Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm (fraktionslos) vom 10.01.2018 Konsum von medizinisch verordnetem Cannabis Im März 2017 wurde die Abgabe von medizinischem Can nabis zu therapeutischen Zwecken weiter liberalisiert. Be reits vorher war eine Abgabe mit Genehmigung der Bundes opiumstelle möglich. Im Zusammenhang mit der legalisierten Einnahme von Cannabis stellen sich jedoch erhebliche verwaltungs und strafrechtliche Herausforderungen. Nicht zuletzt hat eine Petition in 2017 gezeigt, dass es zu schwe ren Einschränkungen für die Betroffenen kommen kann, wie z. B. dem Entzug des Führerscheins oder des Jagdscheines. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie vielen Patientinnen und Patienten wird in Bayern Cannabis zu therapeutischen Zwecken verschrieben (bitte aufschlüsseln nach 2016 und 2017 sowie nach Diagnose)? b) Bei wie vielen Patientinnen und Patienten wurden Ver fahren zum Entzug einer behördlichen Erlaubis geführt (Fahrerlaubnis, Waffenschein oder Waffenbesitzkarte, Jagdschein, Gewerbeschein etc.)? c) Gab es Eintragungen in das polizeiliche Führungs zeugnis von Konsumentinnen und Konsumenten, die medizinisch verordnet Cannabis konsumieren, die auf den Cannabiskonsum zurückzuführen sind (z. B. Fest stellung der Betäubungsmittelabhängigkeit, Gewerbe verbot, Verbot der Aufsicht über Kinder und Jugendli che)? 2. a) Welchen THCGrenzwert hält die Staatregierung zum Führen eines Fahrzeuges für tolerierbar? b) Wie häufig wurde bei Verkehrsteilnehmern wegen des Verdachts auf Einnahme von Drogen ein Drogen screening angeordnet und mit welchem Ergebnis? c) Wie häufig haben Betroffene mit positivem THC Screening eine medizinische Veordnung von Canna bis vorgelegt? 3. a) Wie viele Jagdscheine wurden in den vergangenen fünf Jahren wegen des Konsums von Alkohol, Canna bis, Medikamenten oder anderer Drogen eingezogen (bitte nach Jahren, Substanzen und Rechtsgrundlage der Entscheidung aufschlüsseln)? b) Welchen THCWert hält die Staatsregierung zum Aus üben der Jagd für angemessen? 4. a) Wie viele Waffenbesitzkarten oder Waffenscheine wurden in den vergangenen fünf Jahren wegen des Konsums von Alkohol, Cannabis, Medikamenten oder anderer Drogen eingezogen (bitte nach Jahren, Sub stanzen und Rechtsgrundlage der Entscheidung auf schlüsseln)? b) Welchen THCWert hält die Staatsregierung zum Be sitz oder Führen einer Waffe für tolerierbar? 5. a) Wie häufig wurde bei gegen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer wegen des Verdachts auf Ein nahme von Drogen angeordneten Drogenscreenings ein erhöhter Benzodiazepinwert gemessen? b) Wie häufig wurde in den letzten fünf Jahren in Bayern eine Fahrerlaubnis wegen des Konsums von Benzo diazepinen eingezogen? c) Wie häufig haben Betroffene mit positivem Screening auf Benzodiazepine eine entsprechende medizinische Veordnung vorgelegt? 6. Welche Maßnahmen zur Schulung der Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter in Behörden und Polizei zum Umgang mit Konsumentinnen und Konsumenten von medizinisch verordnetem Cannabis ergreift die Staats regierung? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz , dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie, dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 29.06.2018 1. a) Wie vielen Patientinnen und Patienten wird in Bayern Cannabis zu therapeutischen Zwecken verschrieben (bitte aufschlüsseln nach 2016 und 2017 sowie nach Diagnose)? Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, das am 10.03.2017 in Kraft getre ten ist, wurde die Verschreibungsfähigkeit für weitere Arz neimittel auf Cannabisbasis (getrocknete Blüten, Extrakte) hergestellt und die Erstattungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert. Somit kann grundsätzlich Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.10.2018 Drucksache 17/23042 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23042 jede Ärztin und jeder Arzt in Deutschland Arzneimittel auf Cannabisbasis auf einem dreiteiligen amtlichen Formblatt (Betäubungsmittelrezept) verschreiben. Die Teile l und II sind zur Vorlage in einer Apotheke bestimmt, Teil III verbleibt bei der Ärztin bzw. bei dem Arzt, an die bzw. an den das Be täubungsmittelrezeptformular von der Bundesopiumstelle ausgegeben wurde. Die abgebende Apotheke hat Teil l der Verschreibung aufzubewahren. Teil II ist zur Verrechnung bestimmt. Soweit die Verordnung von Arzneimitteln auf Can nabisbasis zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt, werden von den verordnenden Leistungserbringern anonymisierte Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für eine wissenschaftliche Begleit erhebung übermittelt. Diese läuft bis zum 31.03.2022 (vgl. § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch – SGB – Fünftes Buch – V). Der Staatsregierung ist nicht bekannt, wie vielen Patien tinnen und Patienten in Bayern Cannabis zu medizinischen Zwecken verordnet wurde und welche Diagnosen diesen Verschreibungen zugrunde lagen. b) Bei wie vielen Patientinnen und Patienten wurden Verfahren zum Entzug einer behördlichen Erlaubis geführt (Fahrerlaubnis, Waffenschein oder Waffenbesitzkarte , Jagdschein, Gewerbeschein etc.)? Seitens der 95 Fahrerlaubnisbehörden besteht keine Ver pflichtung, eine Statistik zu den Entzügen der Fahrerlaub nisse zu führen. Die gewünschten Zahlen müssten daher insoweit erst von den einzelnen Fahrerlaubnisbehörden er mittelt werden. Im ersten Schritt müssten alle Fahrerlaubnis entzüge im genannten Zeitraum erfasst werden. In einem zweiten Schritt müsste dann in jedem einzelnen Fall der jeweilige Entziehungsgrund festgestellt werden. Nach An lage 4 zur FahrerlaubnisVerordnung (FeV) gibt es aktuell 11 Ziffern mit entsprechenden Unterziffern, die sich mit Er krankungen und Mängeln befassen, die im Einzelfall die Eig nung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen kön nen und zum Entzug der Fahrerlaubnis führen können. Der daraus resultierende Verwaltungsaufwand für die Fahrer laubnisbehörden steht in keinem Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn aus den gewünschten Zahlen. Zum Entzug des Waffenscheins wegen medizinisch ver ordnetem Cannabis ist ein Verfahren bekannt (2016). Zum Entzug des Jagdscheins wegen medizinisch verord netem Cannabis ist ein Verfahren bekannt (2016). Gemäß § 35 Gewerbeordnung (GewO) ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersa gung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Gründe für eine Gewerbe untersagung werden in Bayern nicht statistisch erfasst. Es liegen daher keine Erkenntnisse darüber vor, bei wie vielen Patienten, denen die Abgabe von medizinischem Cannabis zu therapeutischen Zwecken verordnet wurde, Verfahren zur Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 35 GewO geführt wurden. c) Gab es Eintragungen in das polizeiliche Führungszeugnis von Konsumentinnen und Konsumenten, die medizinisch verordnet Cannabis konsumieren, die auf den Cannabiskonsum zurückzuführen sind (z. B. Feststellung der Betäubungsmittelabhängigkeit , Gewerbeverbot, Verbot der Aufsicht über Kinder und Jugendliche)? Zunächst gilt es anzumerken, dass der Inhalt eines Füh rungszeugnisses durch § 32 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) bestimmt wird. Aufgrund der Regelung in § 32 Abs. 2 bis 4 BZRG, die im Detail festlegt, welche Eintragungen aus dem Bundeszentralregister jeweils aufzunehmen sind, ist zwischen dem sog. Privatführungszeugnis, dem Führungs zeugnis für behördliche Zwecke und dem sog. erweiterten Führungszeugnis zu unterscheiden. Ein Europäisches Füh rungszeugnis wird in Deutschland lebenden Staatsangehö rigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Uni on erteilt (vgl. § 30b BZRG). Es gibt auch Auskunft darüber, ob die betreffende Person im EUStaat ihrer Herkunft vorbe straft ist. Die Eintragungen in diesen verschiedenen Arten von Führungszeugnissen können daher divergieren. Da eine gesonderte Erfassung der Cannabispatienten als solche im Bereich der Strafverfolgungsbehörden nicht vorgesehen ist, ist eine Aussage darüber, ob es bei Can nabispatienten in der Vergangenheit zu einem – auch im Führungszeugnis aufzunehmenden – Strafverfahren ge kommen ist, nicht möglich. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob gegen Canna bispatienten eine ggf. im Führungszeugnis für behördliche Zwecke aufzunehmende Verwaltungsentscheidung er gangen ist, da hier generell nicht der Grund der Entschei dung aufgeführt wird. 2. a) Welchen THC-Grenzwert hält die Staatregierung zum Führen eines Fahrzeuges für tolerierbar? Die Verkehrsteilnehmer sollten aus Verkehrssicherheits gründen grundsätzlich nicht unter dem Einfluss berau schender Mittel stehen. Gemäß § 24a Abs. 2 Straßenver kehrsgesetz (StVG) ist das Führen eines Fahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels, zu denen auch Cannabis gehört, ordnungswidrig. Die Wirkung eines berau schenden Mittels wird bezüglich THC ab dem sog. analy tischen Grenzwert von 1,0 ng/ml angenommen. b) Wie häufig wurde bei Verkehrsteilnehmern wegen des Verdachts auf Einnahme von Drogen ein Drogenscreening angeordnet und mit welchem Ergebnis ? Wie in der Antwort auf Frage 1 b ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. c) Wie häufig haben Betroffene mit positivem THC- Screening eine medizinische Veordnung von Cannabis vorgelegt? Wie in der Antwort auf Frage 1 b ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. Drucksache 17/23042 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 3. a) Wie viele Jagdscheine wurden in den vergangenen fünf Jahren wegen des Konsums von Alkohol, Cannabis, Medikamenten oder anderer Drogen eingezogen (bitte nach Jahren, Substanzen und Rechtsgrundlage der Entscheidung aufschlüsseln )? Anzahl geführter Verfahren zum Entzug des Jagdscheins wegen medizinisch verordnetem Cannabiskonsum: 2016 2017 1 0 Anzahl aufgrund Alkoholkonsums eingezogener Jagd scheine: 2013 2014 2015 2016 2017 15 16 16 32 33 Anzahl aufgrund Cannabiskonsums eingezogener Jagd scheine: 2013 2014 2015 2016 2017 0 0 1 3 2 Anzahl aufgrund Konsums von Medikamenten oder sonsti ger Drogen eingezogener Jagdscheine: 2013 2014 2015 2016 2017 1 1 4 0 1 b) Welchen THC-Wert hält die Staatsregierung zum Ausüben der Jagd für angemessen? Die Frage legt nahe, dass ein bestimmter THCWert für die Ausübung der Jagd angemessen sei. Dies ist nicht der Fall. Eine verantwortungsvolle Jagdausübung ist nur Personen möglich, die sich bei der Jagdausübung sicher sein kön nen, keine Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefähr dungen Dritter führen können. Inwieweit dies bei Personen der Fall ist, die zu medizinischen Zwecken Cannabis konsu mieren, ist regelmäßig am Einzelfall zu überprüfen. 4. a) Wie viele Waffenbesitzkarten oder Waffenscheine wurden in den vergangenen fünf Jahren wegen des Konsums von Alkohol, Cannabis, Medikamenten oder anderer Drogen eingezogen (bitte nach Jahren, Substanzen und Rechtsgrundlage der Entscheidung aufschlüsseln)? Widerruf der Waffenerlaubnisse wegen Alkoholkonsum: 2013 2014 2015 2016 2017 52 50 53 83 98 Widerruf der Waffenerlaubnisse wegen Cannabiskonsum: 2013 2014 2015 2016 2017 7 5 7 11 8 Widerruf der Waffenerlaubnisse wegen Konsum von Medi kamenten und anderen Drogen: 2013 2014 2015 2016 2017 5 8 9 9 11 Die Rechtsgrundlage für den Widerruf einer Waffenerlaub nis ergibt sich aus § 45 Waffengesetz (WaffG). b) Welchen THC-Wert hält die Staatsregierung zum Besitz oder Führen einer Waffe für tolerierbar? Die Staatsregierung hält keinen bestimmten THCWert im Umgang mit einer Waffe für tolerierbar. 5. a) Wie häufig wurde bei gegen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer wegen des Verdachts auf Einnahme von Drogen angeordneten Drogenscreenings ein erhöhter Benzodiazepinwert gemessen ? Wie in der Antwort auf Frage 1 b ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. b) Wie häufig wurde in den letzten fünf Jahren in Bayern eine Fahrerlaubnis wegen des Konsums von Benzodiazepinen eingezogen? Wie in der Antwort auf Frage 1 b ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. c) Wie häufig haben Betroffene mit positivem Screening auf Benzodiazepine eine entsprechende medizinische Veordnung vorgelegt? Wie in der Antwort auf Frage 1 b ausgeführt, kann hierzu mangels bayernweiter Statistik keine Aussage getroffen werden. 6. Welche Maßnahmen zur Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und Polizei zum Umgang mit Konsumentinnen und Konsumenten von medizinisch verordnetem Cannabis ergreift die Staatsregierung? Es erfolgt eine fortlaufende Qualifizierung der Mitarbeiter in den bayerischen Fahrerlaubnisbehörden nicht nur hinsicht lich des „Umgangs mit Personen, die ärztlich verordnetes Cannabis konsumieren“, sondern generell zu Änderungen im Fahrerlaubnisrecht. Diese fortlaufende Qualifizierung er folgt beispielsweise über die Bayerische Verwaltungsschule, aber auch themenbezogen durch die Polizei. Ebenso ist es geübte Praxis der bayerischen Fahrerlaubnisbehörden, die staatlichen Gesundheitsämter bei einzelnen medizinischen Fachfragen zum Fahreignungsrecht und in Zweifelsfällen zur Einordnung medizinischer Thematiken in die Anlage 4 zur FeV einzubeziehen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23042 Der Leitgedanke der praxisorientierten Ausbildung des Polizeivollzugsdienstes ist, die künftigen Vollzugsbeamten ganzheitlich und fächerübergreifend für ihre Tätigkeit im Streifendienst zu qualifizieren. So werden die unterschied lichen Themenbereiche mittels moderner Unterrichtsmetho den aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und ganz heitlich beleuchtet. Dabei werden die Polizeibeamten in den einschlägigen Rechtsvorschriften, auch im Verkehrs und Betäubungsmittelrecht, geschult, um im täglichen Polizei dienst der Aufgabenzuweisung im Bereich der Prävention und Repression gerecht werden zu können.