Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 27.07.2018 Möglicher Interessenkonflikt von Frau Staatsministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie erklärt Frau Staatsministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle, dass sie sich in der Pressemitteilung des Pharmaternehmens Qiagen vom 06.02.2018 zur Markteinführung des therascreen PITX2-Test in ihrer Funktion als Leiterin des Interdisziplinären Brustzentrums und Inhaberin des Lehrstuhls für Gynäkologie und Geburtshilfe der Technischen Universität München äußert, ohne darauf hinzuweisen, dass sie selbst Anteilseigenerin der Therawis Diagnostics GmbH ist, die den von ihr hochgelobten Test entwickelt hat? 1.2 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin den Umstand, dass Leserinnen und Leser der genannten Pressemitteilung die Aussagen von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle über das Mittel anders beurteilen würden, wenn sie von der Firmenbeteiligung wüssten? 1.3 Kann die Frau Staatsministerin ausschließen, dass es aufgrund ihrer Aussage zu Einsätzen des Testes gekommen ist, die nicht stattgefunden hätten, wenn sie ihre Äußerung in ihren Eigenschaften als Wissenschaftlerin und als Anteilseignerin der Entwicklerfirma getätigt hätte? 2.1 In welchen Publikationen hat sich die Frau Staatsministerin bereits über die Qualität des therascreen PITX2-Testes geäußert (bitte Art der Publikation, Titel und Erscheinungsdatum angeben)? 2.2 In welchen dieser Publikationen hat sie ihre Beteiligung an Therawis Diagnostics GmbH transparent gemacht (bitte Art der Publikation, Titel und Erscheinungsdatum angeben)? 3.1 Bei welchen Gelegenheiten hat sich Frau Staatsministerin öffentlich zum therascreen PITX2-Test geäußert (bitte Art der Veranstaltung bzw. Sendung, Titel und Datum angeben)? 3.2 Bei welchen dieser Gelegenheiten hat sie ihre Beteiligung an Therawis Diagnostics GmbH transparent gemacht (bitte Art der Veranstaltung bzw. Sendung, Titel und Datum angeben)? 4.1 Hat sich Frau Staatsministerin im Umgang mit den Forschungsergebnissen zum therascreen PITX2-Test an den Richtlinien der Technischen Universität München zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten vom 20.12.2013 orientiert? 4.2 Hat die Frau Staatsministerin die in diesen Richtlinien formulierte Pflicht erfüllt, „[...] alle Ergebnisse kritisch zu hinterfragen“? 4.3 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin die von ihr verwendeten Daten zu ihren Forschungen zum therascreen PITX2-Test im Hinblick auf deren Objektivität, Validität und Reliabilität? 5.1 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin die Tatsache, dass PITX2 bisher noch nicht in die Leitlinien zur Brustkrebsbehandlung aufgenommen wurde? 5.2 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin Aussagen von Kollegen und Kolleginnen, dass das Produkt noch nicht genug untersucht wurde, um im klinischen Alltag eingesetz zu werden? 5.3 Wie begründet die Frau Staatsministerin, dass sie trotz dieser geringen Aussagekraft der erhobenen Daten bereits ein abschließendes Urteil über das Produkt abgegeben hat? 6. Wieso gibt die Frau Staatsministerin an, erst aufgrund ihrer Position als Staatsministerin alle wissenschaftlichen Aktivitäten eingestellt zu haben, die der Therawis Diagnostics GmbH möglicherweise zugute kommen? 7.1 Wann ist mit einer Zertifizierung des Produkts durch ein externes Institut zu rechnen? 7.2 Wie erklärt die Frau Staatsministerin ihre Aussagen zu dem Produkt, bevor eine externe Zertifizierung vorliegt ? 8.1 Inwiefern wurde im Vorfeld ihrer Berufung zur Staatsministerin überprüft, ob die Unternehmensbeteiligung von Marion Kiechle zu einem Interessenskonflikt in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit führt? 8.2 Falls nein, warum erfolgte eine derartige Prüfung nicht? 8.3 An welchen Unternehmen ist die Frau Staatsministerin noch beteiligt? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 24.08.2018 Drucksache 17/23587 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23587 Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 13.08.2018 Vorbemerkung: Vorab wird darauf hingewiesen, dass die Schriftliche Anfrage sich auf die Tätigkeit von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle in ihrer Zeit als Direktorin der Frauenklinik an der Technischen Universität München (TUM) bezieht, also auf eine Zeit vor ihrer Ernennung zur Staatsministerin. Die Beantwortung der Fragen 1 bis 7 erfolgt im Wesentlichen auf der Grundlage von Angaben und Erinnerungen von Frau Staatsministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle zu ihrer Zeit vor Ernennung zur Staatsministerin. 1.1 Wie erklärt Frau Staatsministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle, dass sie sich in der Pressemitteilung des Pharmaternehmens Qiagen vom 06.02.2018 zur Markteinführung des therascreen PITX2-Test in ihrer Funktion als Leiterin des Interdisziplinären Brustzentrums und Inhaberin des Lehrstuhls für Gynäkologie und Geburtshilfe der Technischen Universität München äußert, ohne darauf hinzuweisen, dass sie selbst Anteilseigenerin der Therawis Diagnostics GmbH ist, die den von ihr hochgelobten Test entwickelt hat? Es handelt sich um eine Pressemitteilung der Firma Qiagen. Qiagen ist kein Pharmaunternehmen, sondern Anbieter von Vorbereitungs- und Testtechnologien für verschiedene Anwendungen . Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle ist Expertin auf dem Gebiet der Brustkrebsforschung und -behandlung. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise hat sie ein Zitat zur Verfügung gestellt. Die Pressemeldung selbst benennt Therawis Diagnostics GmbH als ein Spin-Off der Technischen Universität München – gegründet von Ärzten und Wissenschaftlern der TUM. Um ihre Firmenbeteiligung noch deutlicher darzustellen , wurde die Pressemitteilung am 27.07.2018 entsprechend präzisiert. S. a.: http://corporate.qiagen.com/newsroom /press-releases/2018/20180206_pitx2_ce_ivd 1.2 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin den Umstand , dass Leserinnen und Leser der genannten Pressemitteilung die Aussagen von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle über das Mittel anders beurteilen würden, wenn sie von der Firmenbeteiligung wüssten? Die Frage hat rein spekulativen Inhalt und unterstellt, dass es sich um ein „Mittel“ handelt. Dies trifft nicht zu. Es handelt sich um ein hochkomplexes, spezialisiertes Testverfahren, das nicht an Patienten selbst angewendet wird. Der Test kann von Onkologen im Rahmen der Krebsbehandlung angeordnet werden. Hierzu wird eine Gewebeprobe des Tumors, welche im Rahmen der Diagnosestellung ohnehin anfällt, von einem spezialisierten Pathologen im Labor untersucht. 1.3 Kann die Frau Staatsministerin ausschließen, dass es aufgrund ihrer Aussage zu Einsätzen des Testes gekommen ist, die nicht stattgefunden hätten, wenn sie ihre Äußerung in ihren Eigenschaften als Wissenschaftlerin und als Anteilseignerin der Entwicklerfirma getätigt hätte? Der Test wird im klinischen Routineeinsatz bislang nicht verwendet . 2.1 In welchen Publikationen hat sich die Frau Staatsministerin bereits über die Qualität des therascreen PITX2-Testes geäußert (bitte Art der Publikation, Titel und Erscheinungsdatum angeben)? 2.2 In welchen dieser Publikationen hat sie ihre Beteiligung an Therawis Diagnostics GmbH transparent gemacht (bitte Art der Publikation, Titel und Erscheinungsdatum angeben)? Mit der Qualität des therascreen® PITX2 RGQ PCR Kits beschäftigt sich die Originalarbeit, die am 20. Februar 2018 in Protocol Exchange des renommierten Nature Protocol erschienen ist. (Protocol Exchange doi:10.1038/protex.2018.022, Published online, 20 February 2018. therascreenPITX2 RGQ PCR assay for the assessment of PITX2 DNA-methylation status to investigate the role of the transcription factor PITX2 and the regulation of the Wnt/ß-catenin pathway in pathophysiological processes. Rudolf Napieralski, Gabriele Schricker, Elodie Piednoir, Olivia Manner, Alexandre Bona, Samantha Segalas, Elisabeth Schueren, Juergen Lauber, Jonathan Perkins, Aurelia Noske, Viktor Magdolen, Wilko Weichert, Marion Kiechle, Olaf Wilhelm, Manfred Schmitt; https://www.nature.com/protocolexchange/protocols/6605#/ authorinformation) Die Firmenbeteiligung wurde genannt. Eine weitere Publikation zur Qualität des Tests wurde bereits zur Veröffentlichung angenommen, weitere befinden sich noch im Begutachtungsprozess (Peer Review). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Forschungsgebiet von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle u. a. die prognostische und prädiktive Bedeutung verschiedener Biomarker , wie Kallikreine, PITX2 etc. bei unterschiedlichen Krebsentitäten umfasst. Dementsprechend gibt es zu diesem Gebiet zahlreiche Publikationen. 3.1 Bei welchen Gelegenheiten hat sich Frau Staatsministerin öffentlich zum therascreen PITX2-Test geäußert (bitte Art der Veranstaltung bzw. Sendung, Titel und Datum angeben)? 3.2 Bei welchen dieser Gelegenheiten hat sie ihre Beteiligung an Therawis Diagnostics GmbH transparent gemacht (bitte Art der Veranstaltung bzw. Sendung, Titel und Datum angeben)? Vor ihrer Ernennung als Staatsministerin wurden Abstracts (schriftliche, kurze Zusammenfassung des jeweiligen Kongressbeitrages ) mit Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle als Co-Autorin schriftlich eingereicht. Mögliche Interessenkonflikte wurden hierbei nicht abgefragt. Folglich erscheinen diese auch nicht bei einer möglichen Veröffentlichung der Abstracts im Nachgang. Wird ein Kongressbeitrag vom Veranstalter zur Präsentation akzeptiert, weist der Vortragende beim mündlichen Vortrag auf mögliche Interessenkonflikte hin. Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle hat weder auf einer Veranstaltung dazu Drucksache 17/23587 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 vorgetragen noch sich anderweitig in einer Fernseh- oder Hörfunksendung mündlich zu dem Test geäußert. 4.1 Hat sich Frau Staatsministerin im Umgang mit den Forschungsergebnissen zum therascreen PITX2-Test an den Richtlinien der Technischen Universität München zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten vom 20.12.2013 orientiert? 4.2 Hat die Frau Staatsministerin die in diesen Richtlinien formulierte Pflicht erfüllt, „[...] alle Ergebnisse kritisch zu hinterfragen“? Ja. 4.3 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin die von ihr verwendeten Daten zu ihren Forschungen zum therascreen PITX2-Test im Hinblick auf deren Objektivität , Validität und Reliabilität? Die publizierten, wissenschaftlichen Ergebnisse werden als objektiv, valide und verlässlich beurteilt. Ein Beleg hierfür ist, dass die Forschungsergebnisse von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle und ihren Kolleginnen und Kollegen bei Protocol Exchange von Nature Protocols zur Veröffentlichung angenommen wurden. Die Nature-Magazine zählen zu den weltweit anerkanntesten, wissenschaftlichen Organen (https://www.nature.com/nprot/about). Eine weitere Publikation zur klinischen Qualität des Tests ist Anfang August in einem Peer Reviewed Journal zur Veröffentlichung angenommen worden. 5.1 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin die Tatsache , dass PITX2 bisher noch nicht in die Leitlinien zur Brustkrebsbehandlung aufgenommen wurde? 5.2 Wie beurteilt die Frau Staatsministerin Aussagen von Kollegen und Kolleginnen, dass das Produkt noch nicht genug untersucht wurde, um im klinischen Alltag eingesetz zu werden? 5.3 Wie begründet die Frau Staatsministerin, dass sie trotz dieser geringen Aussagekraft der erhobenen Daten bereits ein abschließendes Urteil über das Produkt abgegeben hat? Es wird davon ausgegangen, dass mit „PITX2“ der therascreen ® PITX2 RGQ PCR Kits gemeint ist. Die Aufnahme eines derartigen Tests in Leitlinien unterliegt einem mehrstufigen Prozess. Zunächst ist die erforderliche CE-Zertifizierung erfolgt. Damit ist das Produkt für die Anwendung in der Medizin grundsätzlich zugelassen. Für eine Aufnahme in Leitlinien und klinischen Routineeinsatz bedarf es weiterer klinischer, prospektiver Multicenter-Studien , mit denen bereits begonnen wurde. Ein abschließendes Urteil zum klinischen Routine-Einsatz wurde nicht abgegeben . 6. Wieso gibt die Frau Staatsministerin an, erst aufgrund ihrer Position als Staatsministerin alle wissenschaftlichen Aktivitäten eingestellt zu haben, die der Therawis Diagnostics GmbH möglicherweise zugute kommen? Zur Lehrstuhltätigkeit an der TUM als unternehmerische Universität zählen Lehre, Krankenversorgung, Forschung und Forschungstransfer. Zum Forschungstransfer gehören vor allem Firmenausgründungen, die von der TUM ausdrücklich gewollt und unterstützt werden. Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle war zusätzlich ehrenamtlich als Gründungsbotschafterin der TUM tätig. Mit der Ernennung zur Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst ruht die Lehrstuhltätigkeit (Forschung, Forschungstransfer , Lehre, Krankenversorgung) von Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle. Davon unberührt bleiben das geistige Eigentum an wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Veröffentlichung. 7.1 Wann ist mit einer Zertifizierung des Produkts durch ein externes Institut zu rechnen? 7.2 Wie erklärt die Frau Staatsministerin ihre Aussagen zu dem Produkt, bevor eine externe Zertifizierung vorliegt? Der Test ist nach gültigen EU-Richtlinien zertifiziert. Die CE- Zertifizierung des therascreen® PITX2 RGQ PCR Kits als in-vitro-Diagnostikum (IVD) wurde von der Firma Qiagen gemäß Annex III der IVD Directive 98/79/EC (IVDD) durchgeführt . Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle wurde erst nach der erfolgten CE-Zertifizierung des therascreen PITX2-Tests in der Pressemitteilung zitiert, welche in Frage 1.1 erwähnt wird. 8.1 Inwiefern wurde im Vorfeld ihrer Berufung zur Staatsministerin überprüft, ob die Unternehmensbeteiligung von Marion Kiechle zu einem Interessenskonflikt in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit führt? 8.2 Falls nein, warum erfolgte eine derartige Prüfung nicht? 8.3 An welchen Unternehmen ist die Frau Staatsministerin noch beteiligt? Frau Staatsministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle hat die Regelungen über Tätigkeitsbeschränkungen und Nebentätigkeiten in Gesellschaftsorgangen eingehalten. Sie übt während ihrer Amtszeit als Staatsministerin weder ein anderes besoldetes Amt, einen Beruf oder Gewerbe aus noch hat sie gegen Vergütung Vorträge gehalten. Sie gehört auch nicht dem Aufsichtsrat, Vorstand oder ähnlichen Organen einer privaten Erwerbsgesellschaft an. Bloßes Halten von Geschäftsanteilen einer Firma unterliegt nicht den Tätigkeitsbeschränkungen des Bayerischen Ministergesetzes. Im Übrigen hat Frau Prof. Dr. med. Marion Kiechle ihre drei Unternehmensbeteiligungen als Gesellschafterin (GESUND. Reha rechts der Isar, Therawis Diagnostics GmbH, Meine Busenfreundin GmbH) anlässlich des Amtsantritts gegenüber dem zuständigen Ressort (StMWK) angegeben .