Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Klaus Adelt SPD vom 02.07.2018 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend in Bayern Im Fall von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stellt der schnelle, niedrigschwellige und unbürokratische Zugang zu Beratungsangeboten eine große Hilfe und Unterstützung für Betroffene dar. Dieser wird in freier Trägerschaft von spezialisierten Fachberatungsstellen, die sexu alisierte Gewalt in Kindheit und Jugend als erkennbaren Schwerpunkt aufweisen, geleistet. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie viele spezialisierte Fachberatungsstellen, die sichtbar als Expertinnen und Experten mit einem Schwerpunkt zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend arbeiten, gibt es im Freistaat Bayern? 2.1 Wie groß ist jeweils die Bevölkerungszahl, für die eine einzelne spezialisierte Fachberatungsstelle zuständig ist? 2.2 Wie groß ist das Gebiet in flächenmäßiger Hinsicht, für das eine einzelne spezialisierte Fachberatungsstelle jeweils zuständig ist? 2.3 Für wie viele Landkreise mit welcher Bevölkerungszahl sind die einzelnen spezialisierten Fachberatungsstellen jeweils zuständig? 3. In wie vielen Fachberatungsstellen gibt es spezifische Angebote für verschiedene Betroffenengruppen (Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Fluchterfahrung, männliche erwachsene Betroffene, weibliche erwachsene Betroffene, Jungs, Mädchen, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender [LGBT] etc.)? 4.1 Wie viele Personalstellen werden in den einzelnen spezialisierten Fachberatungsstellen durch öffentliche Gelder finanziert? 4.2 Handelt es sich dabei um Landesmittel oder kommunale Mittel (bitte aufschlüsseln nach Landesmitteln und kommunalen Mitteln mit einer Angabe der Höhe der Förderung)? 5. In welcher Höhe erhalten die spezialisierten Fachberatungsstellen Zuschüsse zu Sachkosten aus öffentlichen Mitteln (bitte aufschlüsseln nach Landesmitteln und kommunalen Mitteln)? Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.08.2018 1. Wie viele spezialisierte Fachberatungsstellen, die sichtbar als Expertinnen und Experten mit einem Schwerpunkt zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend arbeiten, gibt es im Freistaat Bayern? 2.1 Wie groß ist jeweils die Bevölkerungszahl, für die eine einzelne spezialisierte Fachberatungsstelle zuständig ist? 2.2 Wie groß ist das Gebiet in flächenmäßiger Hinsicht, für das eine einzelne spezialisierte Fachberatungsstelle jeweils zuständig ist? 2.3 Für wie viele Landkreise mit welcher Bevölkerungszahl sind die einzelnen spezialisierten Fachberatungsstellen jeweils zuständig? 3. In wie vielen Fachberatungsstellen gibt es spezifische Angebote für verschiedene Betroffenengruppen (Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, Menschen mit Migrationshintergrund , Menschen mit Fluchterfahrung, männliche erwachsene Betroffene, weibliche erwachsene Betroffene, Jungs, Mädchen, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender [LGBT] etc.)? Kinder- und Jugendhilfe wird von den Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern als kommunale Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis wahrgenommen und finanziert. Entsprechend ist die Bedarfsfeststellung konkreter Unterstützungsangebote vor Ort eine Aufgabe der Kommunen im Rahmen der regionalen Jugendhilfeplanung. Im Rahmen des Bayerischen Gesamtkonzepts zum Kinderschutz unterstützt der Freistaat Bayern die Kommunen und die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe vor allem im präventiven Bereich auf der Grundlage des Kinder- und Jugendprogramms der Staatsregierung mit freiwilligen Leistungen nachhaltig und verlässlich beim Aufbau von belastbaren Regelstrukturen mit Förderprogrammen, wie z. B. Koordinierende Kinderschutzstellen (www.koki.bayern.de) und Erziehungsberatungsstellen (www.erziehungsberatung.bayern.de) sowie der Förderung der Bayerischen Kinderschutzambulanz (www.kinderschutzambulanz.bayern.de). Neben landesgesetzlichen Regelungen zur verbindlichen Zusammenarbeit im Kinderschutz erfolgen darüber hinaus Maßnahmen zur Sicherstellung notwendiger landesweiter interdisziplinärer Qualifizierung, Beratung und Sensibilisierung. Für Fragen rund um sexualisierte Gewalt stehen Kindern, Jugendlichen und Eltern insbesondere die 96 bayerischen Jugendämter sowie flächendeckend rund 180 multidisziplinär ausgestattete Erziehungsberatungsstellen (einschließlich Nebenstellen und Außensprechstunden, in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt mindestens eine Einrichtung) zur qualifizierten Klärung und Bewältigung in- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.11.2018 Drucksache 17/23621 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23621 dividueller und familienbezogener Probleme zur Verfügung. Zusätzlich steht auch für akute und/oder schwierige Lebenssituationen rund um die Uhr die von Bayern initiierte und inzwischen länderübergreifende Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) mit differenzierten Beratungsformaten zur Verfügung (www.bke-beratung.de). Dieses professionelle Angebot in Form von Chats und Foren wird von Fachkräften der Erziehungsberatungsstellen durchgeführt. Bei Verdacht auf körperliche Misshandlung oder sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen steht seit 2011 zudem die von der Staatsregierung geförderte Bayerische Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) als kompetente Anlaufstelle, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie für Jugendämter, zur Verfügung. Aktueller Schwerpunkt im Bayerischen Gesamtkonzept zum Kinderschutz sind landesweite Maßnahmen zur Sensibilisierung und Qualifizierung. Mit Förderung der Staatsregierung veranstaltet die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e. V. (DGfPI) in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft und Fachverband für Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung in Bayern e. V. (LAG EB) unter Einbindung spezialisierter Fachberatungsstellen sowie weiterer Vertreter aus der Praxis „Tandemschulungen für Fachkräfte der Erziehungsberatungsstellen und des Allgemeinen Sozialen Dienstes/ Bezirkssozialarbeit der Sozialbürgerhäuser zum Umgang mit sexuellem Missbrauch bzw. sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“. In den nächsten beiden Jahren sollen Fachkräfte flächendeckend spezifisch zu diesem Thema geschult werden, um eine noch besser qualifizierte flächendeckende Beratungsstruktur sicherzustellen. Weiterhin gibt es zahlreiche regionale und überregionale Angebote öffentlicher und freier Jugendhilfeträger. So unterstützen beispielsweise der Deutsche Kinderschutzbund – Landesverband Bayern und die angeschlossenen Kreisverbände mit zahlreichen Einzelinitiativen Opfer von Gewalt bzw. tragen zur Verhinderung der Entstehung von Gewalt bei. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Ansprechstellen zum Schutz vor sexueller Gewalt, z. B. Ansprechstellen der Vereine SOLWODI, AMYNA, Wildwasser, Zartbitter, IMMA (Kontakt- und Informationsstelle für Mädchenarbeit). Diese unterstützen neben der Einzelfallberatung teilweise auch Institutionen beim Aufbau struktureller Schutzmaßnahmen und wirken aktiv an der Fortbildung und Qualifizierung in diesem Bereich mit. Zudem stehen in Bayern neben der Kontakt-, Beratungsund Informationsstelle für männliche Opfer sexueller Gewalt bis 27 Jahre (KIBS) weitere 32 staatlich geförderte Notrufe/ Fachberatungsstellen in unterschiedlicher freier Trägerschaft zur Verfügung. Die Notrufe/Fachberatungsstellen stellen ein ambulantes Beratungsangebot schwerpunktmäßig für Frauen dar, die Opfer von sexualisierter oder häuslicher Gewalt geworden sind. Teilweise beraten sie auch Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind. Zum Aufgabengebiet der Notrufe/Fachberatungsstellen gehören neben der Einzelfallberatung auch Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Vernetzung mit anderen betroffenen Akteuren. Informationen zur konkreten Anzahl und den jeweils spezifischen Angeboten spezialisierter Fachberatungsstellen in Bayern, die sichtbar als Expertinnen und Experten mit einem Schwerpunkt zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend arbeiten, liegen der Staatsregierung jedoch nicht vor. 4.1 Wie viele Personalstellen werden in den einzelnen spezialisierten Fachberatungsstellen durch öffentliche Gelder finanziert? 4.2 Handelt es sich dabei um Landesmittel oder kommunale Mittel (bitte aufschlüsseln nach Landesmitteln und kommunalen Mitteln mit einer Angabe der Höhe der Förderung)? 5. In welcher Höhe erhalten die spezialisierten Fachberatungsstellen Zuschüsse zu Sachkosten aus öffentlichen Mitteln (bitte aufschlüsseln nach Landesmitteln und kommunalen Mitteln)? Kinder- und Jugendhilfe wird von den Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern als kommunale Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis wahrgenommen und finanziert. Entsprechend ist die Bedarfsfeststellung konkreter Unterstützungsangebote vor Ort eine Aufgabe der Kommunen im Rahmen der regionalen Jugendhilfeplanung. Fachberatungsstellen leisten einen wertvollen Beitrag zur Prävention von sowie Unterstützung bei sexualisierter Gewalt. Wie viele Fachberatungsstellen in welcher Höhe durch Kommunen finanziert bzw. gefördert werden, ist der Staatsregierung nicht bekannt. Auch die Vorhaltung ausreichender Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ist vorrangig eine Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen der Daseinsvorsorge. Demgemäß werden die o. g. Notrufe/ Fachberatungsstellen in erster Linie kommunal finanziert. Meist beteiligen sich mehrere Gebietskörperschaften (Landkreise , kreisfreie Städte) an der Finanzierung eines Notrufes /einer Fachberatungsstelle. Die Staatsregierung fördert bei 23 Notrufen/Fachberatungsstellen die Personalkosten der beschäftigten Fachkräfte mit einem Festbetrag jeweils in Höhe von 19.650 Euro jährlich und bei 10 Notrufen die Sachkosten für Fortbildung, Supervision und Öffentlichkeitsarbeit mit einem Festbetrag jeweils in Höhe von 2.320 Euro jährlich. Seit 01.05.2016 fördert die Staatsregierung zudem Ausgaben für Dolmetscherdienste zur Sprachmittlung, die im Rahmen der Beratungstätigkeit in den staatlich geförderten Notrufen/Fachberatungsstellen anfallen, mit einer Zuwendung von bis zu 2.200 Euro jährlich. Seit 2018 werden zusätzlich für die Aufgabenbereiche Prävention und Geschäftsführung/Leitung Personal- oder Sachkostenzuschüsse in Höhe von bis zu 13.350 Euro jährlich gewährt. Staatlich geförderte Notrufe/Fachberatungsstellen, die eine Personalkostenförderung erhalten, müssen nach Drucksache 17/23621 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Nr. 4.2 der „Richtlinie für die Förderung von Notrufen/Fachberatungsstellen für von sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen und von sexualisierter Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche in Bayern“ mindestens eine Vollzeitkraft oder zwei Kräfte in hälftiger Teilzeit, die durch Jobsharing die ganztätige Besetzung des Notrufs gewährleisten , beschäftigen. Zudem sind ab 31.12.2018 bzw. spätestens ab 01.07.2019 Fachkräfte für die Aufgabenbereiche Prävention und Geschäftsführung/Leitung in einem bestimmten Umfang vorzuhalten. Für sachkostengeförderte Notrufe/Fachberatungsstellen gibt es keine Stellenvorgabe in der staatlichen Förderrichtlinie. Die tatsächliche Personalausstattung kann allerdings höher sein als die förderrechtlich vorgeschriebene Mindestpersonalausstattung, wenn der Träger des Notrufs/der Fachberatungsstelle und die finanzierenden Kommunen höhere Personalschlüssel vereinbart haben. Für das Jahr 2017 wurden für die Finanzierung der 33 staatlich geförderten bayerischen Notrufe/Fachberatungsstellen kommunale Zuschüsse in Höhe von 2.057.198 Euro und staatliche Zuschüsse in Höhe von 475.150 Euro geleistet .