Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher SPD vom 20.06.2018 Armutsgefährdete Personengruppen in Bayern Der Vierte Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern erschien im Mai 2017, Redaktionsschluss war Februar 2017. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass für viele Themenfelder inzwischen aktuellere Daten vorliegen . Ich frage die Staatsregierung deshalb: 1.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung in Bayern (bitte hier sowie bei allen nachfolgenden Fragen jeweils absolute und relative Zahlen – Quoten – angeben )? 1.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 2.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung in den baye rischen Regierungsbezirken? 2.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 3.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden in Bayern? 3.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 4.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Minderjährigen in Bayern? 4.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 5.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Seniorenhaushalten in Bayern? 5.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 6.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Langzeitarbeitslosen in Bayern? 6.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 7.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Menschen mit Behinderung in Bayern? 7.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 8.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern? 8.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 27.07.2018 Vorbemerkung: Der deutsche Sozialstaat ist durch das Grundgesetz dazu verpflichtet, seinen Bürgerinnen und Bürgern das soziokulturelle Existenzminium zu sichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09) umfasst dieses sowohl „die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben […], denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen“. Mit den Grundsicherungsleistungen nach Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) und SGB XII bekämpft der deutsche Sozialstaat Armut. Gleichwohl ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Menschen, die mit geringeren Einkommen auskommen müssen als der Rest der Bevölkerung und den Einkommensabstand nicht aus eigenem Vermögen decken können, geringere finanzielle Ressourcen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Teilhabe aufweisen. Dies gilt unabhängig von Alter, Geschlecht, Haushaltstyp, Migrationsstatus oder jeglichem anderen Merkmal der betroffenen Personen. Die Grundsicherungsquote und mit großen Einschränkungen die sog. Armutsgefährdungsquote geben Aufschluss über deren relative Größe. Im Rahmen der Sozialberichterstattung werden von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder Daten zur Armutsgefährdungsquote auf Basis des Mikrozensus nach soziodemografischen Merkmalen veröffentlicht, nicht aber zur absoluten Anzahl der armutsgefährdeten Personen. Dementsprechend liegen keine Angaben hierzu für das aktuelle Jahr 2016 beziehungsweise für die Veränderung zwischen 2006 und 2016 vor. 1.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung in Bayern (bitte hier sowie bei allen nachfolgenden Fragen jeweils absolute und relative Zahlen – Quoten – angeben)? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote lag in Bay ern im Jahr 2016 bei 12,1 Prozent, der zweitniedrigste Wert unter den deutschen Bundesländern knapp hinter Baden-Württemberg (11,9 Prozent) und deutlich vor der auf dem dritten Platz folgenden Hansestadt Hamburg mit 14,9 Prozent (Deutschland: 15,7 Prozent). Die Mindestsicherungsquote lag zum Jahresende 2016 bei 5,1 Prozent, der niedrigste Wert unter den deutschen Bundesländern, gefolgt von Baden-Württemberg mit 5,9 Prozent und Rheinland-Pfalz mit 7,6 Prozent (Deutschland : 9,5 Prozent). Die Mindestsicherung umfasst die Leis- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.10.2018 Drucksache 17/23527 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23527 tungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII sowie die Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . 1.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote stieg in Bayern von 10,9 Prozent im Jahr 2006 auf 12,1 Prozent im Jahr 2016. Die Mindestsicherungsquote belief sich in Bayern sowohl zum Jahresende 2006 als auch 2016 auf 5,1 Prozent und blieb damit unverändert. Im Zeitverlauf war sie jedoch zunächst bis auf 4,2 Prozent zu den Jahresenden 2011 und 2012 gesunken, dann im Zuge der zunehmenden Zuwanderung insbesondere im Verlauf des Jahres 2015 deutlich bis auf 5,2 Prozent zum Jahresende 2015 angestiegen und zuletzt im Jahresverlauf 2016 wieder leicht zurückgegangen. Dies ist vornehmlich auf einen Anstieg der Empfängerinnen und Empfänger von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zurückzuführen. Andererseits ist im Zuge der sehr guten Entwicklung am bayerischen Arbeitsmarkt die Anzahl der Leistungsberechtigten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende deutlich gesunken. 2.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung in den bayerischen Regierungsbezirken? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote lag im Jahr 2016 im Regierungsbezirk – Oberbayern bei 9,3 Prozent, – Niederbayern bei 14,6 Prozent, – Oberpfalz bei 13,3 Prozent, – Oberfranken bei 14,5 Prozent, – Mittelfranken bei 14,7 Prozent, – Unterfranken bei 12,9 Prozent, – Schwaben bei 12,5 Prozent. Regionale Preisniveauunterschiede werden hierbei nicht berücksichtigt, die eine deutliche Angleichung der sog. Armutsgefährdungsquote zwischen den bayerischen Regierungsbezirken bewirken dürften. Aufgrund der vorangehenden Bedarfsprüfung und der Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung erweist sich die Mindestsicherungsquote insbesondere für Regionalvergleiche bei deutlich divergierenden regionalen Preisniveaus als der weitaus geeignetere Indikator zur Bestimmung des Ausmaßes (bekämpfter) relativer Armutsgefährdung . Die Mindestsicherungsquote lag zum Jahresende 2016 im Regierungsbezirk – Oberbayern bei 5,1 Prozent, – Niederbayern bei 4,1 Prozent, – Oberpfalz bei 4,6 Prozent, – Oberfranken bei 5,2 Prozent, – Mittelfranken bei 7,1 Prozent, – Unterfranken bei 5,0 Prozent, – Schwaben bei 4,4 Prozent. 2.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote stieg von 2006 bis 2016 – in Oberbayern von 8,6 Prozent auf 9,3 Prozent, – in Niederbayern von 11,9 Prozent auf 14,6 Prozent, – in der Oberpfalz von 12,4 Prozent auf 13,3 Prozent, – in Oberfranken von 13,7 Prozent auf 14,5 Prozent, – in Mittelfranken von 12,0 Prozent auf 14,7 Prozent, – in Unterfranken von 12,7 Prozent auf 12,9 Prozent, – in Schwaben von 11,0 Prozent auf 12,5 Prozent. Die Mindestsicherungsquote stieg zwischen den Jahresenden 2006 und 2016 – in Oberbayern von 4,4 Prozent auf 5,1 Prozent, – in Mittelfranken von 6,8 Prozent auf 7,1 Prozent. Demgegenüber sank sie im selben Zeitraum – in Niederbayern von 4,4 Prozent auf 4,1 Prozent, – in der Oberpfalz von 5,2 Prozent auf 4,6 Prozent, – in Oberfranken von 6,2 Prozent auf 5,2 Prozent, – in Unterfranken von 5,2 Prozent auf 5,0 Prozent, – in Schwaben von 4,5 Prozent auf 4,4 Prozent. Wie für Bayern insgesamt steht auch hier der Anstieg der Empfängerinnen und Empfänger von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einem der sehr guten Entwicklung am Arbeitsmarkt folgenden Rückgang der Leistungsberechtigten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende entgegen. Dabei fiel letzterer in den drei größeren bayerischen Regierungsbezirken mit den drei größten Städten im Verhältnis zur überproportionalen Bevölkerungsanzahl geringer aus als in den übrigen Regierungsbezirken. 3.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden in Bayern? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von Personen in Alleinerziehendenhaushalten lag in Bayern im Jahr 2016 bei 36,7 Prozent. 3.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von Personen in Alleinerziehendenhaushalten ist von 33,9 Prozent im Jahr 2006 auf 36,7 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. 4.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Minderjährigen in Bayern? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von minderjährigen Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 18 Jahren lag in Bayern im Jahr 2016 bei 13,1 Prozent, der geringste Anteil unter den Bundesländern. Die SGB-II-Hilfequote der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Bedarfsgemeinschaften lag in Bayern im Dezember 2016 bei 6,5 Prozent, ebenfalls der niedrigste Anteil unter den Bundesländern. Drucksache 17/23527 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von minderjährigen Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 18 Jahren blieb in Bayern im Zeitraum von 2006 (12,8 Prozent ) bis 2016 (13,1 Prozent) beinahe unverändert. Da es sich bei beiden Zahlen um Schätzwerte aus einer hochgerechneten Umfrage handelt, dürfte die geringe Veränderung statistisch nicht signifikant sein, d. h., es kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einer wirklichen Veränderung ausgegangen werden. 5.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Seniorenhaushalten in Bayern? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote der älteren Bevölkerung ab 65 Jahren lag in Bayern im Jahr 2016 bei 17,6 Prozent. Die Quote der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII ab Erreichen der Regelaltersgrenze lag in Bayern zum Jahresende 2016 hingegen lediglich bei 2,7 Prozent (Deutschland: 3,1 Prozent ; Westdeutschland: 3,3 Prozent). 5.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote der älteren Bevölkerung ab 65 Jahren stieg in Bayern von 14,1 Prozent im Jahr 2006 auf 17,6 Prozent im Jahr 2016. Die Quote der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII stieg in Bayern von 2,0 Prozent zum Jahresende 2006 auf 2,7 Prozent zum Jahresende 2016. 6.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Langzeitarbeitslosen in Bayern? Zu dieser Personengruppe liegen der Staatsregierung keine Daten zur Armutsgefährdung vor. 6.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Vergleiche Antwort zu Frage 6.1. 7.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Menschen mit Behinderung in Bayern? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von Menschen mit Schwerbehinderung lag in Bayern im Jahr 2013 bei 17,5 Prozent. Entsprechend den Daten des Mikrozensus bezogen in Bayern im Jahr 2013 rund 8,4 Prozent der Menschen mit Schwerbehinderung Leistungen der sozialen Mindestsicherung . Daten zu Menschen mit Behinderung insgesamt sowie aktuellere Daten zu Menschen mit Schwerbehinderung liegen nicht vor, nachdem das Merkmal in der Regel nur alle vier Jahre im Rahmen des Mikrozensus erhoben wird. 7.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Hierzu liegen der Staatsregierung keine vergleichbaren Daten vor. 8.1 Wie hoch ist aktuell die Armutsgefährdung von Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote von Menschen mit Migrationshintergrund lag in Bayern im Jahr 2016 bei 19,9 Prozent. 8.2 Wie hat sich diese in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Die sog. (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote der Menschen mit Migrationshintergrund blieb zwischen den Jahren 2006 und 2016 unverändert bei 19,9 Prozent. Allerdings war sie nach einem anfänglichen Anstieg zunächst gesunken und dann wieder angestiegen. Im Zuge der Zuwanderung der vergangenen Jahre zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Armutsgefährdungsquote von 18,9 Prozent im Jahr 2014 auf 19,9 Prozent im Jahr 2016.