Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 04.07.2018 Big Data in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Firmen in Bayern befassen sich mit dem Themengebiet „Big Data“? 2. In welchen Netzwerken oder Clustern sind diese universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Firmen beheimatet? Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie (im Hinblick auf außeruniversitäre Anwendungsforschung und Firmen) vom 01.08.2018 1. Welche universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Firmen in Bayern befassen sich mit dem Themengebiet „Big Data“? Unter „Big Data“ wird im Allgemeinen die Erzeugung, Verarbeitung , Auswertung und Nutzung großer, oft auch komplexer Datenmengen in Wirtschaft und Wissenschaft verstanden ; die Möglichkeit dazu wurde erst durch leistungsfähige digitale Technologien geschaffen. Bayern ist ein führender Industrie- und IT-Standort und viele Unternehmen aus verschiedensten Branchen betreiben aktiv die Erhebung und Analyse großer Datenmengen, um weiterhin wettbewerbsfähige und innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. „Big Data“ findet daher zahlreiche Anwendungen bei Unternehmen, etwa im Marketing (z. B. Markt- und Trendforschung) und in der Industrie (z. B. Automatisierung von Produktionssteuerung und -prozessen, Stichwort Industrie 4.0). In der Forschung mit „Big Data“ stehen Natur- und Lebenswissenschaften wie Medizin, Genetik, Umweltforschung und Teilchenphysik im Vordergrund. Hinzu kommen Fragestellungen aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Grundlagenforschung in Mathematik, Statistik und Informatik. Eine Gesamtübersicht über Big-Data-Aktivitäten von Unternehmen und Forschungseinrichtungen liegt der Staatsregierung nicht vor und kann aufgrund der Vielzahl möglicher Anwendungen auch nicht erstellt werden. An allen staatlichen Universitäten wird allerdings Forschung mit Big-Data-Bezug betrieben. Exemplarisch wird in der Folge je ein Projekt pro Universität beschrieben; damit ist keine Wertung verbunden, es soll lediglich die Themenvielfalt vermittelt werden: – Universität Augsburg: Forschungsstelle für E-Health- Recht Die Augsburger Forschungsstelle für E-Health-Recht unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich M. Gassner ist die erste universitäre Einrichtung in Deutschland, die sich spezifisch mit der dogmatisch fundierten Erforschung und Entwicklung des nationalen, europäischen und internationalen E-Health-Rechts beschäftigt, unter anderem mit Rechtsfragen von Big Data und Versorgungsforschung in der Medizin. – Universität Bamberg: Kompetenzzentrum „Geschäftsmodelle in der digitalen Welt“ (Betriebswirtschaftslehre) In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) erarbeiten sieben BWL-Lehrstühle der Universität Bamberg wissenschaftliche Grundlagen für Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 11.10.2018 Drucksache 17/23560 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23560 die Gestaltung von Geschäftsmodellen in der digitalen Welt, wobei Big Data vor allem in den Bereichen Supply Chain Management, Logistik und Marketing untersucht wird. – Universität Bayreuth: Biodiversitätsinformatik (Lebenswissenschaften ) Am Bayreuther Lehrstuhl für Pflanzensystematik (Prof. Dr. Gerhard Rambold) werden in Kooperation mit den Staatl. Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns Repositorien und Analysewerkzeuge für Biodiversitätsdaten entwickelt. Dabei geht es um die Eigenschaften von Organismen, ihr Vorkommen (,Raum- Zeit-Bezugʻ), ihre wechselseitigen Beziehungen und ihre Wirkungen auf die Umwelt. – Universität Erlangen-Nürnberg: Projekt E|ASY-OPT (Industrie 4.0) Im Projekt E|ASY-OPT am Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der Friedrich- Alexander-Universität (FAU; Prof. Dr.-Ing. Jörg Franke) werden Data-Mining-Methoden in Bezug auf die Qualitätsüberwachung von Produktionsprozessen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) untersucht. – Universität München: Data Science Lab (Informatik/Statistik /Linguistik) Das Data Science Lab am Institut für Informatik der Ludwig -Maximilians-Universität (LMU) führt Wissenschaftler mehrerer Fachbereiche, Studierende und Industriepartner zusammen, um in Veranstaltungen und Projekten aktuelle Herausforderungen und Probleme der Datenwissenschaften zu bearbeiten. – Technische Universität München (TUM): Projekt MO³ (Mobilitätsforschung) Im TUM-Projekt MO³ (MOnitoring, MOdeling and forecasting of MObility patterns) entwickeln die Lehrstühle für Vernetzte Verkehrssysteme (Prof. Dr. Constantinos Antoniou) und für Connected Mobility (Prof. Dr.-Ing. Jörg Ott) mithilfe ubiquitärer heterogener Daten Mobilitätsmodelle und -leitsysteme der Zukunft. – Universität Passau: Visual Analytics (Digital Humanities) Zu den Forschungsschwerpunkten des Lehrstuhls für Digital Humanities in Passau (Prof. Dr. Malte Rehbein) gehören „Visual Analytics“. Dieser Ansatz zielt darauf, komplexe Sachverhalte und Netzwerke zu analysieren, visuell aufzubereiten und Big Data so für verschiedene kulturwissenschaftliche Fächer nutzbar zu machen. – Universität Regensburg: Social Media Analytics (Wirtschaftsinformatik ) Am Regensburger Institut für Wirtschaftsinformatik (insbes. Lehrstühle II/III, Prof. Dr. Bernd Heinrich und Prof. Dr. Susanne Leist) werden Methoden für die Verbesserung der Datenqualität in Unternehmen und für die Analyse von Social-Media-Inhalten und -Strukturen zur Unterstützung des Wissensmanagements erforscht. – Universität Würzburg: Projekt BigData@Geo (Geowissenschaften ) Entscheidungen in Stadtplanung, Land- und Forstwirtschaft (u. a. im Weinbau) erfordern Wissen über die Gegenwart und Zukunft von Naturressourcen und Naturrisiken in der jeweiligen Region. Im Verbundprojekt Big- Data@Geo an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) werden regionale Erdsystemmodelle mithilfe neuester Methoden aus der Informatik mit lokalen Sensordaten kombiniert, um eine noch nie dagewesene Auflösung und Genauigkeit bei der Analyse und Vorhersage von Umweltdaten zu erreichen. Für die datenbasierte Forschung an den Medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika sind standortübergreifende Netzwerke von besonderer Bedeutung; diese sind unter Frage 2 aufgeführt. Im außeruniversitären Bereich ist zunächst die Bayerische Akademie der Wissenschaften (BAdW) zu nennen: – Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching fungiert seit Anfang 2018 als landesweites Big-Data-Kompetenzzentrum ; durch Beratung, Schulung und Bereitstellung verschiedener Testumgebungen unterstützt es Anwender bei der Bearbeitung und Analyse großer Datenmengen . – Interdisziplinäre Digitalisierungsforschung u. a. zum Thema Big Data wird im Munich Centre for Internet Research (MCIR) betrieben, dessen Erweiterung zum Bavarian Research Institute for Digital Transformation der Ministerrat am 26.06.2018 beschlossen hat. Hier werden betriebswirtschaftliche, technische, sozialwissenschaftliche und juristische Perspektiven zusammengeführt, um ein ganzheitliches Verständnis für die Digitalisierung in der Gesellschaft zu entwickeln. Stellvertretend für weitere Anwendungsfelder von Big Data in der außeruniversitären Forschung werden vier konkrete Beispiele genannt: – Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC (Garching) mit dem Thema „Cognitive Security“ Das Fraunhofer AISEC entwickelt innovative kognitive Sicherheitstechnologien, mit denen Vorhersagen, Verstehen und Schlussfolgern zu Cyberangriffen möglich sind und so die Software- und Hardwaresicherheit aktueller IT-Systeme verbessert werden kann. Hierfür kommen modernste Algorithmen zum Einsatz für das maschinelle Lernen und neuronale Netze, mit deren Hilfe Cybersicherheitssysteme weiterentwickelt werden, damit sie sich dynamisch an ihre Umgebungsbedingungen anpassen können. – Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS (Erlangen ) mit dem ADA-Center (ADA = Analytics, Daten und Anwendungen) Mit dem ADA-Center soll in Bayern ein international sichtbares und vernetztes Kompetenzzentrum etabliert und mit einem Anwendungsnetzwerk für die bayerische Wirtschaft und insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen verknüpft werden. Das Lösungsspektrum deckt die grundlegenden Fragestellungen der Datenerfassung und der Datenanalyse mit Methoden der künstlichen Intelligenz ab. – Fraunhofer-Projektgruppe Personalisierte Tumortherapie (Regensburg) Beim Regensburger Institutsbereich des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM findet derzeit der Aufbau einer Arbeitsgruppe Bioinformatik , Datenmanagement und Medical Data Space statt. Gerade im medizinischen Bereich ergibt sich aus der Vernetzung von gut strukturierten und dokumentierten Daten von Patientinnen und Patienten großes Potenzial für die medizinische Forschung und die Gesundheitsversorgung . Drucksache 17/23560 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 – Das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. befasst sich mit dem Themenbereich Big Data und nutzt Big-Data-Techniken z. B. für Konjunkturprognosen. 2. In welchen Netzwerken oder Clustern sind diese universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Firmen beheimatet? Bei Big Data handelt es sich um ein Querschnittsthema, das nahezu alle Disziplinen, Branchen und damit auch eine Vielzahl von fachlichen und regionalen Netzwerken und Clustern betrifft. Auf Landesebene weisen insbesondere die Netzwerke im Rahmen der Themenplattformen des Zentrums Digitalisierung.Bayern (ZD.B) Beziehungen zum Thema Big Data auf. Zur Unterstützung datengestützter medizinischer Forschung fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2017 vier bundesweite Konsortien in der Medizininformatik; Kernelement ist die Etablierung von forschungsbezogenen Datenintegrationszentren an Universitätsklinika und Partnereinrichtungen. An zwei dieser Konsortien sind bayerische Universitätsklinika beteiligt: DIFUTURE (Data Integration for Future Medicine; u. a. mit dem Klinikum der Universität München – KUM – und dem Klinikum rechts der Isar – MRI –, Universitätsklinikum Regensburg und Klinikum Augsburg) sowie MIRACUM (Medical Informatics in Research and Care in University Medicine; u. a. mit Universitätsklinikum Erlangen). Darüber hinaus beabsichtigen Bund und Länder, die Bereitstellung , Erschließung und Nutzung von Forschungsdaten durch den Aufbau einer wissenschaftsgetriebenen, aus Fachkonsortien bestehenden Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) entscheidend zu verbessern. Eine entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung wird derzeit in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vorbereitet.