Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 19.03.2018 Umsetzung § 65c Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V): Klinische Krebsregister in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Inwieweit werden die Aufgaben 1 bis 8 des § 65c Abs. 1 SGB V erfüllt? 2. Welche Informationen erhält jeder Leistungserbringer auf welchem Weg? 3. Wie wird ein niedergelassener Arzt unterstützt, wenn der Patient vor ihm sitzt, und was ist geplant? 4. Wie ist der Stand und welche zukünftigen digitalen Unterstützungen der Ärzte sind im Sinne einer Medizin 4.0 für die regionalen Versorgungsnetze vorgesehen? 5. a) Welche Weiterentwicklungen in der intersektoralen und interdisziplinären Zusammenarbeit hat das Bayerische Krebsregistergesetz (BayKRegG) angestoßen? b) Welche Erleichterungen gibt es bei der Übermittlung von Arztbriefen und Befunden? 6. a) Welchen Zugang hat jedes Zentrum zu den eigenen Daten? b) Welche Auswertungsmöglichkeiten gibt es für jedes Zentrum? c) Wie werden u. a. die Zertifizierungsaudits für die Organzentren unterstützt, wenn nur pseudonymisierte Daten zur Verfügung stehen? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.06.2018 1. Inwieweit werden die Aufgaben 1 bis 8 des § 65c Abs. 1 SGB V erfüllt? Die Aufgaben 1, 2, 4, 6, 7 und 8 wurden bereits von den früheren klinischen Krebsregistern wahrgenommen und werden durch deren Integration in das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und den Weiterbetrieb als Regionalzentren unmittelbar fortgeführt. Im Rahmen dieser Übernahme an das LGL wurden Unterschiede in der Aufgabenerfüllung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zwischen den Regionalzentren deutlich . Diese Ungleichheiten werden seither im Rahmen eines bayernweiten Qualitätsentwicklungsprozesses mit dem Ziel der flächendeckend bestmöglichen Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten in einem gemeinsamen Prozess mit regelmäßig wiederholten Abstimmungen ausgeglichen. Aufgabe 3 – der Datenaustausch mit anderen regionalen klinischen Krebsregistern bei solchen Patientinnen und Patienten , bei denen Wohnort und Behandlungsort in verschiedenen Einzugsgebieten liegen – ist eine neue Aufgabe, zu deren Erfüllung von der bundesweiten Plattform der § 65c- Register mit Beteiligung des LGL ein geeignetes Austauschformat verabschiedet wurde. Die praktische Umsetzung des Austauschs zwischen Behandlungsort- und Wohnortregistern hat seit März 2018 begonnen. Die Ausgestaltung von Aufgabe 5 – die Beteiligung an der einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung – ist bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht festgelegt worden. Das Bayerische Krebsregister ist aufgrund der im ersten Absatz genannten Fortführung der bewährten bayerischen Krebsregisterstrukturen grundsätzlich in der Lage, entsprechende Anforderungen zu erfüllen. 2. Welche Informationen erhält jeder Leistungserbringer auf welchem Weg? Zur Information der Leistungserbringer werden parallel verschiedene Medien genutzt, wie z. B.: – Veröffentlichung einschlägiger Normen im Bayerischen Gesetz-und Verordnungsblatt, – Veröffentlichung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zum Inkrafttreten des Bayerischen Krebsregistergesetzes (BayKRegG) im Bayerischen Ärzteblatt 6/2017 (http://www.bayerischesaerzteblatt. de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2017/06/einzelpdf/ BAB_6_2017_286_287.pdf), – eine Informationsreihe „Neues vom Bayerischen Krebsregister “ (z. B. zur Veröffentlichung im Bayerischen Ärzteblatt) ist in Vorbereitung, – Rundschreiben der Regionalzentren an die Melder, Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente  abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen/ T agesübersicht  zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.11.2018 Drucksache 17/22887 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22887 – Internetangebot auf www.krebsregister-bayern.de: – Informationen zu rechtlicher Grundlage, zu Organisation und Kontaktadressen, – Informationen zur Meldepflicht, zur Informationspflicht , zum Meldeverfahren, zu Umsatzsteuerregelungen , – Downloadmöglichkeit von Meldebögen, – direkte Auskünfte des zuständigen Regionalzentrums oder der Zentralstelle für Krebsfrüherkennung und Krebsregistrierung bei Anfragen über Telefon oder E- Mail und Zusendung von Informationsmaterial sowie – Informationsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit Organ - und Tumorzentren, Kliniken und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. 3. Wie wird ein niedergelassener Arzt unterstützt, wenn der Patient vor ihm sitzt, und was ist geplant ? Um niedergelassenen Ärzten wie auch Ärzten in Krankenhäusern die Erfüllung der Informationspflicht gegenüber den Patienten zu erleichtern, wurde ein Informationsfaltblatt gestaltet, das alle wichtigen und datenschutzrechtlich notwendigen Informationen zur Krebsregistermeldung in leicht verständlicher Form enthält. Die Inhalte sind mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt und umfassen u. a. die Ziele der Krebsregistrierung, eine Beschreibung der zu meldenden Daten, den Hinweis auf das Auskunfts- und Widerspruchsrecht und Kontaktdaten der Ansprechpartner, insbesondere der Vertrauensstelle. Alle medizinischen Einrichtungen in Bayern können das Informationsfaltblatt beim LGL anfordern und erhalten es kostenfrei in der benötigten Stückzahl. Es steht zusätzlich auf den Webseiten des Krebsregisters zum Download zur Verfügung. Weitere Informationen der Ärzte sind über geeignete Medien in Vorbereitung. Zur Unterstützung der Behandlung kann ein Arzt im Rahmen des behandlungsbezogenen Datenabrufs gemäß Art. 12 BayKRegG die im Krebsregister gespeicherten Angaben zum bisherigen Krankheits- und Therapieverlauf abrufen . 4. Wie ist der Stand und welche zukünftigen digitalen Unterstützungen der Ärzte sind im Sinne einer Medizin 4.0 für die regionalen Versorgungsnetze vorgesehen? Neue Möglichkeiten der Vernetzung zwischen Meldern und dem LGL als krebsregisterführender Stelle werden angestrebt , müssen sich bei der Umsetzung jedoch an die Regelungen des BayKRegG und die datenschutzrechtlichen Anforderungen halten. Elektronische Krebsregistermeldungen im bundeseinheitlichen XML-Format sind ein erster Schritt, um elektronische Dokumentationssysteme miteinander zu vernetzen und einen Medienwechsel zwischen Informationssystemen und Papierformularen zu vermeiden. Ein Melderportal wird hierzu im Datenaustausch zwischen Ärzten und dem LGL vermitteln. Eine direkte Anbindung von Praxis- und Klinikinformationssystemen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht möglich. Ein Beitrag einer Krebsregisterauskunft nach Art. 6 BayKRegG zu einer patienteneigenen elektronischen Gesundheitsakte wäre denkbar, sofern ein sicheres Übermittlungsportal zur Verfügung steht. 5. a) Welche Weiterentwicklungen in der intersektoralen und interdisziplinären Zusammenarbeit hat das Bayerische Krebsregistergesetz (BayKRegG) angestoßen? Mit dem BayKRegG werden die vom Gesetz über das bevölkerungsbezogene Krebsregister Bayern (BayKRG) vom 25.07.2000 (außer Kraft getreten am 31.03.2017) angestoßenen , kontinuierlich weiterentwickelten Vernetzungen der interdisziplinären und sektorenübergreifenden Strukturen nahtlos fortgeführt. Darüber hinaus werden die bisher lokalen Vernetzungsaktivitäten der früheren sechs klinischen Krebsregister an den Tumorzentren bzw. dem Tumorregister München durch das Bayerische Krebsregister bayernweit gebündelt und harmonisiert. So wird die bayernweite Qualitätssicherung in der onkologischen Versorgung durch die vom Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz vorgegebenen interdisziplinären Qualitätskonferenzen verbessert werden, die das LGL initiieren und durch Datenauswertungen unterstützten wird. Dies betrifft dezentrale Qualitätskonferenzen , die teilweise auch bisher schon veranstaltet wurden, ermöglicht aber auch bayernweite Anwendungen gerade für seltene Tumorarten, für die es in den einzelnen Regionen nur wenige Behandlungseinrichtungen gibt. Die Qualitätskonferenzen ergänzen die bisher unterstützten interdisziplinären Projektgruppen: Auswertungen zu Melde- und Ergebnisqualität werden vergleichend zwischen den verschiedenen Einrichtungen, Regionen, bayern weit bis länderübergreifend dargestellt. Gemeinsam mit den Leistungserbringern aus den verschiedenen Sektoren und Fachbereichen werden Vorgehensweisen zur Optimierung der onkologischen Versorgung diskutiert und festgelegt. Das Ergebnis dieser Vereinbarungen ist wiederum überprüfbar durch die Auswertung der Daten des zentralen Krebsregisters . Ein weiteres Instrument zur Verbesserung der intersektoralen und interdisziplinären Zusammenarbeit ist die Schaffung des Registerbeirates, dem Vertreter der wichtigen an der onkologischen Versorgung beteiligten bayerischen Institutionen angehören werden. Der Registerbeirat besteht aus dem vorsitzenden Mitglied und aus drei Vertretern der krebsregisterführenden Stelle, davon mindestens einem Vertreter eines Regionalzentrums und mindestens einem Vertreter der Vertrauensstelle. Außerdem können folgende Institutionen und Berufsgruppen je ein Mitglied und einen Stellvertreter entsenden: – Bayerische Krebsgesellschaft e. V., – Bayerische Landesärztekammer, – Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, – gesetzliche Krankenversicherung, – Medizinischer Dienst der Krankenversicherung in Bayern , – Verband der privaten Krankenversicherungen e. V., – Bayerische Krankenhausgesellschaft e. V., – Vertretung der Bayerischen Comprehensive Cancer Center, – Vertretung der Bayerischen Tumorzentren, Drucksache 17/22887 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 – bayerischer Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Pathologen, – Epidemiologen oder Wissenschaftler mit vergleichbarer Qualifikation, – Versorgungsforscher oder Wissenschaftler mit vergleichbarer Qualifikation, – wissenschaftlicher Vertreter der Ethik oder Wissenschaftler mit vergleichbarer Qualifikation und – Patienten- und Pflegebeauftragter der Staatsregierung. Eine Verbesserung der Datenflüsse ist durch die im BayKRegG vorgegebene Meldepflicht und die Festlegung von Fristen zur Meldung des Meldeereignisses und Bearbeitung der Meldungen im Krebsregister bedingt: So sind die Daten zeitnäher verfügbar und können schneller ausgewertet und an die Leistungserbringer rückgemeldet werden. b) Welche Erleichterungen gibt es bei der Übermittlung von Arztbriefen und Befunden? Da Arztbriefe auch Informationen über Patienten enthalten können, die über die für die Krebsregistrierung vorgesehenen Merkmale hinausgehen, ist eine systematische Übermittlung von Arztbriefen an das Krebsregister datenschutzrechtlich bedenklich. Sie kann bestenfalls übergangsweise mit Einschränkungen erfolgen, bis melderseitig bessere Meldemöglichkeiten etabliert sind. Für die Befundübermittlung stehen am Bayerischen Krebsregister mittlerweile das bundesweit einheitliche XML- Format für elektronische Meldungen sowie die bayerneinheitlichen Meldebögen zu den gesetzlich definierten Meldeanlässen , die am PC ausgefüllt werden und verschlüsselt an das Krebsregister gesendet werden können, zur Verfügung . 6. a) Welchen Zugang hat jedes Zentrum zu den eigenen Daten? Im Rahmen des behandlungsbezogenen Datenabrufs gemäß Art. 12 BayKRegG können Leistungserbringer Daten der Patienten, an deren Diagnose, Behandlung oder Nachsorge sie beteiligt sind oder waren, beim zuständigen Regionalzentrum anfordern; sie erhalten diese in schriftlicher oder elektronischer Form. Im Falle eines Widerspruchs eines Patienten ist der Abruf nicht möglich, da dann die personenidentifzierenden Daten gelöscht wurden. b) Welche Auswertungsmöglichkeiten gibt es für jedes Zentrum? Für jedes Zentrum besteht das Angebot der Auswertung der Daten aller von diesem Zentrum gemeldeten Patientinnen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen. In die Auswertung fließen auch die Beiträge anderer Melder und eventuelle Sterbedaten aus Todesbescheinigungen oder dem Melderegisterabgleich ein, sodass möglichst vollständige Krankheitsverläufe analysiert werden können. Verfügbar nach dem BayKRegG und damit auswertbar sind grundsätzlich die Merkmale des Einheitlichen Onkologischen Basisdatensatzes der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID) mit den aktuell im Bundesanzeiger veröffentlichten Modulen zur organspezifischen Tumordokumentation von Mamma-, Darmund Prostatakarzinom. Einzelne zusätzlich für die Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft benötigte Merkmale können mittels einer Kooperationsvereinbarung nach dem Muster der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der ADT zwischen LGL und Organzentren nach schriftlichem Einverständnis der Zentrumspatientinnen und -patienten ergänzend zu dem einheitlichen onkologischen Basisdatensatz an das LGL gemeldet und für die Auswertungen herangezogen werden. Die zusammengefassten Daten ermöglichen Auswertungen zur Ergebnisqualität, stratifiziert für verschiedene Patientengruppen nach Diagnose, primärer Tumorausprägung und -ausbreitung, Art und Ergebnis der durchgeführten Primärtherapien (operative Therapie, Strahlen-, Chemo-, Hormon- und Immuntherapie bis hin zur Nachverfolgung ohne therapeutische Intervention) und anderer Merkmale wie Geschlecht oder Jahr der Diagnose. Durch die Verarbeitung der Todesbescheinigungen und den regelmäßigen elektronischen Datenabgleich zwischen der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung und dem LGL als krebsregisterführender Stelle sind die Todesdaten bekannt und ermöglichen die Berechnung von Kaplan-Meier- Überlebenskurven. Durch die in der Krebsregisterdatenbank vorgehaltenen Nachsorgeinformationen von verschiedenen Meldern in Praxen und Kliniken, ob und wann nach kurativer Therapie Rezidive und Fernmetastasen aufgetreten sind, kann z. B. das progressionsfreie Überleben, das krankheitsfreie Überleben sowie die Lokalrezidivrate berechnet und den Zentren zur Verfügung gestellt werden. c) Wie werden u. a. die Zertifizierungsaudits für die Organzentren unterstützt, wenn nur pseudonymisierte Daten zur Verfügung stehen? Die Regionalzentren unterstützen Zertifizierungsaudits für die Organzentren. Die Organzentren dürfen hierzu Patientendaten gemäß Art. 12 BayKRegG erhalten. Für die Bearbeitung der dazu notwendigen behandlungsbezogenen Datenabrufe stehen den Regionalzentren auch die Identitätsdaten der betroffenen Patienten temporär zur Verfügung. Die abgefragten Daten können daher dem Organzentrum patientenbezogen übermittelt werden. Der dauerhafte Zugriff auf Identitätsdaten bleibt jedoch der Vertrauensstelle vorbehalten.