Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 16.04.2014 Hochwasserschutz in Bayern IV: Moorschutz Bayern zählt mit rund 200.000 Hektar Moorfläche zu den moorreichsten Bundesländern. Jedoch sind um die 95 % der Moore entwässert, abgetorft, bebaut oder landwirtschaftlich genutzt und können somit ihrer natürlichen Aufgabe der Speicherung von Wasser und der Bindung von CO2 nicht mehr gerecht werden. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Was ergab die im Rahmen des Klimaprogramms Bayern KLIP 2020 durchgeführte Analyse der Wasserspeicherkapazität durch die Renaturierung von Mooren und Feuchtgebieten? 2. a) Kann die aktuelle Moorbodenkarte Bayern wie angekündigt 2014 fertiggestellt werden? b) Wann ist genau damit zu rechnen? 3. a) Wie viel ha Moorboden (aAnteilig am gesamten Moorboden in Bayern) werden derzeit intensiv landwirtschaftlich genutzt? b) Wie viel extensiv landwirtschaftlich? c) Wie viel ha Moorboden erfüllen ihre natürliche Funk- tion in vollem Umfang? 4. Was wird vonseiten der Staatsregierung unternommen, um in einem ersten Schritt die Landwirte zu einem Umsteigen von intensiver auf extensive Bewirtschaftung der Moorflächen zu bewegen, da ein Großteil der Niedermoorflächen in Bayern intensiv landwirtschaftlich genutzt wird? 5. a) Wie viel ha Moor wurden in den letzten 10 Jahren renaturiert ? b) Wo genau fand dies statt? c) Durch wen wurden diese Reaktivierungsmaßnahmen durchgeführt und finanziert? 6. In welchem Umfang und durch wen werden Moorreaktivierungsmaßnahmen finanziell gefördert? 7. Wird der Freistaat Bayern das mit den anderen Bundesländern vereinbarte Ziel, zusätzlich 5–10 % der aktuellen Moorfläche bis 2025 wiederzuvernässen erreichen ? a) Was ist hierfür genau geplant? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.06.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. Was ergab die im Rahmen des Klimaprogramms Bayern KLIP 2020 durchgeführte Analyse der Wasserspeicherkapazität durch die Renaturierung von Mooren und Feuchtgebieten? Die wesentlichen Aussagen des Schlussberichtes (Literaturstudie ) des Auftragnehmers (Universität der Bundeswehr München) vom Juli 2010 lassen sich folgendermaßen zusammenfassen : ● Die Auswirkungen von Mooren auf Hochwasserabflüsse werden kontrovers diskutiert und durch die vorliegenden Publikationen nicht geklärt. So gibt es in der Literatur Indizien und Beobachtungen, die für eine erhöhte Abflussbildung in naturnahen und nahezu gesättigten Standorten sprechen. ● Aber auch für die Abschwächung von Hochwasserwellen in naturnahen Mooren finden sich entsprechende Aussagen. Diese werden eher bei Starkniederschlägen mit geringen oder mittleren Jährlichkeiten im Sommer gesehen . ● Hinsichtlich des Abflussverhaltens von Hochmoorstandorten bei Niedrigwasser stellt die Studie weitgehend einhellig fest, dass eine ausgleichende (erhöhende) Wirkung auf Niedrigwasserabflüsse nicht gesehen wird. Die hydraulischen Leitfähigkeiten im gesättigten Bereich des Moorkörpers im Katotelm sind so gering, dass sie kaum Wasser abgeben. Demnach wird Wasser während Trockenperioden im naturnahen Hochmoor zurückgehalten. Hochmoore unterstützen also Basisabfluss in regenfreien Perioden kaum. Der Wasserspeicher steht jedoch der Tier- und Pflanzenwelt sowie dem Lokalklima zur Verfügung. ● Bei naturnahen Moorgebieten vor allem mit großem Hochmooranteil kann aus den vorliegenden Untersuchungen nicht auf eine ausgleichende Wirkung auf das saisonale Abflussgeschehen geschlossen werden, da die Variabilität in den Abflusswerten naturnaher (Hoch)- Moorgebiete im jahreszeitlichen Verlauf größer ist als bei drainierten Standorten. ● Durch die hydrologisch hoch aktive Vegetation (Torfmoose können ein Vielfaches ihres eigenen Volumens an Wasser aufnehmen und damit auch abgeben) ist die Verdunstungsfähigkeit der Mooroberfläche häufig höher im Vergleich zu Mineralbodenstandorten. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2353 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2353 ● Der Auftragnehmer macht in seiner Literaturstudie deutlich , dass Wissenslücken bestehen. So fehlen z. B. Messungen aus renaturierten Moorgebieten über einen längeren Zeitraum. Die Bedeutung der Moore darf jedoch nicht allein an der Wasserspeicherkapazität in Verbindung mit dem Hochwasserschutz festgemacht werden. Neben der großen Bedeutung für die Biodiversität kommt vor allem der CO2- Reduktion bzw. der Kohlenstoff-Bindung durch Moore entscheidende Bedeutung für den Klimaschutz zu. Hieraus ergibt sich dann eine wichtige positive Rückkopplung auf den Wasserhaushalt im Gesamten. 2. a) Kann die aktuelle Moorbodenkarte Bayern wie angekündigt 2014 fertiggestellt werden? b) Wann ist genau damit zu rechnen? Mit der „Moorübersichtskarte von Bayern“ des LfU als Auszug aus der Übersichtsbodenkarte Bayern (ÜBK25) gibt es seit 2012 eine eigene Karte über die Verbreitung kohlenstoffreicher Böden. Die Auswahl der Standorte richtet sich nach den GUIDELINES 2006 des Internationalen Klimarates („Intergovernmental Panel on Climate Change“ – IPCC) und umfasst alle Boden- bzw. Substrattypen ab 9 % organischem Kohlenstoff (= 15 % und mehr Humusanteil). Die Moorbodenkarte gliedert die organischen Bodentypen in Hoch-, Nieder- und Anmoor und ist im Internet verfügbar unter http://fisnat.bayern.de/finweb/. 3. a) Wie viel ha Moorboden (anteilig am gesamten Moorboden in Bayern) werden derzeit intensiv landwirtschaftlich genutzt? b) Wie viel extensiv landwirtschaftlich? c) Wie viel ha Moorboden erfüllen ihre natürliche Funktion in vollem Umfang? Da zur Intensität der landwirtschaftlich genutzten Flächen keine Daten vorliegen, ist eine Beantwortung der Fragen 3. a) und b) nicht möglich. Die unter Nr. 2 a genannten Moorböden nehmen landesweit ca. 220.000 ha ein. Diesem Umfang stehen in der Biotopkartierung erfasste ca. 19.000 ha Flach(=Nieder)moor sowie ca. 15.000 ha Hoch- und Übergangsmoor gegenüber. Die Letztgenannten beinhalten einige weitgehend unbeeinflusste und moorökologisch völlig intakte Bereiche. 4. Was wird vonseiten der Staatsregierung unternommen , um in einem ersten Schritt die Landwirte zu einem Umsteigen von intensiver auf extensiver Bewirtschaftung der Moorflächen zu bewegen, da ein Großteil der Niedermoorflächen in Bayern intensiv landwirtschaftlich genutzt wird? Über die bayerischen Agrarumweltprogramme (Kulturlandschaftsprogramm , Vertragsnaturschutzprogramm) wird eine besonders umweltverträgliche Landwirtschaft honoriert . Beim über das Umweltministerium laufenden Vertragsnaturschutz steht eine besonders naturverträgliche Bewirtschaftung ökologisch wertvoller Flächen im Mittelpunkt. Nass-, Feucht- und Streuwiesen auf Moorstandorten sind dabei mit knapp 15.000 Hektar ein zentraler Schwerpunkt im Vertragsnaturschutz. Darüber hinaus wird auch die Extensivierung von bisher intensiv genutzten Flächen einschließlich der Umwandlung von Acker in Grünland im Vertragsnaturschutz honoriert. Ziel ist dabei insbesondere auch, Puffer- flächen für die ökologisch intakten Kernflächen von Mooren zu schaffen. Neben den bewährten Extensivierungsmaßnahmen sind in dem vom Landwirtschaftsministerium angebotenen Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm ab 2015 für Moorstandorte spezielle Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen. So soll die Umwandlung von Ackerland in Grünland auf Moorstandorten mit einer deutlich erhöhten Ausgleichszahlung besonders honoriert werden. Zudem sind Ausnahmen bei der künftigen Maßnahme „Extensive Grünlandnutzung entlang von Gewässern und sonstigen sensiblen Gebieten“ vorgesehen, um neben dem Verzicht auf jegliche Düngung und Pflanzenschutzmittel sowie der Beweidung durch Wanderschafe auch eine Beweidung mit Rindern zur klimaschonenden Bewirtschaftung von Moorflächen zu ermöglichen. Umfassende Renaturierungs- oder Extensivierungsvorhaben können auch im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren durch Bodenordnung und/oder Überführung der Flächen in öffentliches Eigentum wirksam unterstützt werden (z. B. Murnauer Moos/Staffelseemoore, Allgäuer Moorallianz, Unteres Isartal, Ruselmoore). 5. a) Wie viel ha Moor wurden in den letzten 10 Jahren renaturiert? b) Wo genau fand dies statt und Die Renaturierung von Mooren hat für den Naturschutz in Bayern höchste Priorität. Im Rahmen der folgenden Projekte wurden Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt, wobei Angaben zur Flächengröße nur vereinzelt möglich sind: ● Vier abgeschlossene LIFE-Projekte mit Unterstützung durch die EU (Rosenheimer Stammbeckenmoore, Chiemseemoore I und II, Benninger Ried) ● Seit 2013 laufendes LIFE-Projekt zur Moorrenaturierung im Nationalpark Bayerischer Wald ● Ein laufendes Naturschutzgroßprojekt „Allgäuer Moorallianz “ mit Unterstützung durch den Bund ● Zahlreiche Förderprojekte zur Moorrenaturierung mit Schwerpunkt auf den Biotop- und Artenschutz, die über die Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien umgesetzt wurden ● Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bzw. über Ersatzgeldzahlungen durchgeführte Moorrenaturierungen (z. B. Forstmoos im Landkreis Kelheim) ● Vereinzelte durch die Wasserwirtschaftsverwaltung durchgeführte Renaturierungs- bzw. Wiedervernässungsprojekte (z. B. Wiedervernässung des Ampermooses – Einweihung 2013) Eine konkrete Flächenbilanz liegt aus der Moorrenaturierung im Rahmen des Klimaprogramms Bayern (KLIP 2020) seit 2008 vor. Demnach wurden in Oberbayern, Schwaben, Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken in diesem Projekt Maßnahmen zur Renaturierung von Mooren auf mehr als 1.300 ha durchgeführt. Unabhängig davon finden seit Langem sukzessive Renaturierungsprojekte im Staatswald sowie auf Flächen der Lehr-, Versuchs- und Fachzentren (LVFZ) der Landesanstalt für Landwirtschaft statt. Beispiele hierfür sind: ● Schönramer Filz (Forstbetrieb Berchtesgaden) ● Backöfelein (Forstbetrieb Selb) ● Buigenfilz und Jackelwald (Forstbetrieb Oberammergau) ● Weghaus 79 ha (LVFZ Schwaiganger) ● Pfrentsch 100 ha (LVFZ Almesbach) Drucksache 17/2353 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ● Floramoosgraben – in Planung – (Versuchsstation Straßmoos der Landesanstalt für Landwirtschaft). c) Durch wen wurden diese Reaktivierungsmaßnahmen durchgeführt und finanziert? Die genannten Maßnahmen werden von der Naturschutzverwaltung zusammen mit einer Vielzahl weiterer Akteure (z. B. Landschaftspflege- und Naturschutzverbände, Bayerische Staatsforsten, Kommunen, Wasserwirtschaftsverwaltung ) durchgeführt. Die Finanzierung erfolgt überwiegend durch den Freistaat, teilweise leisten die Beteiligten (EU, Bund, Bayerischer Naturschutzfonds, Verbände, Kommunen ) erhebliche finanzielle Beiträge. In geringen Umfang sind auch private, zweckgebundene Spenden integriert worden. Die Renaturierungsmaßnahmen im Staatswald werden von der Bayerische Staatsforsten A. ö. R. als „besondere Gemein- wohlleistungen“ durchgeführt und vom Freistaat Bayern (Forstverwaltung) mit 90 % der zuwendungsfähigen Kosten gefördert. Bis 2005 wurden entsprechende Maßnahmen von der früheren Bayerischen Staatsforstverwaltung umgesetzt. Die Renaturierungsprojekte der Landesanstalt für Landwirtschaft wurden/werden mit eigenem Personal durchgeführt und aus laufenden Haushaltsmitteln finanziert . 6. In welchem Umfang und durch wen werden Moorreaktivierungsmaßnahmen finanziell gefördert? Siehe Antwort zu Frage 5. 7. a) Wird der Freistaat Bayern das mit den anderen Bundesländern vereinbarte Ziel, zusätzlich 5–10 % der aktuellen Moorfläche bis 2025 wiederzuvernässen , erreichen? Die „Rahmenziele und Maßnahmen für der Moorschutz der Länder“ sind Teil einer gemeinsamen Erklärung der Landesfachbehörden vom Dezember 2012 und stellen deren fachliche Auffassung dar. Sie sind daher rechtlich nicht verbindlich. Diese „Rahmenziele“ werden aber voraussichtlich bis 2025 in Bayern erreicht werden. b) Was ist hierfür genau geplant? Mit Beschluss des Ministerrates vom 10. Dezember 2013 wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe „IMA Klimaschutz “ beauftragt, unter Federführung des StMUV die Grundlagen für ein „Klimaschutzprogramm Bayern 2050“ zu entwerfen. Ein wesentlicher Inhalt sind voraussichtlich die Maßnahmen zur CO2-Reduzierung und Klimaanpassung durch Renaturierung von Mooren. Darüber hinaus wird das Bayerische Umweltministerium mithilfe der EU-Strukturfonds innovative Vorhaben zum Schutz der Moore bis 2020 vorbehaltlich entsprechender verfügbarer HH-Mittel zusätzlich mit weiteren Millionenbeiträgen unterstützen.