Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.04.2018 Neues G9 in Bayern II Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie sollen die Schülerinnen und Schüler, die sich am neuen G9 für die individuelle Lernzeitverkürzung entschieden haben, in Förder- und Begleitmodulen auf das Auslassen der 11. Jahrgangsstufe vorbereitet werden ? 1.2 Zu welchem Zeitpunkt müssen sich Schülerinnen und Schüler spätestens entscheiden, die Lernzeit zu verkürzen ? 2.1 In welcher Form und in welchem Umfang werden die Förder- und Begleitmodule angeboten? 2.2 Welche Kriterien liegen dieser Entscheidung zugrunde, sowohl seitens der Schule als auch seitens der Schülerinnen und Schüler? 3.1 Werden die Schülerinnen und Schüler, die sich für eine Lernzeitverkürzung aufgrund besonderer Leistungen entscheiden, dieselben Förderangebote besuchen, wie die Schülerinnen und Schüler, die einen Auslandsaufenthalt planen und das Förderangebot deshalb in Anspruch nehmen? 3.2 Falls dem so ist, müssen die Schülerinnen und Schüler künftig besondere Leistungen erbringen, um ein Auslandsjahr antreten zu dürfen? 4.1 Was qualifiziert den sogenannten Mentor? 4.2 Wie lautet im Speziellen dessen Aufgabenbereich? 4.3 Wie viele Stunden werden dieser Lehrkraft für den Aufgabenbereich „Mentor“ angerechnet? 5. 1 Wie soll die Doppelstündigkeit in der 11. Klasse durchgesetzt werden, wenn alle Kernfächer dreistündig sind? 5.2 Inwiefern soll ein Epochalunterricht in der 11. Klasse bei der vorliegenden Stundentafel konkret umgesetzt werden? 6. Wie soll der Sprachbildung und deren Bedeutung für alle Fächer Rechnung getragen werden, wenn das Fach Deutsch in den Jahrgangsstufen 9, 10 und 11 jeweils nur dreistündig angesetzt ist? 7. Inwiefern soll der Bedeutung der politischen Bildung Rechnung getragen werden? 8.1 Zu welchem Zeitpunkt findet das P-Seminar und das W-Seminar statt? 8.2 Kommen Schülerinnen und Schüler, die die 11. Klasse überspringen, noch in den Genuss eines P-Seminars? Antwort des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 17.05.2018 1.1 Wie sollen die Schülerinnen und Schüler, die sich am neuen G9 für die individuelle Lernzeitverkürzung entschieden haben, in Förder- und Begleitmodulen auf das Auslassen der 11. Jahrgangsstufe vorbereitet werden? 1.2 Zu welchem Zeitpunkt müssen sich Schülerinnen und Schüler spätestens entscheiden, die Lernzeit zu verkürzen? 2.1 In welcher Form und in welchem Umfang werden die Förder- und Begleitmodule angeboten? 2.2 Welche Kriterien liegen dieser Entscheidung zugrunde , sowohl seitens der Schule als auch seitens der Schülerinnen und Schüler? 3.1 Werden die Schülerinnen und Schüler, die sich für eine Lernzeitverkürzung aufgrund besonderer Leistungen entscheiden, dieselben Förderangebote besuchen, wie die Schülerinnen und Schüler, die einen Auslandsaufenthalt planen und das Förderangebot deshalb in Anspruch nehmen? 3.2 Falls dem so ist, müssen die Schülerinnen und Schüler künftig besondere Leistungen erbringen, um ein Auslandsjahr antreten zu dürfen? 4.1 Was qualifiziert den sogenannten Mentor? 4.2 Wie lautet im Speziellen dessen Aufgabenbereich? 4.3 Wie viele Stunden werden dieser Lehrkraft für den Aufgabenbereich „Mentor“ angerechnet? Die Fragen 1.1 bis 4.3 beziehen sich sämtlich auf das im neuen neunjährigen Gymnasium vorgesehene pädagogische Instrument der Individuellen Lernzeitverkürzung. Hierzu wird gesammelt wie folgt geantwortet: Die Möglichkeit, die Lernzeit bis zum Abitur individuell und pädagogisch begleitet auf acht Jahre zu verkürzen, wird einen integralen Bestandteil des neuen bayerischen Gymnasiums darstellen. Das Vorblatt zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums in Bayern (vgl. Drs. 17/17725) nennt hierzu folgende Eckpunkte: Schülerinnen und Schüler sollen ihre Lernzeit bis zum Abitur an jedem Schulstandort individuell um ein Jahr verkürzen können (institutionell verankerte „Überholspur“). Im Rah- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22202 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22202 men eines auf zwei Jahre angelegten strukturierten Förderund Begleitangebots sollen diese Schülerinnen und Schüler in Zusatzkursen vorbereitet werden: ─ Die Schule stellt durch geeignete Maßnahmen sicher, dass Schülerinnen und Schüler rechtzeitig informiert, gezielt angesprochen und entsprechend beraten werden . ─ Sie erhalten strukturierte Förder- und Begleitmodule. In diesem Modell werden über einen Zeitraum von zwei Jahren vor dem Auslassen der Jahrgangsstufe 11 (d. h. in den Jahrgangsstufen 9 und 10) am Nachmittag Zusatzmodule , i. d. R. in Kernfächern (d. h. Deutsch, Mathematik , Fremdsprache), im Umfang von bis zu vier Wochenstunden pro Schuljahr eingerichtet. ─ Die betreffenden Schülerinnen und Schüler können dann am jeweiligen Schulstandort, im jeweiligen Zweig und bis zur Jahrgangsstufe 10 in derselben Klasse verbleiben . ─ Schülerinnen und Schülern, die die Lernzeit verkürzen, soll eine Lehrkraft als spezieller Ansprechpartner („Mentor “) zur Verfügung stehen und sie bis zum Eintritt in die Qualifikationsphase beraten und begleiten. ─ Schulen, an denen die Lernzeitverkürzung für einen vergleichsweise großen Anteil der Schülerinnen und Schüler etwa durch besonders gut gestaltete Förder- und Begleitmodule erfolgreich umgesetzt wird, sollen zusätzliche Unterstützung erhalten. Weiter heißt es im Vorblatt: Schülerinnen und Schüler können sich im neuen bayerischen Gymnasium unter Inanspruchnahme der genannten Förderangebote alternativ zur „Überholspur“ auch auf einen Auslandsaufenthalt vorbereiten, mit dem ein Jahr der Beschulung in Bayern ausgelassen werden soll. Auf dieser Basis erfolgt derzeit in einer Arbeitsgruppe im Staatsministerium, der auch Vertreter der Direktorenvereinigung , der Landeselternvereinigung, des Philologenverbands , des Landesschülerrats (Gymnasium), der Ministerialbeauftragten für die Gymnasien sowie des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) angehören, die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts zur Individuellen Lernzeitverkürzung . Dabei werden auch die in der Anfrage aufgeworfenen Fragen, die zentrale pädagogische und schulrechtliche Aspekte ansprechen, intensiv diskutiert. Detaillierte Aussagen hierzu sind erst dann möglich, wenn die Arbeitsgruppe Ergebnisse vorgelegt hat. Hiermit ist im Laufe des Kalenderjahres 2018 zu rechnen. 5. 1 Wie soll die Doppelstündigkeit in der 11. Klasse durchgesetzt werden, wenn alle Kernfächer dreistündig sind? Als Einführungsphase der Oberstufe soll die Jahrgangsstufe 11 in besonderer Weise an vorwissenschaftliche Arbeitsformen heranführen. Dabei kommt dem Doppelstundenprinzip , das 90-minütige Unterrichtseinheiten ermöglicht, besondere Bedeutung zu. Während das Doppelstundenprinzip in zweistündigen Fächern zu einem Unterrichtstag pro Fach und Woche führt, ist in dreistündigen (Kern-)Fächern eine Aufteilung auf zwei Tage (eine Doppel- und eine Einzelstunde) zweckmäßig. 5.2 Inwiefern soll ein Epochalunterricht in der 11. Klasse bei der vorliegenden Stundentafel konkret umgesetzt werden? Im achtjährigen Gymnasium ist die Möglichkeit, den Unterricht in Epochen zu erteilen, auf einstündige Pflichtfächer beschränkt (vgl. Fußn. 2 Anl. 1 Gymnasialschulordnung [GSO] bisherige Fassung). Diese Beschränkung wird im neuen neunjährigen Gymnasium aufgehoben, um Epochalunterricht etwa auch in zweistündigen Pflichtfächern der Jahrgangsstufe (Jgst.) 11 erteilen zu können. Über die konkrete organisatorische Umsetzung wie auch die Reihenfolge der Epochen entscheidet weiterhin die Schule. 6. Wie soll der Sprachbildung und deren Bedeutung für alle Fächer Rechnung getragen werden, wenn das Fach Deutsch in den Jahrgangsstufen 9, 10 und 11 jeweils nur dreistündig angesetzt ist? Das Fach Deutsch leistet u. a. zur sprachlichen Bildung der Schülerinnen und Schüler in Bayern einen ganz zentralen Beitrag; im Vergleich zur Gesamtstundenausstattung am achtjährigen Gymnasium stehen künftig zwei Wochenstunden mehr zur Verfügung. Der Deutschunterricht am Gymnasium strebt die Erweiterung, Differenzierung und Vertiefung der sprachlichen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler an. Sie begreifen und gebrauchen die deutsche Sprache in mündlicher und schriftlicher Form als Mittel der Darstellung und Verständigung sowie als Medium und Gegenstand des Denkens. Darüber hinaus leitet der Deutschunterricht an zu Kritikfähigkeit und Selbstreflexion. Langfristigkeit und Nachhaltigkeit, bewusste Bewältigung situationsgebundener und anwendungsbezogener Aufgaben, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, Individualisierung und fächerübergreifendes Arbeiten sind integrale Bestandteile des Deutschunterrichts. Die Schülerinnen und Schüler bauen ihre Kompetenzen sukzessive über alle Jahrgangsstufen in den Bereichen „Sprechen und Zuhören“, „Schreiben “, „Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen“ und „Sprachgebrauch und Sprache untersuchen und reflektieren “ auf und aus. Der Deutschunterricht am Gymnasium ist integrativ angelegt und schon bisher auf den Kompetenzerwerb ausgerichtet. Die im Deutschunterricht (auch der Grundschule) erworbenen bzw. vertieften Kompetenzen werden in den anderen Fächern angewendet, erweitert und vernetzt. Sprachliche Bildung ist Unterrichtsprinzip und Aufgabe aller Fächer am Gymnasium, denn Lernen erfordert die sprachliche Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand – unabhängig vom jeweiligen Fach. Dementsprechend ist die sprachliche Bildung in den bayerischen Lehrplänen aller Schularten umfassend verankert, auch im neuen LehrplanPLUS im Rahmen des fächer- und schulartübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziels „Sprachliche Bildung“. In der Kultusministeriellen Bekanntmachung „Sprachliche Bildung“ vom 17.06.2014 werden Pflege und Erhalt der deutschen Sprache als Aufgabe aller Schularten und aller Fächer definiert und wird u. a. Folgendes festgelegt: „Die Schülerinnen und Schüler werden sowohl im mündlichen wie im schriftlichen Sprachgebrauch in allen Fächern zu einem angemessenen Ausdruck, zur Verwendung präziser Begrifflichkeiten sowie zum sorgsamen Umgang mit Erscheinungen des Sprachwandels angehalten. Sie beachten Drucksache 17/22202 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 die Regeln der Rechtschreibung und Grammatik. In allen Jahrgangsstufen werden sie zu übersichtlichen Aufzeichnungen sowie zu einer sprachlich sorgfältigen Heftführung angeleitet. An allen Schularten sind die Lehrkräfte aller Fächer die sprachlichen Vorbilder ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie führen Fachbegriffe zusammen mit dem Wortbild ein und kennzeichnen Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sowie deutliche Ausdrucksschwächen in Leistungsnachweisen bzw. Aufzeichnungen der Lernenden, um u. a. mit Positivbeispielen und einer achtsamen Sensibilisierung ihre individuelle (fach-)sprachliche Entwicklung zu fördern. Eine besondere Bedeutung bei der Pflege der deutschen Sprache in der Schule hat die Stärkung der Lesekompetenz in allen Fächern. Die Vermittlung von Methoden und Strategien für das Verstehen von Sachtexten und literarischen Texten spielt dabei eine besondere Rolle. […] Alle Lehrkräfte sind beauftragt, das Ziel der Sprachlichen Bildung sowohl im Fachunterricht als auch in fächerverbindenden Projekten sowie im Schulleben schrittweise und ergebnisorientiert umzusetzen: Lehrerkonferenz und Fachschaften greifen das Thema ,Sprachliche Bildung im Deutschen als Aufgabe aller Schularten und aller Fächer‘ regelmäßig auf und erarbeiten Maßnahmen zu seiner Umsetzung im Unterricht. Geeignete Handreichungen und Unterrichtsmaterialien werden dabei einbezogen. Im Rahmen der Eigenverantwortlichen Schule sind die Schulleitungen dazu aufgerufen, Sprachliche Bildung als grundlegende Voraussetzung für kulturelle Teilhabe und Bildungserfolg aller Schülerinnen und Schüler im Prozess schulischer Qualitätssicherung systematisch zu verankern und das Bewusstsein ihrer Bedeutung regelmäßig zu erneuern.“ Das Staatsministerium unterstützt zudem die Schulen bei der Umsetzung des fächer- und schulartübergreifenden Bildungsziels der Sprachlichen Bildung vielfältig, beispielsweise über das am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) angesiedelte LESEFORUM Bayern, das mit dem Ziel eingerichtet wurde, die schulische Leseförderung in Bayern zu intensivieren und die Schulbibliotheksarbeit zu unterstützen. 7. Inwiefern soll der Bedeutung der politischen Bildung Rechnung getragen werden? Der gestiegenen Bedeutung der politischen Bildung wird am neuen bayerischen Gymnasium in zweifacher Weise Rechnung getragen: In der Stundentafel der Jahrgangsstufen 10 und 11 sind alle vier Leitfächer der politischen Bildung – Geografie, Geschichte, Politik und Gesellschaft sowie Wirtschaft und Recht – gemeinsam verankert, sodass fächerübergreifendes , vertieftes Arbeiten an Themenfeldern der politischen Bildung noch stärker möglich wird als bisher. Zudem werden die Fächer Geschichte und Politik und Gesellschaft (bisher: Sozialkunde) gegenüber dem achtjährigen Gymnasium mit zusätzlichen Wochenstunden ausgestattet. Über die genannten vier Leitfächer hinaus ist es zudem Aufgabe aller gymnasialen Fächer, so weit wie möglich zu einer Stärkung der politischen Bildung beizutragen. Dies wird sich auch in der Gestaltung des LehrplanPLUS für das neunjährige Gymnasium niederschlagen, der derzeit auch unter diesem Gesichtspunkt überarbeitet wird. 8.1 Zu welchem Zeitpunkt findet das P-Seminar und das W-Seminar statt? Das Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung (P-Seminar) findet am neuen bayerischen Gymnasium in der Jahrgangsstufe 11 als Einführungsphase der Oberstufe und damit außerhalb der Qualifikationsphase statt. Eine solche „Vorverlagerung“ ist beim Wissenschaftspropädeutischen Seminar (W-Seminar) nicht vorgesehen. Darüber hinausgehende Aussagen zur künftigen Gestalt der Qualifikationsphase der Oberstufe sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 8.2 Kommen Schülerinnen und Schüler, die die 11. Klasse überspringen, noch in den Genuss eines P-Seminars? Schülerinnen und Schüler, die die Jahrgangsstufe 11 überspringen , belegen das in dieser Jahrgangsstufe verortete P-Seminar nicht.