Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15.04.2014 Abzocke im Ausländeramt Laut gleichlautendem Artikel in der Augsburger Allgemeinen habe ein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde Ingolstadt bei mindestens 31 Aufenthaltsgenehmigungen widerrechtlich 25 bis 50 Euro verlangt und selbst einbehalten, so lange, bis die deutsche Freundin eines betroffenen Ägypters Anzeige erstattete. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt stellte die Ermittlungen jedoch zunächst ein, weil die Stadt Ingolstadt ihr nach einer Untersuchung der Vorwürfe durch das städtische Rechnungsprüfungsamt gemeldet habe, dass keine Unregelmäßigkeiten festzustellen seien. Die Freundin des Ägypters aber legte Beschwerde ein, worauf ihr vom Vorgesetzten des Angeklagten mit Konsequenzen gedroht worden sein soll. Dennoch ordnete die Generalstaatsanwaltschaft eine weitere Untersuchung der Vorwürfe an. Erst jetzt habe die Anklagebehörde in Ingolstadt alle Vorgänge unter die Lupe genommen, die in jüngerer Vergangenheit über den Schreibtisch des 50-Jährigen gegangen sind. Die Kripo verschickte zahlreiche Fragebögen an Ausländer, deren Aufenthaltstitel der Mann verlängert hatte. Daraus resultieren die jetzt angeklagten 31 Fälle. Die Dunkelziffer könnte aber weit höher sein, denn viele der Befragten hatten keine Rückmeldung gegeben. Zeugen wollen sich zudem erinnern , dass auch zwei andere Mitarbeiter im Ausländeramt Geld verlangt hätten. Unabhängig von einer möglichen Verurteilung des Angeklagten wirft der Vorgang Fragen nach einer sachgerechten Kontrolle der Erfüllung staatlicher Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis auf: 1. Inwiefern und wo können Antragsteller sich auf offiziellen Verlautbarungen und Internetseiten über die Gebührenpflichtigkeit und Gebührenhöhe von Genehmigungen und Bescheiden der Ausländerbehörden informieren? 2. Stehen sachgerechte Informationen hierzu und zur allgemeinen Rechtslage auch in mehreren Fremdsprachen zur Verfügung? 3. Was hat die Stadt Ingolstadt unternommen, um die Vorwürfe der Studentin aufzuklären, waren die damaligen Handlungsschritte der Stadt Ingolstadt nach Meinung des Innenministeriums angemessen und die Recherche des städtischen Rechnungsprüfungsamtes ausreichend gründlich, das städtische Rechnungsprüfungsamt überhaupt fachlich zuständig für die Überprüfung dieser Frage ? 4. Trifft es zu, dass die Studentin aufgrund ihrer Beschwerde vom Vorgesetzten des Angeklagten bedroht wurde, und welche Konsequenzen hatten und haben diese Einschüchterungsversuche für den Betroffenen? 5. Hat die Stadtregierung nach Meinung der Staatsregierung bei der Erfüllung übertragener staatlicher Aufgaben mit erforderlicher Sorgfalt und Verantwortung gehandelt und hat die Stadtregierung die erforderlichen Führungsaufgaben sachgerecht wahrgenommen? 6. Ab wann erlangte das Innenministerium Kenntnis über die gesetzeswidrigen Vorgänge am Ingolstädter Ausländeramt und was hat das Innenministerium daraufhin unternommen ? 7. Trifft es zu, dass mehrere Mitarbeiter Gebühren über Bedarf erhoben und unterschlagen haben? 8. Sind dem Innenministerium Vorgänge gesetzeswidriger Gebührenerhebung auch von anderen Ausländerbehörden bekannt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 03.06.2014 Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage bezieht sich auf einen langjährigen Mitarbeiter der Stadt Ingolstadt. Dieser wurde von der deutschen Ehefrau eines ägyptischen Staatsangehörigen beschuldigt, am 15.09.2010 50 EUR von ihr ohne Rechtsgrundlage für die Aufenthaltserlaubnis ihres Ehemannes verlangt und entgegengenommen zu haben. Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an Ehegatten von Deutschen war bis 31.08.2011 kostenfrei. 1. Inwiefern und wo können Antragsteller sich auf offiziellen Verlautbarungen und Internetseiten über die Gebührenpflichtigkeit und Gebührenhöhe von Genehmigungen und Bescheiden der Ausländerbehörden informieren? Die Gebührenpflichtigkeit und Gebührenhöhe von Genehmigungen und Bescheiden von Ausländerbehörden ist in der Aufenthaltsverordnung geregelt. Diese wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist kostenfrei beispielsweise über das Portal des Bundesministeriums für Justiz www.gesetzeim -internet.de im Internet abrufbar. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.07.2014 17/2311 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2311 Auch auf der Internetseite des Verwaltungsservices Bayern (www.verwaltungsservice.bayern.de) sind Informationen zu den Kosten der einzelnen Leistungen der Ausländerbehörden abrufbar. 2. Stehen sachgerechte Informationen hierzu und zur allgemeinen Rechtslage auch in mehreren Fremdsprachen zur Verfügung? Die Informationen des Verwaltungsservice Bayern stehen derzeit nur auf Deutsch zur Verfügung. Es soll jedoch eine Übersetzung ins Englische erfolgen. 3. Was hat die Stadt Ingolstadt unternommen, um die Vorwürfe der Studentin aufzuklären, waren die damaligen Handlungsschritte der Stadt Ingolstadt nach Meinung des Innenministeriums angemessen und die Recherche des städtischen Rechnungsprüfungsamtes ausreichend gründlich, das städtische Rechnungsprüfungsamt überhaupt fachlich zuständig für die Überprüfung dieser Frage? Nachdem die Betroffene am 04.10.2010 – etwa drei Wochen nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 15.09.2010 – bei der Stadt Ingolstadt vorgesprochen und mitgeteilt hatte, am 15.09.2010 einen Betrag von 50 EUR gezahlt zu haben, ohne hierfür eine Quittung erhalten zu haben, hat die Stadt Ingolstadt die im dort zur Verbuchung von Gebühren genutzten Fachverfahren erfassten Daten überprüft. Für die Erteilung der gegenständlichen Aufenthaltserlaubnis waren keine Daten und Belege vorhanden. Das Fachverfahren wurde darüber hinaus auf Fehlbuchungen, Kassenüberschüsse und Ähnliches im entsprechenden Zeitraum überprüft. Es wurden keine solchen Auffälligkeiten festgestellt. Das Ergebnis wurde der Betroffenen mitgeteilt. Am 22.10.2010 wurde ein Gespräch mit der Betroffenen und ihrer Mutter geführt. Die Vereinbarung eines weiteren Gesprächstermins, an dem auf Wunsch der Betroffenen auch der am 22.10.2010 nicht anwesende Beschuldigte hätte teilnehmen können, wurde angeboten, fand aber nicht statt. Nach der Anzeigeerstattung durch die Betroffene wurde das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Ingolstadt eingeschaltet . Da im Fachverfahren keine entsprechenden Daten erfasst waren, konnte keine spezielle Prüfung durchgeführt werden. Bei regulären Kassenprüfungen mit einem Abgleich zwischen Kassen-Ist und Kassen-Soll wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Der beschuldigte Mitarbeiter der Stadt Ingolstadt wurde zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Er teilte mit, keine 50 EUR für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an den Ehemann der Betroffenen eingenommen und auch keine Gebühr in dieser Höhe verbucht zu haben. Das Vorgehen der Stadt Ingolstadt war aus Sicht des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr angemessen . Das städtische Rechnungsprüfungsamt ist für die örtlichen Kassenprüfungen zuständig (Art. 104 GO). 4. Trifft es zu, dass die Studentin aufgrund ihrer Beschwerde vom Vorgesetzten des Angeklagten bedroht wurde, und welche Konsequenzen hatten und haben diese Einschüchterungsversuche für den Betroffenen? Nach Auskunft der Stadt Ingolstadt trifft es nicht zu, dass die Betroffene aufgrund ihrer Beschwerde oder aus anderen Gründen vom Vorgesetzten des beschuldigten Mitarbeiters der Stadt Ingolstadt bedroht wurde. 5. Hat die Stadtregierung nach Meinung der Staatsregierung bei der Erfüllung übertragener staatlicher Aufgaben mit erforderlicher Sorgfalt und Verantwortung gehandelt und hat die Stadtregierung die erforderlichen Führungsaufgaben sachgerecht wahrgenommen ? In der Stadt Ingolstadt wurden bereits vor dem Vorfall regelmäßige , auch unangekündigte Kassenprüfungen durch das Rechnungsprüfungsamt und stichprobenartige Aktenprüfungen durchgeführt. Es fanden regelmäßige Fortbildungsangebote und wiederkehrende Hinweise in den Mitarbeitergesprächen statt. Zudem hat man bereits vor etwa fünf bis sechs Jahren von einer Sachbearbeitung nach Buchstabenzuständigkeit auf ein Aufrufsystem umgestellt, bei dem der jeweilige Behördenbesucher zum nächsten freien Sachbearbeiter geleitet wird. Die in der Stadt Ingolstadt zeitweise geübte Praxis, die Gebühren durch den jeweiligen Sachbearbeiter der Ausländerbehörde einziehen zu lassen, war mit haushaltsrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Mit dieser Praxis, die inzwischen geändert wurde, wollte die Stadt Ingolstadt die Kundenfreundlichkeit in der Ausländerbehörde erhöhen, damit der Kunde nicht mehrere Stellen anlaufen muss. Das Haushaltswesen wird aber bestimmt vom Grundsatz der Trennung von Verwaltungs- und Kassengeschäften (Art. 100 Abs. 2 Satz 3 GO). Die Anordnungsbefugnis soll demjenigen nicht übertragen werden, der die sachliche und rechnerische Feststellung trifft (§ 38 Abs. 2 Satz 3 KommHVKameralistik ). Das gilt auch bei Einzahlungen. Infolge der gegenständlichen Beschwerde ist die Stadt Ingolstadt dazu zurückgekehrt, dass Gebühren ausschließlich direkt bei der Stadtkasse einzubezahlen sind. Um einen Vorgang gebührenfrei abschließen zu können, bedarf es seitdem zusätzlich einer schriftlichen Bestätigung durch den Kunden. Weitere Maßnahmen sind aus kommunal- bzw. kommunalhaushaltsrechtlicher Sicht nicht angezeigt. 6. Ab wann erlangte das Innenministerium Kenntnis über die gesetzeswidrigen Vorgänge am Ingolstädter Ausländeramt und was hat das Innenministerium daraufhin unternommen? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hatte keine Kenntnis von dem geschilderten Vorgang. 7. Trifft es zu, dass mehrere Mitarbeiter Gebühren über Bedarf erhoben und unterschlagen haben? Nach Auskunft der Stadt Ingolstadt trifft dies nicht zu. 8. Sind dem Innenministerium Vorgänge gesetzeswidriger Gebührenerhebung auch von anderen Ausländerbehörden bekannt? Nein.