Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Magerl, Ulrich Leiner, Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.02.2018 Wolf in Bayern Weidetierhaltung spielt eine wichtige Rolle beim Erhalt der Kulturlandschaft und zum Schutz der Biodiversität. Unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen ist dies aber nur mit öffentlicher Förderung umsetzbar. Das Auftreten des Wolfes auch in Bayern erschwert die Weidehaltung und fordert zusätzliche Maßnahmen, denen durch höhere finanzielle Unterstützung und Beratung Rechnung getragen werden muss. Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Welche Behörden sind in das Wolfsmonitoring einge bunden und wie viel Personal steht, neben anderen Aufgaben, für das Wolfsmonitoring zur Verfügung? b) Wie viel speziell ausgebildetes Personal steht bayern weit für die Beratung der Weidetierhalter zum Herden schutz zur Verfügung (bitte getrennt nach Regierungs bezirken und mit Angabe der jeweiligen Behörde, bei der die Person beschäftigt ist, benennen)? 2. a) Welche konkreten Defizite bestehen, wenn Tierhalter sich gegen Schäden durch Wolfsrisse sowie gegen Schäden aufgrund des Auftretens von Wölfen (Schä den durch ausbrechende Herden) versichern wollen, bzw. inwieweit sind solche Schäden versicherbar? b) Inwieweit kann der Abschluss solcher Versicherungen bei Bedarf gefördert werden? c) Unter welchen Bedingungen haftet ein Tierhalter auch dann für Schäden, wenn seine Tierherde aufgrund ei nes Wolfs ausbricht und Schäden verursacht? 3. a) Aus welchen Förderprogrammen von Land und Bund können der Kauf und die Installation von Schutzzäu nen gefördert werden? b) Wie viele Mittel wurden in den letzten fünf Jahren für Entschädigungen oder Präventionsmaßnahmen aufgrund von Wolfsvorkommen in Bayern durch die Staatsregierung ausbezahlt (bitte getrennt nach Jah ren und Entschädigung/Prävention angeben)? c) Wie viele Mittel wurden in den letzten fünf Jahren in Bayern für Entschädigungen oder Präventionsmaß nahmen aufgrund von Wolfsvorkommen in Bayern durch andere Träger oder Institutionen als die Staats regierung ausbezahlt (bitte getrennt nach Jahren und Entschädigung/Prävention angeben)? 4. a) Wie schätzt die Staatsregierung die Gefahren ein, die für Menschen von Herdenschutzhunden ausgehen können, und welche Maßnahmen ergreift sie, um die Bevölkerung über das Verhalten gegenüber Herden schutzhunden aufzuklären? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Aussage seitens des Bundesamtes für Naturschutz, wonach eine Än derung der Tierhaltungsvorschriften für Herdenschutz hunde nicht erforderlich sei? c) Welche Erkenntnisse aus anderen Ländern, in denen Herdenschutzhunde bereits eingesetzt werden, hat die Staatsregierung bezüglich der Haltung von Her denschutzhunden und deren Wirksamkeit beim Her denschutz? 5. a) Welche Anzahl von Wölfen bzw. Rudeln sind in Bayern unter wildbiologischen Aspekten zu erwarten, wenn der Wolf sich in den für ihn geeigneten Habitaten aus breitet? b) Welche Anzahl von Wölfen und Wolfsrudeln in den je weiligen biogeografischen Regionen müsste in etwa erreicht sein, um von einem „günstigen Erhaltungszu stand“ gemäß Natura 2000 sprechen zu können, und inwieweit hat diese Bewertung Einfluss auf mögliche jagdliche Regulierungsmaßnahmen? c) Wer entscheidet auf welcher gesetzlichen und wis senschaftlichen Grundlage darüber, wann ein solcher günstiger Erhaltungszustand erreicht ist und jagdli che Maßnahmen auch für Tiere ermöglicht werden, die nicht zur Abwehr erheblicher Schäden oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entnommen bzw. getötet werden müssen? 6. Welche zusätzlichen Hilfen und Fördermaßnahmen sind 2019 für die Weidehaltung geplant? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.10.2018 Drucksache 17/23602 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23602 Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucher schutz unter Einbindung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 16.08.2018 1. a) Welche Behörden sind in das Wolfsmonitoring eingebunden und wie viel Personal steht, neben anderen Aufgaben, für das Wolfsmonitoring zur Verfügung? Für das Wolfsmonitoring ist in Bayern das Landesamt für Umwelt (LfU) zuständig. Unterstützung erhält das LfU durch Hinweise weiterer Institutionen, u. a. vom Nationalpark Bay erischer Wald und von den Bayerischen Staatsforsten. Das LfU greift beim Monitoring in der Fläche auf das hauptsäch lich ehrenamtlich tätige „Netzwerk Große Beutegreifer“ zu rück. Es besteht aus aktuell 190 Mitgliedern verschiedener Interessengruppen (Jäger, Förster, Naturschützer, Land wirte). Im LfU sind zum Stand 01.08.2018 insgesamt drei Mitar beiterinnen und Mitarbeiter mit dieser Aufgabe befasst. b) Wie viel speziell ausgebildetes Personal steht bay ernweit für die Beratung der Weidetierhalter zum Herdenschutz zur Verfügung (bitte getrennt nach Regierungsbezirken und mit Angabe der jewei ligen Behörde, bei der die Person beschäftigt ist, benennen)? Derzeit sind die Fachberater für Schaf, Ziegen und Gehe gewildhaltung an den beiden Fachzentren für Kleintiere der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Kitzingen (Nordbayern) und Pfaffenhofen (Südbayern) die Ansprechpartner für die Beratung zum Herdenschutz. Zu sätzlich war bisher eine Person an der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub, Institut für Tierzucht, mit Fra gen des Herdenschutzes betraut. Sie ist derzeit in Elternzeit. Bayernweit stehen neun Fachberater für Schaf, Zie gen und Gehegewildhaltung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Verfügung: – am Fachzentrum für Kleintierhaltung Süd, AELF Pfaffen hofen a. d. Ilm, fünf Personen, zuständig für Oberbay ern, Niederbayern und Schwaben, ohne die Landkreise Straubing und Kelheim; – am Fachzentrum für Kleintierhaltung Nord, AELF Kit zingen, vier Personen, zuständig für die Oberpfalz, Ober, Mittel und Unterfranken sowie die Landkreise Straubing und Kelheim. 2. a) Welche konkreten Defizite bestehen, wenn Tierhal ter sich gegen Schäden durch Wolfsrisse sowie gegen Schäden aufgrund des Auftretens von Wöl fen (Schäden durch ausbrechende Herden) versi chern wollen, bzw. inwieweit sind solche Schäden versicherbar? Schäden aufgrund von Wölfen gerissener Nutztiere wer den umfassend ausgeglichen im Rahmen des „Ausgleichs fonds Große Beutegreifer“, der 2008 etabliert wurde. Ge tragen wird der Fonds durch eine Trägergemeinschaft aus WildlandStiftung, World Wide Fund for Nature (WWF Deutschland), Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV), gefördert durch den Bayerischen Natur schutzfonds (NF). Die Höhe der Ausgleichssätze wurde von der LfL zusammen mit den relevanten Verbänden der Land wirtschaft festgelegt. Vereinzelt werden auch Versicherungslösungen angebo ten. Ob diese eine sinnvolle Ergänzung darstellen können, muss vom Tierhalter im Einzelfall geprüft werden. Tierhalter müssen grundsätzlich für die von einem Tier typischerweise ausgehenden Gefahren eintreten. Landwirt schaftliche Tierhalter jedoch haften nicht, wenn bei der Be aufsichtigung der Tiere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet wurde oder der Schaden auch bei Anwendung die ser Sorgfalt entstanden sein würde, d. h. beispielsweise im Falle von Schäden, die durch sachgerecht und hinreichend gegen Ausbruch gesicherte Tiere entstehen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für HobbyTierhalter sieht das geltende Recht kein Haf tungsprivileg vor, es bleibt bei einer Gefährdungshaftung. Tierhalter müssen individuell entscheiden, ob eine Tierhal terHaftpflichtversicherung in Betracht kommt. b) Inwieweit kann der Abschluss solcher Versiche rungen bei Bedarf gefördert werden? Derzeit existiert kein Förderprogramm für TierhalterHaft pflichtversicherungen. c) Unter welchen Bedingungen haftet ein Tierhalter auch dann für Schäden, wenn seine Tierherde auf grund eines Wolfs ausbricht und Schäden verur sacht? Siehe Antwort zu Frage 2 a. 3. a) Aus welchen Förderprogrammen von Land und Bund können der Kauf und die Installation von Schutzzäunen gefördert werden? In Bayern können derzeit Pilotvorhaben aus dem Präven tionsfonds Große Beutegreifer, der vom Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) sowie vom Staatsminis terium für Ernährung, Landwirtschaft und Fors ten (StMELF) gemeinsam unterhalten wird, gefördert wer den. Eine bayerische Förderrichtlinie zum Herdenschutz wird erarbeitet. Der Bund bietet derzeit keine Förderung an. b) Wie viele Mittel wurden in den letzten fünf Jahren für Entschädigungen oder Präventionsmaßnah men aufgrund von Wolfsvorkommen in Bayern durch die Staatsregierung ausbezahlt (bitte ge trennt nach Jahren und Entschädigung/Prävention angeben)? Eine Zusammenstellung der Ausgleichszahlungen für wolfs bedingte Schäden der letzten fünf Jahre enthält die nach stehende Tabelle. In den Jahren 2013 und 2014 fielen keine auszugleichenden Schäden an. Schäden werden zunächst von der Trägergemeinschaft des „Ausgleichsfonds Große Beutegreifer“ erstattet und im Anschluss zu 80 Prozent vom Bayerischen Naturschutzfonds refinanziert. Letzteres ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt für das Jahr 2017 noch nicht erfolgt. Die angegebenen Zahlen wurden auf volle Euro Beträge gerundet. Drucksache 17/23602 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Jahr Übergriffe SchadenssummeGesamt Anteil NF (80 %) 2015 2 1.493 € 1.194 € 2016 1 322 € 258 € 2017 1 480 € Gesamt 7 2.295 € 1.452 € Aus dem Präventionsfonds für den Herdenschutz, der von StMUV und StMELF gemeinsam unterhalten wird, wur den folgende Zahlungen geleistet: Jahr Zahlungen 2013 79.861 € 2014 36.324 € 2015 14.224 € 2016 36.756 € 2017 57.490 € Gesamt 224.655 € c) Wie viele Mittel wurden in den letzten fünf Jah ren in Bayern für Entschädigungen oder Präven tionsmaßnahmen aufgrund von Wolfsvorkommen in Bayern durch andere Träger oder Institutionen als die Staatsregierung ausbezahlt (bitte getrennt nach Jahren und Entschädigung/Prävention ange ben)? Von den in der Antwort auf Frage 3 a angegebenen Scha denssummen wird die Differenz zwischen der Schadens summe und dem Anteil des NF von der Trägergemeinschaft geleistet. Es entfallen somit jeweils 5 Prozent der Scha denssummen auf WildlandStiftung, BN, LBV und WWF Deutschland. Weitere Zahlungen durch andere Träger oder Institutio nen sind der Staatsregierung nicht bekannt. 4. a) Wie schätzt die Staatsregierung die Gefahren ein, die für Menschen von Herdenschutzhunden aus gehen können, und welche Maßnahmen ergreift sie, um die Bevölkerung über das Verhalten ge genüber Herdenschutzhunden aufzuklären? Beim Einsatz von gut sozialisierten Herdenschutzhunden wird die Gefahr für die Bevölkerung grundsätzlich nicht we sentlich anders eingeschätzt als die Gefahr, die von ande ren großen Hunderassen ausgeht. Erfahrungen zum Einsatz von Herdenschutzhunden in z. B. aus touristischen Gründen hochfrequentierten Gebieten liegen aus Bayern nicht vor. Da bislang nur wenige Betriebe Herdenschutzhunde ein setzen, waren keine über die von den Haltern selbst vor genommene Information in deren Umkreis hinausgehenden, flächendeckenden Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölke rung über das Verhalten von Herdenschutzhunden erforder lich. b) Wie bewertet die Staatsregierung die Aussage sei tens des Bundesamtes für Naturschutz, wonach eine Änderung der Tierhaltungsvorschriften für Herdenschutzhunde nicht erforderlich sei? Auch wenn kein dringender Änderungsbedarf gesehen wird, wird eine Anpassung der TierschutzHundeverordnung zur Klarstellung der Besonderheiten bei der Zucht, Haltung und beim Arbeitseinsatz von Herdenschutzhunden geprüft. c) Welche Erkenntnisse aus anderen Ländern, in de nen Herdenschutzhunde bereits eingesetzt wer den, hat die Staatsregierung bezüglich der Haltung von Herdenschutzhunden und deren Wirksamkeit beim Herdenschutz? Positive Erfahrungen zum Einsatz von Herdenschutzhunden als Mittel zum Schutz von Nutztieren gegen Wölfe liegen beispielsweise aus Spanien, der Schweiz und Deutschland (z. B. Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen) vor. Herden schutzhunde sollen deshalb in geeigneter Weise und den regionalen Gegebenheiten entsprechend in eine bayerische Förderrichtlinie zur Prävention einbezogen werden. 5. a) Welche Anzahl von Wölfen bzw. Rudeln sind in Bayern unter wildbiologischen Aspekten zu erwar ten, wenn der Wolf sich in den für ihn geeigneten Habitaten ausbreitet? Das Bundesamt für Naturschutz hat 2010 in einer Habitat analyse bei einer durchschnittlichen Territoriengröße von 300 km² 200 Rudel, bei einer Territoriengröße von 200 km² 440 Rudel als potenziell mögliche Besiedlung in Deutsch land errechnet, siehe dazu: https://www.bundestag.de/bl ob/393542/5e21bfea995e1f0f0f19271d442f365d/bericht bmubdata.pdf Für Bayern liegen keine derartigen Prognosen vor. b) Welche Anzahl von Wölfen und Wolfsrudeln in den jeweiligen biogeografischen Regionen müsste in etwa erreicht sein, um von einem „günstigen Er haltungszustand“ gemäß Natura 2000 sprechen zu können, und inwieweit hat diese Bewertung Einfluss auf mögliche jagdliche Regulierungsmaß nahmen? Der „Erhaltungszustand einer Art“ ergibt sich aus der Ge samtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbrei tung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Art. 2 FaunaFloraHabitatRichtlinie (FFHRL) be zeichneten Gebiet auswirken können. Als günstig wird der Erhaltungszustand einer Art ge mäß den in § 7 Abs. 1 Nr. 10 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) i. V. m. Art. 1 Buchst. I) FFHRL genannten Vo raussetzungen angesehen. Über eine Mindestanzahl von Individuen einer Population, die den günstigen Erhaltungs zustand definiert, trifft die FFHRL keine Aussage. Auf die Entnahme von Wölfen hat die Bewertung des Er haltungszustandes insoweit Einfluss, als die rechtlichen An forderungen an die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG divergieren (vgl. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG i. V. m. Art. 16 Abs. 1 FFHRL). Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23602 c) Wer entscheidet auf welcher gesetzlichen und wis senschaftlichen Grundlage darüber, wann ein sol cher günstiger Erhaltungszustand erreicht ist und jagdliche Maßnahmen auch für Tiere ermöglicht werden, die nicht zur Abwehr erheblicher Schäden oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit ent nommen bzw. getötet werden müssen? Für Deutschland erarbeitet das Bundesamt für Naturschutz zusammen mit den Fachleuten der Länder die Einschät zung des günstigen Erhaltungszustandes. Hierzu werden die MonitoringDaten der Länder von der Dokumentations und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) zusammenfassend aus und bewertet. Aufgrund dieser oder ggf. weiterer fachlicher und wissenschaftlicher Bewertungen entscheidet die für den Vollzug des § 45 Abs. 7 BNatSchG zuständige Behörde (in Bayern die höhere Naturschutzbe hörde), ob im Einzelfall von einem günstigen oder ungüns tigen Erhaltungszustand auszugehen ist. Der Wolf unterliegt in Bayern nicht dem Jagdrecht. 6. Welche zusätzlichen Hilfen und Fördermaßnah men sind 2019 für die Weidehaltung geplant? Aktuell wird an der geplanten Einrichtung eines bayerischen Förderprogramms für Herdenschutzmaßnahmen gearbeitet.