Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jutta Widmann FREIE WÄHLER vom 27.04.2018 Strafanzeigen bei Volksbegehren Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, dass bei Unterschrif tenlisten bei Volksbegehren, die teilweise falsche An gaben durch Unterschreibende enthalten (unkorrekte Adresse, falscher Name), Strafanzeigen gegen Initia toren von Volksbegehren bzw. Helfer erstattet werden? 1.2 Wenn ja, wie viele Fälle sind bekannt? 2. Ist der Staatsregierung oben erläuterter Fall im Zu sammenhang mit Unterschriftenlisten zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Landkreis RottalInn bekannt? 3. Ist die Erstattung einer Strafanzeige bei Unterschrif tenlisten für Volksbegehren in diesem Fall überhaupt rechtens? 4.1 Trifft es zu, dass es eine Weisung gibt, bei unkorrekten Unterschriften auf Unterschriftenlisten bei Volksbegeh ren Strafanzeige zu stellen oder ähnliche Maßnahmen einzuleiten? 4.2 Wenn ja, von wem ist diese Weisung ausgesprochen worden? 5. Ist es in Anbetracht des Datenschutzes zulässig, die Personen, die angeblich Falschangaben gemacht ha ben, als Zeugen zu laden? 6. Sieht die Staatsregierung diesen Weg als richtiges Maß an, wo doch durch solches Vorgehen der Staats anwaltschaft Bürger eventuell verängstigt werden und sich in Zukunft nicht mehr trauen, Volksbegehren zu unterschreiben? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 04.06.2018 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, dass bei Unterschriftenlisten bei Volksbegehren, die teilweise falsche Angaben durch Unterschreibende enthalten (unkorrekte Adresse, falscher Name), Strafanzeigen gegen Initiatoren von Volksbegehren bzw. Helfer erstattet werden? 1.2 Wenn ja, wie viele Fälle sind bekannt? Fälle, bei denen gegen Initiatoren oder Helfer von Volksbe gehren Strafanzeigen erstattet wurden, sind bei den Ver bänden der Bayerischen Polizei nach deren Mitteilung nicht bekannt. Falschangaben auf Unterschriftenlisten für Volks begehren sowie die Eigenschaft als Initiator von bzw. Hel fer bei Volksbegehren sind keine Merkmale, die in der Ge schäftsstatistik der bayerischen Staatsanwaltschaften und der Strafverfolgungsstatistik gesondert erfasst werden. Der Staatsregierung liegen daher keine statistischen Daten zur Anzahl der Fälle vor, in denen gegen Initiatoren und Helfer wegen Falschangaben auf Unterschriftenlisten Strafanzeige erstattet wurde. 2. Ist der Staatsregierung oben erläuterter Fall im Zusammenhang mit Unterschriftenlisten zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Landkreis Rottal-Inn bekannt? Am 05.03.2018 wurde bei einer Polizeiinspektion im Land kreis RottalInn von einer Gemeinde Strafanzeige wegen des Verdachts auf Wahlfälschung gemäß § 107a Abs. 1 i. V. m. § 108d Satz 2 Strafgesetzbuch (StGB) im Zusam menhang mit dem Antrag auf Zulassung des Volksbegeh rens zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge erstattet. Bei der Überprüfung der amtlichen Unterschriftenlisten war festgestellt worden, dass Personen unterschrieben hatten, die zwar einen Wohnsitz in der Gemeinde, nicht aber die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Der Anzeigeerstatter und zwei der nicht stimmberech tigten Personen, die auf den Unterschriftenlisten unter schrieben hatten, wurden als Zeugen vernommen. Die Per son, die die Unterschriftenliste bei der Gemeinde vorgelegt hatte, wurde ebenfalls als Zeuge vernommen. Keiner der Initiatoren oder Helfer des Volksbegehrens wurde durch die zuständige Kriminalpolizeiinspektion als Beschuldigter ge führt oder vernommen. Das Ermittlungsverfahren, welches im Zusammenhang mit dem Volksbegehren geführt worden ist, wurde inzwi schen durch die Staatsanwaltschaft Landshut nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w. bayern. landtag. de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern .landtag . de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.09.2018 Drucksache 17/22377 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22377 3. Ist die Erstattung einer Strafanzeige bei Unterschriftenlisten für Volksbegehren in diesem Fall überhaupt rechtens? Nach § 108d Satz 2 StGB steht das Unterschreiben für ein Volksbegehren einer Wahl oder Abstimmung gleich. Die für Wahlen und Abstimmungen geltenden Straftatbestände fin den daher grundsätzlich Anwendung. 4.1 Trifft es zu, dass es eine Weisung gibt, bei unkorrekten Unterschriften auf Unterschriftenlisten bei Volksbegehren Strafanzeige zu stellen oder ähnliche Maßnahmen einzuleiten? 4.2 Wenn ja, von wem ist diese Weisung ausgesprochen worden? Im Erläuterungsteil des Formblattes für einen Antrag auf Zu lassung eines Volksbegehrens (vgl. Anlage 18 zur Landes wahlordnung) wird darauf hingewiesen, dass mit Freiheits strafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer unbefugt unterschreibt oder sonst ein unrichtiges Er gebnis des Antrags herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht (vgl. § 107a i. V. m. § 108d StGB). Nach den im Internet veröffentlichten Hinweisen des Staatsministeriums des Innern und für Integration für Ge meinden zur Bestätigung des Stimmrechts von Unterzeich nern des Zulassungsantrags (Stand 01.10.2017) sind bei Verdacht auf Wahlstraftaten (z. B. Fälschungen; vgl. ins bes. §§ 107a, 107b, 108 i. V. m. § 108d StGB) unverzüglich die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten. Weisungen im Einzelfall wurden nicht erteilt. 5. Ist es in Anbetracht des Datenschutzes zulässig, die Personen, die angeblich Falschangaben gemacht haben, als Zeugen zu laden? Wenn die Strafverfolgungsbehörden durch eine Anzeige oder auf anderem Weg von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten, sind sie gemäß §§ 160, 163 StPO ver pflichtet, zur Aufklärung des Sachverhalts Ermittlungen durchzuführen. Hierzu können sie nach Maßgabe der straf prozessualen Vorschriften auch Personen, die der Straftat selbst nicht verdächtig sind, durch ihre Angaben aber zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können, als Zeugen ver nehmen. Spezifische Beweiserhebungsverbote im Zusam menhang mit Unterschriftenlisten bei Volksbegehren beste hen insoweit nicht. Ob eine Person als Zeuge in Betracht kommt oder ob sie, weil sie selbst tatverdächtig ist, als Beschuldigter zu behan deln ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. 6. Sieht die Staatsregierung diesen Weg als richtiges Maß an, wo doch durch solches Vorgehen der Staatsanwaltschaft Bürger eventuell verängstigt werden und sich in Zukunft nicht mehr trauen, Volksbegehren zu unterschreiben? Es ist Aufgabe des Staates, allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen zu gewährleisten. Strafbare Handlungen bei Wahlen und Abstimmungen sind im Interes se der Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems und der Integrität der Wahlen konsequent zu unterbinden und zu verfolgen.