsbehörde , hat die geplante Hörnlebahn in einem vereinfachten Raumordnungsverfahren (landesplanerische Beurteilung vom 17.02.2016, Gz. 24-8265-3/21) auf ihre Vereinbarkeit mit den Erfordernissen der Raumordnung überprüft. Nach Ermittlung der mit dem Vorhaben einhergehenden Auswirkungen auf die berührten überörtlich bedeutsamen Raumund Umweltbelange und nach deren Bewertung anhand der einschlägigen Erfordernisse der Raumordnung kam die Regierung zu dem Ergebnis, dass die geplante Hörnlebahn bei Beachtung von Maßgaben den Erfordernissen der Raumordnung nicht widerspricht. b) Inwiefern ist die Modernisierung der Grasgehrenlifte mit den Zielen der Internationalen Alpenkonvention zu vereinbaren, welche den langfristigen Schutz der natürlichen Ökosysteme fordert? Der Bau oder der Unterhalt von Aufstiegshilfen wird in der Alpenkonvention nicht von vornherein untersagt. Nach Art. 12 Abs. 1 des Tourismusprotokolls sollen die Vertragsparteien vielmehr bei Genehmigungsverfahren auch den ökologischen und landschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen. Dies ist gängige Praxis der Genehmigungsbehörden . Nach derzeitiger Einschätzung des Landratsamts gefährden die geplanten Maßnahmen die natürlichen Ökosysteme nicht, weshalb insoweit auch kein Verstoß gegen die Alpenkonvention erkennbar sei. Art. 12 sowie Art. 14 des Protokolls für Tourismus, der Skipisten als auch Beschneiungsanlagen betrifft, werde besondere Bedeutung zugemessen. Modernisierungsmaßnahmen unter Beachtung aller Minimierungs - und Vermeidungsmöglichkeiten seien mit der Alpenkonvention vereinbar.