Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 15.06.2018 Auswirkungen der Missstände der Financial Intelligence Unit auf die Bekämpfung von Geldwäsche und schweren Straftaten im Freistaat Bayern Am 12.12.2017 berichtete Spiegel-Online (http://www. spiegel.de/panorama/justiz/tausendegeldwaesche-mel dungen-stauen-sich-beim-zoll-a-1182789.html) darüber, dass Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei der Financial Intelligence Unit (FIU) nur unzureichend und mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bearbeitet werden. Die FIU ist seit der Reform des Geldwäschegesetzes im Jahr 2017 bei der Generaldirektion Zoll und nicht mehr beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelt und dort für die Entgegennahme , Sammlung und Auswertung von Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten, zuständig. Seit diesem Übergang am 26.06.2017 sind laut dem Artikel von 29.000 eingegangenen Verdachtsanzeigen 24.000 in der Bearbeitung zurückgestellt worden. Seither kamen in verschiedenen Presseberichten immer weitere, zum Teil aus sicherheitspolitischer Sicht äußerst beunruhigende Details zutage. Erhebliche Kritik äußerte zuletzt das Thüringer Landeskriminalamt in einer Stellungnahme für den Bundestag. Darin wurde nicht nur die schleppende Bearbeitung, die nach Auskunft des Finanzministeriums auf eine Anfrage einer Bundestagsabgeordneten mittlerweile zu einem Bearbeitungsrückstand von 31.000 Fällen geführt hat, kritisiert, sondern auch auf die mangelhafte Qualität der Berichte der FIU hingewiesen. Aus sämtlichen Berichten und Experteneinschätzungen ergibt sich damit übereinstimmend, dass sich durch die Verlagerung der FIU vom BKA zum Zoll inzwischen eine Situation ergeben hat, die darauf schließen läßt, dass eine effektive Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in Deutschland derzeit nicht gewährleistet ist. Hiervon betroffen dürften auch entsprechende Straftaten sein, für die die bayerischen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden zuständig wären, von deren Begehung sie jedoch aufgrund der vorgegebenen Meldeverfahren und der Unzulänglichkeiten bei der FIU vermutlich zu einem überwiegenden Teil derzeit noch nicht einmal Kenntnis erhalten haben. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis von dem Bearbeitungsrückstand der FIU? b) Falls ja, seit wann hat die Staatsregierung Kenntnis von dem Bearbeitungsrückstand? 2. Wie viele der 31.000 bei der FIU offensichtlich nicht bearbeiteten Meldungen betreffen den Freistaat Bayern ? 3. a) Gibt es bei der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppe (GFG) Bayern beim Landeskriminalamt ebenfalls einen Bearbeitungsrückstau bei der Abarbeitung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen? b) Falls ja, wie viele Meldungen sind hiervon betroffen? c) Bis wann ist mit einer Bearbeitung dieser Meldungen zu rechnen? 4. Wie viele Monate bzw. Jahre beträgt der Bearbeitungsrückstand in Bayern, gemessen am Tag der Erstattung der ältesten Geldwäscheverdachtsmeldung? 5. Sind in den noch unbearbeiteten Verdachtsmeldungen Hinweise auf Verbrechens- oder schwerwiegende Vergehenstatbestände als Vortaten der Geldwäsche enthalten ? 6. Sind durch den Rückstand der Bearbeitung mögliche Straftaten bereits verjährt bzw. droht die Verjährung? 7. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um mögliche Missstände bei der Geldwäschebekämpfung in Bayern abzustellen? 8. a) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um den oben beschriebenen Unzulänglichkeiten bei der FIU entgegenzuwirken und so für den Freistaat Bayern eine effektive Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten? b) Wie wird sichergestellt, dass die umgehende Bearbeitung der durch das FIU nach Abbau des Bearbeitungsrückstandes weitergeleiteten Meldungen durch die bayerischen Behörden zeitnah erfolgen kann? c) Gibt es Planungen seitens der Staatsregierung, das Personal bei den betroffenen Behörden hierzu entsprechend zu erhöhen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.10.2018 Drucksache 17/23609 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23609 Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration nach Einbindung des Landeskriminalamts vom 17.08.2018 1. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis von dem Bearbeitungsrückstand der FIU? b) Falls ja, seit wann hat die Staatsregierung Kenntnis von dem Bearbeitungsrückstand? Im Rahmen der Nationalen Risikoanalyse am 18.04.2018 in Berlin, an der u. a. ein Vertreter des Staatsministeriums des Innern und für Integration (StMI) wie auch ein Vertreter des Landeskriminalamts (BLKA) teilnahmen, wurde durch eine Vertreterin der FIU mitgeteilt, dass dort seit dem 26.06.2017 insgesamt 51.760 Geldwäscheverdachtsmeldungen eingegangen seien. 13.380 davon seien an andere Behörden weitergeleitet worden, 9.207 sog. Abstandnahmen erfolgt und 29.173 derzeit bei der FIU in Bearbeitung befindlich. Die Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage vom 12.04.2018 durch die Bundesregierung mit gleichem Inhalt wurde dem StMI vom BLKA mit Schreiben vom 08.05.2018 zur Kenntnis gebracht (BT-Drs. 19/1763 vom 20.04.2018). 2. Wie viele der 31.000 bei der FIU offensichtlich nicht bearbeiteten Meldungen betreffen den Freistaat Bayern? Die Verdachtsmeldungen gehen ausschließlich bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen ein. Entsprechend liegen dem StMI hierzu keine Informationen vor. 3. a) Gibt es bei der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppe (GFG) Bayern beim Landeskriminalamt ebenfalls einen Bearbeitungsrückstau bei der Abarbeitung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen? b) Falls ja, wie viele Meldungen sind hiervon betroffen ? c) Bis wann ist mit einer Bearbeitung dieser Meldungen zu rechnen? 4. Wie viele Monate bzw. Jahre beträgt der Bearbeitungsrückstand in Bayern, gemessen am Tag der Erstattung der ältesten Geldwäscheverdachtsmeldung ? 5. Sind in den noch unbearbeiteten Verdachtsmeldungen Hinweise auf Verbrechens- oder schwerwiegende Vergehenstatbestände als Vortaten der Geldwäsche enthalten? Auf die Antwort vom 27.03.2017 auf eine Schriftliche Anfrage vom 15.02.2017 wird verwiesen (Drs. 17/16288 vom 30.05.2017). Jede einzelne Verdachtsmeldung wird unmittelbar nach ihrem Eingang beim BLKA (SG 626) einer Erstbewertung unterzogen, um festzustellen, ob sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt Anhaltspunkte ergeben, die Sofortmaßnahmen oder eine vorrangige Bearbeitung, bspw. aufgrund erkennbarer Hinweise auf Straftaten, erfordern. Nach Auskunft des BLKA sind mit Stand 02.07.2018 insgesamt 3.679 Verdachtsmeldungen noch nicht abschließend bearbeitet . Jene Meldungen reichen nach Auskunft des BLKA für die Polizei bis Februar 2016, aufseiten des Zolls bis Dezember 2015 zurück. Eine zuverlässige Prognose hinsichtlich des zeitlichen Bedarfs zur abschließenden Bearbeitung der Vorgänge ist dem BLKA nicht möglich. 6. Sind durch den Rückstand der Bearbeitung mögliche Straftaten bereits verjährt bzw. droht die Verjährung ? Soweit sich aus der Verdachtsmeldung keine erkennbaren Hinweise auf Straftatbestände ergeben, können erst im Rahmen des Clearingverfahrens weitere Erkenntnisse erlangt werden. Daher liegen dem BLKA hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Ausführungen zum Fragenkomplex 3 a–3 c, 4 und 5 wird verwiesen. 7. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um mögliche Missstände bei der Geldwäschebekämpfung in Bayern abzustellen? Durch das zuständige BLKA werden die Aufgaben der Geldwäschebekämpfung einschließlich fortlaufender Geschäftsprozessoptimierungen konsequent wahrgenommen. 8. a) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um den oben beschriebenen Unzulänglichkeiten bei der FIU entgegenzuwirken und so für den Freistaat Bayern eine effektive Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten ? Das BLKA arbeitet im Rahmen der Bund-Länder-Gremienarbeit gemeinsam mit den GFG der anderen Landeskriminalämter und der FIU an einer Verbesserung der Zusammenarbeit und der diesbezüglichen Geschäftsprozesse. In der Alltagsorganisation werden von dort festgestellte Mängel unmittelbar gegenüber der FIU kommuniziert und, soweit möglich, Lösungsvorschläge aufgezeigt. b) Wie wird sichergestellt, dass die umgehende Bearbeitung der durch das FIU nach Abbau des Bearbeitungsrückstandes weitergeleiteten Meldungen durch die bayerischen Behörden zeitnah erfolgen kann? Eine Bearbeitung wird durch die Erstbewertung gewährleistet . Dringlich zu behandelnde Vorgänge werden priorisiert in den Abarbeitungsprozess überführt. c) Gibt es Planungen seitens der Staatsregierung, das Personal bei den betroffenen Behörden hierzu entsprechend zu erhöhen? Die Personalverteilung innerhalb eines Verbandes und damit auch die personelle Ausstattung einzelner Dienststellen liegen in der Führungsverantwortung der Verbände, so auch des BLKA, die eine angemessene Berücksichtigung aller nachgeordneten Dienststellen gewährleisten. Unabhängig davon darf darauf hingewiesen werden, dass die Staatsregierung aufgrund wachsender Aufgaben bereits umfassende Maßnahmen beschlossen hat, um die Bayerische Polizei in den nächsten Jahren nachhaltig personell zu verstärken. So hat die Staatsregierung bei der Kabinettssitzung im Juli 2016 in St. Quirin das Konzept „Sicherheit durch Stärke“ verabschiedet, das vorsieht, 2.000 zusätzliche Stellen für die Bayerische Polizei bis zum Jahr 2020 Drucksache 17/23609 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zu schaffen. Die Staatsregierung hat im März dieses Jahres beschlossen, den Stellenaufwuchs über den Doppelhaushalt 2019/2020 hinaus fortzusetzen. So sieht auch die Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder vom 18.04.2018 einen weiteren Stellenaufwuchs bei der Bayerischen Polizei vor. Neben den bereits beschlossenen 2.000 Stellen sollen noch einmal 1.500 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Das sind 3.500 zusätzliche Stellen für die Bayerische Polizei und damit für mehr Sicherheit in Bayern. Zur Verteilung dieser Stellen auf die Polizeiverbände erarbeitet derzeit die unter Leitung des StMI stehende „Arbeitsgruppe Stellenzuweisung“ einen Verteilungsschlüssel. Die Staatsregierung beabsichtigt, diese Stellen den Dienststellen der Bayerischen Polizei erst dann zuzuweisen, wenn diese tatsächlich auch vor Ort mit Personal besetzt werden können, also wenn die in diesem Zusammenhang eingestellten Polizeibeamtinnen und -beamten fertig ausgebildet sind. Mit der Einstellung und Ausbildung der entsprechenden Beamten ist ab dem 01.03.2017 sukzessive begonnen worden. Die Zuteilung des entsprechenden Personals an die Polizeiverbände wird damit nach und nach ab September 2019 erfolgen. Von diesem Personalaufwuchs wird selbstverständlich auch das BLKA profitieren, das die internen Organisationseinheiten belastungsorientiert mit Personal verstärken wird.