Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 08.05.2014 Elektronische Aufenthaltsüberwachung In einem Artikel in „Bild München“ vom 14. April 2014 „Gewaltverbrecher 3 Stunden ohne Fußfessel! Chef-Wächter erklärt die peinliche Justiz-Panne“ wurde darüber berichtet, dass ein verurteilter Gewaltstraftäter, dem das Gericht eine Weisung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB erteilt hat (Tragen einer sog. „elektronischen Fußfessel“), sich dieser sog. „elektronischen Fußfessel“ entledigt habe. In dem Artikel wurde weiter berichtet, dass die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) erst nach mehreren Stunden die Polizei benachrichtigt habe, nachdem die EAÜ automatisch eine sog. Ereignismeldung bei der GÜL generiert hatte. Zuvor sei eine private Sicherheitsfirma mit der Sachaufklärung der Alarmierung beauftragt worden. Die dort in der Nacht allein diensthabende Mitarbeiterin habe sich geweigert, allein den Verurteilten aufzusuchen, um die Gründe des bei der GÜL erzeugten Alarms aufzuklären. Erst danach habe man die zuständige Polizeidienststelle benachrichtigt. Vor dem Hintergrund dieses Vorfalls frage ich die Staatsregierung : 1. a) Wie vielen Verurteilten, die unter der Aufsicht einer bayerischen Führungsaufsichtsstelle stehen bzw. stehen werden, haben mit Stand vom 1. Mai 2014 die Gerichte eine Weisung zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB erteilt? b) Für welche Dauer haben die Gerichte den einzelnen Verurteilten die EAÜ-Weisung erteilt? 2. a) In wie vielen Fällen ist die EAÜ-Weisung nachträglich wieder entfallen? b) Was war der Grund hierfür? 3. Wie vielen Verurteilten, für die mit Stand vom 1. Mai 2014 eine gerichtliche EAÜ-Weisung gemäß § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB besteht, wurden bislang EAÜ-Endgeräte angelegt? 4. Wie viele der Verurteilten mit bislang angelegten EAÜ- Endgeräten wurden wegen Sexualdelikten verurteilt? 5. Wie viele Ereignismeldungen sind bei den bayerischen Probanden bisher registriert worden? Welche Verstöße des Verurteilten oder andere Ereignisse lagen den Ereignismeldungen im Einzelnen zugrunde? 6. Wie lauten die Handlungsanweisungen an die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL), wenn eine Ereignismeldung generiert wird? a) Wer wird in Bayern mit der Sachverhaltsaufklärung durch die GÜL beauftragt? b) Unter welchen sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen informiert die GÜL die zuständige Polizeidienststelle ? 7. Welche Maßnahmen haben die verständigten Polizei- dienststellen bisher in den Fällen von Ereignismeldungen und Informierung durch die GÜL ergriffen? (Bitte Aufschlüsselung nach Aufschaltung auf das Monitoringsystem der GÜL, telefonische Kontaktaufnahme mit dem Verurteilten, Aufenthaltsüberprüfung des Verurteilten und polizeilichen Fahndungsmaßnahmen gegen die Verurteilten.) Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 07.06.2014 1. a) Wie vielen Verurteilten, die unter der Aufsicht einer bayerischen Führungsaufsichtsstelle stehen bzw. stehen werden, haben mit Stand vom 1. Mai 2014 die Gerichte eine Weisung zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB erteilt? In der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 1. Mai 2014 wurde bei insgesamt 47 Probanden, welche im angegebenen Zeitraum jedenfalls zeitweise unter der Aufsicht einer bayerischen Führungsaufsichtsstelle standen bzw. voraussichtlich unter der Aufsicht einer bayerischen Führungsaufsichtsstelle stehen werden, eine sog. EAÜ-Weisung gemäß § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB angeordnet. b) Für welche Dauer haben die Gerichte den einzelnen Verurteilten die EAÜ-Weisung erteilt? In einem Fall hat die Strafvollstreckungskammer bei Erteilung der Weisung eine zeitliche Befristung von einem Jahr ausgesprochen. In allen anderen Fällen haben die Strafvollstreckungskammern die EAÜ-Weisung zunächst zeitlich unbefristet, also für die Dauer der Führungsaufsicht erteilt. Eine Überprüfung der weiteren Erforderlichkeit der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung findet auf Antrag eines der Beteiligten bzw. von Amts wegen spätestens nach Ablauf der Höchstfrist von zwei Jahren gemäß § 68 d Abs. 2 Satz 1 StGB statt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.07.2014 17/2334 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2334 2. a) In wie vielen Fällen ist die EAÜ-Weisung nachträglich wieder entfallen? Die EAÜ-Weisung ist in 15 der oben genannten Fälle wieder entfallen. b) Was war der Grund hierfür? In vier Fällen wurde zeitlich nach der Ausgestaltung der Führungsaufsicht mit einer EAÜ-Weisung die Sicherungsverwahrung angeordnet. In insgesamt sieben Fällen wurde die Weisung durch eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wieder aufgehoben. In einem dieser Fälle wurde die Weisung von der Jugendrichterin vor der Anlage des Trackers wieder aufgehoben, nachdem diese über das weitere erforderliche Procedere informiert worden war. In einem weiteren dieser Fälle war die Weisung bereits bei Erteilung auf die Dauer eines Jahres beschränkt. Nach Ablauf dieses Jahres kamen die Staatsanwaltschaft, die Führungsaufsichtsstelle und die Polizei zu der Einschätzung, dass eine Fortdauer der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung nicht erforderlich sei. In einem anderen Fall wurde die zunächst erteilte EAÜ-Weisung wegen eines prozessualen Fehlers durch das Oberlandesgericht in der Beschwerdeinstanz aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen. In den übrigen vier Fällen kamen die Teilnehmer der Fallkonferenz überein, dass die weitere Fortdauer der EAÜ-Weisung im Hinblick auf den bisherigen Verlauf der Führungsaufsicht nicht mehr erforderlich sei. Schließlich änderte sich in vier Fällen die Zuständigkeit, da der Proband in den Zuständigkeitsbereich einer außerbayerischen Führungsaufsichtsstelle verzog. 3. Wie vielen Verurteilten, für die mit Stand vom 1. Mai 2014 eine gerichtliche EAÜ-Weisung gemäß § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB besteht, wurden bislang EAÜ-Endgeräte angelegt? In der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 1. Mai 2014 wurden insgesamt 41 Probanden die EAÜ-Endgeräte zumindest zeitweise angelegt. Am 1. Mai 2014 wurden 19 Probanden, die sich in Freiheit befanden, aufgrund einer Weisung nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB elektronisch überwacht. 4. Wie viele der Verurteilten mit bislang angelegten EAÜ-Endgeräten wurden wegen Sexualdelikten verurteilt? Von den oben angeführten 41 Probanden wurden 28 Probanden zumindest auch wegen eines Sexualdelikts (versuchte bzw. vollendete Vergewaltigung; sexuelle Nötigung; (schwerer) sexueller Missbrauch von Kindern bzw. Jugendlichen ) als Anlasstat verurteilt. 5. a) Wie viele Ereignismeldungen sind bei den bayerischen Probanden bisher registriert worden? Im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum Stichtag 12. Mai 2014 hat die GÜL bei den bayerischen Probanden insgesamt 1.715 Ereignismeldungen registriert, in 56 Fällen davon wurde die Polizei eingeschaltet. b) Welche Verstöße des Verurteilten oder andere Ereignisse lagen den Ereignismeldungen im Einzelnen zugrunde? Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich um Meldungen zum schwachen Ladezustand des Akkus. Weiterhin wurden Zonenverstöße und Verdacht auf Manipulationsversuche registriert . 6. Wie lauten die Handlungsanweisungen an die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL), wenn eine Ereignismeldung generiert wird? Die Handlungsanweisungen an die GÜL werden individuell für jeden Einzelfall von den Teilnehmern in der Fallkonferenz beraten und beschlossen. An der Fallkonferenz nehmen Vertreter der Vollstreckungsbehörde, der Bewährungshilfe, der Polizei und, sofern sich der Proband noch in behördlicher Verwahrung befindet, Vertreter der Justiz- bzw. Maßregelvollzugsanstalt teil. Vertretern der Führungsaufsichtsstellen ist die Teilnahme freigestellt. In Ausnahmefällen können auch Vertreter der forensischen Nachsorgeeinrichtungen an der Konferenz teilnehmen. a) Wer wird in Bayern mit der Sachverhaltsaufklärung durch die GÜL beauftragt? Soweit die GÜL einen Sachverhalt nicht selbst aufklären kann, verständigt diese entsprechend dem jeweiligen Ereignismeldungsformular die Polizei zur Gefahrenabwehr bzw. eine private Sicherheitsfirma zum Wechsel des Trackers. Abhängig von den jeweiligen Gesamtumständen wie der Kooperation des Probanden und der räumlichen Nähe zu einem potenziellen Opfer nehmen die Mitarbeiter der GÜL auch fachliche Bewertungen des Einzelfalls vor und entscheiden entsprechend. b) Unter welchen sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen informiert die GÜL die zuständige Polizeidienststelle ? Die GÜL informiert die zuständige Polizeidienststelle aufgrund des individuellen Ereignismeldungsformulars. Hier können auch zeitliche Vorgaben und Rangfolgen angegeben werden. 7. Welche Maßnahmen haben die verständigten Polizeidienststellen bisher in den Fällen von Ereignismeldungen und Informierung durch die GÜL ergriffen? (Bitte Aufschlüsselung nach Aufschaltung auf das Monitoringsystem der GÜL, telefonische Kontaktaufnahme mit dem Verurteilten, Aufenthaltsüberprüfung des Verurteilten und polizeilichen Fahndungsmaßnahmen gegen die Verurteilten.) In bisher 28 Fällen fand eine Aufschaltung auf das Monitoringsystem der GÜL statt. In 11 Fällen wurde telefonisch mit dem Verurteilten Kontakt aufgenommen. Eine Aufenthaltsüberprüfung des Verurteilten wurde in 48 Fällen durchgeführt und polizeiliche Fahndungsmaßnahmen gegen den Verurteilten wurden in 38 Fällen eingeleitet.