Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 15.09.2016 Wohnsitzpflicht für Asylbewerber Seit dem 01.09.2016 dürfen die Bezirksregierungen anerkannten Asylbewerbern für drei Jahre einen Wohnsitz vorschreiben. Dies führt vor allem im ländlichen Raum zu Problemen bei der Annahme einer beruflichen Tätigkeit, da die ÖPNV-Verbindungen unzureichend sind. So wie viele Bewohner des ländlichen Raums aus diesem Grund zum überwiegenden Teil auf zwei Pkws angewiesen sind, wären auch anerkannte Asylbewerber auf die Nutzung eines Pkws angewiesen. Leider gibt es bei der Erteilung von Führerscheinen Schwierigkeiten mit der Ausstellung entsprechender Führerscheine, da die Behörde auf einen Herkunftsnachweis besteht, obwohl nach einem Pressebericht (http://www.sueddeutsche.de/bayern/entscheidung des-freistaats-asylbewerber-kommen-leichter-an-fuehrer schein-1.2612981) schon seit Mitte letzten Jahres „die Behörden jetzt auf die Vorlage von Geburtsurkunde, Personalausweis oder Reisepass verzichten“ können und auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im letzten Jahr bestätigt hat, dass im Einzelfall auch Dokumente wie eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz ausreichend seien, um Personen zur Fahrprüfung zuzulassen, und durch die spätere Eintragung im Verkehrszentralregister der Führerscheininhaber eindeutig identifizierbar sei. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es bei dem vorgeschlagenen Verzicht auf die Vorlage von Geburtsurkunde, Personalausweis oder Reisepass neue Vorschriften, die eine Vorlage dieser Dokumente erforderlich machen? 2. a) Wie soll ein kurzfristiger Umzug von anerkannten Asylbewerbern umgesetzt werden, wenn diese eine Arbeitsstelle in einem Ort finden, der nicht ihrem zugewiesenen Wohnsitz entspricht, und sie ohne Führerschein und ÖPNV diese Stelle nicht antreten können? b) Wie soll ein kurzfristiger Umzug von anerkannten Asylbewerbern umgesetzt werden, wenn diese an dem zugewiesenen Wohnsitz keine ausreichend große Wohnung finden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 18.10.2016 1. Gibt es bei dem vorgeschlagenen Verzicht auf die Vorlage von Geburtsurkunde, Personalausweis oder Reisepass neue Vorschriften, die eine Vorlage dieser Dokumente erforderlich machen? Dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt beizufügen. Dieser Nachweis wird sowohl bei deutschen als auch ausländischen Mitbürgern – unabhängig vom ausländerrechtlichen Status – verlangt. In der Regel erfolgt der Nachweis durch die Vorlage eines Personalausweises, Reisepasses oder sonstigen Identitätspapiers (z. B. Geburtsurkunde, ggf. mit deutscher Übersetzung). Der in der Schriftlichen Anfrage zitierte Pressebericht vom August 2015 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr den Fahrerlaubnisbehörden im Juli 2015 neue Handlungsempfehlungen zur Auslegung der oben genannten Vorschrift zur Verfügung gestellt hat. Demnach können – zusätzlich zu den oben stehenden Dokumenten – sowohl der Reiseausweis für Ausländer als auch die Reiseausweise für Flüchtlinge und Staatenlose als ausreichender Identitätsnachweis im Sinne der FeV anerkannt werden, sofern die zugrunde liegenden Personalien nicht auf eigenen Angaben beruhen. Die betreffenden Personen verfügen regelmäßig über einen Aufenthaltstitel und haben ihre Identität nachgewiesen. Bei Ausländern, die einen der genannten Reiseausweise mit dem Zusatz „Personalien beruhen auf eigenen Angaben “ besitzen, kann dieser ebenfalls noch als ausreichender Identitätsnachweis anerkannt werden, wenn keine Zweifel am Alter bestehen. Aufenthaltsgestattungen, Duldungen, Grenzübertrittsbescheinigungen oder sonstige von deutschen Behörden ausgestellte Passersatzpapiere für Ausländer (§ 4 Aufenthaltsverordnung – AufenthV) allein können auch ohne Zusatz „Personalien beruhen auf eigenen Angaben“ nicht als ausreichender Identitätsnachweis anerkannt werden. Die betroffenen Personen verfügen über keinen Aufenthaltstitel, sondern sind vollziehbar ausreisepflichtig oder dürfen sich – im Fall der Aufenthaltsgestattung – lediglich zur Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland aufhalten. Die Ausstellung dieser Dokumente setzt keinen Nachweis der Identität voraus. Die betreffenden Personen müssen daher ein Identitätspapier des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, vorlegen, um den Identitätsnachweis im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zu erbringen. Zu dem in der Schriftlichen Anfrage genannten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat das Bundesver- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.10.2018 Drucksache 17/23218 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23218 waltungsgericht am 08.09.2016 (Az. 3 C 16.15) entschieden, dass eine mit Lichtbild versehene Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung auch dann ausreichen kann, den bei der Beantragung einer Fahrerlaubnis und vor der Ablegung der Fahrprüfungen erforderlichen Identitätsnachweis zu erbringen, wenn die Personenangaben in dieser Bescheinigung allein auf den eigenen Angaben des Betroffenen beruhen . Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung bislang lediglich über eine Pressemeldung bekannt gegeben . Sobald die Entscheidungsgründe vorliegen, werden diese ausgewertet, die oben genannten Regelungen überprüft und ggf. angepasst. 2. a) Wie soll ein kurzfristiger Umzug von anerkannten Asylbewerbern umgesetzt werden, wenn diese eine Arbeitsstelle in einem Ort finden, der nicht ihrem zugewiesenen Wohnsitz entspricht, und sie ohne Führerschein und ÖPNV diese Stelle nicht antreten können? Mit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes des Bundes vom 06.08.2016 wurde in § 12a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Möglichkeit der Wohnsitzregelung geschaffen. Darüber hinaus hat Bayern von der in § 12a Abs. 9 AufenthG enthaltenen Verordnungsermächtigung zum 01.09.2016 mit Inkrafttreten der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a Aufenthaltsgesetze (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) Gebrauch gemacht . Demnach ist eine gesetzliche oder behördliche Wohnsitzzuweisung von der zuständigen Ausländerbehörde auf Antrag aufzuheben, wenn der betreffende Ausländer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt (§ 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1a AufenthG i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl). b) Wie soll ein kurzfristiger Umzug von anerkannten Asylbewerbern umgesetzt werden, wenn diese an dem zugewiesenen Wohnsitz keine ausreichend große Wohnung finden? Die Wohnsitzzuweisungen erfolgen in Bayern auf Landkreise bzw. kreisfreie Städte. Darüber hinaus obliegt es jedem anerkannten Asylbewerber und Bleibeberechtigten – ebenso wie jedem Einheimischen –, sich um die Beschaffung von Wohnraum zu kümmern. Hierbei unterstützt der Freistaat Bayern – in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren des Integrationsmanagements – Anerkannte und Bleibeberechtigte vor Ort (z. B. durch Helferkreise, staatliche Hilfsprogramme, Migrationsberatung oder Asylsozialberatung). Daneben sind zahlreiche kommunale Hilfsangebote vorhanden , die den Personen bei der Wohnungssuche zur Verfügung stehen. Vorübergehend kann auch – soweit keine anderweitige Unterkunft verfügbar gemacht werden kann – eine Unterbringung in einer staatlichen Unterkunft erfolgen.