Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alexandra Hiersemann SPD vom 09.04.2018 Beauftragte der Staatsregierung 1 Die Plenardebatte zum Dringlichkeitsantrag „Christliche Tradition bewahren – Mit Kindern das Osterfest feiern“ der CSU-Fraktion am 22.03.2018 beschäftigte sich mit der geplanten Feier zum irischen Nationalfeiertag für den katholischen Heiligen St. Patrick in einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Markt Schwaben. Im Rahmen dieser Debatte behauptete die Integrationsbeauftragte der Staatsregierung u. a., in der Arbeiterwohlfahrt werde statt des Osterfestes im Rahmen des irischen Sankt-Patrick-Tages „das Betrinken“ gefeiert. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Über welche Informationen verfügten die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte am 22.03.2018 bzgl. des geplanten Ablaufs der St.-Patrick-Tag-Feier in der Arbeiterwohlfahrt-Kindertagesstätte in Markt Schwaben und bzgl. der dort vermittelten Inhalte zum christlichen Osterfest? 2. Auf welchen Informationen beruhten die Ausführungen der Integrationsbeauftragten, die AWO Markt Schwaben feiere mit Kindern „das Betrinken“ und rechtfertigen diese Informationen diesen diffamierenden Vorwurf ? 3. a) Lehnen die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte die Vermittlung von Informationen über christliche Heilige aus anderen europäischen Ländern in Kindertagesstätten ab? b) Wie begründen die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte die diffamierenden Vorwürfe (siehe oben) im Hinblick auf Ziele des Bayerischen Bildungsund Erziehungsplanes, wonach Kinder „Religiöse Feste erleben sowie Erzählungen der Bibel, aber auch andere religiöse Schriften, Geschichten, Legenden und liturgische Vollzüge kennen lernen und Zusammenhänge mit dem eigenen Leben entdecken“ sollen? c) Sind die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte der Auffassung, dass die „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ (vgl. Aufgaben der Integrationsbeauftragten gem. Art. 15 Bayerisches Integrationsgesetz – BayIntG) das Aufgeben eigener religiöser und kultureller Feste seitens der Migranten beinhaltet? 4. a) Sind nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) geförderte Kindertagesstätten freigemeinnütziger Träger in Bayern vor dem Hintergrund des von der Staatsregierung definierten „christlich-jüdischen Abendlandes“ verpflichtet, christliche und jüdische Feiertage religiös zu begehen? b) Wenn ja, auf welche Weise und um welche Feiertage handelt es sich gegebenenfalls? 5. Haben nach dem BayKiBiG geförderte freigemeinnützige Träger von Kindertagesstätten mit staatlichen Sanktionen (z. B. Kürzung staatlicher Zuschüsse), gegebenenfalls welchen, zu rechnen, sofern bei ihnen die Inhalte christlicher Feiertage vermittelt, aber nicht liturgisch begangen werden? 6. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass die Vermittlung von Nationalfeiertagen anderer europäischer Länder in Kindertagesstätten im Sinne der europäischen Integration pädagogisch sinnvoll ist? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Familie , Arbeit und Soziales vom 23.05.2018 1. Über welche Informationen verfügten die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte am 22.03.2018 bzgl. des geplanten Ablaufs der St.- Patrick-Tag-Feier in der Arbeiterwohlfahrt-Kindertagesstätte in Markt Schwaben und bzgl. der dort vermittelten Inhalte zum christlichen Osterfest? Der Staatsregierung lag am 22.03.2018 neben einschlägigen Pressemeldungen der Dringlichkeitsantrag „Christliche Tradition bewahren – Mit Kindern das Osterfest feiern“ (Drs. 17/21246) vor. 2. Auf welchen Informationen beruhten die Ausführungen der Integrationsbeauftragten, die AWO Markt Schwaben feiere mit Kindern „das Betrinken “ und rechtfertigen diese Informationen diesen diffamierenden Vorwurf? Die Integrationsbeauftragte der Staatsregierung hat im Plenum am 22.03.2018 zunächst die Historie des irischen Natio nalheiligen Sankt Patrick dargestellt und dann betont, dass die Iren im In- und Ausland mittlerweile klagen, dass sich dieses Fest leider zu einem Fest entwickelt habe, bei Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22285 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22285 dem in erster Linie getrunken und sich betrunken werde. […] In der AWO werde also nicht mehr Ostern, das Osterfest und das Ostereiersuchen, sondern das Betrinken gefeiert .1 Die Integrationsbeauftragte führte daher in tatsächlicher Hinsicht aus, dass die Art, wie manche Festivitäten praktiziert und zelebriert werden, nicht in jedem Fall mit Sinn und Ursprung der jeweiligen Feiertage übereinstimmen und dass der Sankt-Patricks-Tag bei den Iren in der Lebenswirklichkeit seinen religiösen Bezugspunkt verloren habe. Sie verband dies mit der wertenden Beurteilung, dass dies pädagogisch für Kinder nicht geeignet sei. 3. a) Lehnen die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte die Vermittlung von Informationen über christliche Heilige aus anderen europäischen Ländern in Kindertagesstätten ab? Die Staatsregierung lehnt die Vermittlung von Informationen über christliche Heilige aus anderen europäischen Ländern in Kindertagesstätten nicht ab, solange dies in Einklang mit der übrigen pädagogischen Arbeit geschieht. Auch die die Kultur Bayerns prägenden christlichen Feste sollen angemessen berücksichtigt und nicht zurückgestellt werden. b) Wie begründen die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte die diffamierenden Vorwürfe (siehe oben) im Hinblick auf Ziele des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplanes, wonach Kinder „Religiöse Feste erleben sowie Erzählungen der Bibel, aber auch andere religiöse Schriften, Geschichten , Legenden und liturgische Vollzüge kennen lernen und Zusammenhänge mit dem eigenen Leben entdecken“ sollen? Die Staatsregierung hat mit dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP) einen Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit in den bayerischen Kindertageseinrichtungen geschaffen. Die Kindertageseinrichtungen setzen die darin enthaltenen Bildungs- und Erziehungsziele in eigener Zuständigkeit um. Somit werden zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur kennengelernt sowie andere Kulturkreise im Blick gehalten. Zur pädagogischen Arbeit in Bezug auf religiöse Feste gehört auch die Erläuterung darüber, dass die Art, wie manche Festivitäten praktiziert und zelebriert werden, nicht in jedem Fall mit Sinn und Ursprung der jeweiligen Feiertage übereinstimmen. c) Sind die Staatsregierung und ihre Integrationsbeauftragte der Auffassung, dass die „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ (vgl. Aufgaben der Integrationsbeauftragten gem. Art. 15 Bayerisches Integrationsgesetz – BayIntG) das Aufgeben eigener religiöser und kultureller Feste seitens der Migranten beinhaltet? Integration ist weder mit dem Aufgeben eigener religiöser und kultureller Feste seitens der Migrantinnen und Migranten noch mit der Aufgabe eigener religiöser und kultureller Feste der einheimischen Bevölkerung verbunden. Gelingende Integration ist von gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz geprägt. In Art. 3 Abs. 4 Satz 1 BayIntG heißt es: „Gelingende Integration bedarf der gegenseitigen Rücksichtnahme und Toleranz sowie des Respekts vor der Einzigartigkeit, der Lebensgeschichte und den Prägungen des jeweils anderen.“ Es handelt sich hier also um einen wechselseitigen Prozess, der die Unterstützung der aufnehmenden Gesellschaft und des Staates, aber zwingend auch eigenes Engagement und eigene Integrationsanstrengungen der Migrantinnen und Migranten voraussetzt. Migrantinnen und Migranten sollen ihre Kultur und Traditionen pflegen können und dürfen, solange sie mit Demokratie und Rechtsstaat und den Grundprinzipien der offenen Gesellschaft in Einklang stehen. Die zitierte Wechselseitigkeit ist nicht mehr gegeben, wenn das Feiern der im Land üblichen Feste dafür aufgegeben wird. 4. a) Sind nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) geförderte Kindertagesstätten freigemeinnütziger Träger in Bayern vor dem Hintergrund des von der Staatsregierung definierten „christlich-jüdischen Abendlandes“ verpflichtet, christliche und jüdische Feiertage religiös zu begehen? b) Wenn ja, auf welche Weise und um welche Feiertage handelt es sich gegebenenfalls? Staatlich geförderte Kindertageseinrichtungen haben sich zur Erfüllung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgaben an den Inhalten u. a. des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans (BayBEP) zu orientieren. Sinn und Ursprung religiöser Feiertage ist Bildungsinhalt. Des Weiteren gibt es keine Vorgaben oder Richtlinien, die über den Bildungs- und Erziehungsplan hinausgehen. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 3 b verwiesen. 5. Haben nach dem BayKiBiG geförderte freigemeinnützige Träger von Kindertagesstätten mit staatlichen Sanktionen (z. B. Kürzung staatlicher Zuschüsse), gegebenenfalls welchen, zu rechnen, sofern bei ihnen die Inhalte christlicher Feiertage vermittelt, aber nicht liturgisch begangen werden? Das liturgische Begehen christlicher Feiertage obliegt nach dem Verständnis der Staatsregierung Priestern oder Pfarrern , also Geistlichen. 6. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass die Vermittlung von Nationalfeiertagen anderer europäischer Länder in Kindertagesstätten im Sinne der europäischen Integration pädagogisch sinnvoll ist? Nationalfeiertage anderer Länder und Kulturen können in Einklang mit der übrigen pädagogischen Arbeit jederzeit thematisiert werden. Interkulturelle Erziehung und Integration sind wichtiger Inhalt des Bildungs- und Erziehungsplans. Die Vermittlung der national üblichen Feste und Feiertage soll dabei nicht unterbleiben. 1 vgl. Plenarprotokoll 128. Sitzung, 22.03.2018, Plenarprotokoll 17/128, S. 72/11446.