Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm fraktionslos vom 09.06.2018 Ermittlungen der bayerischen Behörden im Fall des OEZ-Attentates Das Bundesamt für Justiz geht beim Attentat des David S. am Münchener Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) von einer extremistischen Tat aus und zahlt Hinterbliebenen und Verletzten eine Härteleistung. Grundlage waren u. a. drei Gutachten, die die Stadt München in Auftrag gegeben hatte. Sie alle erkannten einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat. Ein Gutachten ordnet sie dem Rechtsterrorismus zu und fordert eine Abkehr von der bis heute bei den bayerischen Behörden geltenden Einschätzung, eines Amoklaufs ohne bedeutsamen politischen Hintergrund. Bereits im Prozess gegen den Waffenbeschaffer von David S. hatten einige Nebenklagevertreter mehrfach dessen Kontakte über die Spielplattform „steam“ und die Unterlagen zu David F. angesprochen. Spätestens in diesem Zusammenhang ist der Staatsanwaltschaft München bekannt geworden, dass auf „steam“ Amok- und Attentatsphantasien ausgetauscht werden und globale Tötungslisten geführt werden. Spätestens im Dezember 2017 war dem Bundeskriminalamt (BKA), seit Mai 2018 auch der deutschen Medienöffentlichkeit bekannt, dass David S. Teil eines Netzwerks von potenziellen Massenmördern via „steam“ war. U. a. über den sogenannten Anti-Refugee Club hatte er intensiven Kontakt u. a. zu dem US-Attentäter Wiliam A.. Der „Anti-Refugee Club“ wurde nach der Kölner Silvesternacht gegründet. In ihm wurde vor einer muslimischen Masseneinwanderung gewarnt, er existierte bis September 2017. Der Presse ist zu entnehmen, dass die Staatsregierung bei der Gutachterin Prof. Dr. Britta Bannenberg ein Gutachten zum Attentat des David S. in Auftrag gegeben hat, dass dieses nun als Amoklauf einstuft. Das Ergebnis ihres Gutachtens veröffentlichte die Autorin bereits im November 2017, das Gutachten selbst wurde wohl im Juni 2018 fertig gestellt. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum OEZ- Attentat und der gerichtlichen Aufarbeitung des Falles im Rahmen des Prozesses gegen den Waffenbeschaffer Philipp K. sind eine Reihe von Fragen über die Tat, ihre Vorbereitung und die Tatbeteiligten sowie die Ermittlungen selbst bis heute ungeklärt. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wann wurden oder werden die Unterlagen des Zeugen Florian M. durch die Staatsanwaltschaft München 1 beigezogen und ausgewertet (bitte Begründung, wenn dies nicht beabsichtigt ist)? b) Welche Schlüsse ziehen Staatsanwaltschaft und Staatsregierung aus den Aussagen des Zeugen? c) Wurde oder wird der Zeuge Florian M. durch die Staatsanwaltschaft vernommen? 2. a) Ab wann waren die Kontakte von David S. über „steam“ und im „Anti-Refugee Club“ Gegenstand polizeilicher oder staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen (bitte Ermittlungsergebnisse darstellen)? b) Sieht die Staatsregierung im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen einen Anfangsverdacht für ein strafrechtsrelevantes Fehlverhalten von Beamtinnen bzw. Beamten der Staatsanwaltschaft? c) Wurden oder werden im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall des OEZ-Attentäters David S. und des Waffenhändlers Philipp K. Ermittlungen gegen Beamtinnen bzw. Beamte der Staatsanwaltschaft eingeleitet oder andere disziplinarrechtliche Konsequenzen ergriffen? 3. a) Wurde im Fall des Waffenbeschaffers Philipp K. ermittelt , ob dieser über „steam“ oder andere Internetplattformen Kontakt zu David S. hatte? b) Wurde von den bayerischen Behörden jemals eine Abgabe des Falles an das BKA erwogen? c) Wenn nicht, warum entschied man sich dagegen? 4. a) Wann wurden welche Informationen zwischen BKA und bayerischen Behörden zu „steam“ ausgetauscht? b) Wer beauftragte die Gutachterin Prof. Dr. Britta Bannenberg wann mit welchen Fragestellungen zu ihrem in der Presse bekannt gewordenen Gutachten zu David S.? c) Was kostete das Gutachten? 5. a) Für wen ist das Gutachten zugänglich und warum wird es nicht einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt? b) Beabsichtigt die Staatsregierung das Gutachten dem Landtag bzw. Abgeordneten zur Verfügung zu stellen? 6. a) Welche Unterlagen wurden der Gutachterin Prof. Dr. Britta Bannenberg von bayerischen Behörden übermittelt (bitte möglichst exakte Datumsangabe)? b) Hatte Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg Zugang zu anderen Unterlagen als die drei von der Stadt München beauftragten Gutachter? c) Wie beurteilt die Staatregierung die frühe Vorwegnahme des Ergebnis ihres Gutachtens im November 2017 durch Prof. Dr. Britta Bannenberg in der Presse? 7. a) Wie steht die Staatsregierung zur Entscheidung des Bundesamts für Justiz den Hinterbliebenen Entschädigungen auszuzahlen und zur Einstufung der Tat durch das Amt? b) Ab wann und in welchem Umfang wurden Mitglieder der Staatsregierung durch wen über die Kontakte von David S. zu William A. informiert? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.08.2018 Drucksache 17/23552 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23552 Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration unter Einbindung des Bayerischen Landeskriminalamts und im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 30.07.2018 1. a) Wann wurden oder werden die Unterlagen des Zeugen Florian M. durch die Staatsanwaltschaft München 1 beigezogen und ausgewertet (bitte Begründung , wenn dies nicht beabsichtigt ist)? Die vom Zeugen im Rahmen seiner Vernehmung durch das Polizeipräsidium Berlin am 25.07.2016 vorgelegten Unterlagen sind nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte. Sie wurden der Staatsanwaltschaft München I als Teil der Hauptakte am 22.12.2016 übermittelt. b) Welche Schlüsse ziehen Staatsanwaltschaft und Staatsregierung aus den Aussagen des Zeugen? Die Aussagen des Zeugen über seine Recherchen zu dem „Amoklauf in München“ flossen in die Ermittlungen, in das in der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 04.05.2017 geschilderte Ermittlungsergebnis sowie in die Bewertung der Tatmotivation des David S. ein. Die Aussagen des Zeugen zu „diabolicpsychopath“ und die entsprechenden Unterlagen wurden durch das Polizeipräsidium Berlin an das für diese Person zuständige Polizeipräsidium Ludwigsburg weitergeleitet. Das dort eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart geführt. Zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren außerbayerischer Behörden können weder weitergehende Informationen erteilt noch Schlussfolgerungen hieraus gezogen werden. c) Wurde oder wird der Zeuge Florian M. durch die Staatsanwaltschaft vernommen? Der Zeuge wurde durch die Staatsanwaltschaft München I nicht vernommen. Eine staatsanwaltschaftliche Vernehmung war unter Berücksichtigung der Zuständigkeit der Staats anwaltschaft München I aus deren Sicht auch nicht veranlasst, weil sich aus den Angaben des Zeugen keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen im Hinblick auf David S. ergaben. 2. a) Ab wann waren die Kontakte von David S. über „steam“ und im „Anti-Refugee Club“ Gegenstand polizeilicher oder staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen (bitte Ermittlungsergebnisse darstellen)? David S. war unter einer Vielzahl von Pseudonymen, wie Spieler-, User- und Accountnamen, auf diversen Onlineplattformen registriert und aktiv, so auch bei der Onlinespieleplattform „Steam“. Bei den Ermittlungen anlässlich der durch David S. begangenen Mehrfachtötung vom 22.07.2016 wurde im Rahmen der bestehenden Zuständigkeit allen zum damaligen Zeitpunkt bekannten konkreten Anhaltspunkten für strafrechtliche oder präventivpolizeiliche Vorgänge durch das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) und die Staatsanwaltschaft München I im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nachgegangen. So konnten schon in einer frühen Phase der Ermittlungen diverse Account- und Spielernamen des David S. auf der Spieleplattform „Steam“, welche von der US-amerikanischen Fa. Valve betrieben wird, festgestellt werden. Fußend auf diesen Erkenntnissen wurde bereits am 01.08.2016 durch die SOKO-OEZ ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft München I vom 01.08.2016 an die Fa. Valve übermittelt. In diesem wurde die Fa. Valve u. a. ersucht, Auskunft zu den jeweils hinterlegten Daten, IP-Adressen, Zugangsdaten, Chat-Verläufen und Email-Adressen bezüglich der damals bekanntgewordenen möglichen Accountbzw . Usernamen des David S. zu erteilen. Die Fa. Valve teilte am 03.08.2016 u. a. mit, dass Chatprotokolle vor dem 22.07.2016 dort nicht mehr vorliegen würden, zudem würden Chatprotokolle seitens der Fa. Valve innerhalb von zwei Wochen gelöscht. Weiter wurden Informationen zu den „Steam“-Accounts, welche die Fa. Valve ihrerseits David S. zuordnen konnte, den bayerischen Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens gegen David S. durch Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 04.05.2017 lagen der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft München I und dem BLKA keine Erkenntnisse zu einer möglichen Verbindung zwischen David S. und William A. vor. Zu diesem Zeitpunkt floss die Erkenntnis über die Mitgliedschaft des David S. in der Gruppe „Anti-Refugee Club“ [sic!] auf der Onlinespieleplattform „Steam“ allgemein in die Einschätzung des BLKA und der Staatsanwaltschaft München I mit ein, David S. lasse auch durch sein Onlinespielverhalten ausländerfeindliche Einstellungen erkennen. Weiterführende Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich der „Steam“-Gruppe „Anti-Refugee Club“ erfolgten damals nicht und waren nach dem damaligen Kenntnisstand auch nicht veranlasst. Aufgrund von Presseveröffentlichungen ab dem 17.04.2018 zu einer möglichen Verbindung von David S. und William A. wurden durch die Staatsanwaltschaft München I und das BLKA umgehend von Amts wegen Ermittlungen in diesem Zusammenhang aufgenommen, die derzeit noch andauern. Hierbei ist auch die mutmaßliche Mitgliedschaft des David S. und des William A. in der „Steam“- Gruppe „Anti-Refugee Club“ Gegenstand der weiteren Abklärungen . b) Sieht die Staatsregierung im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen einen Anfangsverdacht für ein strafrechtsrelevantes Fehlverhalten von Beamtinnen bzw. Beamten der Staatsanwaltschaft? c) Wurden oder werden im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall des OEZ-Attentäters David S. und des Waffenhändlers Philipp K. Ermittlungen gegen Beamtinnen bzw. Beamte der Staatsanwaltschaft eingeleitet oder andere disziplinarrechtliche Konsequenzen ergriffen? Nein, da weder ein Anfangsverdacht für strafrechtlich relevantes Fehlverhalten noch für eine sonstige Dienstpflichtverletzung erkennbar ist. 3. a) Wurde im Fall des Waffenbeschaffers Philipp K. ermittelt, ob dieser über „steam“ oder andere Internetplattformen Kontakt zu David S. hatte? Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gegen Philipp K. war unter anderem dessen Kontakt zu David S. über die Darknet-Plattform „Deutschland im Deep Web“, über die die Veräußerung von Tatwaffe und Munition vereinbart wurde, die David S. für seine Tat am 22.07.2016 benutzte. In dem Drucksache 17/23552 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Ermittlungsverfahren gegen Philipp K. wurde kein Account des Philipp K. auf der Online-Plattform „Steam“ festgestellt. b) Wurde von den bayerischen Behörden jemals eine Abgabe des Falles an das BKA erwogen? Das Ermittlungsverfahren gegen David S. führte auf polizeilicher Seite das BLKA. Eine Übertragung der Ermittlungen auf das Bundeskriminalamt (BKA) wurde seitens der Staatsanwaltschaft München I nicht in Betracht gezogen. Das Ermittlungsverfahren gegen Philipp K. wurde fast bis zum Abschluss der Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main geführt, die das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main mit den Ermittlungen beauftragt hatte. Nach Übernahme durch die Staatsanwaltschaft München I wurde eine Übertragung der polizeilichen Ermittlungen an das BKA nicht in Betracht gezogen. Die Zusammenarbeit mit dem bereits eingearbeiteten Zollfahndungsamt Frankfurt am Main wurde – auch vor dem Hintergrund, dass sich Philipp K. bereits seit Mitte August 2016 in Untersuchungshaft befand und daher zwingend das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot zu beachten war – fortgeführt. c) Wenn nicht, warum entschied man sich dagegen? Es bestand keine Veranlassung für die Übertragung der Ermittlungen auf das BKA. 4. a) Wann wurden welche Informationen zwischen BKA und bayerischen Behörden zu „steam“ ausgetauscht ? Zwischen dem BKA und der Staatsanwaltschaft München I erfolgte zu keinem Zeitpunkt ein Austausch von Informationen zu „Steam“. Das BLKA ersuchte mit einer Anfrage vom 30.04.2018 das BKA, Kontakt zu den US-amerikanischen polizeilichen Ermittlungsbehörden in Zusammenhang mit der Gewalttat des William A. aufzunehmen, um zu klären, inwieweit eine Klärung offener Fragen zu einer möglichen Verbindung von David S. und William A. auf dem Weg des polizeilichen Informationsaustausches möglich ist. Dieses Ersuchen nahm auch konkret Bezug auf die mögliche Beziehung von David S. und William A. über die „Steam“-Gruppe „Anti-Refugee Club“. Bislang steht ein Ergebnis durch US-amerikanische Behörden hierzu aus. Am 14.06.2018 informierte das BKA das BLKA auf dessen Anfrage bzgl. der Presseberichterstattung des Münchner Merkur vom 11.06.2018, dass am 09.12.2017 eine Anfrage des in Deutschland eingesetzten FBI-Verbindungsbeamten im Zusammenhang mit der Mehrfachtötung an der Aztec High School an das BKA erfolgt ist. Die Anfrage bezog sich auf die Unterstützung einer Identifizierung eines Internet- Users aus Deutschland, der laut den Ermittlungen der US- Behörden mit dem Täter William A. in den USA in Verbindung gestanden haben soll. Nach erfolgter Identifizierung sei dieser durch Angehörige der Polizei Hessen vernommen worden. Dabei gab dieser u. a. an, dass er mit William A. auf „Steam“ in Kontakt gestanden habe. Weiter gab er an, William A. hätte ihm nach der Mehrfachtötung durch David S. am 22.07.2016 mitgeteilt, dass er (William A.) den David S. kannte. Dem BLKA lagen diese Informationen erst mit der o. g. Mitteilung des BKA vom 14.06.2018 vor. Die aus der Anfrage gewonnenen Erkenntnisse sind Gegenstand der derzeit stattfindenden Abklärungen. b) Wer beauftragte die Gutachterin Prof. Dr. Britta Bannenberg wann mit welchen Fragestellungen zu ihrem in der Presse bekannt gewordenen Gutachten zu David S.? Am 12.12.2017 beauftragte das BLKA Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg, die sich an der Professur für Kriminologie der Universität Gießen seit Jahren mit der interdisziplinären Erforschung von Amoktaten und Amokdrohungen befasst, ein Gutachten zu den Ursachen bzw. Motiven der Tat, dem Verhalten des Täters sowie seiner Persönlichkeit zu erstellen, das sich dabei täter- bzw. tatbezogen auch mit folgenden Aspekten auseinandersetzt: • Tatauslösende/-leitende Motivation des Täters bis zu seinem Suizid • Politische Motivation des Täters • Mobbingerfahrungen des Täters • Bewertung von Tat und Täter in Bezug auf das Phänomen „hate crime/Hasskriminalität“, als Form der vorurteilsgeleiteten Kriminalität • Bewertung von Tat und Täter hinsichtlich der Phänomene „Amok“ und „Terror“, mit Abgrenzung zueinander • Einordnung der Tat in das Definitionssystem PMK (Politisch Motivierte Kriminalität) Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg wurde hierzu ergänzend sowohl das Definitionssystem PMK, gültig bis Tatzeit 31.12.2016, als auch das Definitionssystem PMK, gültig ab Tatzeit 01.01.2017, übersandt. Ergänzend darf auf die Antwort zu Frage 6 a hingewiesen werden. c) Was kostete das Gutachten? Das Gutachten erstellte Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg im Rahmen ihrer Forschungsarbeit. Entsprechend entstanden dadurch weder dem BLKA, der Staatsanwaltschaft München I noch der Staatsregierung Kosten. 5. a) Für wen ist das Gutachten zugänglich und warum wird es nicht einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt ? b) Beabsichtigt die Staatsregierung das Gutachten dem Landtag bzw. Abgeordneten zur Verfügung zu stellen? Das Gutachten wurde am 21.02.2018 durch Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg dem BLKA und von dort umgehend der Staatsanwaltschaft München I zur Verfügung gestellt. Bislang wurde das Gutachten im Rahmen der Überprüfung der bisherigen Bewertung der Motivlage und der bisherigen Einordnung in das Definitionssystem PMK durch Frau Prof. Dr. Bannenberg am 09.04.2018 zunächst vor einem behördeninternen Auditorium auf Einladung des BLKA vorgestellt . Das Gutachten wurde dem Landtag im Rahmen des Zwischenberichts betreffend den Beschluss des Landtags vom 12.02.2017 (siehe Drs. 17/19665) am 17.07.2018 übermittelt . Zudem wurde das Gutachten am 27.07.2018 auf der Internetseite der Bayerischen Polizei veröffentlicht. 6. a) Welche Unterlagen wurden der Gutachterin Prof. Dr. Britta Bannenberg von bayerischen Behörden übermittelt (bitte möglichst exakte Datumsangabe )? Mit Schreiben vom 04.08.2017 wurde der Justus-Liebig- Universität Gießen, Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg, auf ihren Antrag vom 11.07.2017 hin, Einsicht in die Aktenteile Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23552 des Ermittlungsverfahrens gegen David S. gewährt, die für ihr Forschungsvorhaben relevant waren. Dies erfolgte unabhängig von dem im Nachgang beauftragten Gutachten des BLKA (s. Frage 4 b). b) Hatte Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg Zugang zu anderen Unterlagen als die drei von der Stadt München beauftragten Gutachter? Die Gewährung von Akteneinsicht ist – insbesondere zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen – ausschließlich in den gesetzlich bestimmten Fällen zulässig. Gemäß § 476 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ist die Übermittlung personenbezogener Daten in Akten an Hochschulen , andere Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, und öffentliche Stellen zulässig, soweit 1. dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsarbeiten erforderlich ist, 2. eine Nutzung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und 3. das öffentliche Interesse an der Forschungsarbeit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung erheblich überwiegt. In erster Linie maßgeblich für den Umfang der Akteneinsicht ist daher das beabsichtigte wissenschaftliche Forschungsvorhaben . Bei der gem. § 476 Abs. 1 Nr. 3 StPO vorzunehmenden Abwägung wurde daher seitens der Staatsanwaltschaft München I der in den Akteneinsichtsgesuchen bezeichnete Inhalt des Forschungsvorhabens zugrunde gelegt. Ausweislich ihres Antrags vom 11.07.2017 ist Inhalt des Forschungsvorhabens von Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg, Fallanalysen von Amoktaten im Hinblick auf Täterpersönlichkeit , Tatablauf und mögliche Ursachen durchzuführen. Dr. Florian Hartleb, Dr. Matthias Quent und Prof. Dr. Christoph Kopke wurden durch die Landeshauptstadt München mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das neben allgemeinen Ausführungen zur rechtsterroristischen Radikalisierung von Einzeltätern spezifische Ausführungen zum Radikalisierungsprozess des Münchner Täters enthalten sollte. Auf diesen Auftrag nahmen die drei Gutachter im Rahmen ihrer Anträge auf Akteneinsicht jeweils Bezug. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Forschungsinhalte erhielten sämtliche vier Gutachter gleichermaßen alle Aktenbestandteile , die hinsichtlich der persönlichen Entwicklung , des sozialen Umfelds, der Kommunikation usw. des David S. relevant sind. Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg erhielt aufgrund des weitergehenden Forschungsvorhabens darüber hinaus einige Aktenbestandteile betreffend den Tatablauf , wie z. B. Tatortberichte, technische Gutachten zur Spurenlage usw. Sämtliche vier Gutachter erhielten von der Staatsanwaltschaft München I auch einen Aktenplan der gesamten Ermittlungsakten , aus dem sie ersehen konnten, welche Aktenteile sie erhalten hatten und welche nicht. Keiner der vier Gutachter hat um Übermittlung weiterer Aktenteile gebeten. c) Wie beurteilt die Staatregierung die frühe Vorwegnahme des Ergebnis ihres Gutachtens im November 2017 durch Prof. Dr. Britta Bannenberg in der Presse? Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg hatte mit Schreiben der Staatsanwaltschaft München I vom 04.08.2017 im Rahmen ihres Forschungsvorhabens Akteneinsicht erhalten. Jegliche Veröffentlichung steht ihr im Rahmen der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere auch gem. § 476 Abs. 7 StPO, frei. 7. a) Wie steht die Staatsregierung zur Entscheidung des Bundesamts für Justiz den Hinterbliebenen Entschädigungen auszuzahlen und zur Einstufung der Tat durch das Amt? Laut Pressemitteilung des Bundesamts für Justiz (BfJ) vom 14.03.2018 hat das BfJ „nach Prüfung der öffentlich bekannt gewordenen Hintergründe über die Tat vom 22.07.2016 am Olympia-Einkaufszentrum in München die Voraussetzung für die Bewilligung einer Härteleistung für Hinterbliebene und Verletzte bejaht“. Die entsprechende Beurteilung ist seitens des BfJ ausschließlich auf Grundlage der „Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 07 08 Titel 681/01)“ vom 18.12.2009 erfolgt, wonach Härteleistungen auch gewährt werden können, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen extremistischen Übergriff spricht, der extremistische Tathintergrund muss also nicht zweifelsfrei feststehen . Die Feststellung der Voraussetzungen erfolgt nach der Richtlinie ausschließlich im Freibeweis. Die genannte Richtlinie ist zugunsten der Opfer weit auszulegen. Ausweislich der Pressemitteilung vom 14.03.2018 erfolgte die Bewilligung ohne Vorliegen der Ermittlungsakten und ausschließlich aufgrund der von der Landeshauptstadt München in Auftrag gegebenen Gutachten. Ergänzend darf darauf hingewiesen werden, dass eine Hilfeleistung für die Hinterbliebenen dieser furchtbaren Tat, finanziell oder in Form von Beratungsangeboten, in Bayern durch zuständige Behörden im rechtlich möglichen Rahmen gänzlich unabhängig von der Einstufung der Tat als Politisch motivierte Kriminalität oder aber der Bezeichnung als Amoklauf erbracht wurde. b) Ab wann und in welchem Umfang wurden Mitglieder der Staatsregierung durch wen über die Kontakte von David S. zu William A. informiert? Der Leitende Oberstaatsanwalt München I hat dem Generalstaatsanwalt in München mit Bericht vom 18.05.2018 über die Presseberichte zu möglichen Kontakten zwischen David S. und William A. sowie die diesbezüglich aufgenommenen Ermittlungen berichtet. Dieser Bericht wurde dem Staatsministerium der Justiz mit Vorlagebericht des Generalstaatsanwalts in München vom 25.05.2018 übermittelt. Beide Berichte wurden von der Fachabteilung im Staatsministerium der Justiz auch dem Leiter des Ministerbüros zur Kenntnisnahme zugeleitet. Nachdem dieser am 04.06.2018 Kenntnis genommen hatte, informierte er in der Folge den Staatsminister der Justiz mündlich. Das BLKA informierte das Staatsministerium des Innern und für Integration (StMI) erstmals mittels Führungsinformationen über die bisherigen Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse hinsichtlich einer möglichen Verbindung zwischen David S. und William A. am 15.05.2018. Unter anderem wurde diese Führungsinformation auch dem Ministerbüro am 16.05.2018 in Kopie zugeleitet.