Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 19.03.2018 Zum Stand der klinischen Krebsregister in Bayern Für die im Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) § 65c Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) vom April 2013 vorgegebene Weiterentwicklung der epidemiologischen Krebsregister zu klinischen Krebsregistern wurde eine Übergangsphase für die Umsetzung bis zum 31.12.2017 eingeräumt. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wo steht die bayerische klinische Krebsregistrierung, die im KFRG mit „fast das Ziel erreicht“ anerkennend beurteilt wurde, heute im Ländervergleich? b) Was ist der Grund für die Verzögerung von vier Jahren und die unterbliebene Weiterentwicklung in Bayern, während z. B. in Hamburg das Klinische Registergesetz bereits im Januar 2014 in Kraft getreten ist? 2. Wann werden die Leistungen der Regionalzentren von der Zentrale angeboten? 3. Wie ist der heutige Stand der sechs Regionalzentren in Bayern in Bezug auf Einwohner der Einzugsgebiete , die erfassten Neuerkrankungen von 2013 bis 2016, die erwarteten jährlichen Neuerkrankungen und die resultierenden verfügbaren Mittel in jedem Regionalzentrum (bei vollzähliger Erfassung und derzeit geltenden Fallpauschalen)? 4. Wie können die Tumorzentren an den Universitätskliniken (die Leistungsträger der Fort- und Weiterbildung in der Onkologie, der regionalen Qualitätskontrolle und der klinischen Forschung) die Daten der klinischen Krebsregistrierung ihrer Region nutzen und ihre Aufgaben u. a. mit Drittmitteln weiterentwickeln? 5. Wie werden die Regionen motiviert, kooperativ und im Wettbewerb die klinische Krebsregistrierung zu nutzen und weiterzuentwickeln? 6. Welche Zugriffsmöglichkeiten gibt es für Regionalzentren , die die Daten für mehrere Organzentren führen und damit die Versorgung, die Zertifizierung und die Forschung unterstützen? 7. Welche Förderung erhalten die Regionalzentren und die großen Tumorzentren (Comprehensive Cancer Centre), damit sie im nationalen und internationalen Wettbewerb mit ihrer Qualität in der Versorgung und Forschung besser wahrgenommen werden? 8. Inwieweit wurden Gelder der Deutschen Krebshilfe zur Unterstützung der klinischen Krebsregistrierung in Bayern verwendet oder zumindest beantragt? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege un ter Einbeziehung des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, das die krebsregisterführende Stelle darstellt vom 08.07.2018 1. a) Wo steht die bayerische klinische Krebsregis trierung, die im KFRG mit „fast das Ziel erreicht“ anerkennend beurteilt wurde, heute im Länderver gleich? Bezüglich der Erreichung der Förderkriterien des GKV- Spitzenverbands (GKV = gesetzliche Krankenversicherung) wurde im zweiten Halbjahr 2017, also wenige Monate nach Inkrafttreten des Bayerischen Krebsregistergesetzes (Bay- KRegG), eine Erhebung für alle Bundesländer durchgeführt. Die Prüfergebnisse des GKV-Spitzenverbands liegen noch nicht vor. Voraussichtlich hatte Ende 2017 noch kein Bundesland alle Förderkriterien erfüllt. In Bayern besteht Nachbesserungsbedarf bei der Erfassungsrate in Oberbayern und Schwaben, bei der Vollständigkeit der Erfassung einzelner klinischer Merkmale (z. B. der Tumorklassifikationen – TNM- und R-Klassifikation) sowie bei Förderkriterien, die sich auf Zeiträume vor dem 01.04.2017 beziehen, in denen das BayKRegG noch nicht in Kraft war. Zudem besteht u. a. die Notwendigkeit, Nachweise der Regionalzentren, die noch sehr inhomogen verfasst sind, in Form und Struktur zu vereinheitlichen. In Bayern wurden im Rahmen der Integration der früheren klinischen Krebsregister in das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Unterschiede in der Aufgabenerfüllung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zwischen den Regionalzentren deutlich . Diese Ungleichheiten werden seither im Rahmen eines bayernweiten Qualitätsentwicklungsprozesses mit dem Ziel der flächendeckend bestmöglichen Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten in einem gemeinsamen Prozess mit regelmäßig wiederholten Abstimmungen ausgeglichen. b) Was ist der Grund für die Verzögerung von vier Jahren und die unterbliebene Weiterentwicklung in Bayern, während z. B. in Hamburg das Klinische Registergesetz bereits im Januar 2014 in Kraft ge treten ist? In Bayern gab es eine intensive Diskussion über die Registerstrukturen mit allen Beteiligten im Rahmen des Gesetzge- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.10.2018 Drucksache 17/23236 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23236 bungsverfahrens zum BayKRegG bis zu dessen Inkrafttreten am 01.04.2017. In Ländern ohne bestehende klinische Krebsregistrierung konnte eine neue Gesetzgebung in der Regel zügiger erfolgen, da bestehende Strukturen, Meldeprozesse und Daten nicht in die Neukonzeption eingebracht werden mussten. Wegen der inhomogenen Struktur der früheren klinischen Krebsregister in Bayern bezüglich Trägerschaft , universitärer Anbindung, Melderverteilung und Leistungsspektrum bestanden sehr unterschiedliche – teils auch widersprüchliche – Anforderungen an ein Krebsregistergesetz . Es waren daher intensive zeitaufwendige Beratungen notwendig, um diese verschiedenen Ansätze mit den Anforderungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Zielsetzung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nach einer Harmonisierung der Krebsregistrierung in Bayern und einer Verbesserung der Verfügbarkeit bayernweiter Daten zur Versorgung von Krebspatienten in Einklang bringen zu können. Im Übrigen sind die Anforderungen an eine klinische Krebsregistrierung in einem Stadtstaat wie Hamburg nicht mit denen eines Flächenlands wie dem Freistaat Bayern vergleichbar. 2. Wann werden die Leistungen der Regionalzentren von der Zentrale angeboten? Alle Leistungen im Dialog mit den Meldern verbleiben dauerhaft bei den Regionalzentren. Die Organisationseinheiten mit landesweiten Zuständigkeiten („Zentrale“) koordinieren intern und nach außen (z. B. einheitliche Meldebögen), vereinheitlichen die Prozesse (z. B. durch Verfahrensanweisungen , die auf Dokumenten der früheren klinischen Register aufbauen) und nutzen bayernweite Daten für die epidemiologische Forschung und die Versorgungsforschung. Landesweite Aufgaben, welche der Identitätsdaten der hinter den Meldungen stehenden Personen bedürfen, werden von der organisatorisch vom übrigen Krebsregister getrennten Vertrauensstelle ebenfalls zentralisiert wahrgenommen . Darunter fallen neben der Führung des Widerspruchsregisters und der datenschutzkonformen Durchführung der Pseudonymisierung und Löschungen auch die Abrechnung mit den Krankenkassen und die Verarbeitung der Todesbescheinigungen. Diese Aufgaben sowie alle Abrechnungsaufgaben werden dabei schon jetzt von der Technischen Krebsregisterdaten- und -servicestelle wahrgenommen . Die Übernahme der Verarbeitung der Todesbescheinigungen erfolgt schrittweise und wurde im Regierungsbezirk Schwaben begonnen. 3. Wie ist der heutige Stand der sechs Regionalzen tren in Bayern in Bezug auf Einwohner der Ein zugsgebiete, die erfassten Neuerkrankungen von 2013 bis 2016, die erwarteten jährlichen Neuer krankungen und die resultierenden verfügbaren Mittel in jedem Regionalzentrum (bei vollzähliger Erfassung und derzeit geltenden Fallpauschalen)? Für die Krebsregistrierung am LGL stehen die Haushaltsmittel bei Kapitel 1423 Titelgruppe 51 zur Verfügung. Eine Regionalisierung dieser Mittel findet zum einen durch die Übernahme der jeweils anfallenden regionalen Betriebskosten durch das LGL statt, zum anderen über die Aufteilung der verfügbaren Personalvollzeitäquivalente (VZÄ). Die Aufteilungskriterien für die Personalzuordnung berücksichtigen dabei nicht nur die Einwohnerzahl im Einzugsgebiet, sondern auch die regionale Verteilung der Krebserkrankungen sowie bei größeren Regionalzentren sog. Skalierungseffekte . Entsprechend der Studie der Prognos AG zur Aufwand-Nutzen-Abschätzung zum Ausbau und Betrieb bundesweit flächendeckender klinischer Krebsregister von 2010 berücksichtigen die Planzahlen der VZÄ, dass sich der Personalbedarf für bestimmte Aufgaben (Leitung, Sekretariat , EDV) nicht proportional zu den erfassten Fallzahlen verhält. Getroffene Zuordnungen (Ist) und Planungen (Plan) sind periodisch zu überprüfen. Die VZÄ sowie die erfassten bzw. erwarteten Neuerkrankungszahlen für die jeweiligen Regionalzentren ergeben sich aus nachfolgender Tabelle: Tabelle zu Frage 3 Regionalzentrum Einwohner (31.12.2016) Neuerkrankungen (bösartige Neubildungen ohne nicht-melanotische Hauttumoren) VZÄ Ist / Plan 2013 erfasst 2014 erfasst 2015 erfasst 2016 erfasst 2016 erwartet Augsburg 1.857.991 9.411 8.054 7.169 655* 9.508 3,79 / 9–11 Bayreuth 1.062.394 6.350 6.436 6.299 5.636 6.039 9,80 / 7–9 Erlangen 1.750.059 10.387 10.608 9.909 8.350 9.215 14,62 / 12–14 München 4.858.790 24.059 23.235 18.737 14.276* 23.637 18,17 / 22–24 Regensburg 2.092.308 12.431 12.312 12.140 12.149 11.108 14,06 / 14–16 Würzburg 1.309.209 7.353 7.084 6.601 4.933 7.029 2,54 / 8–10 * durch Personalübergang und Erfassungsrückstände bedingt Drucksache 17/23236 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Wie können die Tumorzentren an den Universitäts kliniken (die Leistungsträger der Fort und Weiter bildung in der Onkologie, der regionalen Qualitäts kontrolle und der klinischen Forschung) die Daten der klinischen Krebsregistrierung ihrer Region nutzen und ihre Aufgaben u. a. mit Drittmitteln wei terentwickeln? Das LGL als krebsregisterführende Stelle hat ein hohes Interesse an der Nutzung klinischer und epidemiologischer Krebsregisterdaten für Forschung und Qualitätssicherung. Mit der Einrichtung von Brückenprofessuren mit Anbindung an die lokalen Universitäten werden dafür förderliche Schnittstellen geschaffen. Gemäß Art. 13 BayKRegG (Datennutzung für Dritte) bestehen beste Möglichkeiten zur Bereitstellung anonymisierter – bei Bedarf und bei Vorliegen aller Voraussetzungen auch pseudonymisierter – bayernweiter Daten für Studien an Universitätskliniken und anderen Forschungseinrichtungen. 5. Wie werden die Regionen motiviert, kooperativ und im Wettbewerb die klinische Krebsregistrie rung zu nutzen und weiterzuentwickeln? Entsprechend dem Förderkriterium 4.01 des GKV-Spitzenverbands wird auch das LGL regionale Qualitätskonferenzen initiieren und begleiten. Der Beitrag des Krebsregisters umfasst dabei die Bereitstellung von anonymisierten Auswertungen nach Tumorarten, Risikofaktoren, Krankheitsepisoden , kalendarischen Verläufen und regionalen Räumen sowie ein Benchmarking von einzelnen oder Gruppen von Leistungserbringern. 6. Welche Zugriffsmöglichkeiten gibt es für Regional zentren, die die Daten für mehrere Organzentren führen und damit die Versorgung, die Zertifizie rung und die Forschung unterstützen? Die datenschutzrechtlichen Regelungen des BayKRegG beschränken den Zugriff des Regionalzentrums auf die Meldungen der Leistungserbringer gemäß Art. 4 BayKRegG. Umgekehrt kann jedes Organzentrum im Rahmen des behandlungsbezogenen Datenabrufs die im Krebsregister gespeicherten Daten seiner Patienten abrufen. Müssen im Rahmen der Zertifizierung von Organzentren weitere Daten mit dem Krebsregister abgeglichen werden, erfordert dies die Einwilligung der betroffenen Patienten und eine Kooperationsvereinbarung , die Datenschutz, Aufgaben- und Kostenverteilung regelt. Daten aus externen Studien dürfen mit bereits im Bayerischen Krebsregister vorhandenen Daten abgeglichen werden, wenn die Identitätsdaten der Studienteilnehmer in der Vertrauensstelle pseudonymisiert werden und die Studienteilnehmer über die Verknüpfung informiert wurden und eingewilligt haben (Art. 10 BayKRegG). 7. Welche Förderung erhalten die Regionalzentren und die großen Tumorzentren (Comprehensive Cancer Centre), damit sie im nationalen und in ternationalen Wettbewerb mit ihrer Qualität in der Versorgung und Forschung besser wahrgenom men werden? Regionalzentren und Comprehensive Cancer Centres (CCCs) greifen strukturbedingt auf unterschiedliche Arten der Förderung zurück. Die Regionalzentren werden im Rahmen des Bayerischen Krebsregisters gefördert, das insgesamt zu 90 Prozent durch die Fallpauschalen der GKV und der privaten Krankenversicherung (PKV) und zu 10 Prozent durch das Land getragen wird. Der Freistaat Bayern beteiligt sich dabei über diese 10 Prozent hinaus am Bayerischen Krebsregister (16 von 131 Stellen), um insbesondere landesweite Aufgaben im Bereich der Krebsfrüherkennung und Prävention erfüllen zu können. CCCs sind klinische Einrichtungen , die von den Regionalzentren organisatorisch getrennt sein müssen. Derzeit unterstützt die Deutsche Krebshilfe Spitzenzentren in München und Würzburg. Von 2009 bis 2015 wurde das CCC Erlangen als Spitzenzentrum gefördert. 8. Inwieweit wurden Gelder der Deutschen Krebshil fe zur Unterstützung der klinischen Krebsregis trierung in Bayern verwendet oder zumindest be antragt? Im Förderantrag des LGL vom 06.03.2014 wurde bei der Deutschen Krebshilfe ein Zuschuss zu Investitionskosten und Personalmitteln in Höhe von 545.000 Euro beantragt und mit Schreiben vom 02.10.2014 bewilligt. Bis Ende 2015 wurden davon 55.000 Euro durch das LGL abgerufen und für die länderübergreifende Weiterentwicklung des in Bayern an drei Standorten verwendeten Gießener Tumordokumentationssystems (GTDS) verwendet.