Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm (fraktionslos) vom 19.02.2018 Neue Wege in der HIV-Prävention In Großbritannien ist es 2016 gelungen, die Zahl der HIV- Diagnosen bei schwulen Männern innerhalb eines Jahres auf 21 Prozent zu senken und in der Gesamtbevölkerung lag der Rückgang bei 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Public Health England führt die überaus positive Gesamtentwicklung in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) auf die Kombination folgender Präventionsmaßnahmen zurück: – immer mehr schwule und bisexuelle Männer lassen sich testen, – die Anzahl der Positiven in medizinischer Behandlung wächst ständig, – ebenso wächst die Anzahl der Positiven, deren Viruslast durch Behandlung unter der Nachweisgrenze ist, sodass sie nicht mehr infektiös sind, – eine weitere Rolle spielen Faktoren wie der hohe Kondomgebrauch bei wechselnden Partnern und der Zugang zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP). In Deutschland und Bayern blieb dagegen laut Robert Koch- Institut (RKI) im gleichen Zeitraum die Neuinfektionsrate bei der Gruppe MSM zum Vorjahr annähernd gleich. Ähnlich wie in Großbritannien zeigt sich, dass die Infektionsrate in den Großstädten deutlich geringer ist als in den Kleinstädten bzw. auf dem Land. Als Handlungsempfehlung nennt das RKI, neben einer Ausweitung der Aufklärung auch im ländlichen Raum, die Legalisierung des HIV-Selbsttests, den verbesserten Zugang zu medizinischer Behandlung für Menschen ohne Papiere bzw. EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ohne Krankenversicherung und den flächendenkenden Zugang zur PrEP, um die Neuinfektionsrate in der Gruppe der MSM deutlich zu senken. Mit diesen Maßnahmen soll es gelingen, die Ziele von UNAIDS (United Nations Programme on HIV/Aids) für 2020 von 90-90-90 zu erreichen. Besonders umstritten ist in Deutschland dabei der Einsatz der PrEP sowie deren Erstattung durch die Krankenkassen. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung zur Erreichung des von UNAIDS formulierten „90-90-90-Ziels“? b) Wie ist der aktuelle Zielerreichungsgrad in Bayern? c) Durch welche konkreten Maßnahmen sollen die UNAIDS-Ziele in Bayern erreicht werden? 2. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus den vorliegenden Untersuchungen zur PrEP wie der IPERGAY-Studie und der PROUD-Studie? b) Wie steht die Staatsregierung zu den Empfehlungen der Deutschen AIDS-Hilfe und des RKI zur PrEP? c) Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über den derzeitigen Einsatz der Präexpositionsprophylaxe in Bayern? 3. a) Wie steht die Staatsregierung zur Forderung, dass die Präexpositionsprophylaxe in Bayern unter umfassender medizinischer Beratung, Betreuung und Überwachung kostenlos und flächendeckend verfügbar sein soll? b) Wie beurteilt die Staatsregierung eine Kostenübernahme der PrEP durch die Krankenkassen? 4. a) Welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung ergriffen, um Aufklärungsprojekte in Schulen zu fördern , die neben dem Schutz vor einer HIV-Infektion auch über andere sexuell übertragbare Infektionen (IST) informieren? b) Wie wird über HIV-Infektionen, andere sexuell übertragbare Infektionen (IST) und über HIV-infizierte Menschen an Schulen aufgeklärt (bitte im Lehrplan des jeweiligen Schultyps die Unterrichtseinheit aufzeigen)? c) Wird im Rahmen des Unterrichts darauf hingewiesen, dass HIV-Positive bei im Regelfall adäquater Behandlung nicht mehr infektiös sind? 5. a) Wie steht die Staatsregierung zur Legalisierung des HIV-Selbsttests, um der Hemmschwelle zur Testung entgegenzuwirken und somit die Zahl der sogenannten Spätdiagnosen gerade in der Gruppe der Bi- und Heterosexuellen deutlich zu reduzieren? b) Welche Maßnahmen würden im Falle einer Legalisierung des HIV-Selbsttests von der Staatsregierung ergriffen werden, um die Zielgruppe umfassend über die Anwendung des Tests zu informieren und somit eine sinnvolle Nutzung des Tests zu ermöglichen? 6. a) Welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung ergriffen, um die Zahl der HIV-Neuinfektionen auch im ländlichen Raum zu reduzieren? b) Plant die Staatsregierung den Aufbau von flächendeckenden Beratungsstellen und Informationsquellen für einen niederschwelligen und anonymisierten Zugang für die Risikogruppen und, wenn ja, in welcher Zahl? c) Welche Art von Aufklärungskampagnen gegen HIV-Infektionen und andere sexuell übertragbare Infektionen werden von der Staatsregierung in der Öffentlichkeit ergriffen und ermöglicht? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22106 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22106 Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 14.05.2018 1. a) Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung zur Erreichung des von UNAIDS formulierten „90-90-90-Ziels“? Zur Erreichung des „90-90-90-Ziels“ der Weldgesundheitsorganisation (WHO) setzt die Staatsregierung auf drei Maßnahmensäulen : – kontinuierliche, qualitativ hochwertige und zielgruppenspezifische Aufklärung, Information und Beratung in allen Altersklassen und Bevölkerungsgruppen, – Bereitstellung von kostenlosen und anonymen Testangeboten , flächendeckend in ganz Bayern, – Abbau von Stigmatisierung und Förderung der Solidarität mit den von HIV betroffenen Menschen. b) Wie ist der aktuelle Zielerreichungsgrad in Bayern ? Laut aktuellsten Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) vom November 2017 lagen die Zahlen analog zum UNAIDS-Ziel in Bayern im Jahr 2016 bei 87-87-93 (Deutschland 86-86-93). c) Durch welche konkreten Maßnahmen sollen die UNAIDS-Ziele in Bayern erreicht werden? Siehe die Antworten zu den Fragen 1 a und 6 c. 2. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus den vorliegenden Untersuchungen zur PrEP wie der IPERGAY-Studie und der PROUD- Studie? Aufgrund der Ergebnisse der PROUD- und der IPERGAY- Studie scheint die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) das Potenzial zu haben, das Übertragungsrisiko für HIV in einer Population mit sehr hohem Transmissionsrisiko zu senken (Risikoreduktion laut Studien ca. 86 Prozent). Die Hauptzielgruppe für die PrEP sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und häufig ein riskantes Sexualverhalten aufweisen . Die PrEP kann deshalb ein weiterer Bestandteil der HIV- Prävention für eine genau definierte Zielgruppe werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie in ein Gesamtkonzept , bestehend aus Beratung und regelmäßigen Begleituntersuchungen , eingebettet ist. So hängt einerseits der Infektionsschutz maßgeblich von der Therapietreue der Anwender ab. Durch Verzicht auf die Benutzung von Kondomen steigt zudem das Infektionsrisiko mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen an. Auch die Gefahr von Resistenzentwicklung bei einer HIV-Infektion unter Einnahme einer PrEP ist gegeben, sodass regelmäßige HIV-Tests erforderlich sind. b) Wie steht die Staatsregierung zu den Empfehlungen der Deutschen AIDS-Hilfe und des RKI zur PrEP? Die Staatsregierung akzeptiert die abgestimmte Positionierung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), des RKI, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). c) Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über den derzeitigen Einsatz der Präexpositionsprophylaxe in Bayern? Systematisch erhobene, quantitative Zahlen über den Gebrauch der PrEP in Bayern liegen der Staatsregierung nicht vor. 3. a) Wie steht die Staatsregierung zur Forderung, dass die Präexpositionsprophylaxe in Bayern unter umfassender medizinischer Beratung, Betreuung und Überwachung kostenlos und flächendeckend verfügbar sein soll? b) Wie beurteilt die Staatsregierung eine Kostenübernahme der PrEP durch die Krankenkassen? Über eine Kostenübernahme für die PrEP und die dafür notwendigen medizinischen Begleitmaßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) entscheidet ausschließlich der Gemeinsame Bundesausschuss. 4. a) Welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung ergriffen, um Aufklärungsprojekte in Schulen zu fördern, die neben dem Schutz vor einer HIV- Infektion auch über andere sexuell übertragbare Infektionen (IST) informieren? Der Schutz vor Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infekten und insbesondere mit HI-Viren ist sowohl durch die einschlägigen Richtlinien als auch auf Lehrplanebene als Unterrichtsthema verbindlich festgelegt (siehe auch Antwort zu Frage 4 b). Durch die Einbeziehung dieses Lernziels in den Pflichtunterricht ist die maximale Gewähr gegeben, dass alle Schülerinnen und Schüler erreicht werden können. Zusätzliche Aufklärungsprojekte zu diesem Thema werden von einzelnen Schulen durchgeführt, sie werden jedoch nicht von der Staatsregierung finanziell gefördert. Hingegen wurden und werden die Lehrkräfte dabei unterstützt, auch das o. a. Thema qualitätsvoll und wirksam zu unterrichten. So wurde bereits im Jahr 2004 das Aids-Präventionsprogramm LIZA „Liebe in Zeiten von Aids“ (https://www. km.bayern.de/lehrer/erziehung-und-bildung/gesundheit/aid spraevention.html) von dem damaligen Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie dem damaligen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz initiiert und für den Unterricht in den Jahrgangsstufen 8 und 9 entwickelt. Dieses Lehrermanual wurde an alle Hauptschulen , Förderschulen, Realschulen, Wirtschaftsschulen und Gymnasien verteilt. Begleitet wurde die Einführung des Unterrichtsmanuals durch die Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Lehrerfortbildung. Ebenfalls zu Drucksache 17/22106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 diesem Zweck werden Veranstaltungsangebote der Psychosozialen AIDS-Beratungsstelle München der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians -Universität München regelmäßig vom Staatsministerium Unterricht und Kultus (StMUK) kommuniziert. Anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember erhalten die Schulen alljährlich ein vom Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) erstelltes Aids-Quiz. Im Rahmen des an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 und 8 adressierten Quiz werden diese dazu animiert, ihr Wissen zu Prävention und Epidemiologie von HIV und Aids unter Beweis zu stellen und ggf. zu aktualisieren . Mindestens einmal im Schuljahr treffen sich Vertreter des Jugendamts und der Schule (Schulleitung oder von ihr beauftragte Lehrkraft) zur Besprechung und Koordinierung der Zusammenarbeit auf Gebieten gemeinsamer Verantwortung , etwa bei der Sexualerziehung und Aids-Prävention (GemBek vom 13.08.1996, KWMBl I 1996, S. 337, www. km.bayern.de/download/486_12.pdf). b) Wie wird über HIV-Infektionen, andere sexuell übertragbare Infektionen (IST) und über HIV-infizierte Menschen an Schulen aufgeklärt (bitte im Lehrplan des jeweiligen Schultyps die Unterrichtseinheit aufzeigen)? Der konkrete Rahmen für die Behandlung dieses Themenbereichs in den bayerischen Schulen wird durch die Richtlinien für die Aids-Prävention (http://www.gesetzebayern.de/ Content/Document/BayVV_2126_2_UK_138/true) sowie die Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung (htt ps://www.km.bayern.de/download/493_richtlinien_familien_ und_sexualerziehung.pdf) vorgegeben, die für jede Lehrkraft in Bayern verbindlich sind und auch bei der Erstellung von Lehrplänen Beachtung finden. Danach erwerben die Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden Schulen im Rahmen der Familien- und Sexualerziehung biologisch-medizinisches Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten (STI), Übertragungswege, Symptome, Präventionsmöglichkeiten u. a. Dabei werden das HI-Virus und die Immunschwächeerkrankung Aids besonders berücksichtigt. Gemäß den Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung erfolgt die Aids-/STI-Prävention insbesondere in Jahrgangsstufe 8: „Schülerinnen und Schüler – verstehen Empfängnisregulation als Möglichkeit, ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden, und erkennen die Bedeutung von Kondomen auch als Infektionsschutz – leiten aus dem Wissen über die Wirkungsweise und Wirksamkeit verschiedener empfängnisverhütender Methoden und Mittel Folgerungen für verantwortungsbewusste Empfängnisregulation und Gesundheitsvorsorge ab – strukturieren ihr Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten: Übertragungswege, Symptome, Präventionsmöglichkeiten , Impfungen, Therapiemöglichkeiten (u. a. HI-Virus, Chlamydien) – sind offen und aufgeschlossen für eine regelmäßige Gesundheitsvorsorge und ggf. Beratung durch den Facharzt – achten sich selbst und begegnen anderen mit Achtung“. In der Grundschule sowie in den Jahrgangsstufen 5 bis 7 stehen neben der Vermittlung biologischer Grundlagen der Geschlechtlichkeit und Grundlagen der Hygiene v. a. Persönlichkeitsstärkung und Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen wie Selbstwertgefühl, Verantwortungsbereitschaft , Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit oder Frustrationstoleranz im Vordergrund. Spezifische Themen der Aids-/STI-Prävention finden sich in den Lehrplänen (http://www.isb.bayern.de/) der hierfür besonders geeigneten Fächer Biologie, Religionslehre, Ethik und auch Deutsch der weiterführenden Schulen i. d. R. ab Jahrgangsstufe (Jgst.) 8. Für das Fach Biologie bzw. Physik/Chemie/Biologie (Mittelschule) kann hier Folgendes genannt werden: Mittelschule (Jgst. 8): Infektionskrankheiten – Infektionskrankheiten durch Bakterien, Viren und Pilze, Ansteckung und Verlauf, – Bakterien und Viren in ihrer Wirkung als Erreger, – Schutz und Vorbeugung; Funktionsweise des körpereigenen Immunsystems, Verhalten bei Erkrankung, – HI-Virus als Ursache von Aids: Ansteckung, Verlauf, Schutz, – Verhalten gegenüber Kranken. Wiederholen, Üben, Anwenden, Vertiefen – eine verantwortliche Lebensführung anstreben (Ernährung , Infektionskrankheiten, Aids, Suchtmittel, Drogen; Sexualität). Realschule (Jgst. 8): Schutz- und Abwehrsystem beim Menschen Infektionskrankheiten – Ansteckung und Verlauf einer Infektionskrankheit, – Aids: Übertragungswege, Schutzmaßnahmen, Wirkung der HI-Viren auf das Immunsystem und Krankheitsverlauf . Gymnasium (Jgst. 8 und 9): Fortpflanzung und Entwicklung des Menschen Medizinische, ethische und gesellschaftliche Aspekte menschlicher Sexualität – Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen. Immunsystem und Abwehr von Krankheitserregern – Viren und Bakterien als Krankheitserreger, Verlauf einer Infektionskrankheit, – Erkennung und Bekämpfung körperfremder Stoffe, Antigen und Antikörper, – Reaktionen des Immunsystems bei Infektionskrankheiten : unspezifische und spezifische Antwort, – unterstützende Therapiemaßnahmen, z. B. Antibiotika, – Immunschwächeerkrankung Aids. Angewandte Biologie Seuchen und Infektionskrankheiten – Vorbeugung: Hygiene, Impfungen, gesetzliche Regelungen . Da die Schule bei der Aids-Aufklärung neben der biologischmedizinischen Information Anstöße zu verantwortungsbewusstem Handeln und zu risikoarmen sexuellen Verhaltensweisen geben soll, ist eine Zusammenarbeit mit den Eltern unumgänglich. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22106 c) Wird im Rahmen des Unterrichts darauf hingewiesen , dass HIV-Positive bei im Regelfall adäquater Behandlung nicht mehr infektiös sind? Hierzu kann nur eine pauschale Antwort gegeben werden, da die Behandlung spezieller Inhalte im Unterricht der jeweiligen Lehrkraft vor Ort überlassen bleibt und Lehrpläne ein gewisses Abstraktionsniveau aufweisen. Da gemäß den Richtlinien auch im Rahmen der Familien- und Sexualerziehung wissenschaftlich gesicherte und relevante Erkenntnisse vermittelt werden sollen, darf davon ausgegangen werden, dass auch die Information über aktuelles medizinisches Wissen, die Infektiosität HIV-positiver Menschen betreffend, i. d. R. in der Schule stattfindet. 5. a) Wie steht die Staatsregierung zur Legalisierung des HIV-Selbsttests, um der Hemmschwelle zur Testung entgegenzuwirken und somit die Zahl der sogenannten Spätdiagnosen gerade in der Gruppe der Bi- und Heterosexuellen deutlich zu reduzieren ? Selbsttests können eine Möglichkeit darstellen, Menschen zu erreichen, die bislang die üblichen Testangebote nicht in Anspruch genommen haben. Allerdings dürfen bisher HIV-Schnelltests in Deutschland nur an Ärzte, ambulante und stationäre Einrichtungen im Gesundheitswesen, Großhandel und Apotheken, Gesundheitsbehörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, Blutspendedienste, pharmazeutische Unternehmen, Beratungs- und Testeinrichtungen für besonders gefährdete Personengruppen, in denen Tests unter ärztlicher Aufsicht angeboten werden, aber nicht an medizinische Laien zur Selbsttestung abgegeben werden. Dies ist in § 3 „Sonstige Abgabebeschränkungen“ der Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Abgabeverordnung – MPAV) geregelt und gilt allgemein für In-vitro-Diagnostika, die für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung einer in § 24 Satz 1 oder Satz 2 des Infektions schutzgesetzes (IfSG) genannten Krankheit oder einer Infektion mit einem in § 24 Satz 1 oder Satz 2 des Infektions schutzgesetzes genannten Krankheitserreger bestimmt sind. Zum Zeitpunkt, als die MPAV in Kraft getreten ist, wurde die Abgabebeschränkung mit der unzureichenden Qualität der damals verfügbaren Selbsttests, der Gefahr von Anwendungs - und Anwenderfehlern sowie der fehlenden Sicherstellung einer ärztlichen Beratung bei der Selbsttestung begründet . Wegen neueren Entwicklungen in der Qualität und Handhabbarkeit der Schnelltests prüft das Bundesgesundheitsministerium derzeit, ob eine Änderung der bisherigen Bewertung mit Folge einer Änderung der Abgabeeinschränkung geboten ist. Die einschlägige Gesetzgebungskompetenz liegt ausschließlich beim Bund. b) Welche Maßnahmen würden im Falle einer Legalisierung des HIV-Selbsttests von der Staatsregierung ergriffen werden, um die Zielgruppe umfassend über die Anwendung des Tests zu informieren und somit eine sinnvolle Nutzung des Tests zu ermöglichen? Die In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung (Selbsttests) müssen, damit sie rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, laut Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika Anh. 1 Buchst. A Nr. 7 so ausgelegt und hergestellt sein, dass sie ihre Funktion unter Berücksichtigung der Fertigkeiten und Möglichkeiten der Anwender sowie der Auswirkungen der normalerweise zu erwartenden Schwankungen in der Verfahrensweise und der Umgebung der Anwender bestimmungsgemäß erfüllen können. Die vom Hersteller beigefügten Angaben und Anweisungen müssen für den Anwender leicht verständlich und anwendbar sein. Produkte zur Eigenanwendung müssen so ausgelegt und hergestellt sein, dass gewährleistet ist, dass das Produkt für den nicht medizinisch ausgebildeten Anwender in allen Bedienungsphasen einfach anzuwenden ist, und die Gefahr einer falschen Handhabung des Produkts oder einer falschen Interpretation der Ergebnisse durch den Anwender so gering wie möglich gehalten wird. Produkte zur Eigenanwendung müssen, soweit es unter vertretbaren Bedingungen möglich ist, mit einem Verfahren zur Anwenderkontrolle versehen sein, d. h. einem Verfahren, mit dem der Anwender kontrollieren kann, ob das Produkt bei der Anwendung bestimmungsgemäß arbeitet. Falls HIV-Tests zur Selbsttestung von den Abgabebeschränkungen ausgenommen werden sollten, müssen diese zumindest obige Vorgaben erfüllen, d. h., die Angaben des Herstellers zur Anwendung müssen für sich allein für die sichere Anwendung und Auswertung ausreichend sein. Die Staatsregierung wird zum gegebenen Zeitpunkt geeignete Maßnahmen zur Information und zum sinnvollen Einsatz der Tests erarbeiten. 6. a) Welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung ergriffen, um die Zahl der HIV-Neuinfektionen auch im ländlichen Raum zu reduzieren? b) Plant die Staatsregierung den Aufbau von flächendeckenden Beratungsstellen und Informationsquellen für einen niederschwelligen und anonymisierten Zugang für die Risikogruppen und, wenn ja, in welcher Zahl? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 a verwiesen. c) Welche Art von Aufklärungskampagnen gegen HIV-Infektionen und andere sexuell übertragbare Infektionen werden von der Staatsregierung in der Öffentlichkeit ergriffen und ermöglicht? Die Ende 2014 gestartete, bayernweite HIV-Präventionskampagne „Mit Sicherheit besser“ wirbt für konsequenten Drucksache 17/22106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Schutz vor einer Infektion mit dem HI-Virus oder einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit. Außerdem setzt sie sich gegen eine Stigmatisierung und für mehr Solidarität mit Betroffenen ein. Weitere Informationen zu der bayerischen HIV-Präventionskampagne sind unter www.mitsicherheit besser.de zu finden. Daneben stellt das Staatsministerium für Gesundheit seit rund 30 Jahren flächendeckend ein bundesweit einmaliges, dreigliedriges System von Prävention und Angeboten zur Beratung und Hilfe zur Verfügung. Die 76 Gesundheitsämter in Bayern beraten fachkundig über Risikominimierung und bieten kostenfrei und anonym HlV-Tests an. Ergänzend gibt es zehn psychosoziale Aids-Beratungsstellen , mindestens eine je Regierungsbezirk. Sie begleiten Betroffene und deren Angehörige und führen überregional Präventionsaktionen durch. Derartige Stellen gibt es als Element des Maßnahmenbündels zur Eindämmung von HIV und Aids nur in Bayern. Die vom Staatsministerium für Gesundheit initiierten und geförderten Maßnahmen der organisierten HIV/Aids-Selbsthilfe , wie z. B. die Aids-Hilfen, erreichen als „drittes Bein“ zielgruppenspezifisch besonders gefährdete Gruppen, v. a. homosexuelle Männer oder Prostituierte. Zur Erhöhung der HIV-Testbereitschaft findet seit 2013 einmal im Jahr eine Aktionswoche statt. In dieser Zeit bieten die bayerischen Gesundheitsämter, einige Aids-Beratungsstellen und Aids-Hilfen neben ihren regelmäßigen Angeboten unter dem Motto „Test jetzt!“ Gelegenheit, sich auf HIV testen zu lassen, anonym, vertraulich und mit kompetenter Beratung. Im Rahmen der Beratungsgespräche erfolgt eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Risikosituation, um eventuell vorhandene Wissenslücken zu schließen und die Motivation zu gesundheitsbewusstem, verantwortungsvollem Handeln zu stärken. Weitere Informationen zur Bayerischen HIV-Testwoche sind unter www.testjetzt.de zu finden .