Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernhard Roos SPD vom 14.04.2014 Gesundheitsgefahr durch Maxhütte-Altlasten II Privilegierung von Eventteilnehmern gegenüber Arbeitnehmern Am 2. August 2013 wurde aufgrund Bedenken des Landratsamtes Amberg-Sulzbach ein geplanter Event mit Radrennen auf dem Gelände der ehemaligen Maxhütte durch Bescheid der Stadt Sulzbach-Rosenberg wegen massiver Gesundheitsrisiken aufgrund Altlasten im Boden des Maxhütte -Geländes untersagt, worauf die Veranstaltung abgesagt wurde. Dies war bei Lichte betrachtet trotz der möglichen finanziellen Nachteile für den Veranstalter die einzig richtige Entscheidung, denn bei Messungen seitens des Gesundheitsamtes wurde gutachtlich eine akute Bodenbelastung mit krebserzeugenden und erbgutschädigenden Substanzen festgestellt, die auch bei Unterstellung nur kurzer Aufenthaltsdauer durch Teilnehmer und Zuschauer zu deren massiver Schädigung geführt hätte. In der Vergangenheit wurden von Maxhütte „der Klöckner Stahlforschung“ und „Neuer Maxhütte“ bei der Umstellung der Produktion von Massenstahl zu Spezial-, Qualitäts- und Edelstählen Versuche unternommen, die teils ungenehmigte , nicht genehmigungsfähige und infolgedessen illegale Verfahren in Probe und Serie beinhalteten. Als Beispiele dienen Verbrennung von Klärschlamm, Autoreifen, Lacken und Bahnschwellen sowie Beimengung von Blei, Paket- und Autopaketschrott im Konverter, in dem die Immissionstechnisch notwendigen Temperaturen bei der Verbrennung aber nicht erreichbar waren. Darüber hinaus wurden Investitionen in den Umweltschutz zulasten der Bevölkerung und vor allem der Belegschaft systematisch unterlassen, etwa bei Winderhitzern, Explussionsklappen , Roheisenübergabe ohne Absaugung am Hochofen und bei Primär- und Sekundärentstaubung sowie fehlender Absaugeeinrichtung im Stahlwerk und im Hochofen. Die industrielle Fortführung des Unternehmens scheiterte schlussendlich ganz wesentlich an den bis dato aufgelaufenen und unterlassenen Investitionen in Umweltschutz und Arbeitsschutz, die für einen Investor Unkalkulierbarkeit bedeuteten . Das identisch negative Ergebnis zeitigte die gescheiterten Bemühungen des Konkurs- respektive Insolvenzverwalters um Unternehmensfortführung. Die aktuelle Eigentümerin der Maxhütte inklusive sämtlicher Liegenschaften ist die zur Aicher Unternehmensgruppe gehörende Maxhütte Verwertungs- und Verwaltungs GmbH (MHVV), die sich allerdings nur sehr unzureichend an der notwendigen Sanierung von Werken und Gelände beteiligt, weswegen der Freistaat Bayern über nachgelagerte Behörden zu Ersatzvornahme gemäß Bundesbodenschutzgesetz greift und Verwaltungsgerichtsprozesse anhängig sind. Bis dato völlig außerhalb der Betrachtungen von Eigentümer und öffentlicher Hand stehen die massiven Beeinträchtigungen , Gesundheitsschäden und Todesfälle von Ex-Beschäftigten der Maxhütte aufgrund jahrzehntelanger Schadstoffeinwirkungen auf den Organismus. In diesem Zusammenhang frage ich die Bayerische Staatsregierung : 1. a) Welche Messwerte wurden an den Messstellen der Umweltbehörde außerhalb des Werksgeländes ermittelt ? (Bitte für die Dekaden ab 1970 bis heute beantworten ) b) Gibt es einen Zusammenhang zwischen Produktionsversuchen im Werk und einem Anstieg von Messergebnissen und was hatten diesbezüglich Gutachten der Staatsanwaltschaft ergeben? c) Ist der Staatsregierung das im Rahmen der due diligence seitens des Interessenten Acciaierie Venete SPA-Scholz KG aus Padua im September/Oktober 2001 gefertigte Gutachten bekannt, das für eine auch nur teilweise Sanierung des Werksgeländes zum Zwecke der Weiterführung des Unternehmens 70–75 Millionen DM veranschlagt hatte? 2. Wie gestaltete sich die Kooperation der unterschiedlichen Behörden und Einrichtungen wie Stadtverwaltung, Landratsamt , Gewerbeaufsichtsamt, Berufsgenossenschaften und anderen bei Meldung von Umweltproblemen im Werk seitens Beschäftigter oder Dritter? 3. a) Wie wurden die Visitationen des technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft dokumentiert? b) Welche Erkenntnisse hieraus lassen sich belegen? c) Wie oft wurden beispielsweise MAK-Überschreitungen erfasst? d) Wurden Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft damit befasst etwa beim Vorfall im Januar 1987, als Cyanide aus dem Schrottofen austraten? 4. a) Wie war der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Werk organisiert, wie kooperierten die Schnittstellen von Arbeitswirtschaft, Sicherheitsstelle, Sicherheitsbeauftragten , Sanitätsstelle, Werksarzt und Betriebsrat? b) Wo sind die Protokolle verwahrt und wer trägt die Verantwortung für deren Analyse und Verarbeitung? 5. a) Welche Konsequenzen hatte es nach sich gezogen, dass bei der Entnahme von Blutproben durch den Werksarzt unter anderem bei Beschäftigten aus der Qualitätssicherung zu hohe Bleikonzentrationen festgestellt wurden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2352 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2352 b) Welche weiteren Substanzen und Anreicherungen wurden definiert? 6. Welche Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesfälle bei ehemaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der MH/NMH sind erfasst und bei wie vielen besteht ein Kausalzusammenhang mit den Schadstoffbelastungen im Werk? 7. Welche Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesfälle der Bevölkerung in Sulzbach-Rosenberg, dem Landkreis Amberg-Sulzbach, der gesamten Oberpfalz und im angrenzenden Mittelfranken sindden von der Maxhütte ausgelösten Umweltbelastungen zuzurechnen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11.06.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet : 1. a) Welche Messwerte wurden an den Messstellen der Umweltbehörde außerhalb des Werksgeländes ermittelt ? (Bitte für die Dekaden ab 1970 bis heute beantworten) Seit 1999 betreibt das LfU die LÜB-Messstationen Sulzbach -Rosenberg / An der Lohe; erfasst werden derzeit die Schadstoffe Feinstaub (PM10) und Ozon. Die Messung von Schwefeldioxid wurde am 30.07.2006 eingestellt. Die Messwerte für PM10 und SO2 sind als Jahresmittelwerte in der folgenden Tabelle dargestellt: Jahr: 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 PM10 (μg/ m³): 29 28 34 37 25 27 27 SO2 (μg/m³): 5 5 4 3 3 3 – Jahr: 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 PM10 (μg/m³): 21 20 22 23 23 20 21 SO2 (μg/m³): – – – – – – – Bei Schwefeldioxid ist erkennbar, dass nach Stilllegung des Hochofens die Immissionen deutlich zurückgegangen sind. Weiterhin wurden zahlreiche Messstellen für Staubniederschlag betrieben. Das Staubmessnetz Sulzbach-Rosenberg umfasste bei seiner Konzeption im Jahr 1989 ursprünglich 37 Messpunkte, die die Beurteilung des im Wesentlichen von der ehemaligen Maxhütte bzw. Neuen Maxhütte in Konkurs hervorgerufenen Staubniederschlags ermöglichen sollten . Nach der Stilllegung einiger Messpunkte zu Beginn bis Mitte der 90er Jahre konnten für den Beurteilungszeitraum Januar 2002 bis Mai 2003 noch 27 Messpunkte ausgewertet werden. Während der in Nr. 4.3.1 der TA Luft genannte Immissionswert für Staubniederschlag von 0,35 g/(m²d) im Jahresmittel 2001 noch an 2 Messpunkten überschritten wurde (max. 0,57 g/(m²d)), wurden 2002 bereits deutlich niedrigere Gesamtstaub-Niederschlagswerte (max. 0,23 g/ (m²d)) und für den Zeitraum Januar bis Mai 2003 nochmals niedrigere Werte (max. 0,06 g/(m²d)) festgestellt. Für die Staubniederschlags-Inhaltsstoffe Cadmium, Blei und Nickel ist zur Beurteilung die Nr. 4.5.1 der TA Luft heranzuziehen . Zum Vergleich werden die Ergebnisse (Mittelwert der maximal beaufschlagten Messpunkte) der Jahre 2001 (Anlage ganzjährig in Betrieb), 2002 (Außerbetriebnahme im September 2002) und 2003 (Fortführung der Messungen bis Mai, Mittelwert über 5 Monate) gegenübergestellt: max. Deposition im Jahresmittel µg/(m²d) Immissionswert gemäß TA Luft, Nr. 4.5.1 µg/(m²d) Anzahl der Messpunkte mit Überschreitung der Immissionswerte 2001/2002/1– 5 2003 2001 2002 Jan– Mai 2003 Arsen – 1,28 0,44 4 –/0/0 Blei 105 94 49 100 2/0/0 Cadmium 1,4 1,3 0,4 2 0/0/0 Nickel 25 27 2,7 15 2/3/0 Thallium – 0,04 0,02 2 -/0/0 Die Tabelle zeigt, dass die Depositionswerte insgesamt deutlich zurückgegangen sind. Waren für das Jahr 2001 für die Staubinhaltsstoffe Blei und Nickel jeweils 2 Überschreitungen der Immissionswerte zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Schadstoffdepositionen an den anlagennahen Messpunkten zu verzeichnen, so traten im Jahr 2002 nur noch für Nickel insgesamt 3 Überschreitungen auf. Nach der Betriebsstilllegung waren erheblich niedrigere Werte zu verzeichnen. Für Cadmium waren keine Überschreitungen sowie ebenfalls eine deutlich abnehmende Tendenz zu verzeichnen. Seit 2002 war durch eine Umstellung des Analyseverfahrens auch die Analyse weiterer Staubinhaltsstoffe, u. a. die in Nr. 4.5.1 der TA Luft genannten Stoffe Arsen und Thallium möglich. Die dort genannten Immissionswerte wurden deutlich unterschritten. b) Gibt es einen Zusammenhang zwischen Produktionsversuchen im Werk und einem Anstieg von Messergebnissen und was hatten diesbezüglich Gutachten der Staatsanwaltschaft ergeben? Die konkreten Zeitpunkte und die Dauer sogenannter Betriebsversuche lagen in der Regel nicht vor. Vor allem aber wurden und werden gegebenenfalls bei diesen Versuchen emittierte, relevante Schadstoffe (wie z. B. Benzol, PAK oder PCDD/F) nicht kontinuierlich gemessen. Daher konnte eine Auswertung der Messungen im Hinblick auf derartige Versuche nicht erfolgen bzw. im Nachhinein ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Versuchen und allfälligen Immissionen nicht hergestellt werden. Grundsätzlich ist aber die Auswirkung kurzzeitiger Emissionen auf über längere Zeiträume gemittelte Immissions- oder Depositionswerte nur sehr gering. c) Ist der Staatsregierung das im Rahmen der due diligence seitens des Interessenten Acciaierie Venete SPA-Scholz KG aus Padua im September/Oktober 2001 gefertigte Gutachten bekannt, das für eine auch nur teilweise Sanierung des Werksgeländes Drucksache 17/2352 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zum Zwecke der Weiterführung des Unternehmens 70–75 Millionen DM veranschlagt hatte? Das in der Frage bezeichnete Gutachten liegt nicht vor und ist nicht bekannt. 2. Wie gestaltete sich die Kooperation der unterschiedlichen Behörden und Einrichtungen wie Stadtverwaltung , Landratsamt, Gewerbeaufsichtsamt, Berufsgenossenschaften und anderen bei Meldung von Umweltproblemen im Werk seitens Beschäftigter und Dritter? Seitens der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft gab es gemeinsame Begehungen und Besprechungen mit den für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständigen Stellen des Betriebes. Bei dieser Zusammenarbeit stand der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Vordergrund. Soweit aus den Akten ersichtlich, erfolgte durch die Gewerbeaufsicht bei Umweltproblemen die übliche Zusammenarbeit mit den für Wasser- und Umweltrecht zuständigen Stellen (z. B. LRA Amberg-Sulzbach, WWA Amberg). Hinweis: Die Produktion der Maxhütte wurde in den in Rede stehenden Betriebsbereichen endgültig im Jahr 2002 (also vor zwölf Jahren) wegen Insolvenz eingestellt. Die für die Betreuung der Maxhütte zuständigen Aufsichtsbeamten des Gewerbeaufsichtsamtes sind zwischenzeitlich mehrheitlich aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Daher können die Fragen nur aufgrund der Aktenlage beantwortet werden. Ob die Akten aus den Jahren vor 2002 noch vollständig sind, lässt sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit garantieren, da die Aufbewahrungsfrist je nach Art des Vorganges z. T. weniger als 10 Jahre beträgt. 3. a) Wie wurden die Visitationen des technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft dokumentiert ? b) Welche Erkenntnisse hieraus lassen sich belegen? c) Wie oft wurden beispielsweise MAK-Überschrei- tungen erfasst? d) Wurden Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft damit befasst etwa beim Vorfall im Januar 1987, als Cyanide aus dem Schrottofen austraten? Der betroffene Unfallversicherungsträger („Berufsgenossenschaft “) ist als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts der Bayerischen Staatsregierung nicht zur Rechenschaft verpflichtet. Die Aufsicht erfolgt über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Fragen 3a– 3d können daher von der Bayerischen Staatsregierung nicht beantwortet werden. 4. a) Wie war der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Werk organisiert, wie kooperierten die Schnittstellen vor Arbeitswirtschaft, Sicherheitsstelle, Sicherheitsbeauftragten, Sanitätsstelle, Werksarzt und Betriebsrat? Verantwortlich für den Arbeits- und Gesundheitsschutz war der Arbeitgeber (Geschäftsführung) sowie die jeweiligen betrieblichen Vorgesetzten, die gemäß Arbeitssicherheitsgesetz von intern bestellten Fachkräften für Arbeitssicherheit und dem überbetrieblich tätigen Betriebsärztlichen Dienst aus Amberg unterstützt wurden. Als Beratungsgremium war der ebenfalls nach Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) erforderliche Arbeitsschutzausschuss eingerichtet, der aus Arbeitgebervertretern, sowie dem Betriebsrat, dem Betriebsarzt, der Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Sicherheitsbeauftragten besteht. Je nach Problemstellung gab es gemeinsame Besprechungen bzw. Begehungen der genannten Teilnehmer. b) Wo sind die Protokolle verwahrt und wer trägt die Verantwortung für deren Analyse und Verarbeitung ? Verantwortlich für Analyse bzw. Bearbeitung von Arbeitsschutzproblemen war der Arbeitgeber. Begehungs- bzw. Sitzungsprotokolle wurden üblicherweise an die jeweiligen Teilnehmer übermittelt. Eine gesetzliche Verpflichtung zu Protokollführung bzw. Verwahrung gibt es nicht. Möglicherweise sind beim Insolvenzverwalter bzw. bei der Maxhütte Verwertungs- und Verwaltungs- GmbH noch einschlägige Unterlagen verwahrt. 5. a) Welche Konsequenzen hatte es nach sich gezogen , dass bei der Entnahme von Blutproben durch den Werksarzt unter anderem bei Beschäftigten aus der Qualitätssicherung zu hohe Bleikonzentrationen festgestellt wurden? b) Welche weiteren Substanzen und Anreicherungen wurden definiert? Eine Überschreitung von Bleikonzentrationen im Blut ist in den Akten des Gewerbeaufsichtsamts nicht vermerkt. Ansonsten wurden diverse Bestimmungen durch den Betriebsarzt auf unterschiedliche Substanzen (Chrom, Nickel, Antimon, Mangan) im biologischen Material durchgeführt. Einzelne Ergebnisse wurden vorgelegt, soweit sie im Rahmen von Vorgängen relevant waren. Grenzwert-Überschreitungen waren dabei nicht festzustellen. 6. Welche Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesfälle bei ehemaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der MH/NMH sind erfasst und bei wie vielen besteht ein Kausalzusammenhang mit den Schadstoffbelastungen im Werk? Aufgrund der gewerbeärztlichen Einbindung sind Berufskrankheiten -Meldungen bzgl. der Berufskrankheit Nr. 4104 „Lungen- oder Kehlkopfkrebs durch Asbest“ und 4105 „Durch Asbest verursachtes Mesotheliom“ bekannt. Die Zahl der tatsächlich von der Berufsgenossenschaft anerkannten Fälle ist der Bayerischen Staatsregierung nicht bekannt (vgl. 3a–3d). 7. Welche Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesfälle der Bevölkerung in Sulzbach-Rosenberg, dem Landkreis Amberg-Sulzbach, der gesamten Oberpfalz und im angrenzenden Mittelfranken sind den von der Maxhütte ausgelösten Umweltbelastungen zuzurechnen? Von dem Bayerischen Krebsregister wurden das Standardisierte Inzidenzverhältnis (SIR) und das Standardisierte Mortalitätsverhältnis (SMR) für die Gemeinde SulzbachRosenberg , den Landkreis Amberg-Sulzbach und den Regierungsbezirk Oberpfalz berechnet. Hierbei wurden die Jahrgänge 2002 bis 2011 betrachtet. Für Gemeinden ist die Analyse der Krebsinzidenz und -mortalität in Dekaden sinnvoll , um stabile Zahlen zu bekommen. Eine Analyse früherer Zeiträume war nicht machbar, da am Krebsregister hierüber keine vollständigen Daten vorliegen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2352 In Tabelle 2 sind ergänzend für alle Gemeinden des Landkreises Amberg-Sulzbach die Gesamtinzidenz an bös- artigen Neuerkrankungen im Zeitraum 2002–2011 aufgeführt . Wie aus statistischen Gründen zu erwarten, liegen die SIR in einigen Gemeinden über und in einigen Gemeinden unter 1. Die SIR eignen sich grundsätzlich dafür, die Krebshäufigkeit in einer Gemeinde mit der Krebshäufigkeit im Landesdurchschnitt zu vergleichen. Ein Vergleich der einzelnen Gemeinden untereinander erlaubt dieses statistische Verfahren jedoch nicht. Tabelle 2: Bösartige Neubildungen (C00–C97 ohne C44) in den Jahren 2002-2011, in allen Gemeinden des Landkreises Amberg-Sulzbach SIR Männer gemeldet erwartet SIR Frauen gemeldet erwartet Ammerthal 0,92 53 57,9 0,85 36 42,3 Auerbach i. d. OPf., St 1,09 291 267,9 1,09 279 256,2 Birgland 0,57 32 55,8 0,92 39 42,2 Ebermannsdorf 0,88 55 62,5 1,09 59 53,9 Edelsfeld 0,91 49 54,0 1,06 51 48,0 Ensdorf 0,87 61 69,9 1,24 71 57,1 Freihung, M 0,98 73 74,9 1,12 70 62,5 Freudenberg 1,02 117 114,9 0,90 84 93,6 Gebenbach 1,34 32 23,9 0,91 17 18,8 Hahnbach, M 0,91 136 149,5 0,88 104 118,3 SIR Männer gemeldet erwartet SIR Frauen gemeldet erwartet Hirschau, St 1,05 205 195,2 0,96 161 167,9 Hirschbach 1,18 54 45,9 0,90 32 35,4 Hohenburg, M 0,83 43 52,1 0,80 32 40,2 Illschwang 0,88 54 61,1 0,69 31 45,1 Kastl, M 0,92 69 75,1 1,16 75 64,9 Königstein, M 1,29 71 55,1 0,68 31 45,4 Kümmersbruck 0,92 262 283,4 1,12 270 241,4 Etzelwang 1,05 55 52,4 0,80 33 41,2 Neukirchen b. Sulzbach-Rosenberg 0,90 89 99,4 0,87 70 80,7 Poppenricht 0,96 105 109,7 1,14 97 84,8 Rieden, M 0,99 80 80,5 1,02 67 65,6 Schmidmühlen, M 1,03 65 63,3 0,86 52 60,4 Schnaittenbach, St 1,05 135 128,3 0,98 110 112,0 Sulzbach-Rosen- berg, St 1,12 726 646,8 0,98 576 585,7 Ursensollen 0,84 82 97,9 0,82 64 77,6 Vilseck, St 1,03 175 169,2 0,98 160 163,6 Weigendorf 1,06 40 37,9 0,79 27 34,4 Ergänzend wurden Daten zu Krebserkrankungen der Lunge bei dem Bayerischen Krebsregister angefragt, da dieses Organ vom Gewerbeaufsichtsamt der Regierung der Oberpfalz als möglicherweise relevant genannt wurde. Diese sind in Tabelle 3 und 4 aufgeführt. Die Inzidenzzahlen beschreiben die Neuerkrankungen, die Mortalitätszahlen die Sterbefälle. Alle bösartigen Neubildungen wurden gemeinsam betrachtet. Das Standardisierte Inzidenzverhältnis ergibt sich, indem die gemeldete Zahl an Neuerkrankungen der erwarteten Zahl an Neuerkrankungen gegenübergestellt wird. Die erwartete Zahl an Neuerkrankungen ergibt sich aus der Alters- und Geschlechtsverteilung der Bevölkerung in der betreffenden Region und der durchschnittlichen Erkrankungshäufigkeit in ganz Bayern. Das SIR gibt somit an, ob die Zahl an beobachteten Erkrankungen dem entspricht, was in Bayern zu erwarten ist. Liegt der SIR bei 1, entspricht das Beobachtete der Erwartung, liegt er unter 1, ist die Erkrankung seltener, liegt er über 1 ist die Erkrankung häufiger als erwartet aufgetreten. Um den Bereich der zufälligen Schwankung zu quantifizieren, wird zusätzlich ein 95% Konfidenzintervall (KI) berechnet. Ist die 1 in dem 95 % Konfidenzintervall nicht enthalten, wird von statistischer Signifikanz gesprochen. Die Berechnung und Interpretation des Standardisierten Mortalitätsverhältnis erfolgt entsprechend. Die Anzahl an Neuerkrankungen und Sterbefällen durch bösartige Neubildungen ist in dem Zeitraum 2002 bis 2011 unter Männern in der Gemeinde Sulzbach- Rosenberg (linke Spalte der Tabelle 1) leicht erhöht. Unter Frauen ist bei der Anzahl an Neuerkrankungen keine Erhöhung, bei der Anzahl an Sterbefällen eine nur geringfügige Erhöhung zu erkennen. Im Vergleich dazu liegt im gesamten Landkreis Amberg-Sulzbach (mittlere Spalte Tabelle 1) die Anzahl an Neuerkrankungen und an Sterbefällen sowohl bei Männern wie bei Frauen im erwarteten Bereich. Im gesamten Regierungsbezirk Oberpfalz (rechte Spalte Tabelle 1) zeigt sich wieder ein ähnliches Muster wie in der Gemeinde SulzbachRosenberg : eine leichte Erhöhung der Neuerkrankungen und Sterbefälle unter Männern und der Neuerkrankungen unter Frauen. Tabelle 1: Bösartige Neubildungen (C00-C97 ohne C44) in den Jahren 2002-2011 Sulzbach-Rosenberg Männer Frauen Lkr. Amberg-Sulzbach Männer Frauen Oberpfalz Männer Frauen Neuerkrankungen gemeldet/erwartet 726 / 647 576 / 586 3209 / 3184 2698 / 2739 33853 / 31366 28513 / 27988 SIR 1,12 0,98 1,01 0,99 1,08 1,02 95% KI [1,04;1,21] [0,91;1,07] [0,97;1,04] [0,95;1,02] [1,07;1,09] [1,01;1,03] Sterbefälle gemeldet/erwartet 349 / 293 302 / 263 1427 / 1420 1161 / 1200 14692 / 13945 12289 / 12290 SMR 1,19 1,15 1,00 0,97 1,05 1,00 95% KI [1,07;1,32] [1,02;1,29] [0,95;1,06] [0,91:1,03] [1,04;1,07] [0,98;1,02] Drucksache 17/2352 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Tabelle 3: Bösartige Neubildungen der Lunge (C33–C34) in den Jahren 2002–2011 Sulzbach-Rosenberg Männer Frauen Lkr. Amberg-Sulzbach Männer Frauen Oberpfalz Männer Frauen Neuerkrankungen gemeldet/erwartet 74 / 72 27 / 33 336 / 355 100 / 154 3811 / 3494 1371 / 1576 SIR 1,03 0,82 0,95 0,65 1,09 0,87 9 % KI [0,81;1,29] [0,54;1,19] [0,85;1,05] [0,53;0,79] [1,05;1,13] [0,83;0,92] Tabelle 4: Bösartige Neubildungen (C00–C97 ohne C44) in den Jahren 2002–2011, in allen Gemeinden des Landkreises Amberg-Sulzbach SIR Männer gemeldet erwartet SIR Frauen gemeldet erwartet Ammerthal 0,62 4 6,5 0,83 2 2,4 Auerbach i. d. OPf., St 1,04 31 29,9 0,35 5 14,4 Birgland 0,16 1 6,2 0,00 0 2,3 Ebermannsdorf 1,15 8 6,9 0,98 3 3,1 Edelsfeld 1,00 6 6,0 0,76 2 2,6 Ensdorf 0,77 6 7,8 1,57 5 3,2 Freihung, M 1,45 12 8,3 0,29 1 3,5 Freudenberg 0,78 10 12,8 0,19 1 5,3 Gebenbach 1,15 3 2,6 0,00 0 1,0 Hahnbach, M 0,60 10 16,7 0,59 4 6,7 Hirschau, St 0,73 16 21,8 0,95 9 9,5 Hirschbach 1,76 9 5,1 1,00 2 2,0 Hohenburg, M 0,86 5 5,8 0,44 1 2,3 Illschwang 0,59 4 6,8 0,00 0 2,5 Kastl, M 0,84 7 8,3 0,28 1 3,6 Königstein, M 1,30 8 6,1 0,78 2 2,6 Kümmersbruck 0,89 28 31,6 1,17 16 13,7 Etzelwang 1,19 7 5,9 0,00 0 2,3 Neukirchen b. Sulzbach-Rosenberg 0,54 6 11,1 0,22 1 4,5 Poppenricht 0,81 10 12,3 0,21 1 4,8 Rieden, M 0,67 6 9,0 0,27 1 3,7 Schmidmühlen, M 1,57 11 7,0 0,30 1 3,4 Schnaittenbach, St 1,47 21 14,3 0,48 3 6,3 Sulzbach-Rosen- berg, St 1,03 74 72,2 0,82 27 33,1 Ursensollen 0,64 7 10,9 0,46 2 4,3 Vilseck, St 1,07 20 18,8 1,11 10 9,0 Weigendorf 1,42 6 4,2 0,00 0 1,9 Die Inzidenz an Lungenkrebs ist in der Gemeinde SulzbachRosenberg nicht erhöht. Zusammenfassende Bewertung aus Ausblick Daten über Krebserkrankungen in der Bevölkerung weisen darauf hin, dass in den Jahren 2002–2011 in der Gemeinde Rosenberg-Sulzbach eine leicht erhöhte Krebshäufigkeit vorlag. Grundsätzlich ist zufallsbedingt eine gewisse Schwankung der Krebshäufigkeit zu erwarten. Dies ist auch im Landkreis Amberg-Sulzbach zu beobachten. Da die Krebszahlen im Landkreis Amberg-Sulzbach insgesamt nicht erhöht sind, ist der erhöhte SIR in dem Regierungsbezirk Oberpfalz nicht auf die erhöhten Zahlen in der Gemeinde Sulzbach-Rosenberg zurückzuführen. Bezüglich des Lungenkrebses zeigt sich in der Gemeinde RosenbergSulzbach keine Auffälligkeit. Inwieweit bzw. wie viele Krebserkrankungen und krebsbedingte Todesfälle in der Allgemeinbevölkerung mit möglichen Umweltbelastungen durch die Maxhütte in einem Zusammenhang stehen, lässt sich nicht abschätzen. Eine solche Abschätzung würde eine aufwendige Untersuchung unter Erfassung der Bevölkerung in der betreffenden Gemeinde , der in der Bevölkerung aufgetretenen Krebserkrankungen und der Exposition gegenüber krebserzeugenden Substanzen in der Bevölkerung erfordern. Eine solche Untersuchung wäre nur möglich, wenn die dafür benötigten Informationen überhaupt vorliegen. Daten zu der Exposition der Bevölkerung gegenüber krebserzeugenden Substanzen in der Vergangenheit scheinen jedoch nach den bisher vorliegenden Informationen durch das LfU nicht umfassend vorzuliegen. Ebenfalls existieren am Krebsregister Bayern keine vollständigen Daten zu der Krebshäufigkeit in der Bevölkerung in früheren Jahrzehnten. Da die notwendigen Daten nicht vorliegen, ist somit eine Abschätzung der durch die Umweltbelastungen durch die Maxhütte verursachten Krebsfälle nicht realisierbar.