Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 24.07.2018 Verbesserung von Fluglärm Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Auswirkungen hat die Anwendung, dass seit 2017 mit einem Anflugverfahren mit einem minimal steileren Anflugwinkel in Frankfurt gelandet wird, derzeit und zukünftig auf die Region Bayerischer Untermain ? 2. Warum wird das international erprobte und von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zugelassene lärmarme Anflugverfahren Point Merge nicht in Frankfurt angewandt, um die Fluglärmbelastung am Bayerischen Untermain zu verringern? 3. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen, dass der Frankfurter Luftraum bis Fulda erweitert wird und die Anflughöhe von 3.000 m auf 2.700 m abgesenkt wird (von der Deutschen Flugsicherung – DFS – im März 2018 bekannt gegeben), derzeit und zukünftig auf den Fluglärm am Bayerischen Untermain? 4.1 Welche Rolle spielt, nach Kenntnis der Staatsregierung , Landrat Dr. Ulrich Reuter als einziger Vertreter Bayerns in der Frankfurter Fluglärmkommission? 4.2 An welchen Sitzungstagen war, nach Kenntnis der Staatsregierung, Landrat Reuter seit seiner Berufung in die Kommission dort anwesend, wie oft ließ er sich vertreten, wie oft war kein bayerischer Vertreter in der Kommission anwesend? 4.3 Welche Initiativen zur Verbesserung der Fluglärmsituation am Bayerischen Untermain gingen, nach Kenntnis der Staatsregierung, seitdem von Landrat Reuter aus? 5. Wie kann nach Meinung der Staatsregierung der Einfluss Bayerns in der Frankfurter Fluglärmkommission deutlich vergrößert werden? Antwort des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 23.08.2018 1. Welche Auswirkungen hat die Anwendung, dass seit 2017 mit einem Anflugverfahren mit einem minimal steileren Anflugwinkel in Frankfurt gelandet wird, derzeit und zukünftig auf die Region Bayerischer Untermain? Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) teilte hierzu Folgendes mit: Seit März 2017 bietet die DFS steilere Endanflüge auf allen drei Landebahnen an. Die neuen Anflugverfahren basieren auf dem satellitengestützten Präzisionsanflugsystem GBAS (Ground Based Augmentation System) und können seither mit einem Anflugwinkel von 3,2 statt zuvor 3,0 Grad geflogen werden. Bisher waren solche Anflüge mit angehobenem Gleitwinkel ausschließlich auf der Landebahn Nordwest möglich. Für das Befliegen dieser neuen satellitengestützten Anflugverfahren benötigen Flugzeuge eine entsprechende cockpitseitige Ausrüstung, über die derzeit nur neuere Flugzeugtypen verfügen. Die Ausrüstungsquote für GBAS der am Flughafen Frankfurt operierenden Flugzeuge liegt momentan bei unter 10 Prozent. Der um 0,2 Grad steilere Anflugwinkel macht sich bis zu einer Entfernung von ca. 18 Kilometer zur Landebahnschwelle bemerkbar. In dieser Entfernung befinden sich die Anflüge rund 60 Meter höher. Weiter außerhalb steht dieser steilere Anflugwinkel aufgrund der festen Eindrehhöhen nicht zur Verfügung, sodass der Bayerische Untermain davon nicht profitiert. Es finden jedoch Forschungsarbeiten statt, die zukünftig auch außerhalb des 18-Kilometer-Bereiches höhere Flughöhen mithilfe von GBAS ermöglichen sollen. 2. Warum wird das international erprobte und von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zugelassene lärmarme Anflugverfahren Point Merge nicht in Frankfurt angewandt, um die Fluglärmbelastung am Bayerischen Untermain zu verringern? Laut DFS handelt es sich bei Point Merge um ein neuartiges Anflugsystem, das primär als Forschungsprojekt zur Vereinfachung der Abwicklung hochkomplexer und verkehrsreicher Anflugströme zu einem Flughafen untersucht und getestet wird. Aus Simulationen und weiteren Erkenntnissen ist die DFS zu folgendem Ergebnis gelangt: 1. Die gewonnenen Erkenntnisse aus verschiedenen Simulationen lassen eine Einführung von Point Merge am Standort Frankfurt aus betrieblichen Gründen nicht zu. 2. Die bisher durchgeführten Lärmbetrachtungen führen zu keiner eindeutigen Aussage. Die Analysen haben jedoch Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.10.2018 Drucksache 17/23618 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23618 ergeben, dass die Anzahl der neu überflogenen Einwohner – insbesondere unterhalb der Kreisbögen – erheblich zunehmen würde. Anfang 2017 befasste sich das Expertengremium Aktiver Schallschutz (ExpASS) – ein sachorientiertes Arbeitsgremium im Rahmen des Forum Flughafen und Region (FFR) – mit den Ergebnissen der von der DFS durchgeführten Prüfung. Auf Basis der dargestellten Informationen kam ExpASS zu folgender Empfehlung: „Das Expertengremium Aktiver Schallschutz rät von einer Umsetzung der Maßnahme Point Merge ab. Die bisherige Prüfung hat ergeben , dass eine Einführung eines solchen Anflugverfahrens am Standort Frankfurt zu kapazitativen Einschränkungen führen würde. Gemäß den Kriterien des FFR scheidet die Maßnahme somit als umzusetzende Maßnahme aus.“ (Vgl. www.flk-frankfurt.de/eigene_dateien/sitzungen/241._sit zung_am_21.6.2017/top_9c_-__schriftlicher_bericht_dfs_ zur_241._sitzung_am_21.6.2017__point_merge.pdf) Näheres zu den betrieblichen Gründen, die der Einführung von Point Merge am Standort Frankfurt entgegenstehen, ist folgender Internetseite zu entnehmen: www.flk-frankfurt.de/ eigene_dateien/sitzungen/242._sitzung_am_27.09.2017/ top_3_-_praes._dfs__point_merge.pdf Ein Point-Merge-System ist in Frankfurt einer Vielzahl von Limitierungen ausgesetzt. Diese Limitierungen sprechen ausnahmslos gegen die Einrichtung und Nutzung dieses Systems. Zusätzlich würden diese Limitierungen zahlreiche bisher eingeführte Lärmminderungsmaßnahmen konterkarieren . 3. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen, dass der Frankfurter Luftraum bis Fulda erweitert wird und die Anflughöhe von 3.000 m auf 2.700 m abgesenkt wird (von der Deutschen Flugsicherung – DFS – im März 2018 bekannt gegeben), derzeit und zukünftig auf den Fluglärm am Bayerischen Untermain? Die DFS teilte hierzu Folgendes mit: Ziel der Erweiterung des Luftraums der Klasse „C“ im Bereich Fulda ist es, den heutigen Anforderungen einer sicheren und flüssigen Verkehrsabwicklung gerecht zu werden . Besonderes Augenmerk soll dabei auf die bessere Trennung von Sichtfliegern (wie bspw. Segelflugzeugen, einmotorige Sportflugzeuge) und in diesem Bereich operierendem Flugverkehr nach Instrumentenflugregeln (wie Linien- und Charterflugverkehr) gelegt werden. Wenn es die Verkehrslage zwingend erfordert, werden bereits heute Anflüge auf den Flughafen Frankfurt kurzzeitig durch den primär für die Sichtflieger vorgehaltenen Luftraum der Klasse „E“ geführt. Diese Form des Mischverkehrs soll mithilfe dieser Anpassung zukünftig vermieden werden, indem man den Verkehrsflugzeugen einen in der vertikalen Ausdehnung größeren Luftraum bereitstellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass zukünftig alle Verkehrsflugzeuge diese neue Untergrenze auch nutzen werden. Die DFS geht davon aus, dass sich keine sog. Ablagen (Abweichungen) zu den heutigen Anflugprofilen abzeichnen werden. Ebenso hat diese Luftraumanpassung nach Mitteilung der DFS keine Auswirkungen auf den Bayerischen Untermain. 4.1 Welche Rolle spielt, nach Kenntnis der Staatsregierung , Landrat Dr. Ulrich Reuter als einziger Vertreter Bayerns in der Frankfurter Fluglärmkommission ? Die Fluglärmkommission (FLK) Frankfurt ist ein Gremium nach § 32b Luftverkehrsgesetz (LuftVG). Nach § 32b Abs. 5 LuftVG beruft die Genehmigungsbehörde – im Falle des Flughafens Frankfurt das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HM- WEVL) – die Mitglieder. Herr Landrat Dr. Ulrich Reuter ist ein berufenes Mitglied der FLK Frankfurt (siehe: www.flk-frankfurt.de/seite/de/flug laerm/44/msr/Mitglieder.html). Die Kriterien für die Berufung in der FLK sind an der Fluglärmbelastung ausgerichtet und zwischen der Berufungsbehörde und der FLK abgestimmt (siehe: www.flk-frankfurt.de/seite/de/fluglaerm/44/msr/Mit glieder.html). 4.2 An welchen Sitzungstagen war, nach Kenntnis der Staatsregierung, Landrat Reuter seit seiner Berufung in die Kommission dort anwesend, wie oft ließ er sich vertreten, wie oft war kein bayerischer Vertreter in der Kommission anwesend? Der Staatsregierung liegen hierzu keinen eigenen Informationen vor. Die Teilnahme an den Sitzungen kann anhand der Sitzungsprotokolle nachvollzogen werden, die auf der Internetseite der FLK Frankfurt veröffentlicht sind (siehe: www.flk-frank furt.de/seite/de/fluglaerm/49/-/Sitzungsunterlagen.html). Herr Landrat Dr. Ulrich Reuter ist zudem nicht der einzige bayerische Vertreter in der FLK Frankfurt. Auf Wunsch des Landtags wurde zusätzlich ein Vertreter (inkl. eines Stellvertreters ) der Staatsregierung als Gastteilnehmer (ständiger Sitzungsteilnehmer ohne Stimmrecht) der FLK Frankfurt benannt . Im Auftrag des Landtags haben diese Vertreter seit 2012 eine regelmäßige und praktisch lückenlose Teilnahme an den FLK-Sitzungen sichergestellt. 4.3 Welche Initiativen zur Verbesserung der Fluglärmsituation am Bayerischen Untermain gingen, nach Kenntnis der Staatsregierung, seitdem von Landrat Reuter aus? Die Staatsregierung nimmt innerhalb der FLK Frankfurt keine geschäftsführende bzw. kontrollierende Aufgabe wahr. Die Ergebnisse der Sitzungen werden in den Protokollen festgehalten (siehe: www.flk-frankfurt.de/seite/de/fluglaerm/ 49/-/Sitzungsunterlagen.html). Im April 2015 haben sich Herr Landrat Dr. Ulrich Reuter und das damals zuständige Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) erfolgreich für den Erhalt des Stimmrechts des Landkreises Aschaffenburg eingesetzt. Damals wurden die Mitglieder der FLK Frankfurt informiert , dass sich das HMWEVL und der Vorsitzende der FLK Frankfurt darauf verständigt haben, das Stimmrecht auf den Kreis der betroffenen Kommunen zu konzentrie- Drucksache 17/23618 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ren. Geplant war, dass nur noch Städte und Gemeinden innerhalb des festgesetzten Lärmschutzbereichs oder der Frankfurter Fluglärmindizes zukünftig ein Stimmrecht haben sollten. Die Landkreise, deren Gemarkung auf dem Gebiet des festgesetzten Lärmschutzbereichs oder der Frankfurter Fluglärmindizes liegt, sowie an diese Gebiete angrenzende Landkreise in den Eindrehbereichen auf den Endanflug sollten ohne Stimmrecht weiter an den Beratungen im Rahmen eines Beobachterstatus beteiligt werden. Wäre es zur Neustrukturierung der FLK Frankfurt gekommen, hätte der Landkreis Aschaffenburg, der von den Eindrehbereichen auf den Endanflügen betroffen ist und bis dahin einen stimmberechtigten Status in der FLK innehatte, nur noch einen Beobachterstatus mit privilegiertem Informationszugang erhalten . Herr Landrat Dr. Ulrich Reuter hat mit einem Schreiben an den Hessischen Staatsminister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Tarek Al-Wazir den Überlegungen zur Neustrukturierung der FLK Frankfurt widersprochen . Das StMI hat die Aufrechterhaltung des bayerischen Stimmrechts unterstützt. So wurde letztendlich das Stimmrecht des Landkreises Aschaffenburg in der FLK Frankfurt erhalten. 5. Wie kann nach Meinung der Staatsregierung der Einfluss Bayerns in der Frankfurter Fluglärmkommission deutlich vergrößert werden? Die FLK Frankfurt ist ein gesetzlich (§ 32b LuftVG) installiertes Beratungsgremium der nachfolgenden Behörden und Institutionen: – Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL), – DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), – Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die vorgenannten Behörden und Institutionen bei ihrer Entscheidung über Maßnahmen nicht an das Beratungsergebnis der FLK gebunden sind. Halten sie die von der FLK vorgeschlagenen Maßnahmen ggf. für nicht geeignet oder für nicht durchführbar, können sie auch anderweitig entscheiden. Ein etwaiges Abweichen vom Beratungsergebnis wäre der FLK unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Durch die Mitgliedschaft des betroffenen Landkreises Aschaffenburg und die unterstützende Teilnahme eines Vertreters der Staatsregierung in der FLK Frankfurt übt Bayern die gesetzlich geregelten Einwirkungsmöglichkeiten aus.