Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Florian von Brunn, Harry Scheuenstuhl SPD vom 08.05.2018 Gesundheitsgefahren durch poly- und perfluorierte Chemikalien im Nürnberger Land: Was taten Staatsregierung und Behörden? Die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) gehört zu den ge sundheitsschädigenden perfluorierten Chemikalien (PFC). PFOS wird in der Umwelt kaum abgebaut, reichert sich in Leber, Nieren und Gallenblase an und kann diese Organe schädigen sowie Krebs erzeugen. Die Herstellung und Ver wendung dieses Stoffes ist weltweit seit 2008 verboten, für die Verwendung gibt es jedoch Ausnahmeregelungen für einzelne Branchen. Mehrere Gewässer im Landkreis Nürnberger Land sind seit mehreren Jahren mit PFOS belastet. Es handelt sich dabei um den Finstergraben bei Diepersdorf, den Röthen bach und den Birkensee. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass PFOS auch in das Trinkwasser gelangt, da es im Grundwasser und Boden kaum abgebaut wird. Aus der Diepersdorfer Kläranlage strömen seit Jahren bis zu 11 Mikrogramm pro Liter (μg/l) des potenziell krebserre genden PFOS in den Finstergraben. Der vom Umweltbun desamt empfohlene Leitwert liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter. Ein Experte des Umweltbundesamtes hält die Belas tung im Finstergraben für immens und sieht dringenden Handlungsbedarf. Die Kläranlage wird derzeit erweitert, Aktivkohlefilter ge gen die Chemikalie sind allerdings nicht vorgesehen. Ob wohl das Landratsamt offensichtlich klare Hinweise dafür hat, welches Unternehmen aus dem Diepersdorfer Gewerbe gebiet für die hohe Schadstoffbelastung im Finstergraben verantwortlich ist, hat die Behörde bisher keine Maßnahmen ergriffen, um die Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung zu reduzieren. Wir fragen daher die Staatsregierung: 1. a) In welchen Gebieten mit Verdacht auf PFCBelas tung im Landkreis Nürnberger Land wurden Untersu chungen von Grund, Fließ und Trinkwasser, Boden, Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Produkten durchgeführt (unter Angabe von Ort, Art der Untersu chung sowie Datum)? b) Welche Ergebnisse haben die jeweils durchgeführten Untersuchungen erbracht? c) Mit welchen Langzeitfolgen muss für die menschliche Gesundheit gerechnet werden, wenn Sediment und Wasser stark mit PFOS belastet sind? 2. a) Wann wurden in den letzten zehn Jahren Grundwas ser sowie Sedimentproben im Birkensee, Röthen bach und Finstergraben auf PFOS untersucht? b) Welche Ergebnisse haben die dort jeweils durchge führten Untersuchungen ergeben? c) Welche Maßnahmen haben die zuständigen Behör den dort in den letzten zehn Jahren jeweils ergriffen? 3. a) Auf welche Ursache bzw. Verursacher ist die PFOS Belastung im Birkensee, Röthenbach und Finstergra ben zurückzuführen? b) Wer übernimmt die Durchführung und Kosten der not wenigen Sanierungsarbeiten von Birkensee, Röthen bach und Finstergraben? 4. a) Seit wann liegen den zuständigen Behörden Informa tionen darüber vor, dass PFOS aus der Diepersdorfer Kläranlage in den Finstergraben läuft? b) Wie erklärt die Staatsregierung die fehlenden Abhilfe maßnahmen z. B. durch Ersatz der Rohrleitungen der Diepersdorfer Kläranlage, die laut Angaben des Un ternehmens hauptursächlich die hohe Belastung des Abwassers ausmachen? c) Wie erklärt die Staatsregierung, dass bisher keine Ak tivkohlefilter in der Kläranlage installiert wurden, um so zu garantieren, dass nur sauberes Wasser in den Finstergraben geleitet wird? 5. a) Welche Ausnahmeregelungen für die Verwendung von PFOS hat das Landratsamt Nürnberger Land in den letzten 15 Jahren erteilt? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass es keinen gesetzlichen Abwassergrenzwert gibt, wel cher Auflagen der Landratsämter gegenüber Verursa chern von Schadstoffeinträgen ermöglichen würde? 6. a) Welche Brunnen im Landkreis Nürnberger Land sind mit PFOS belastet und mussten ggf. geschlossen bzw. von der Zufuhr an das Trinkwassernetz unterbrochen werden? b) Wurde die Bevölkerung im Landkreis Nürnberger Land auf die krebserregende Eigenschaft von PFOS und damit verbundene Gesundheitsrisiken durch die Be lastung mehrerer Gewässer mit PFOS hingewiesen? c) Aus welchem Grund wurde bisher kein HumanBio monitoring durchgeführt, um die PFOSBelastung im Blut der Bevölkerung festzustellen und daraus not wendige Konsequenzen zu ziehen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente  abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen/ T agesübersicht  zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.10.2018 Drucksache 17/22850 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22850 7. a) Inwiefern sind Badegäste im Birkensee von der Schad stoffbelastung betroffen? b) Mit welchen Gesundheitsgefahren muss für Badegäs te gerechnet werden, insbesondere für Kinder und an dere Risikogruppen? c) Inwiefern wurden Badegäste durch behördliche Hin weise bzw. andere Maßnahmen vor den hohen Schad stoffbelastungen geschützt? 8. a) In welchen der betroffenen Gewässer wurden Fische auf PFOSBelastung untersucht? b) Welche Ergebnisse lieferten die dort jeweils durchge führten Untersuchungen und wurden veröffentlicht (un ter Angabe von Ort und Datum der Veröffentlichung)? c) Inwiefern wurde der Fischereiverband in den Lauf der Untersuchungen miteinbezogen und über Gesund heitsgefährdungen informiert? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 21.06.2018 1. a) In welchen Gebieten mit Verdacht auf PFC-Belastung im Landkreis Nürnberger Land wurden Untersuchungen von Grund-, Fließ- und Trinkwasser, Boden, Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Produkten durchgeführt (unter Angabe von Ort, Art der Untersuchung sowie Datum)? Der Fokus der Untersuchungen von Grundwasser, Oberflä chengewässern und Boden liegt im südwestlichen Nürnber ger Land. Fließgewässer Seit 2014 werden ca. 60 Messstellen im westlichen Nürn berger Land mindestens einmal jährlich beprobt. Die Unter suchungen fanden im gesamten Einzugsgebiet des Röthen bachs mit Finstergraben statt, dazu kamen punktuelle Untersuchungen in Pegnitz, Schwarzach und Schnaittach. Birkensee – 2013 Beprobung und Untersuchung der vorhandenen sechs Grundwassermessstellen im Umfeld des Birken sees; – 2014 Beprobung und Untersuchung – von zehn neu erstellten Rammkernsondierungen (im Bereich „nördlicher Müllhang“ einer bekannten gemeindlichen Hausmüllablagerung aus der Vergan genheit), – der vorhandenen Grundwassermessstellen (Wieder holungsuntersuchung), – bekannter „Brandplätze“ (in der Vergangenheit in Brand geratene Müllcontainer im Uferbereich des Birkensees etc.); – 2015 Gewinnung und nachfolgende Untersuchung – tiefenorientierter Wasserproben aus dem großen Bir kensee, – von Sedimentproben vom Grund des Birkensees durch Taucher, – von Bodenproben von den Liegeflächen; – 2016 Neubau und Untersuchung von sechs Grundwas sermessstellen. Sedimentscreening in ausgewählten Fließgewässerabschnitten 2015 und 2016 wurden jeweils rund 30 Messstellen im ge samten Einzugsgebiet des Röthenbachs (mit Finstergra ben) und punktuell in der Pegnitz sowie der Schwarzach untersucht. Trinkwasser Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersuchte 2013 sowohl das Rohwasser wie auch das Trinkwasser von drei Trinkwassergewinnungsanlagen aus dem Landkreis Nürnberger Land. Landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel Sowohl vom Landesamt für Umwelt (LfU) als auch vom LGL wurden Fische untersucht, außerdem untersuchte das LGL Wildfleisch. b) Welche Ergebnisse haben die jeweils durchgeführten Untersuchungen erbracht? Oberflächengewässer Infolge der seit 2010 bestehenden Verwendungseinschrän kungen bzw. Verwendungsverbote nimmt die PFOSKon zentration in den Gewässern seit 2014 kontinuierlich ab. Dabei wirken sich auch Maßnahmen der industriellen oder gewerblichen Betriebe aus, die als Indirekteinleiter in eine kommunale Kläranlage einleiten (z. B. Rückhaltung von PFChaltigen Abwässern und fachgerechte Entsorgung oder Einrichtung von PFCAbwasserreinigungsanlagen). So sank die PFOSKonzentration im Finstergraben nach Einführung des Verwendungsverbotes von 9,1 μg/l (Mikro gramm pro Liter) im Jahr 2007 auf max. 0,89 μg/l im Jahr 2014. Eine weitere Abnahme war nach Einrichtung der Ab wasserreinigungsanlage bei einem der wesentlich ursäch lichen Indirekteinleiter 2017 zu verzeichnen: Die PFOSKon zentration reduzierte sich weiter von max. 0,24 μg/l im Jahr 2016 auf zuletzt 0,026 μg/l im November 2017. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Röthenbach: 2007 wur den unterhalb der Einmündung des Finstergrabens noch 1,1 μg PFOS/l gemessen. 2014 lag die PFOS-Konzentration bei max. 0,42 μg/l. Im November 2017 wurden 0,063 μg/l nachgewiesen. Die PFOSKonzentration im Röthenbach ist jedoch nicht allein auf den Finstergraben zurückzuführen. Die Unter suchungen werden auch an der Messstelle Petersbrücke durchgeführt, ca. 2,5 km oberhalb der Einmündung des Fins tergrabens. Auch hier ist eine PFOSAbnahme von max. 0,09 μg PFOS/l im Jahr 2014 auf zuletzt 0,01 μg/l im November 2017 feststellbar. Drucksache 17/22850 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Birkensee Die PFCKonzentrationen im Birkensee sind nach aktueller Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg auf PFChaltige Altablagerungen im See zurückzuführen, wobei der Verursacher nicht bekannt ist. Der nördliche Müllhang wurde 2014 als PFCQuelle ausgeschlossen. 2015 wurde das Sediment aus den tiefsten Bereichen des großen Bir kensees untersucht. Hier wurden zwischen 0,02 μg PFOS/l und 3,9 μg PFOS/l (im Eluat) nachgewiesen. Ergänzend wurden im Feststoff bis zu 190 μg PFOS/kg analysiert. Im nächsten Schritt ist hier eine Detailuntersuchung erforder lich. Darüber hinaus wurden im oberflächennahen Grundwas ser im Bereich des Birkensees max. 6,8 μg PFOS/l festge stellt (Juli 2016). Fließgewässersediment Das Sedimentscreening wurde zunächst für einen Überblick in einem groben Raster durchgeführt und im weiteren Ver lauf verdichtet. Röthenbach Entlang des Röthenbachs variiert die PFCKonzentration im Sediment: In einigen Abschnitten des mittleren Röthen bachs waren PFC nicht nachweisbar, an anderen Stellen ist PFC nachweisbar. Aktuell liegt kein Sanierungsbedarf im Röthenbach vor. Finstergraben Es ist davon auszugehen, dass sich der abnehmende Trend im Sediment des Finstergrabens nach der im Herbst 2017 stattgefundenen Inbetriebnahme der Abwasserreinigungs anlage beim relevanten Indirekteinleiter (siehe Antwort zu Frage 3 a) auch im Sediment weiter fortsetzt. Zur Beobach tung der weiteren Entwicklung sind Folgeuntersuchungen in den Jahren 2018 und 2019 geplant. Grundwasser westliches Nürnberger Land Im Begleitstrom des Röthenbachs wurden PFC im ersten Grundwasserstockwerk nachgewiesen. Sie sind teilweise auf punktuelle Eintragspfade (z. B. Verwertungen bzw. Ver füllungen) teilweise jedoch auch auf diffuse Einträge (z. B. aus dem Birkensee) zurückzuführen. Das Rohwasser der verschiedenen öffentlichen Trinkwas serbrunnen hält die Geringfügigkeitsschwelle der PFCLeit linie des LfU vom April 2017 ein. Eine Betriebswasserversorgung in der Stadt Röthenbach zeigte im Frühjahr 2018 im zweiten Grundwasserstockwerk auffällige PFCWerte. Die Konzentrationen lagen deutlich höher als im Bereich Birkensee/Leinburg. Hier muss nun zeitnah durch die zuständigen Behörden vor Ort geklärt werden, woher der Eintrag stammt und welche Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Trinkwasserversorgung (im weiteren Abstrom) zu ergreifen sind. Trinkwasser Siehe Antwort zu Frage 6 a. Landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel – Ergebnisse der Wildfleischuntersuchungen: Die zuletzt aus dem betreffenden Gebiet dem LGL vor gelegten Wildproben wiesen geringe PFCGehalte auf. – Zu den Fischuntersuchungen siehe Antwort zu Frage 8 b. c) Mit welchen Langzeitfolgen muss für die menschliche Gesundheit gerechnet werden, wenn Sediment und Wasser stark mit PFOS belastet sind? Nach derzeitigem Kenntnisstand liegen keine auffälligen Nachweise bei Nahrungsmitteln aus dem betreffenden Ge biet vor. Grundsätzlich gilt: PFC sind persistent in der Umwelt und akkumulieren sich in aquatischen und terrestrischen Lebe wesen. Beim regelmäßigen Verzehr PFOSbelasteter Nah rungsmittel reichert sich PFOS im Körper des Menschen an. Es wird nicht metabolisiert und kaum wieder aus dem Körper ausgeschieden. Wesentliche Endpunkte der Toxizität von PFOS sind die Schädigung der Leber und der Schilddrüse sowie Zeichen der Immuntoxizität und Entwicklungstoxizität. 2. a) Wann wurden in den letzten zehn Jahren Grundwasser - sowie Sedimentproben im Birkensee, Röthenbach und Finstergraben auf PFOS untersucht ? Siehe Antwort zu Frage 1 a. b) Welche Ergebnisse haben die dort jeweils durchgeführten Untersuchungen ergeben? Siehe Antwort zu Frage 1 b. c) Welche Maßnahmen haben die zuständigen Behörden dort in den letzten zehn Jahren jeweils ergriffen ? Zur Prüfung der möglichen Gefährdungen für Mensch und/ oder für Gewässer und zur Festlegung der weiteren Vorge hensweise arbeiten die zuständigen Fachstellen des Land ratsamtes Nürnberger Land (Staatliches Gesundheitsamt, Veterinäramt, Sachbereich „Wasserrecht und Bodenschutz“) sowie das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg als Fachbehör de zusammen und führten zahlreiche Untersuchungen und Ermittlungen durch: – Das Landratsamt Nürnberger Land führte zunächst eine historische Erkundung der Altablagerung „Birkensee“ mit Luftbildauswertung, Erstellung einer Nutzungshisto rie, Ortsbegehung, Fotodokumentation, Presseberichten und Zeitzeugenbefragung durch, um Erkenntnisse über die frühere und gegenwärtige Nutzung der Fläche zu erhalten und soweit erforderlich, eine Grundlage für die Orientierende Untersuchung (Amtsermittlung) durch das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg zu liefern. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22850 – Im Zuge der Recherchen wurden Zeitzeugen befragt, der mögliche Einsatz von PFChaltigen Löschschäumen bei Bränden, PFCAustritte bei Unfällen auf der nahe gelegenen Autobahn sowie die Klärschlammverwertung mehrerer Gemeinden untersucht. Zudem wurden bei Fir men Recherchen und Begehungen bezüglich der Lage rung und des Umgangs mit PFC durchgeführt. – Das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg führte verschie dene Untersuchungen im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht sowie drei Amtsermittlungen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch (vgl. Antwort zu Fra ge 1 a). – Öffentlichkeit und Presse wurden vom LRA regelmäßig informiert durch – Herausgabe von Presseinformationen, – Veröffentlichungen auf der Homepage des Land ratsamtes Nürnberger Land (https://landkreis.nuern berger-land.de/index.php?id=1993), – Durchführung einer Informationsveranstaltung zur Stoffgruppe der PFC im Jahr 2015, – Durchführung einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt Nürnberg mit Vorstellung der Ergebnisse der Amtsermittlungen Ende 2016, – Berichterstattungen über den aktuellen Sachstand zum Thema PFC im Bereich des Birkensees in mehreren Sitzungen des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft des Kreistages des Landkreises Nürnberger Land. 3. a) Auf welche Ursache bzw. Verursacher ist die PFOS-Belastung im Birkensee, Röthenbach und Finstergraben zurückzuführen? Birkensee Der PFOSNachweis im großen Birkensee ist wahrschein lich auf einen in der Vergangenheit stattgefundenen Eintrag von PFChaltigem Material zurückzuführen (Altablagerung). Wer für den Eintrag in den See verantwortlich ist (Verur sacher; bodenschutzrechtlich: Handlungsverantwortlicher) konnte bislang trotz umfangreicher behördlicher Untersu chungen nicht ermittelt werden. Röthenbach Die PFOSKonzentrationen im Röthenbach stammen aus verschiedenen Quellen bzw. von verschiedenen Verursa chern: Indirekteinleitungen, Entwässerungen (z. B. aus dem Bereich der Autobahn), Einleitungen aus Entlastungsanla gen der öffentlichen Kanalisation, Verfüllungen und Verwer tungen. Finstergraben Der PFOSBefund im Finstergraben kann einem Galvanik betrieb zugeordnet werden. Der Betrieb setzt bereits seit September 2012 auf freiwilliger Basis keine Stoffe dieser Gruppe mehr in der Produktion ein. PFC sind im Finstergra ben noch weiterhin nachweisbar, jedoch insbesondere nach Inbetriebnahme einer freiwillig erstellten Reinigungsanlage für PFC (bayernweit erste PFC-Abwasserreinigungsanlage) mit deutlich abnehmender Tendenz. b) Wer übernimmt die Durchführung und Kosten der notwenigen Sanierungsarbeiten von Birkensee, Röthenbach und Finstergraben? Birkensee Die Störerauswahl ist für den Bereich des Birkensees ab geschlossen. Da trotz umfangreicher behördlicher Ermitt lungen ein Verursacher nicht ausfindig gemacht werden konnte, werden die Bayerischen Staatsforsten als Grund stückseigentümer und somit Zustandsverantwortliche zur Durchführung und Finanzierung der notwendigen Untersu chungen zur Gefährdungsabschätzung in Form einer Detail untersuchung nach dem Bodenschutzrecht verpflichtet wer den. Ziel der Detailuntersuchung ist u. a. die abschließende Gefährdungsabschätzung. Diese bildet die Entscheidungs grundlage dafür, ob, und, wenn ja, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr notwendig werden. Röthenbach Es besteht keine Sanierungsnotwendigkeit (siehe Antwort zu Frage 1 b). Finstergraben Es besteht keine Sanierungsnotwendigkeit (siehe Antwort zu Frage 1 b). 4. a) Seit wann liegen den zuständigen Behörden Informationen darüber vor, dass PFOS aus der Diepersdorfer Kläranlage in den Finstergraben läuft? Informationen über erhöhte PFOSKonzentrationen im Ab lauf der kommunalen Kläranlage der Gemeinde Leinburg (im Ortsteil Diepersdorf) liegen der Kreisverwaltungsbehör de seit August 2012 vor. Auslöser waren Untersuchungen im Rahmen der Neubeantragung der wasserrechtlichen Er laubnis der Kläranlage. b) Wie erklärt die Staatsregierung die fehlenden Abhilfemaßnahmen z. B. durch Ersatz der Rohrleitungen der Diepersdorfer Kläranlage, die laut Angaben des Unternehmens hauptursächlich die hohe Belastung des Abwassers ausmachen? Mangels einer gesetzlichen Grundlage (keine Grenzwerte in der Abwasserverordnung des Bundes) ist es bislang nicht möglich, ein Unternehmen oder eine Gebietskörperschaft zu Maßnahmen einer PFCAbreinigung rechtlich zu ver pflichten. Die angesprochenen Maßnahmen können daher nicht behördlich angeordnet werden. Ob der Austausch von Rohrleitungen der Kanalisation einen wesentlichen Bei trag zur Verringerung der PFCKonzentration im Abwasser leisten kann, ist nicht erwiesen. Der Fokus der Untersu chungen liegt auf der innerbetrieblichen PFOSVerminde rung im Abwasser des Einleiters in die Kläranlage, d. h. auf der Verringerung am Ort der Entstehung. Nach mehrjähriger Forschungsleistung durch den Betrieb konnte 2017 die Ab wasserreinigungsanlage für PFC in Betrieb genommen wer den. Sie führt zu einer sehr deutlichen Abnahme der PFOS Konzentration im Finstergraben. Drucksache 17/22850 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 c) Wie erklärt die Staatsregierung, dass bisher keine Aktivkohlefilter in der Kläranlage installiert wurden, um so zu garantieren, dass nur sauberes Wasser in den Finstergraben geleitet wird? Siehe Antwort zu Frage 4 b. 5. a) Welche Ausnahmeregelungen für die Verwendung von PFOS hat das Landratsamt Nürnberger Land in den letzten 15 Jahren erteilt? Das Landratsamt Nürnberger Land hat in der Vergangenheit keine Ausnahmeregelungen für die Verwendung von PFOS erteilt. Herstellung, Verwendung und Inverkehrbringen von PFOS sind europaweit durch die Verordnung 850/2004/EG („POP“Verordnung, aktualisiert durch die Verordnungen 756/2010/EU und 757/2010/EU) geregelt. Galvanikbetriebe durften PFOS noch bis zum 26.08.2015 rechtmäßig ver wenden. Nach den dem Landratsamt vorliegenden Informa tionen haben alle Betriebe im Landkreis Nürnberger Land nach Ablauf dieser Frist nicht mehr mit PFOS gearbeitet. Teilweise wurde bereits vor dem 26.08.2015 auf freiwilliger Basis auf den Einsatz von PFOS verzichtet. b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass es keinen gesetzlichen Abwassergrenzwert gibt, welcher Auflagen der Landratsämter gegenüber Verursachern von Schadstoffeinträgen ermöglichen würde? Abwassergrenzwerte sind erforderlich, um Schadstoffeinträ ge in Gewässer nach dem Stand der Technik zu begren zen. Nach aktuellem Erkenntnisstand tritt PFOShaltiges Abwasser im Wesentlichen noch bei bestimmten Galvanik betrieben auf, die unter den Anhang 40 „Metallbearbeitung, Metallverarbeitung“ der Abwasserverordnung des Bundes (AbwV) fallen. Dieser Anhang enthält bislang keinen PFOS Emissionsgrenzwert. Nach Chemikalienrecht ist die Verwendung von PFOS nur noch als Mittel zur Sprühnebelunterdrückung für nicht dekoratives Hartverchromen (Chrom VI) in geschlossenen Kreislaufsystemen erlaubt. Bis 26.08.2015 durften darüber hinaus noch PFOShaltige Netzmittel für überwachte Gal vanotechniksysteme verwendet werden. PFOS hat die Ei genschaft, sich in Anlagenteilen so festzusetzen, dass Rei nigungsmaßnahmen weitgehend unwirksam bleiben. Durch langsames Austreten kommt es daher auch nach Einstel lung einer PFOSVerwendung noch längere Zeit zu mess baren PFOSKonzentrationen im Betriebsabwasser von entsprechenden Galvanikbetrieben. Aufgrund dieses Sachverhalts hat der BundLänder Arbeitskreis Abwasser bei einer Sondersitzung am 19.09.2017 auf Vorschlag Bayerns beschlossen, dass in Anhang 40 AbwV ein PFOS-Grenzwert von 10 µg/l aufge nommen werden soll. Gemäß § 57 Abs. 2 Wasserhaushalts gesetz (WHG) i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 3 legt die Bundesre gierung Anforderungen an das Einleiten von Abwasser fest, die dem Stand der Technik entsprechen. Die erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Beschlusses und damit zur Ein führung eines PFOSAbwassergrenzwerts obliegen daher dem Bundesumweltministerium. 6. a) Welche Brunnen im Landkreis Nürnberger Land sind mit PFOS belastet und mussten ggf. geschlossen bzw. von der Zufuhr an das Trinkwassernetz unterbrochen werden? PFC wurde im „Abwehrbrunnen“ der Wasserversorgung Moritzberggruppe festgestellt, der dazu dient, ein Eindrin gen von PFC in die Trinkwasserbrunnen zu verhindern. Zu dem stellte das LGL einen Gehalt an PFOS in einem Trink wasserbrunnen fest, der sowohl deutlich unter dem bis 2016 empfohlenen, lebenslang gesundheitlich duldbaren Leitwert in Trinkwasser von 0,3 μg/l wie auch unterhalb des aktuell empfohlenen Leitwerts von 0,1 µg/l lag. Der Gehalt lag im daraus abgegebenen Trinkwasser nochmals niedriger, da das Wasser des belasteten Brunnens mit dem von anderen Brunnen gemischt abgegeben wurde. b) Wurde die Bevölkerung im Landkreis Nürnberger Land auf die krebserregende Eigenschaft von PFOS und damit verbundene Gesundheitsrisiken durch die Belastung mehrerer Gewässer mit PFOS hingewiesen? Siehe Antwort zu Frage 2 c. c) Aus welchem Grund wurde bisher kein Human- Biomonitoring durchgeführt, um die PFOS-Belastung im Blut der Bevölkerung festzustellen und daraus notwendige Konsequenzen zu ziehen? Bisher wurde kein HumanBiomonitoring im Landkreis Nürn berger Land durchgeführt, da dem LGL bisher keine rele vanten Aufnahmepfade bekannt geworden sind. Insbeson dere sind nach derzeitigem Kenntnisstand Trinkwasser und Lebensmittel nicht auffällig belastet. 7. a) Inwiefern sind Badegäste im Birkensee von der Schadstoffbelastung betroffen? Die Wasseraufnahme beim Baden liegt im Jahresmittel weit niedriger als die Trinkwasseraufnahme, weshalb Baden in Bezug auf PFCBelastungen als gesundheitlich wenig pro blematisch angesehen werden kann. Zudem wurde seitens des Gesundheitsamtes Nürnberger Land vorsorglich eine Badewarnung ausgesprochen. Daher sind gesundheitliche Gefährdungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu er warten. b) Mit welchen Gesundheitsgefahren muss für Badegäste gerechnet werden, insbesondere für Kinder und andere Risikogruppen? Siehe Antwort zu Frage 7 a. c) Inwiefern wurden Badegäste durch behördliche Hinweise bzw. andere Maßnahmen vor den hohen Schadstoffbelastungen geschützt? Siehe Antwort zu Frage 7 a. 8. a) In welchen der betroffenen Gewässer wurden Fische auf PFOS-Belastung untersucht? Dem LfU liegen Untersuchungsergebnisse aus dem Fisch schadstoffmonitoring für die Pegnitz aus dem Untersu Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22850 chungsjahr 2014 vor. Das LGL untersuchte Fische aus dem großen und kleinen Birkensee sowie aus zahlreichen umlie genden Gewässern. b) Welche Ergebnisse lieferten die dort jeweils durchgeführten Untersuchungen und wurden veröffentlicht (unter Angabe von Ort und Datum der Veröffentlichung )? – Ergebnisse des Fischschadstoffmonitorings an der Pegnitz 2014 (veröffentlicht unter https://www.lfu.ba yern.de/analytik_stoffe/per_polyfluorierte_chemikalien/ pfc_belastung_fische/doc/ergebnis_fischschadstoffmo nitor_2012_2016.pdf): – An der Messstelle Enzendorf wurde in einer Poolpro be bestehend aus dem Muskelfleisch von vier Regen bogenforellen PFOS in einer geringen Konzentration von 0,7 μg/kg Frischgewicht (FG) nachgewiesen. – An der Messstelle RöthenbachRückersdorf wurde in einer Poolprobe aus dem Muskelfleisch von neun Haseln 23 μg/kg FG PFOS nachgewiesen. – Ergebnisse der Fischuntersuchungen des LGL: Die Ergebnisse wurden nach Abschluss der Untersu chung auf der Internetseite des LGL veröffentlicht (am 21.10.2015, unter https://www.lgl.bayern.de/lebensmit tel/chemie/kontaminanten/pfas/ue_2015_pft_birkensee. htm) und sind dort abrufbar. Die Analyse von Fischen aus dem großen und kleinen Birkensee wurde im Jahr 2017 wiederholt. Die Ergebnisse wurden dem Land ratsamt mitgeteilt (siehe Antwort zu den Fragen 1 a, 1 b und 1 c). Die Kommunikation der Ergebnisse übernahm das Landratsamt. c) Inwiefern wurde der Fischereiverband in den Lauf der Untersuchungen miteinbezogen und über Gesundheitsgefährdungen informiert? Der Fischereiverband Mittelfranken wurde über die Ergeb nisse der Fischuntersuchungen des Birkensees durch das LGL über den Fischereiverein Altdorf (21.09.2015) infor miert. In die Untersuchungen wurde die Fischereifachbera tung Mittelfranken einbezogen, da diese die operative Un terstützung leistete.