Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17.04.2018 Ausreiseeinrichtungen in Bayern 1.1 Wo gibt es in Bayern Ausreiseeinrichtungen nach § 61 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG; bitte jeweiligen Eröffnungszeitpunkt der Einrichtung nennen)? 1.2 Welche Kapazität haben sie? 1.3 Wo sind weitere solche Zentren geplant? 2.1 Wie viele Menschen befinden sich jeweils in diesen Ausreiseeinrichtungen (bitte nach Möglichkeit Nationalität , Geschlecht, Alter, bisherige Aufenthaltsdauer in Deutschland benennen)? 2.2 Sind auch sog. Dublin-Flüchtlinge in diesen Ausreisezentren ? 2.3 Wie lange sind die Menschen, die in diesen Ausreisezentren untergebracht sind, jeweils dort schon untergebracht ? 3.1 Wo waren die Menschen vorher untergebracht (z. B. Erstaufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft oder Wohnung)? 3.2 Aus welchen Gründen (bitte die jeweiligen Kriterien der Gründe nennen) werden Personen in diese Ausreisezentren eingewiesen? 3.3 Gibt es auch Gründe, die gegen eine Unterbringung in einem Ausreisezentrum sprechen, wie bspw. gute Integration, Schulleistungen der Kinder? 4.1 Welchen Restriktionen unterliegen die Menschen in diesen Ausreisezentren? 4.2 In welchem Zeitraum dürfen die Bewohner die Einrichtungen verlassen? 5.1 Wie lange können Personen in diesen Ausreisezentren maximal untergebracht werden? 5.2 Wie unterscheiden sich die Ausreiseeinrichtungen räumlich von den anderen Aufnahmeeinrichtungen? 5.3 Sind sie stets innerhalb anderer Aufnahmeeinrichtungen angesiedelt (und, wenn ja, sind die Ausreiseeinrichtungen von den Aufnahmeeinrichtungen räumlich getrennt)? 6.1 Wer übernimmt in diesen Ausreiseeinrichtungen jeweils die Beratung und Betreuung (bitte die Anzahl der damit beauftragten Stellen nennen)? 6.2 Haben die Insassen Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung? 6.3 Haben die Insassen Zugang zu einer unabhängigen Rückkehrberatung? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 28.05.2018 1.1 Wo gibt es in Bayern Ausreiseeinrichtungen nach § 61 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG; bitte jeweiligen Eröffnungszeitpunkt der Einrichtung nennen )? Die Standorte der Ausreiseeinrichtungen und die Eröffnungszeitpunkte ergeben sich aus nachfolgender Tabelle: Standort Eröffnungszeitpunkt Ausreiseeinrichtung Niederbayern, Stadtfeldstraße 33a, 94469 Deggendorf 17.07.2017 Ausreiseeinrichtung Oberpfalz, Zeißstraße 1, 93053 Regensburg 01.01.2018 Ausreiseeinrichtung Oberfranken, Eichenweg 2, 96050 Bamberg 01.11.2017 Ausreiseeinrichtung Mittelfranken, Beuthener Straße 33/33a, 90471 Nürnberg 01.11.2017 Ausreiseeinrichtung Unterfranken, Kasernenweg 1, 97424 Schweinfurt 01.02.2018 Ausreiseeinrichtung Schwaben, Sternschanzenstraße 6, 86609 Donauwörth 01.11.2017 1.2 Welche Kapazität haben sie? Zum Zeitpunkt der Abfrage (Stand 30.04.2018) haben die Ausreiseeinrichtungen folgende Kapazitäten: Ausreiseeinrichtung Kapazität Niederbayern 32 Personen Oberpfalz 42 Personen Oberfranken 50 Personen Mittelfranken 60 Personen Unterfranken 90 Personen Schwaben 200 Personen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w. bayern. landtag. de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern .landtag . de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.09.2018 Drucksache 17/22318 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22318 1.3 Wo sind weitere solche Zentren geplant? Die Ausreiseeinrichtung Oberbayern auf dem Gelände des Bayerischen Transitzentrums Ingolstadt-Manching ist derzeit im Aufbau. Darüber hinaus ist aktuell nicht geplant, weitere Ausreiseeinrichtungen einzurichten. 2.1 Wie viele Menschen befinden sich jeweils in diesen Ausreiseeinrichtungen (bitte nach Möglichkeit Nationalität, Geschlecht, Alter, bisherige Aufenthaltsdauer in Deutschland benennen)? Zum Stand 30.04.2018 befanden sich 29 Personen in Ausreiseeinrichtungen (davon 4 Frauen und 25 Männer). Diese Personen waren wie folgt verteilt: Ausreiseeinrichtung Anzahl der Personen Niederbayern 5 Oberpfalz 0 Oberfranken 12 Mittelfranken 12 Unterfranken 0 Schwaben 0 Gesamt 29 Personen Die Nationalitäten schlüsseln sich wie folgt auf: Nationalität Anzahl der Personen Äthiopien 1 Aserbaidschan 7 Bhutan 1 Gambia 1 Marokko 1 Russische Föderation 6 Senegal 3 Sierra Leone 1 Syrien 1 Ukraine 1 Weißrussland 4 ungeklärt 2 Die Altersstruktur ist wie folgt: Alter in Jahren Anzahl der Personen Alter in Jahren Anzahl der Personen 66 1 31 2 47 1 30 2 46 3 27 1 45 1 26 1 43 1 25 1 40 2 23 1 38 1 21 1 35 3 13 1 34 2 9 1 33 1 3 1 32 1 Die untergebrachten Personen wiesen zum Abfragezeitpunkt folgende Aufenthaltsdauer seit ihrer letzten Einreise ins Bundesgebiet auf: Aufenthaltsdauer in Jahren (gerundet) Anzahl 19 1 18 1 16 1 11 2 8 2 7 5 6 2 5 1 3 9 2 1 1 4 2.2 Sind auch sog. Dublin-Flüchtlinge in diesen Ausreisezentren ? Ja. Drucksache 17/22318 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 2.3 Wie lange sind die Menschen, die in diesen Ausreisezentren untergebracht sind, jeweils dort schon untergebracht? Die Dauer der tatsächlichen Unterbringung ergibt sich aus nachstehender Tabelle: Dauer der Unterbringung in Tagen Anzahl der Personen Dauer der Unterbringung in Tagen Anzahl der Personen 154 1 42 1 153 1 41 1 148 1 40 1 147 1 27 2 110 3 25 1 109 1 21 1 105 1 20 1 81 1 11 1 74 1 7 1 63 1 5 4 60 1 3 1 53 1 3.1 Wo waren die Menschen vorher untergebracht (z. B. Erstaufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft oder Wohnung)? Von den zum Abfragezeitpunkt in den Ausreiseeinrichtungen untergebrachten Personen waren 20 Personen zuvor in einer Gemeinschaftsunterkunft, 8 Personen in einer dezentralen Unterbringung und 1 Person in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. 3.2 Aus welchen Gründen (bitte die jeweiligen Kriterien der Gründe nennen) werden Personen in diese Ausreisezentren eingewiesen? Die Entscheidung, welche vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer in einer Ausreiseeinrichtung aufgenommen werden , trifft die jeweils zuständige Zentrale Ausländerbehörde im Rahmen ihres gesetzlich vorgesehenen Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Es sollen dort insbesondere vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder die ihren gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, untergebracht werden. Gleichfalls sollen dort auch solche vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer untergebracht werden, bei denen die Zentrale Ausländerbehörde zu der Einschätzung gelangt, dass deren zentrale Unterbringung und die damit verbundene engere ausländerbehördliche Betreuung für die Durchsetzung der Ausreisepflicht erforderlich ist. 3.3 Gibt es auch Gründe, die gegen eine Unterbringung in einem Ausreisezentrum sprechen, wie bspw. gute Integration, Schulleistungen der Kinder ? Bei der Ausübung des Ermessens ist zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vorbereitung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht und den Belangen, die für den Verbleib des Betroffenen an seinem bisherigen Unterbringungsort sprechen, abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind familiäre oder sonstige humanitäre Gründe zu berücksichtigen . Im Übrigen wird auf die Antwort auf Frage 3.2 verwiesen . 4.1 Welchen Restriktionen unterliegen die Menschen in diesen Ausreisezentren? Ausreiseeinrichtungen dienen als offene Einrichtungen vor allem der Unterbringung von Personen, die keine oder unzutreffende Angaben zu ihrer Identität und Staatsangehörigkeit machen und/oder die Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten verweigern. Die Unterbringung ermöglicht eine intensive auf eine Lebensperspektive außerhalb des Bundesgebiets gerichtete psychosoziale Betreuung . Diese intensive Betreuung trägt zur Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise oder zur notwendigen Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten bei. Darüber hinaus ist dort die gezielte Beratung über die bestehenden Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr möglich. Die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte wird vereinfacht und die Durchführung der Ausreise kann besser sichergestellt werden. Die nachträglich angeordnete Wohnverpflichtung in der Ausreiseeinrichtung stellt gegenüber der Abschiebungshaft in der Form der Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG das mildere Mittel dar. Neben der Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Ausreiseeinrichtung kann die zuständige Ausländerbehörde, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, nach eigenem Ermessen zur Förderung der Bereitschaft der freiwilligen Ausreise begleitende Anordnungen treffen, wie z. B. räumliche Beschränkungen oder Meldeauflagen. Daneben kommen Kürzungen der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) oder Beschränkungen auf Sachleis tungen durch die Leistungsbehörden in Betracht. 4.2 In welchem Zeitraum dürfen die Bewohner die Einrichtungen verlassen? Ausreiseeinrichtungen stellen keine Hafteinrichtungen dar. Den Bewohnern ist jederzeit gestattet, die Unterkunft zu verlassen, soweit sie ihrer Pflicht zur Wohnsitznahme in der Ausreiseeinrichtung nachkommen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22318 5.1 Wie lange können Personen in diesen Ausreisezentren maximal untergebracht werden? Die Anordnung, in einer Ausreiseeinrichtung zu wohnen, unterliegt in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich keinen gesetzlichen Beschränkungen. 5.2 Wie unterscheiden sich die Ausreiseeinrichtungen räumlich von den anderen Aufnahmeeinrichtungen ? 5.3 Sind sie stets innerhalb anderer Aufnahmeeinrichtungen angesiedelt (und, wenn ja, sind die Ausreiseeinrichtungen von den Aufnahmeeinrichtungen räumlich getrennt)? Ausreiseeinrichtungen sind in der Regel im Rahmen der dort vorhandenen Unterbringungskapazitäten Teil der Aufnahmeeinrichtungen . Nach Möglichkeit erfolgt die Unterbringung in Ausreiseeinrichtungen unmittelbar im Anschluss an den Aufenthalt in der Aufnahmeeinrichtung bzw. dem Transitzentrum , um eine Verlegung entbehrlich zu machen. In Ausreiseeinrichtungen, die Teil einer Aufnahmeeinrichtung sind, werden vorrangig Ausländer verlegt, die vorher bereits in der jeweiligen Aufnahmeeinrichtung untergebracht waren. Bei der Errichtung der zentralen Ausreiseeinrichtungen werden die unterschiedlichen räumlichen sowie personellen Besonderheiten sowie die vorhandenen Unterbringungskapazitäten in den einzelnen Regierungsbezirken berücksichtigt . Die konkreten Umsetzungen vor Ort können sich daher unterscheiden. 6.1 Wer übernimmt in diesen Ausreiseeinrichtungen jeweils die Beratung und Betreuung (bitte die Anzahl der damit beauftragten Stellen nennen)? Mit der Flüchtlings- und Integrationsberatung nach der am 01.01.2018 in Kraft getretenen Richtlinie für die Förderung der sozialen Beratung, Betreuung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (sog. Beratungs- und Integrationsrichtlinie – BIR) steht sowohl dauerhaft bleibeberechtigten Menschen mit Migrationshintergrund als auch Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG ein einheitliches und professionelles Beratungsinstrument zur Seite. Von diesem können auch Leistungsberechtigte in Ausreiseeinrichtungen Gebrauch machen. Die genaue Anzahl der in diesem Jahr mit der Beratung und Betreuung in diesen Einrichtungen beauftragten Stellen steht noch nicht fest. In Übereinstimmung mit Nr. 5.1.3 BIR hat die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (LAGÖFW) noch über die Verteilung von 5 Prozent der verfügbaren Mittel auf Regionen mit besonderen Bedarfen zu entscheiden. Im Übrigen obliegt nach Zuteilung der zur Verfügung stehenden Fördermittel auf die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte als Gebietskulisse die Entscheidung darüber, wo innerhalb des jeweiligen Landkreises bzw. der jeweiligen kreisfreien Stadt die geförderten Berater zum Einsatz kommen, grundsätzlich den Trägern. 6.2 Haben die Insassen Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung? Ziel der Flüchtlings- und Integrationsberatung (siehe Antwort auf Frage 6.1) ist eine professionelle und objektive Beratung, die zur Eigenverantwortlichkeit, Alltagsbewältigung und Orientierung der zu Beratenden in Deutschland beitragen soll. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Nr. 2.1.4 BIR sind dabei die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. 6.3 Haben die Insassen Zugang zu einer unabhängigen Rückkehrberatung? Die Rückkehrberatung ist eine Kernaufgabe der Zentralen Ausländerbehörden in allen Regierungsbezirken; sie haben in Bayern den Auftrag der Rückkehrberatung und Rückkehrförderung . Bewohner der Ausreiseeinrichtungen haben jederzeit Gelegenheit, eine umfassende Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen. Die Beratungsstellen der Zentralen Ausländerbehörden stehen in der Regel in räumlicher Nähe zu den Ausreiseeinrichtungen zur Verfügung. Darüber hinaus fördert das Staatsministerium des Innern und für Integration vier von Wohlfahrtsverbänden bzw. der Landeshauptstadt München getragene Zentrale Rückkehrberatungsstellen mit Standorten in München, Augsburg, Kempten, Mühldorf am Inn, Nürnberg und Würzburg, die sowohl Asylsuchende im laufenden Asylverfahren als auch abgelehnte und anerkannte Asylbewerber beraten, unabhängig von der Art der Unterbringung. In der Beratung erhalten potenzielle Rückkehrer neben jeglichen Informationen zu den bestehenden Rückkehrförderprogrammen auch die Möglichkeit, z. B. ihren Wunsch auf Existenzgründung im jeweiligen Herkunftsland vorzutragen . Um über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert zu werden, erhalten die Asylbewerberinnen und Asylbewerber bereits bei Antragsstellung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein entsprechendes Rückkehrinformationspaket. Zudem erhalten die Asylbewerberinnen und Asylbewerber über die Flüchtlings- und Integrationsberatung entsprechende Informationen.