Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 27.03.2018 Errichtung von Alarmsirenen zur Feuerwehralarmierung und Warnung der Bevölkerung in Notsituationen Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welcher Abstand muss zwischen Alarmsirene und dem nächstgelegenen Wohnhaus herrschen? b) Gibt es Ausnahmen für Seniorenheime, Krankenhäuser usw.? 2. Welche Lautstärke muss/darf eine Alarmsirene aufweisen ? 3. Ist bei der Errichtung von Alarmsirenen das Schutzgut des Einzelnen oder das Schutzgut der Allgemeinheit (in Bezug auf Sicherheit) höher zu bewerten? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 30.05.2018 1. a) Welcher Abstand muss zwischen Alarmsirene und dem nächstgelegenen Wohnhaus herrschen? Ein bestimmter Abstand zwischen Alarmsirene und dem nächstgelegenen Wohnhaus ist nicht vorgeschrieben. Jedes Sirenenmodell besitzt eine bestimmte Abstrahlcharakteristik , d. h. der Schallpegel direkt unterhalb der Sirene ist in der Regel geringer als in Abstrahlrichtung. Daher können Alarmsirenen auch auf topografisch günstig gelegenen Wohnhäusern installiert werden. Beim Gebrauch von Sirenen geraten zwangsläufig widerstreitende Ziele in Konflikt: Einerseits müssen Sirenen ausreichend laut sein, um ihrer für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wichtigen Alarm- bzw. Warnfunktion überhaupt effektiv nachkommen zu können; andererseits kann der Sirenenklang für Anwohner durchaus belästigend sein. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Grundsätze mit Urteil vom 16.01.1992 (Az. 4 B 88.1782) dahin gehend konkretisiert, dass die Zumutbarkeitsgrenze für den Sirenenlärm – bei der Messmethode in Gestalt eines 0,5 m vor dem geöffneten Fenster des nächstgelegenen Aufenthaltsraumes zu messenden Außenwertes – bei 97 dB(A) liege. b) Gibt es Ausnahmen für Seniorenheime, Krankenhäuser usw.? Es gibt keine Ausnahmen für Seniorenheime, Krankenhäuser etc. Die Warnung der Bevölkerung umfasst auch Senioren in Seniorenheimen und Patienten in Krankenhäusern. 2. Welche Lautstärke muss/darf eine Alarmsirene aufweisen? Zum Immissionsschutzrecht ist im Hinblick auf die Lärmbelästigung auf Folgendes hinzuweisen: Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29.04.1988 (Az. 7 C 33/87) folgende Grundsätze aufgestellt: Die Frage, ob der auf ein Wohnhaus treffende Lärm einer Sirene zumutbar und daher als rechtmäßig hinzunehmen sei, sei anhand des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu beurteilen. Ein Abwehranspruch eines Nachbarn auf Unterlassung von Immissionen seitens eines Hoheitsträgers bestehe nicht erst jenseits der Grenze der Gesundheitsschädigung oder des schweren und unzumutbaren Eigentumseingriffs . Dass andererseits insbesondere in ländlichen Gemeinden und für den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr eine Alarmierung mittels Sirenen nicht grundsätzlich ermessensfehlerhaft sei, liege auf der Hand. Die Gemeinde sei allerdings nicht befugt, ihre Sirenen unabhängig von den Anforderungen des Immissionsschutzes an jedem beliebigen Standort im Gemeindegebiet aufzustellen. Eine Sirene dürfe nicht über die Alarmierung und über das Aufwecken Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w. bayern. landtag. de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern .landtag . de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.09.2018 Drucksache 17/22332 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22332 zur Nachtzeit hinaus bei durchschnittlich lärmempfindlichen Menschen ausgeprägte Schreckreaktionen, Schmerz und deutlich spürbare Nachwirkungen wie Einschlafschwierigkeiten auslösen. Seien solche Auswirkungen an einem Standort zu befürchten und sei die Aufstellung der Sirene an einem anderen Standort ohne derart erhebliche Belästigungen möglich, so könne die Gemeinde den letzteren Standort nicht allein unter Hinweis auf Mehrkosten oder besonderen organisatorischen Aufwand ablehnen. Es ist gleichwohl legitim, wenn die Gemeinde im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei ihren Erwägungen auch Kostenfragen einbezieht. Wie bereits in der Antwort auf Frage 1 a erwähnt, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Grundsätze mit Urteil vom 16.01.1992 (Az. 4 B 88.1782) dahin gehend konkretisiert, dass die Zumutbarkeitsgrenze für den Sirenenlärm – bei der Messmethode in Gestalt eines 0,5 m vor dem geöffneten Fenster des nächstgelegenen Aufenthaltsraumes zu messenden Außenwertes – bei 97 dB(A) liege (dem entspreche eine Zumutbarkeitsgrenze im Innern von 74 dB(A)). Dieser Wert sei für den Tag und für die Nacht maßgeblich; der Ansatz eines niedrigeren Nachtwerts scheitere daran, dass eine Alarmierung die Durchbrechung der Nachtruhe der Bevölkerung gerade bezwecke, also notwendig Aufweckfunktion haben müsse. Eine wichtige Einschränkung: Trotz Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle besteht nach der Rechtsprechung dann kein Unterlassungsanspruch, wenn die Verlagerung der Sirene an einen anderen Standort die Alarmfunktion beeinträchtigen oder für die Gemeinde zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würde. In solchen Fällen könne jedoch der vom Lärm der Sirene erheblich Belästigte vom Betreiber der Anlage einen zweckgebundenen Geldausgleich für Maßnahmen des passiven Lärmschutzes, nämlich für den Einbau von Schallschutzfenstern, verlangen. 3. Ist bei der Errichtung von Alarmsirenen das Schutzgut des Einzelnen oder das Schutzgut der Allgemeinheit (in Bezug auf Sicherheit) höher zu bewerten? Sirenen dienen, neben der Feuerwehralarmierung, als Möglichkeit , die Bevölkerung bei besonderen Gefährdungs- und Schadenslagen zu warnen. Insbesondere sind Sirenen bei nahe gelegenen Kernkraftwerken oder Störfallbetrieben ein notwendiges Hilfsmittel, um die Warnung bei einem evtl. kerntechnischen Unfall oder einer Schadstofffreisetzung durchführen zu können. Im Einsatzfall müssen wichtige Notfallschutzmaßnahmen bis hin zur Evakuierung ergriffen werden. Das Fehlen einer wirkungsvollen Sirene würde die Umsetzung eventueller Katastrophenschutzmaßnahmen für die Bewohner in den jeweiligen Bereichen gefährden. Bei Beachtung der in der Antwort auf Frage 2 genannten Ausführungen ist das Schutzgut der Allgemeinheit (in Bezug auf die Sicherheit) daher höher zu bewerten als das Schutzgut des Einzelnen.