Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.02.2018 NS-Vergangenheit Jagdmuseum Im Ausschuss Wissenschaft und Kunst am 09.03.2016 berichteten der Vorsitzende des Vorstands der Stiftung des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums (DJFM) München, Prof. Dr. Jürgen Vocke, und der Leiter des Museums, Manuel Pretzl, im Vollzug des einstimmig beschlossenen Antrags der Grünen zum Jagd- und Fischereimuseum (Drs. 17/1607) über die Präsentation der Sammlung und zum Umgang des Museums mit seiner NS-Vergangenheit. Laut Protokoll äußerten die Berichterstatter, dass dazu eine Ausstellung „Jagd und Macht“ realisiert werde, deren „Ausstellungsbeginn ... für Ende 2017/Anfang 2018“ vorgesehen sei. Diesen Termin hatte das Museum bereits in der Antwort vom 12.11.2015 auf eine Schriftliche Anfrage von mir (Drs. 17/9074) genannt. Bisher schweigt sich das Museum über die Ausstellung aus. Auf seiner Homepage ist weder zu lesen, dass an ihr gearbeitet , noch wann sie eröffnet wird. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1.1 Wie ist der Stand der Vorbereitung der geplanten Ausstellung „Jagd und Macht“? 1.2 Wann wird sie eröffnet werden? 1.3 Welchen Umfang wird sie haben? 2.1 Wer wird die Ausstellung kuratieren? 2.2 Gab es mehrere Bewerber und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl? 3.1 Ist die Finanzierung der Ausstellung gesichert? 3.2 Wie hoch ist der Etat der Ausstellung? 4.1 Welche Geldgeber wie etwa das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und Spender haben in welcher Höhe Unterstützung zugesagt? 4.2 Wie hoch ist der Beitrag zur Ausstellung, der über die Jagdabgabe erbracht wird? 5.1 Wie sieht das Konzept der Ausstellung aus? 5.2 Welche Themen im Einzelnen werden abgehandelt und welchen historischen Zeitraum wird die Ausstellung umfassen? 5.3 Welche Exponate werden gezeigt? 6.1 Ist die Provenienzforschung, die das Museum gemeinsam mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern betreibt, zeitlich befristet? 6.2 Wenn ja, gibt es begründete Aussichten, dass sie verlängert wird? 7.1 Wie viele Stunden im Monat arbeiten die Mitarbeiter der Landesstelle für das Museum? 7.2 Wie viele Exponate wurden von ihnen bisher untersucht ? 7.3 Bei wie vielen Exponaten wurde abschließend festgestellt , dass sie Raubkunst sind, und wie viele wurden bisher an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben ? 8.1 Gibt es konkrete Pläne, unabhängig von der Sanierung der Bausubstanz die Ausstellung im „Weißen Saal“ neu zu gestalten? 8.2 Wenn ja, wann wird mit der Neukonzeption begonnen werden? 8.3 Wenn ja, werden die Jagdtrophäen aus der NS-Zeit (NS = Nationalsozialismus) Teil der Ausstellung sein? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Grundlage der Auskunft des Vorsitzenden der Stiftung des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums und unter Einbeziehung der Landesstelle für nichtstaatliche Museen vom 16.05.2018 1.1 Wie ist der Stand der Vorbereitung der geplanten Ausstellung „Jagd und Macht“? Die Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Jagd – Macht – Verantwortung “ wird derzeit vorbereitet. Unter der Leitung des verantwortlichen Kurators hat sich ein Projektteam aus Historikern und Kulturwissenschaftlern formiert, das seit Anfang 2017 daran arbeitet, ein Feinkonzept und ein Ausstellungsdrehbuch zu entwickeln. Darüber hinaus wurden Archiv- und Objektrecherchen im deutschsprachigen und europäischen Raum angestoßen. Ein Gestaltungsteam (Szenographie und Ausstellungsmedien) hat im Herbst 2017 die Arbeit aufgenommen und erarbeitet in enger Abstimmung mit Museumsleitung , Projektleitung und Projektteam die visuellen Formate und das „Gesicht“ der geplanten Ausstellung im Weißen Saal. 1.2 Wann wird sie eröffnet werden? Im Februar 2017 wurde die Konzeptphase mit einem hochrangig besetzten Expertenworkshop eingeleitet. Die Ergebnisse dieses Workshops führten zu einer konzeptionellen Optimierung des Grobkonzepts. Aufgrund der damit verbundenen thematischen Nachjustierung der Ausstellungsangebote hat sich auch der ursprünglich vorgesehene Zeitplan geändert. Die thematische Verfeinerung der Ausstellungskonzeption geht einher mit einem erhöhten Rechercheaufwand und bedingt eine zeitintensive Vorbereitungsphase. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22205 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22205 Mit einer Eröffnung der Ausstellung in der ersten Jahreshälfte 2019 wird gerechnet. 1.3 Welchen Umfang wird sie haben? Räumlich wird die Ausstellung den gesamten Weißen Saal umfassen. Inhaltlich bildet die Ausstellung die symbiotische Verbindung der Kulturphänomene „Jagd“ und „Macht“ in historischer Perspektive ab. Der Betrachtungszeitraum reicht vom Mittelalter bis in das ausgehende 20. Jahrhundert. Ein besonderes Augenmerk der Ausstellung (etwa ein Drittel der Ausstellungsfläche) richtet sich auf die Gründungsgeschichte des Deutschen Jagdmuseums zwischen 1934 und 1938 sowie die Museumsgeschichte bis Kriegsende 1945. Insgesamt steht eine Ausstellungsfläche von knapp 500 m² zur Verfügung. 2.1 Wer wird die Ausstellung kuratieren? Die Ausstellung wird von dem Historiker und Sachgebietsleiter Judaica und Zeitgeschichte im Stadtarchiv München Dr. Andreas Heusler kuratiert. Herr Dr. Heusler ist zudem Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des NS-Dokumentationszentrums . 2.2 Gab es mehrere Bewerber und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl? Gesucht wurde ein ausgewiesener Experte der NS-Zeit, insbesondere auch in Bezug auf München. Herr Dr. Heusler ist wegen seiner Fachexpertise und seiner Erfahrung auf dem Gebiet der Zeitgeschichte, insbesondere der NS-Zeit, aus Sicht des Museums die Idealbesetzung für die Kuratierung des Ausstellungsprojekts. 3.1 Ist die Finanzierung der Ausstellung gesichert? Nach derzeitigem Stand scheint die Finanzierung der Ausstellung gesichert. Etliche Zuwendungen können jedoch erst im Laufe des Jahres 2018 bzw. 2019 beantragt werden. 3.2 Wie hoch ist der Etat der Ausstellung? Der geplante Etat beträgt nach jetzigem Stand 324.000,00 Euro 4.1 Welche Geldgeber wie etwa das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und Spender haben in welcher Höhe Unterstützung zugesagt? Landeshauptstadt München 100.000,00 Euro Förderverein DJFM 30.000,00 Euro Jagdabgabe 2017 30.000,00 Euro Spenden 5.000,00 Euro 4.2 Wie hoch ist der Beitrag zur Ausstellung, der über die Jagdabgabe erbracht wird? Jagdabgabe 2017 30.000,00 Euro bereits ausbezahlt Jagdabgabe 2018 30.000,00 Euro beantragt Jagdabgabe 2019 offen, hängt auch von der Gewährung anderer Zuschüsse ab 5.1 Wie sieht das Konzept der Ausstellung aus? Im Wesentlichen geht es in der Ausstellung um das Herausarbeiten jener Schnittstellen, an denen Jagd und Politik (= Macht) aufeinandertreffen und beide Handlungsfelder ihre eigenen, ganz speziellen und sich wechselseitig bedingenden Synergien und Dynamiken entwickeln. Es geht auch um die mit Macht (oder mit Machtanspruch) ausgestatteten Akteure in Vergangenheit und Gegenwart, in Ost und West, in Politik und Wirtschaft, um ihre Netzwerke und die Muster, denen sie folgen, die Methoden, derer sie sich bedienen, um gemeinsame Ziele zu definieren und zu realisieren. Dabei spielen u. a. auch die Räume der Jagd, also die Reviere, und die Strukturen der Jagd, also: die Exklusivität der Jagd, Jagdrecht und Jagdbürokratie, eine Rolle. Es wird aber auch darum gehen, zu zeigen, wie sich die Jagd in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einer bis dahin bewussten öffentlichen Darstellung (etwa als herrschaftliche Beglaubigung des mittelalterlichen Fürsten, als feudale Inszenierung des neuzeitlichen Adels oder als wirkungsvolle Stilisierung politischer Autokraten und Diktatoren der Moderne) zu einem diskreten Konzept abseits der Öffentlichkeit entwickelt hat. In diese – hier nur grob skizzierte – Konzeptarchitektur kann die Geschichte des Deutschen Jagdmuseums während der NS-Zeit schlüssig eingegliedert werden. Das Ausstellungsmodul „Geschichte des Deutschen Jagdmuseums “ wird so konzipiert, dass es nach Beendigung der Ausstellung „Jagd – Macht – Verantwortung“ (Laufzeit ein Jahr) dauerhaft in die museale Präsentation des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums integriert werden kann. 5.2 Welche Themen im Einzelnen werden abgehandelt und welchen historischen Zeitraum wird die Ausstellung umfassen? Siehe Antwort zu Frage 5.1. 5.3 Welche Exponate werden gezeigt? Die gesamte Exponatauswahl wird derzeit erarbeitet, u. a. müssen Leihgaben und Rechte noch geklärt werden und außerdem mit dem Konzept und der Gestaltung abgeglichen werden. 6.1 Ist die Provenienzforschung, die das Museum gemeinsam mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern betreibt, zeitlich befristet? Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen hat das DJFM im Rahmen des sogenannten Erstchecks beraten. Das Projekt untersucht stichpunktartig in verschiedenen Häusern Erwerbungen zwischen 1933 und 1945. Ziel des Erstchecks ist es, den Bedarf an weiterführender Provenienzrecherche zu ermitteln. Im Abschlussbericht der Landesstelle wird eine Empfehlung ausgesprochen, wie das Haus in Sachen Provenienzforschung weiter verfahren sollte und ob eine längerfristige Recherche sinnvoll erscheint. In diesem Falle unterstützt die Landesstelle bei der Antragstellung beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Die Landesstelle untersucht im Rahmen des Erstcheck-Projektes die Sammlungen von ca. 18 nichtstaatlichen Häusern, eine langfristige Zusammenarbeit mit einem bestimmten Haus ist dabei weder vorgesehen noch möglich. 6.2 Wenn ja, gibt es begründete Aussichten, dass sie verlängert wird? Das Erstcheck-Projekt der Landesstelle ist darauf angelegt, den Forschungsbedarf in möglichst vielen bayerischen nichtstaatlichen Sammlungen zu ermitteln. Eine Bindung an ein Haus ist deshalb nicht möglich. Der Abschlussbericht, der Drucksache 17/22205 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 dem DJFM seit Jahresende 2017 vorliegt, enthält allerdings detaillierte Empfehlungen und Hinweise, wie das Haus in Sachen Provenienzforschung weiter vorgehen kann. 7.1 Wie viele Stunden im Monat arbeiten die Mitarbeiter der Landesstelle für das Museum? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesstelle waren an mehreren Terminen und insgesamt zehn Tage lang im Haus selber tätig. Darüber hinaus haben sie intensive Recherchen im Münchner Stadtarchiv, im Bundesarchiv sowie in verschiedenen online zugänglichen internationalen und nationalen Datenbanken angestellt. Alles in allem ergibt sich ein Zeitraum von etwa sechs Wochen. 7.2 Wie viele Exponate wurden von ihnen bisher untersucht ? Es wurden etwa 200 Objekte untersucht. Die meisten davon – rund 155 – stammen aus Angaben aus dem Munich Central Collecting Point der Alliierten, dessen Angaben online über die National Archives (Fold3.com) sowie über die CCP-Datenbank des Deutschen Historischen Museums zugänglich sind. 7.3 Bei wie vielen Exponaten wurde abschließend festgestellt , dass sie Raubkunst sind, und wie viele wurden bisher an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben? Ausweislich des Abschlussberichts besitzen die meisten der oben aufgeführten Objekte eine ungeklärte Provenienz. Daraus lässt sich noch nicht der zwangsläufige Schluss ziehen , dass es sich um verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt; es lässt sich aber auch nicht ausschließen. Es müssten zur weiteren Klärung detailliertere Recherchen angestellt werden. Bei einem Ölgemälde ließen sich zweifelsfrei jüdische Voreigentümer feststellen, sodass hier Erben gesucht werden müssen. Es ließ sich aus Archivdokumenten ebenso ermitteln, dass nach dem Krieg fünf Objekte nach Frankreich restituiert wurden. Ein Defregger-Ölgemälde wurde 1950 an den jüdischen Chirurg Alfred Haas restituiert , der im Oktober 1938 in die USA emigriert war. Zwei weitere Radierungen wurden nach dem Krieg neu angekauft. 8.1 Gibt es konkrete Pläne, unabhängig von der Sanierung der Bausubstanz die Ausstellung im „Weißen Saal“ neu zu gestalten? Die von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen 2017 geförderte inhaltliche Neukonzeption der Dauerausstellung, die Aspekte der Sonderausstellung „Jagd – Macht – Verantwortung “ aufnimmt, wird in einen Bereich des Weißen Saals oder in den kleinen Sonderausstellungsraum mit Schulungsraum integriert werden. Eine vollständige Neukonzeption des Weißen Saals unabhängig von den notwendigen Bauund Renovierungsmaßnahmen und über die Integration des genannten Ausstellungsbereichs hinaus ist nicht geplant. 8.2 Wenn ja, wann wird mit der Neukonzeption begonnen werden? Siehe Antwort zu Frage 8.1. 8.3 Wenn ja, werden die Jagdtrophäen aus der NS-Zeit Teil der Ausstellung sein? Siehe Antwort zu Frage 8.1.