Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 19.04.2018 Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung Fürstenfeldbruck Am 18.04.2018 kam es bei einer Demonstration der Bewohnerinnen und Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung Fürstenfeldbruck zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Flüchtlinge forderten eine bessere Unterbringung sowie Schulbildung für ihre Kinder. Sie beschrieben die tägliche Situation in der Unterkunft als äußerst schwierig. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht? b) Welche Nationalitäten sind derzeit dort untergebracht? c) Wie hoch ist der Anteil an alleinreisenden Männern? 2. a) Warum wurden Flüchtlinge aus der Unterbringung Manching, die bereits dort auffällig geworden sein sollen laut Aussage des zuständigen Integrationsbeauftragten , nach Fürstenfeldbruck verlegt? b) Wie hoch ist der Anteil derer, die voraussichtlich kein Bleiberecht erhalten? c) Wie hoch ist der Anteil an alleinreisenden Männern? 3. a) Wie lange soll die Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck weiterhin bestehen bleiben? b) Gibt es Bestrebungen seitens der Staatsregierung, die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu senken? c) Wenn nein, warum nicht? 4. a) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen, um die von den örtlichen Helferkreisen als explosive Stimmung beschriebene Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung zu entschärfen? b) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen, um die örtlichen Sicherheitsbehörden, die durch die Erstaufnahmeeinrichtung einer zunehmenden Belastung ausgesetzt sind, zu entlasten? c) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen, um der Stadt Fürstenfeldbruck bei der Bewältigung der größer werdenden Herausforderungen durch die im Vergleich zur Größe der Stadt massiven Belegungszahlen der Erstaufnahme zu helfen? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die vom Landratsamt Fürstenfeldbruck durchgeführten Maßnahmen, einem Teil der in der Erstaufnahme Fürstenfeldbruck untergebrachten Flüchtlinge Geldleistungen sowie einen Teil der Sachleistungen (eine MVV-Karte) zu entziehen? b) Wie beurteilt die Staatsregierung die Haltung des Landratsamts Fürstenfeldbruck bezüglich einer stark restriktiven Vergabe von Arbeitserlaubnissen? 6. Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen, um die Aufenhaltsdauer der Flüchtlinge in der Erstaufnahme zu verkürzen? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 29.05.2018 1. a) Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht? Zum Stand 01.05.2018 waren in der Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern in Fürstenfeldbruck 931 Personen untergebracht. b) Welche Nationalitäten sind derzeit dort untergebracht ? Zum Stand 01.05.2018 waren in der Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern in Fürstenfeldbruck Personen folgender Nationalitäten untergebracht: Nationalität Afghanistan Algerien Botswana Demokratische Republik Kongo Eritrea Irak Israel Jemen Jordanien Mali Myanmar Nigeria Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w. bayern. landtag. de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern .landtag . de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.09.2018 Drucksache 17/22336 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22336 Nationalität Pakistan Senegal Sierra Leone Somalia Staatenlose Syrien Tansania Togo Uganda c) Wie hoch ist der Anteil an alleinreisenden Männern ? Zum Stand 01.05.2018 betrug der Anteil an alleinreisenden Männern 41,5 Prozent. 2. a) Warum wurden Flüchtlinge aus der Unterbringung Manching, die bereits dort auffällig geworden sein sollen laut Aussage des zuständigen Integrationsbeauftragten , nach Fürstenfeldbruck verlegt? Die Unterkunft in Fürstenfeldbruck stellt eine Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern dar, welcher im Rahmen der Verteilung Asylbewerber zugewiesen werden. Die Verteilungen erfolgen je nach Bedarf, etwaige Auffälligkeiten spielen hierbei keine Rolle. b) Wie hoch ist der Anteil derer, die voraussichtlich kein Bleiberecht erhalten? Je nach Herkunftsland ist die Schutzquote sehr unterschiedlich . Nachfolgend werden die bundesweiten Schutzquoten der zum Stand 01.05.2018 in der Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern Fürstenfeldbruck vertretenen Top-5-Herkunftsländer im Jahre 2017 aufgelistet: Jemen 82,80 % Afghanistan 44,30 % Demokratische Republik Kongo 33,50 % Nigeria 17,30 % Uganda 17,10 % c) Wie hoch ist der Anteil an alleinreisenden Männern ? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 c verwiesen. 3. a) Wie lange soll die Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck weiterhin bestehen bleiben? Die Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern in Fürstenfeldbruck soll aufgrund der Vereinbarung mit der Stadt Fürstenfeldbruck bis 31.12.2026 bestehen bleiben. Darüber hinaus wurde vonseiten der Staatsregierung angeboten, Ende 2023 eine erneute Bedarfsprüfung vorzunehmen. b) Gibt es Bestrebungen seitens der Staatsregierung, die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu senken? Eine Reduzierung der derzeit zur Verfügung stehenden Kapazitäten ist nicht vorgesehen. c) Wenn nein, warum nicht? Die in der Erstaufnahme insgesamt zur Verfügung stehenden Kapazitäten werden auch künftig in der derzeit vorhandenen Anzahl benötigt. 4. a) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um die von den örtlichen Helferkreisen als explosive Stimmung beschriebene Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung zu entschärfen? Durch die Präsenz eines privaten Sicherheitsdienstes sollen Konflikte und Straftaten bereits im Vorfeld verhindert und die Einhaltung der Hausordnung sichergestellt werden. Damit geht auch eine Entlastung der örtlichen Sicherheitsbehörden einher. Aktuell sind daher in der Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck rund um die Uhr 32 Sicherheitsdienstmitarbeiter eingesetzt. Ein Aufwuchs der Anzahl der Sicherheitsdienstmitarbeiter ist bei Bedarf möglich. Bei der Auswahl der Sicherheitsdienstmitarbeiter wird durch vertragliche Vorgaben bereits im Vorfeld darauf geachtet , dass die in der Erstaufnahmeeinrichtung eingesetzten Sicherheitsdienstmitarbeiter ein Mindestmaß an interkultureller und sozialer Kompetenz (wie z. B. Deeskalationsfähigkeit ) und entsprechende Sprachkenntnisse (idealerweise Sprachen aus den Herkunftsländern der Asylbewerberinnen und -bewerber) aufweisen. Durch die gemeinsame Sprachebene können viele Probleme niedrigschwellig gelöst werden . Durch regelmäßige Schulungen im Bereich der interkulturellen Kompetenz, Serviceorientierung und Deeskalationsfähigkeit werden die Sicherheitsdienstmitarbeiter auf schwierige Situationen vorbereitet und können dadurch deeskalierend bzw. bei entstehenden Problemen bereits präventiv entschärfend eingreifen. Um Probleme innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, finden zwischen den Mitarbeitern der Regierung von Oberbayern und dem eingesetzten Sicherheitsdienst regelmäßige Abstimmungs- und Koordinierungsgespräche statt. Neben den Sicherheitsdienstmitarbeitern stehen bei Schwierigkeiten und Problemen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Flüchtlings- und Integrationsberatung mit Rat und Tat zur Seite und helfen dabei, auftretende Alltagsprobleme der Bewohner gemeinsam mit diesen zu bewältigen. Die Flüchtlings- und Integrationsberatung hat nach Nr. 2.1.1 der Richtlinie für die Förderung der sozialen Beratung, Betreuung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (sog. Beratungs- und Integrationsrichtlinie – BIR) gerade auch zum Ziel, das gegenseitige Verständnis und die wechselseitige Akzeptanz zwischen den Zugewanderten in den Unterkünften zu fördern und zur Konfliktbewältigung in den Unterkünften und im sozialen Umfeld beizutragen. Dieser wichtigen Aufgabe entsprechend findet die Existenz von Aufnahmeeinrichtungen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten auch im Rahmen der Mittelzuteilung Drucksache 17/22336 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nach Maßgabe der BIR besondere Berücksichtigung – und dies in mehrfacher Hinsicht: Neben dem Umstand, dass die Anzahl der in einer Aufnahmeeinrichtung lebenden Ausländer bereits in dem für die Mittelverteilung grundsätzlich maßgeblichen Ausländerzentralregister abgebildet wird und zu einer dieser Anzahl entsprechenden Mittelauskehr führt, löst die Existenz einer Aufnahmeeinrichtung (AE) – abhängig von ihrer Kapazität – einen zusätzlichen sog. AE-Bonus an Mitteln für den jeweiligen Landkreis/die jeweilige kreisfreie Stadt aus, in dem/der sie sich befindet. Schließlich hat auch die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (LAGÖF), die laut BIR über die Verteilung von 5 Prozent der Mittel auf Regionen mit erhöhtem Bedarf entscheidet, jüngst bekannt gegeben , jene Mittel heuer an Landkreise/kreisfreie Städte mit Aufnahmeeinrichtungen, Dependancen und Transitzentren auszureichen. Von der beschriebenen Mittelverteilung wird selbstverständlich auch der Landkreis Fürstenfeldbruck und mit ihm die Aufnahmeeinrichtung „Fliegerhorst“ profitieren. b) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um die örtlichen Sicherheitsbehörden, die durch die Erstaufnahmeeinrichtung einer zunehmenden Belastung ausgesetzt sind, zu entlasten? Grundsätzlich liegt die Personalverteilung innerhalb eines Verbandes der Bayerischen Polizei und damit auch die personelle Ausstattung einzelner Dienststellen in der Führungsverantwortung der Polizeipräsidien, die eine angemessene Berücksichtigung aller nachgeordneten Dienststellen gewährleisten. Zu diesem Zweck haben die Präsidien, so auch das Polizeipräsidium Oberbayern Nord, individuell auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene aufgaben- und belastungsorientierte Personalverteilungskonzepte erarbeitet, nach deren Berechnungsergebnissen das zugewiesene Personal auf die Dienststellen verteilt wird. Somit gewährleistet das Polizeipräsidium Oberbayern Nord, dass die Polizeidienststellen im Bereich Fürstenfeldbruck auch unter Berücksichtigung zusätzlicher Aufgaben und Belastungen, die sich aus der polizeilichen Betreuung der Erstaufnahmeeinrichtung ergeben, der Belastung entsprechend mit ausreichendem Personal ausgestattet sind. Auf die wachsenden Aufgaben haben Staatsregierung und Haushaltsgesetzgeber bereits reagiert, z. B. mit dem Nachtragshaushalt 2016, insbesondere aber auch mit dem im Juli 2016 vom Ministerrat bei Gelegenheit der Kabinettsklausur in St. Quirin beschlossenen Konzept „Sicherheit durch Stärke“. Das Konzept sieht vor, von 2017 bis 2020 jedes Jahr zusätzlich 500, also insgesamt 2.000 Stellen, für die Bayerische Polizei zu schaffen. Die Staatsregierung beabsichtigt, diesen Kurs fortzuführen, und hat angekündigt , auch in den Jahren 2021 bis 2023 nochmals jährlich 500 Stellen, also 1.500 Stellen, zu schaffen. Davon sollen 500 voraussichtlich mit einer Zweckbindung für eine grenzpolizeiliche Kompetenzstärkung versehen werden. Insgesamt sind somit 3.500 zusätzliche Stellen für die Bayerische Polizei und damit für mehr Sicherheit vorgesehen. Von diesem Personalaufwuchs werden auch die Dienststellen des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord profitieren. c) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um der Stadt Fürstenfeldbruck bei der Bewältigung der größer werdenden Herausforderungen durch die im Vergleich zur Größe der Stadt massiven Belegungszahlen der Erstaufnahme zu helfen? Auf die Antwort zu Frage 4 a wird verwiesen. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die vom Landratsamt Fürstenfeldbruck durchgeführten Maßnahmen , einem Teil der in der Erstaufnahme Fürstenfeldbruck untergebrachten Flüchtlinge Geldleistungen sowie einen Teil der Sachleistungen (eine MVV-Karte) zu entziehen? Gemäß § 3 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gilt in der Aufnahmeeinrichtung der Vorrang des Sachleistungsprinzips . Dies gilt sowohl für den notwendigen Bedarf als auch für den notwendigen persönlichen Bedarf. Im Einklang mit der Regierungserklärung vom 18.04.2018 wird das Sachleistungsprinzip auch in der Dependance der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern in Fürstenfeldbruck so weit wie möglich umgesetzt. So wird neben den Bedarfen an Unterkunft, Ernährung und Kleidung auch der Bedarf „Verkehr“ durch Sachleistungen (MVV-Ticket) gedeckt . Der restliche Betrag wird in Geldleistungen ausbezahlt. Nach Informationen der Staatsregierung führten falsche Gerüchte über die Auszahlungsmodalitäten zu unberechtigten Besorgnissen seitens der Bewohner der Einrichtung. b) Wie beurteilt die Staatsregierung die Haltung des Landratsamts Fürstenfeldbruck bezüglich einer stark restriktiven Vergabe von Arbeitserlaubnissen ? Für die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen an Asylbewerber , die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Asylgesetz (AsylG) zu wohnen, sind in Bayern nicht die Kreisverwaltungsbehörden, sondern die Zentralen Ausländerbehörden zuständig. Unabhängig davon besteht für Asylbewerber für die Dauer ihrer Wohnpflicht in einer Aufnahmeeinrichtung gemäß § 61 Abs. 1 AsylG ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot unmittelbar kraft Gesetzes. Ausnahmemöglichkeiten von diesem Verbot für die zuständige Ausländerbehörde sieht das Asylgesetz nicht vor. 6. Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um die Aufenhaltsdauer der Flüchtlinge in der Erstaufnahme zu verkürzen? Die Aufenthaltsdauer von Asylbewerbern in der Erstaufnahme wird durch eine asylrechtliche Zuweisung in Unterkünfte der staatlichen Anschlussunterbringung, bereits vor ihrer Anerkennung, gewährleistet. Darüber hinaus ist die konsequente Rückführung bestandskräftig abgelehnter Asylbewerber aus den Aufnahmeeinrichtungen heraus eine der wesentlichen Maßnahmen zur Verkürzung der dortigen Aufenthaltsdauer.