Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.03.2018 Förderung von Tiefenwasser in Unterfranken Auf Grundwasser – vor allem aus den tieferen Stockwerken – darf nur bei unabdingbarer Notwendigkeit zurückgegriffen werden, um die Wasserreserven auch für morgen zu erhalten. Grundwasser in tieferen Grundwasserstockwerken (Tiefengrundwasser) erneuert sich nur langsam und ist aufgrund seines hohen Alters zumeist noch von natürlicher Reinheit. Es stellt deshalb eine „eiserne Reserve“ für die Versorgung der Bevölkerung in besonderen Not- und Krisenfällen dar. Bei jedem Eingriff in Tiefengrundwasser besteht ein besonderes Risiko nachteiliger irreversibler Veränderungen . Zur Schonung von Tiefengrundwasser sollen deshalb bereits genutzte, aber belastete Grundwasservorkommen nicht aufgegeben, sondern – soweit wirtschaftlich zumutbar – saniert werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser wurden in den letzten zehn Jahren in Unterfranken erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen )? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? 2. Für welche Mengen wurden diese wasserrechtlichen Genehmigungen für Tiefenwasser erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen )? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? 3. Für welchen Zeitraum wurden diese wasserrechtlichen Genehmigungen für Tiefenwasser erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen )? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? 4. a) Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser sind in den letzten zehn Jahren in Unterfranken abgelaufen und wurden nicht mehr verlängert (bitte einzeln aufführen)? b) Wurden in Unterfranken belastete Grundwasservorkommen saniert, um Tiefenwasser zu schonen, wenn ja, wo? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Erschließung von Tiefenwasser durch Fernwasserversorger? b) Welche strukturbedingen Nachteile haben kleinere lokale Wasserversorger im Wettbewerb mit Fernwasserversorgern bei der Erschließung von Tiefenwasser? c) Sind der Staatsregierung Beispiele bekannt, bei denen lokale Wasserversorger durch Fernwasserversorger mit Tiefenwasser verdrängt wurden? 6. In welchen Naturräumen Unterfrankens sind für Trinkwasser geeignete Tiefenwasservorkommen zu erwarten und in welchen Naturräumen nicht? 7. a) Wie hat sich der Anteil der Nutzung des Tiefenwassers im Vergleich zu oberflächennahem Grundwasser in Unterfranken in den letzten zehn Jahren entwickelt? b) Wie hat sich die Menge des geförderten Grundwassers in Unterfranken in den letzten zehn Jahren entwickelt ? c) Welche Konsequenzen werden aus der Klimaüberhitzung mit zunehmenden Trockenperioden für Unterfranken auf die Genehmigung neuer Grundwasserförderungen gezogen? 8. Wie viele Brunnen der öffentlichen Wasserversorgung in Unterfranken mussten in den letzten zehn Jahren aufgrund zu hoher Nitrat- oder Pestizidwerte stillgelegt werden (bitte für jedes Jahr einzeln angeben)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22111 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22111 Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11.05.2018 1. Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser wurden in den letzten zehn Jahren in Unterfranken erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen)? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? Weder für die öffentliche Trinkwasserversorgung noch für die Heil- und Thermalwassernutzung wurden in den letzten zehn Jahren Entnahmen aus Grundwasser genehmigt, die dem Tiefengrundwasser zugeordnet werden können. Für die Getränkeherstellung besteht in Unterfranken lediglich eine Genehmigung zur Entnahme aus Tiefengrundwasser. 2. Für welche Mengen wurden diese wasserrechtlichen Genehmigungen für Tiefenwasser erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen)? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? Bezüglich öffentlicher Trinkwasserversorgung sowie Heilund Thermalwassernutzung siehe Antwort zu den Fragen 1 a bis 1 c. Für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung wurde mit Bescheid vom 20.01.1998 (Laufzeit bis 31.12.2018) eine Jahresmenge von 214.520 m3/a aus mehreren Brunnen genehmigt, davon 165.000 m3/a aus dem Zechstein (Tiefengrundwasser). Im betrachteten Zeitraum gab es lediglich eine teilweise Umverteilung der Entnahmen aus den Einzelbrunnen, ohne die Gesamtentnahme aus dem Zechstein zu erhöhen. 3. Für welchen Zeitraum wurden diese wasserrechtlichen Genehmigungen für Tiefenwasser erteilt a) für die öffentliche Wasserversorgung (bitte einzeln aufführen)? b) für Heil- und Thermalwassernutzungen? c) für die gewerbliche Entnahme für die Getränkeherstellung ? Siehe Antwort zu den Fragen 2 a bis 2 c. 4. a) Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser sind in den letzten zehn Jahren in Unterfranken abgelaufen und wurden nicht mehr verlängert (bitte einzeln aufführen)? Es sind in Unterfranken keine Fälle bekannt. b) Wurden in Unterfranken belastete Grundwasservorkommen saniert, um Tiefenwasser zu schonen, wenn ja, wo? Die öffentliche Wasserversorgung in Unterfranken nutzt ausschließlich Grundwasser das nach derzeitigem Kenntnisstand nicht als Tiefengrundwasser einzustufen ist. Meist handelt es sich dabei um oberflächennahes Grundwasser. Für Heil-, Thermal- und Mineralwassernutzungen kommt wegen der besonderen Qualitätsanforderungen kein oberflächennahes Grundwasser in Betracht. Insofern besteht in Unterfranken nicht die Notwendigkeit belastetes Grundwasser deshalb zu sanieren, um Tiefengrundwasser zu schonen. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Erschließung von Tiefenwasser durch Fernwasserversorger? Die Grundsätze für die besonders schonende Nutzung von Tiefengrundwasser in Bayern gelten in gleicher Weise für jedes Wasserversorgungsunternehmen, unabhängig davon , ob es sich um einen örtlichen Wasserversorger oder um ein Fernwasserversorgungsunternehmen handelt. Eine Nutzung von Tiefengrundwasser durch Fernwasserversorgungsunternehmen erfolgt in Bayern im Übrigen nur sehr untergeordnet. Tiefengrundwasser eignet sich aufgrund der geringen Erneuerung und des damit verbundenen eingeschränkten nutzbaren Grundwasserdargebots nicht für eine überregionale Versorgung mit Trinkwasser. b) Welche strukturbedingen Nachteile haben kleinere lokale Wasserversorger im Wettbewerb mit Fernwasserversorgern bei der Erschließung von Tiefenwasser ? Die Versorgung mit Trinkwasser ist eine kommunale Pflichtaufgabe und nicht dem freien Wettbewerb unterworfen. Die Erschließung von Tiefengrundwasser ist erfahrungsgemäß mit einem erhöhten Aufwand verbunden. c) Sind der Staatsregierung Beispiele bekannt, bei denen lokale Wasserversorger durch Fernwasserversorger mit Tiefenwasser verdrängt wurden? Es sind keine Beispiele bekannt. 6. In welchen Naturräumen Unterfrankens sind für Trinkwasser geeignete Tiefenwasservorkommen zu erwarten und in welchen Naturräumen nicht? In Unterfranken ist nach derzeitigem Kenntnisstand vorwiegend in den Kalk-, Dolomit- und teilweise Gipssteinen des Zechsteins mit Tiefengrundwasser zu rechnen. Die Schichten sind fast in ganz Unterfranken anzutreffen. Im Vorderen Spessart sind sie nicht vorhanden. Die wasserführenden Horizonte sind teilweise sehr geringmächtig und allgemein wenig ergiebig. Wegen erhöhter Mineralisation und teilweise geogenen Belastungen sind sie grundsätzlich für die öffentliche Wasserversorgung nicht oder nur nach entsprechender Aufbereitung geeignet. Drucksache 17/22111 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. a) Wie hat sich der Anteil der Nutzung des Tiefenwassers im Vergleich zu oberflächennahem Grundwasser in Unterfranken in den letzten zehn Jahren entwickelt? In Unterfranken wurden folgende Mengen an Tiefengrundwasser genutzt: Tabelle zu Frage 7 a Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Menge (Tsd. m3) 926 847 844 884 832 846 819 752 843 879 Im Vergleich der einzelnen Jahre traten nur geringe Schwankungen der Nutzungsmengen auf. Im Durchschnitt des Zeitraums 2008 bis 2017 (zehn Jahre) liegt die genutzte Menge an Tiefengrundwasser bei jährlich 847.000 m3. Daran beträgt der Anteil, der für die Getränkeherstellung verwendet wird (jährlich rd. 165. 000 m3), etwa 19 Prozent. Im Vergleich zur durchschnittlich gewonnenen Gesamtmenge an Grundwasser für die öffentliche Wasserversorgung (siehe Antwort zu Frage 7 b) beträgt der jährliche Anteil an Tiefengrundwasser (Getränkeherstellung sowie Heil- und Thermalwassernutzung) etwa 1,1 Prozent. Unter Berücksichtigung, dass zusätzlich Grundwasser für anderweitige Zwecke entnommen wird (aufgrund des erheblichen Aufwandes wurde auf eine Datenerhebung hier verzichtet), liegt der Anteil an Tiefengrundwasser an der gesamten Grundwasserentnahme deutlich unter 1 Prozent. b) Wie hat sich die Menge des geförderten Grundwassers in Unterfranken in den letzten zehn Jahren entwickelt? Hierzu liegen Daten der öffentlichen Wasserversorgung bis 2016 vor. Auf eine Datenerhebung von zusätzlich für anderweitige Zwecke gewonnenen Grundwassers wurde aufgrund des erheblichen Aufwandes verzichtet. In Unterfranken hat sich die Entnahme von Grundwasser für die öffentliche Wasserversorgung wie folgt entwickelt: Tabelle zu Frage 7 b Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Menge (Mio. m3) 78,6 77,3 76,7 76,0 77,2 76,6 72,9 74,4 77,6 77,4 Im Zeitraum 2007 bis 2016 (zehn Jahre) wurden jährlich durchschnittlich 76,8 Mio. m3 Grundwasser gewonnen. Zusätzlich werden nach Unterfranken rd. 4 Mio. m3/a Fernwasser beigeleitet. Der jährliche Verbrauch hat sich bei rd. 81 Mio. m3/a eingependelt. c) Welche Konsequenzen werden aus der Klimaüberhitzung mit zunehmenden Trockenperioden für Unterfranken – bezogen auf die Genehmigung neuer Grundwasserförderungen – gezogen? Eine Sonderumfrage bei den Wasserversorgungsunternehmen nach dem Trockenjahr 2015 hat ergeben, dass rd. zwei Drittel der Unternehmen den Bedarf sehen, ihre Wasserversorgungsanlagen an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Besonders hervorgehoben werden dabei beispielsweise die Verringerung von Eigenbedarf, neue Erschließungen oder die Schaffung eines Versorgungsverbundes mit benachbarten Unternehmen oder durch den Anschluss an die Fernwasserversorgung. Vonseiten der Fachbehörden wird insbesondere auf die Schaffung eines zweiten Standbeines (weitere Erschließung, Versorgungsverbund ) hingewirkt. Vor allem bei oberflächennahen Quellfassungen , die schnell auf Trockenperioden mit verminderten Schüttungen sowie auf stärkere Niederschläge mit Eintrübungen reagieren, sind Neuerschließungen und Verbundlösungen angezeigt. Neben dem Vorhandensein eines ausreichenden Dargebotes ist dabei regelmäßig auch die Schützbarkeit der Wasserfassungen und ein ausreichend bemessenes Wasserschutzgebiet zu gewährleisten. Die Regierung von Unterfranken hat zusammen mit den Wasserwirtschaftsämtern Aschaffenburg und Bad Kissingen ab 2009 eine Wasserversorgungsbilanz erstellt, die den Wasserversorgungsunternehmen zur Verfügung steht. Die Bilanz bewertet insbesondere die Versorgungssicherheit in den einzelnen Verteilungsgebieten und beschreibt den Handlungsbedarf für eine Verbesserung der jeweiligen Situa tion. Die Wasserversorgungsbilanz Unterfranken beinhaltet auch Prognosen für die Auswirkungen des Klimawandels . Die Datenbasis wird jährlich aktualisiert. 8. Wie viele Brunnen der öffentlichen Wasserversorgung in Unterfranken mussten in den letzten zehn Jahren aufgrund zu hoher Nitrat- oder Pestizidwerte stillgelegt werden (bitte für jedes Jahr einzeln angeben)? Die nachfolgenden Angaben ergeben sich aus der Wasserversorgungsbilanz Unterfranken. Die Datenbasis lässt derzeit Auswertungen für den Zeitraum 2007 bis 2016 zu. Es wurden alle stillgelegten Fassungen gezählt, in denen Überschreitungen der Grenzwerte für Nitrat (50 mg/l) und Pflanzenschutzmittel (0,1 μg/l) festzustellen waren. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22111 Tabellen zu Frage 8 Nitrat Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl 0 2 3 0 1 0 0 0 0 1 Pflanzenschutzmittel Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 Demnach wurden in den letzten zehn Jahren sieben Fassungen aufgrund der Nitratbelastung und zwei Fassungen aufgrund der Belastung mit Pflanzenschutzmitteln aufgegeben . In diesen Fällen können auch technische Gründe oder eine fehlende Schützbarkeit der ausschlaggebende Grund für eine endgültige Auflassung der Wasserfassungen sein. Die Gesamtheit der Wasserfassungen liegt aktuell bei 785 Quellen und Brunnen, die für die öffentliche Trinkwasserversorgung in Unterfranken genutzt werden.