Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27.04.2018 Berauschende Mittel und Verkehrssicherheit Die Verkehrssicherheit ist in unserem Land ein hohes Gut, welches es zu schützen gilt. Gleichzeitig hat die individuelle Mobilität für den einzelnen Bürger in unserer Gesellschaft eine große Bedeutung, da eine Fahrerlaubnis häufig für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit vorausgesetzt wird. Expertinnen und Experten zufolge ist eine wesentliche Leistungseinschränkung für den Straßenverkehr durch Cannabiskonsum ab 7 ng/ml im Blutserum zu erwarten . Dies entspricht in etwa der Fahreinschränkung von 0,5 Promille Alkohol im Vollblut. Die Grenzwertkommission hat im vergangenen Herbst einen Grenzwert von 3 ng/ml im Blutserum vorgeschlagen. Unter dieser Grenze ist eine Wirkung laut Grenzwertkommission generell auszuschließen. Dennoch wird in der Praxis weiterhin ab einem Wert von 1 ng/ml der Führerschein entzogen. In München wurde in einem Fall der Führerschein sogar bei einem Wert von 0,89 ng/ml entzogen. Zum Vergleich: In Colorado (USA) wurde der Grenzwert auf 5 ng/ml im Vollblut festgesetzt, das entspricht 10–15 ng/ml im Serum. Diese niedrigen Grenzwerte führen vielfach zu Führerscheinverlusten für nüchterne Fahrerinnen und Fahrer, deren letzter Konsum Tage oder Wochen zurückliegen kann. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie hoch ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das relative Unfallrisiko mit bewusstseinsverändernden Substanzen (bitte aufschlüsseln nach: Alkohol 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration – BAK – Vollblut, Alkohol 1,05 Promille BAK Vollblut, Cannabis THC unter 5 ng/ml Blutserum, Cannabis THC über 10 ng/ml Blutserum)? 1.2 Wie viele Unfälle (mit Personenschäden, mit Todesfolge ) wurden durch Rauschfahrten in den letzten fünf Jahren im Freistaat Bayern registriert (bitte aufschlüsseln nach: durch Alkoholeinfluss, durch „andere berauschende Mittel“ gem. Anlage zum § 24a Straßenverkehrsgesetz – StVG – sowie nach Jahr)? 1.3 Wie viele Verstöße gegen § 24a StVG wurden in den letzten fünf Jahren durch die Bayerische Polizei zur Anzeige gebracht (bitte aufschlüsseln nach: wegen Alkohol, wegen „anderer berauschender Mittel“ gem. Anlage zum § 24a StVG sowie nach Jahr)? 2.1 In wie vielen Fällen wurde nach Bekanntwerden eines Verstoßes gegen § 24a StVG die Fahrerlaubnis wegen „fehlendem Trennungsvermögen“ durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde in den letzten fünf Jahren gänzlich entzogen (bitte aufschlüsseln nach: bei Alkohol mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 8.2 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, bei Cannabis mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 9.2.2 FeV sowie nach Jahr)? 2.2 Wurden hierzu Werte von Cannabisabbauprodukten (THC-COOH) herangezogen? 2.3 Warum spielen nicht berauschende Abbaustoffe bei Alkohol keine Rolle, bei Cannabis aber schon? 3.1 In wie vielen Fällen wurde in den letzten fünf Jahren der Führerschein aufgrund von regelmäßigem hohen Alkoholkonsum außerhalb des Straßenverkehrs entzogen ? 3.2 In wie vielen Fällen wurde der Führerschein in den letzten fünf Jahren aufgrund regelmäßiger Einnahme von verkehrstüchtigkeitsbeeinträchtigenden Medikamenten außerhalb des Straßenverkehrs entzogen? 3.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass bei Alkohol erst nach mehrfachen Trunkenheitsfahrten oder einer festgestellten „absoluten Fahruntüchtigkeit“ (über 1,6 Promille) eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet wird, während bei Cannabis bereits eine einzige Nüchternheitsfahrt mit Feststellung nicht wirksamer Abbauprodukte nicht nur zu einer MPU, sondern auch zum sofortigen Führerscheinentzug führt? 4.1 In wie vielen Fällen wurde in Bayern in den letzten fünf Jahren der Führerschein aufgrund von Cannabiskonsum entzogen (Antworten bitte aufschlüsseln nach < 3 ng, < 7 ng, < 10 ng, < 15 ng und > 15 ng THC im Blutserum )? 4.2 Was war der geringste bzw. höchste Wert, der zu einem Entzug der Fahrerlaubnis in den letzten fünf Jahren führte? 4.3 Warum wurde bei der Messung der Werte von Vollblutauf Serum-Werte umgestellt? 5.1 Wie lange kann nach den Erkenntnissen der Staatsregierung der Konsum von Cannabis bereits zurückliegen , wenn ein Wert von 1,0 ng THC/ml Blutserum festgestellt wird? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w. bayern. landtag. de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern .landtag . de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.09.2018 Drucksache 17/22704 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22704 5.2 Wie bewertet die Staatsregierung den neuen Grenzwert 3 ng THC/ml Blutserum, den die Grenzwertkommission , eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung berät und von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie gegründet worden ist, erhöht hat? 6.1 Ist es zutreffend, dass es bis zu vier Stunden dauern kann, bis der Cannabiskonsum im Urin nachgewiesen werden kann? 6.2 Wenn ja, als wie groß bewertet die Staatsregierung das Risiko, dass der akute Rausch bei Autofahrenden daher nicht ermittelt werden könnte? 7.1 Sind Atemmessgeräte („Breathalyzer“) bei der Bayerischen Polizei im Betrieb, mit denen vor Ort bei Verkehrskontrollen in kurzer Zeit festgestellt werden kann, inwieweit die kontrollierte Person unter Einfluss des aktiven THC steht? 7.2 Wenn ja, seit wann, und wie sind die Ergebnisse? 7.3 Wenn nein, plant die Bayerische Polizei den (testweisen ) Einsatz der Geräte? 8.1 Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass im Falle des Cannabiskonsums die zuständige Führerscheinstelle informiert wird, um die persönliche Geeignetheit der Beschuldigten bzw. des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu überprüfen (bitte Kriterien auflisten)? 8.2 Wie viele junge Menschen mussten in den letzten fünf Jahren bereits vor Ersterwerb des Führerscheins eine MPU machen, weil sie der Führerscheinstelle bereits wegen Cannabisdelikten bekannt waren, bevor die Volljährigkeit erreicht war? 8.3 Trifft es nach Kenntnis der Staatsregierung auch für deutsche Bürgerinnen und Bürger zu, dass – wie von der Bundesregierung 2015 in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angegeben – die Fahreignung von „EU-Ausländern“ nicht mehr nachgewiesen werden muss, sobald die Punkte nach fünf Jahren in Flensburg getilgt sind und demnach die Führerscheine ohne eine Fahreigungsüberprüfung (MPU und Abstinenznachweise) wieder anerkannt werden? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 06.06.2018 1.1 Wie hoch ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das relative Unfallrisiko mit bewusstseinsverändernden Substanzen (bitte aufschlüsseln nach: Alkohol 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration – BAK – Vollblut, Alkohol 1,05 Promille BAK Vollblut, Cannabis THC unter 5 ng/ml Blutserum, Cannabis THC über 10 ng/ml Blutserum)? Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat im Auftrag der Europäischen Kommission im Jahr 2012 das sog. DRUID-Projekt (Driving Under Influence of Drugs, Alcohol and Medicines) durchgeführt, das sich umfassend mit den Auswirkungen und Risiken von bewusstseinsverändernden Substanzen beschäftigt. Der Abschlussbericht sowie die einzelnen Arbeitspakete können unter https://www.bast.de/ Druid/EN/Home/home_node.html abgerufen werden (nur in englischer Sprache). Von einer verkürzenden Darstellung der sehr detaillierten und umfangreichen Ergebnisse wird abgesehen. 1.2 Wie viele Unfälle (mit Personenschäden, mit Todesfolge ) wurden durch Rauschfahrten in den letzten fünf Jahren im Freistaat Bayern registriert (bitte aufschlüsseln nach: durch Alkoholeinfluss, durch „andere berauschende Mittel“ gem. Anlage zum § 24a Straßenverkehrsgesetz – StVG – sowie nach Jahr)? Die Verkehrsunfälle (VU) mit Alkohol entwickelten sich in den letzten fünf Jahren wie folgt: 2013 2014 2015 2016 2017 VU 4.771 4.601 4.580 4.715 4.821 VU-PS1 2.092 2.100 2.057 2.152 2.161 Tödl. VU 61 53 48 55 56 Getötete 70 55 49 58 59 Die Verkehrsunfälle mit anderen berauschenden Mitteln entwickelten sich in den letzten fünf Jahren wie folgt: 2013 2014 2015 2016 2017 VU 349 337 391 425 486 VU-PS 134 130 160 177 189 Tödl. VU 8 6 7 10 5 Getötete 11 7 7 10 5 1 Verkehrsunfall mit Personenschaden Drucksache 17/22704 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 1.3 Wie viele Verstöße gegen § 24a StVG wurden in den letzten fünf Jahren durch die Bayerische Polizei zur Anzeige gebracht (bitte aufschlüsseln nach: wegen Alkohol, wegen „anderer berauschender Mittel“ gem. Anlage zum § 24a StVG sowie nach Jahr)? Von der Bayerischen Polizei wurden in den letzten fünf Jahren folgende Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG bearbeitet : 2013 2014 2015 2016 2017 Alkohol 10.763 9.837 9.251 9.071 8.750 Drogen 6.940 6.949 7.311 9.896 10.629 Zur besseren Einschätzung des Anzeigenaufkommens bei der Bayerischen Polizei wegen festgestellter Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss im Straßenverkehr teilen wir ergänzend die Anzahl der Strafverfahren nach § 315c und 316 Strafgesetzbuch (StGB) mit: 2013 2014 2015 2016 2017 Alkohol 11.974 11.212 10.584 10.610 10.420 Drogen 1.194 1.229 1.365 1.359 1.199 2.1 In wie vielen Fällen wurde nach Bekanntwerden eines Verstoßes gegen § 24a StVG die Fahrerlaubnis wegen „fehlendem Trennungsvermögen“ durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde in den letzten fünf Jahren gänzlich entzogen (bitte aufschlüsseln nach: bei Alkohol mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 8.2 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, bei Cannabis mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 9.2.2 FeV sowie nach Jahr)? Seitens der 95 Fahrerlaubnisbehörden besteht keine Verpflichtung , eine Statistik zu den Entzügen der Fahrerlaubnisse zu führen. Die gewünschten Zahlen müssten daher insoweit erst von den einzelnen Fahrerlaubnisbehörden ermittelt werden. Im ersten Schritt müssten alle Fahrerlaubnisentzüge im genannten Zeitraum erfasst werden. In einem zweiten Schritt müsste dann in jedem einzelnen Fall der jeweilige Entziehungsgrund festgestellt werden. Nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gibt es aktuell 11 Ziffern mit entsprechenden Unterziffern, die sich mit Erkrankungen und Mängeln befassen, die im Einzelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen können und zum Entzug der Fahrerlaubnis führen können. Der daraus resultierende Verwaltungsaufwand für die Fahrerlaubnisbehörden steht in keinem Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn aus den gewünschten Zahlen. Legt man bundesweit vorhandene Erkenntnisse zugrunde wie die jährlichen Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Begutachtung der Fahreignung – aktuell aus den Jahren 2016 und 2015, die auch den gewünschten Fünfjahreszeitraum bis 2012 abdecken –, zeigt sich bundesweit folgende Entwicklung: Die Gesamtzahl der Begutachtungen zeigt sich seit 2012 insgesamt rückläufig. Sie sank von mehr als 94.000 Begutachtungen in 2012 auf etwas mehr als 91.000 Begutachtungen in 2016. Der bereits in den Vorjahren ersichtliche Abwärtstrend bei den Alkoholfragestellungen in Kombination mit Verkehrsauffälligkeit oder sonstiger strafrechtlicher Auffälligkeit sowie bei wiederholter Alkoholauffälligkeit setzte sich auch 2016 weiter fort. Demgegenüber sind 2016 die Begutachtungen bei Betäubungsmittel- (BtM-) bzw. Medikamentenauffälligkeit in Kombination mit einer Verkehrsauffälligkeit, wie bereits in den vergangenen Jahren auch, im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegen. Es zeigt sich eine stetig ansteigende Tendenz seit 2012. Trotz dieses sich seit Jahren fortsetzenden Abwärtstrends der Alkohol- und des gleichzeitigen Anstiegs der BtM-/Medikamenten-Begutachtungsanlässe ist die Begutachtungszahl der Alkoholfragestellungen 2016 immer noch doppelt so hoch wie die der BtM-/Medikamentenfragestellungen . 2.2 Wurden hierzu Werte von Cannabisabbauprodukten (THC-COOH) herangezogen? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 2.3 Warum spielen nicht berauschende Abbaustoffe bei Alkohol keine Rolle, bei Cannabis aber schon? Es gilt bei dieser Frage zu differenzieren, welche „Abbaustoffe “ hier gemeint sind, da es verschiedene Abbauprodukte gibt, die bei der Körperpassage aus Ethanol (Alkohol ) bzw. aus Tetrahydrocannabinol (THC, der psychotrope Wirkstoff von Cannabisprodukten) entstehen können. Alkohol wird enzymatisch zunächst zu Acetaldehyd, anschließend zu Essigsäure oxidiert und letztendlich als Wasser und Kohlendioxid ausgeschieden. Zudem entsteht das Stoffwechselprodukt Ethylglucuronid (EtG), das in geringer Menge im menschlichen Körper nach Alkoholkonsum gebildet wird. Es hängt entscheidend von der Fragestellung ab (Verkehrsunfall, allg. Abstinenzkontrolle, MPU u. a.), auf welchen Analyten in welchem Untersuchungsmaterial im Labor untersucht werden soll, um zum Alkoholkonsum bzw. zur Alkoholabstinenz Aussagen treffen zu können. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) gibt Auskunft über eine akute Beeinflussung. Im Blut beträgt die Nachweisbarkeit von EtG nur wenige Stunden. Daher ist Blut zur Abstinenzkontrolle nur bedingt geeignet. Im Urin kann in Abhängigkeit von der getrunkenen Alkoholmenge EtG bis zu 72 Stunden nach Ende des Konsums nachgewiesen werden. Die Stoffwechselprodukte von THC sind 11-Hydroxy-THC (OH-THC) und THC-Carbonsäure (THC-COOH). Aufgrund wissenschaftlicher Studien ist davon auszugehen, dass die festgestellten Konzentrationen der THC-Metaboliten Rückschlüsse auf das allgemeine Konsumverhalten, die Intensität des Cannabiskonsums und insbesondere auf die seit Konsumende verstrichene Zeit ermöglichen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22704 3.1 In wie vielen Fällen wurde in den letzten fünf Jahren der Führerschein aufgrund von regelmäßigem hohen Alkoholkonsum außerhalb des Straßenverkehrs entzogen? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 3.2 In wie vielen Fällen wurde der Führerschein in den letzten fünf Jahren aufgrund regelmäßiger Einnahme von verkehrstüchtigkeitsbeeinträchtigenden Medikamenten außerhalb des Straßenverkehrs entzogen? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 3.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass bei Alkohol erst nach mehrfachen Trunkenheitsfahrten oder einer festgestellten „absoluten Fahruntüchtigkeit “ (über 1,6 Promille) eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet wird, während bei Cannabis bereits eine einzige Nüchternheitsfahrt mit Feststellung nicht wirksamer Abbauprodukte nicht nur zu einer MPU, sondern auch zum sofortigen Führerscheinentzug führt? Die FeV gibt den Fahrerlaubnisbehörden zur Klärung von Eignungszweifeln mit § 13 FeV für Alkohol und mit § 14 FeV für Betäubungs- und Arzneimittel das Verfahren vor. Die Klärung von Eignungszweifeln erfolgt entsprechend dieser rechtlichen Vorgaben. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Inhaber einer Fahrerlaubnis , der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Das gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. 4.1 In wie vielen Fällen wurde in Bayern in den letzten fünf Jahren der Führerschein aufgrund von Cannabiskonsum entzogen (Antworten bitte aufschlüsseln nach < 3 ng, < 7 ng, < 10 ng, < 15 ng und > 15 ng THC im Blutserum)? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 4.2 Was war der geringste bzw. höchste Wert, der zu einem Entzug der Fahrerlaubnis in den letzten fünf Jahren führte? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 4.3 Warum wurde bei der Messung der Werte von Vollblut - auf Serum-Werte umgestellt? In Deutschland erfolgen chemisch-toxikologische Untersuchungen in akkreditierten Laboren nach den gültigen Richtlinien der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS), die festlegen , zu welchen Bedingungen chemisch-toxikologische Analyseverfahren durchgeführt und validiert werden können. Demzufolge erfolgen diese quantitativen Messungen anhand von Blutserum. 5.1 Wie lange kann nach den Erkenntnissen der Staatsregierung der Konsum von Cannabis bereits zurückliegen, wenn ein Wert von 1,0 ng THC/ml Blutserum festgestellt wird? Es ist allgemeiner wissenschaftlicher Konsens, dass keine unmittelbare Wechselbeziehung zwischen Cannabiswirkung und Konzentration von THC im Serum existiert. Bei seltenem Cannabiskonsum ist eine höhere Konzentration als 1,0 ng/ml nur bei unzureichender Zeitspanne zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs anzunehmen. Bei häufigerer Aufnahme können auch mehr als 24 Stunden nach dem letzten Konsum Konzentrationen oberhalb von 1,0 ng/ml vorliegen. Wie wissenschaftliche Untersuchungen (Grenzwertkommission 2011) unter Einbeziehung chronischer Cannabiskonsumenten gezeigt haben, können erhöhte THC-Konzentrationen im Serum (> 1,0 ng/ml) auch noch einige Zeit nach dem letzten Konsum nachgewiesen werden. 5.2 Wie bewertet die Staatsregierung den neuen Grenzwert 3 ng THC/ml Blutserum, den die Grenzwertkommission , eine fachübergreifende Arbeitsgruppe , die die Bundesregierung berät und von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie gegründet worden ist, erhöht hat? Der analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml als Grundlage für eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG gilt unverändert . Wie in der Zeitschrift Blutalkohol (2015, 52: 322–323) veröffentlicht , ist bezüglich Ordnungswidrigkeiten eine Neubewertung des analytischen Grenzwertes von THC (1,0 ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24a Abs. 2 StVG nicht veranlasst. Eine THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml, gemessen im Serum oder Plasma, korreliert bei seltenem oder gelegentlichem Konsum zeitlich mit der Möglichkeit des Fortbestehens einer Wirkung, womit eine mangelhafte Wartezeit nach dem Konsum anzunehmen wäre (Blutalkohol, 2016, 53: 409–414). Die berauschende Wirkung von Cannabis umfasst in der akuten Phase eine zentrale Dämpfung mit Störungen der Motorik/Aussprache (Gangunsicherheiten, Sprache), Verlangsamung und Begriffsstutzigkeit; in der subakuten Phase ist eine ausgelassene und euphorische Stimmungslage zu beobachten, mit herabgesetzter Kritikfähigkeit und Selbstüberschätzung . Postakut (bis 12–24 Std.) zeigt sich ein verminderter Antrieb mit Passivität und dem Gefühl, nicht „völlig klar im Kopf“ zu sein. Diese Zustandsbeschreibungen lassen sich mit der im Straßenverkehr geforderten Fahrsicherheit nicht vereinbaren, da von einem erhöhten Unfallrisiko auszugehen ist (Graw, NZV 2018, S. 19). Für weitere Einzelheiten siehe „Cannabis: Potential und Risiko. Eine wissenschaftliche Analyse (CaPRis)“ im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (Kurzbericht Herbst 2017). Der in den beiden genannten Veröffentlichungen diskutierte Wert von 3,0 ng/ml THC trifft eine Aussage zur Trennungsbereitschaft der konsumierenden Person. Dieser Wert wurde von der Grenzwertkommission als Nachweis einer durch Cannabiskonsum begründeten fahrerlaubnisrechtlichen Fahrungeeignetheit empfohlen, da in diesen Fällen Drucksache 17/22704 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 entweder keine Trennungsbereitschaft zwischen Konsum und Fahren oder regelmäßiger Cannabiskonsum vorlag. 6.1 Ist es zutreffend, dass es bis zu vier Stunden dauern kann, bis der Cannabiskonsum im Urin nachgewiesen werden kann? Es ist wissenschaftlich belegt, dass nach Aufnahme von THC das Stoffwechselprodukt THC-Carbonsäure in der Regel bereits nach 15–20 Minuten nach Konsumbeginn im Urin nachgewiesen werden kann. 6.2 Wenn ja, als wie groß bewertet die Staatsregierung das Risiko, dass der akute Rausch bei Autofahrenden daher nicht ermittelt werden könnte? Entfällt. 7.1 Sind Atemmessgeräte („Breathalyzer“) bei der Bayerischen Polizei im Betrieb, mit denen vor Ort bei Verkehrskontrollen in kurzer Zeit festgestellt werden kann, inwieweit die kontrollierte Person unter Einfluss des aktiven THC steht? Atemmessgeräte werden bei der Bayerischen Polizei nur zur Atemalkoholbestimmung eingesetzt. Diese Geräte sind als Atemalkoholvortestgeräte zur Verdachtsgewinnung und bezüglich Ordnungswidrigkeitenverfahren als beweissichere Atemalkoholmessgeräte im Einsatz. Bei der Bayerischen Polizei werden derzeit Urin-Drogenschnelltests und Speichel-Drogenschnelltests zur Erkennung des Drogenkonsums bei Verkehrskontrollen genutzt. Diese Tests dienen zur Verdachtsgewinnung; für eine beweissichere Feststellung ist eine Blutuntersuchung erforderlich . 7.2 Wenn ja, seit wann, und wie sind die Ergebnisse? Entfällt. 7.3 Wenn nein, plant die Bayerische Polizei den (testweisen ) Einsatz der Geräte? Es existieren im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt derzeit keine Erkenntnisse darüber, dass sich Geräte in dieser Ausführung auch zur Erkennung von Drogen auf dem Markt befinden. 8.1 Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass im Falle des Cannabiskonsums die zuständige Führerscheinstelle informiert wird, um die persönliche Geeignetheit der Beschuldigten bzw. des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu überprüfen (bitte Kriterien auflisten)? Gemäß § 2 Abs. 12 StVG ist die Polizei verpflichtet, Informationen über Tatsachen den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln , soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus ihrer Sicht erforderlich ist. Diese Tatsachen können sich auch aus Vorgängen außerhalb des Straßenverkehrs ergeben. Der Konsum insbesondere illegaler berauschender Mittel ist grundsätzlich als eine solche Tatsache anzusehen. Die Fahrerlaubnisbehörde bewertet diese Informationen dann nach eigenem Ermessen. 8.2 Wie viele junge Menschen mussten in den letzten fünf Jahren bereits vor Ersterwerb des Führerscheins eine MPU machen, weil sie der Führerscheinstelle bereits wegen Cannabisdelikten bekannt waren, bevor die Volljährigkeit erreicht war? Wie unter 2.1 ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 8.3 Trifft es nach Kenntnis der Staatsregierung auch für deutsche Bürgerinnen und Bürger zu, dass – wie von der Bundesregierung 2015 in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angegeben – die Fahreignung von „EU-Ausländern “ nicht mehr nachgewiesen werden muss, sobald die Punkte nach fünf Jahren in Flensburg getilgt sind und demnach die Führerscheine ohne eine Fahreigungsüberprüfung (MPU und Abstinenznachweise ) wieder anerkannt werden? Wegen der fehlenden konkreten Bezugnahme ist eine Stellungnahme zu dieser Frage durch die Staatsregierung nicht möglich.