Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25.06.2018 Politische Ziele und Förderung für den Ausbau der Solarthermie in Bayern Der Zubau der Solarthermie in Bayern verzeichnete einen drastischen Rückgang in den letzten drei Jahren, also genau in dem Zeitraum, in dem das 10.000-Häuser-Programm den Ausbau der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich unterstützen sollte. Damit wird das Potenzial der Solarthermie in Bayern trotz der überdurchschnittlich günstigen Bedingungen für diese Technologie zu lediglich ca. 5 Prozent genutzt. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Ausbauziele hat sich die Staatsregierung generell für die erneuerbare Wärmeerzeugung, insbesondere für die Solarthermie gesetzt? b) Gibt es eine konkrete Zielsetzung für den Ausbau der Solarthermie für die Jahre 2020, 2025 und 2030? c) Falls nein, warum nicht? 2. a) Wie viele Quadratmeter Kollektorfläche wurden in Bayern in den letzten 20 Jahren installiert (bitte einzeln nach Jahren aufschlüsseln)? b) Welche Gründe sind verantwortlich für den starken Rückgang seit 2015? c) Würde eine klare Zielsetzung (s. Frage 1) durch den Freistaat den Ausbau der Solarthermie unterstützen? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Potenziale der Solarthermie a) bei der Wärmeversorgung von Gebäuden mit Einzelfeuerungsanlagen ? b) bei der Wärmeversorgung von Gebäuden mit Anschluss an ein Wärmenetz? c) für die Wärmenutzung in gewerblich-industriellen Prozessen ? 4. a) Zu welchen Prozentanteilen werden diese jeweiligen Potenziale der Solarthermie nach den jüngsten statistischen Daten bereits genutzt? b) Welchen Beitrag kann die Solarthermie leisten, um die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels der Bundesregierung für 2020 zu schließen? 5. a) Welche Förderinstrumente soll es zukünftig zur Unterstützung des Ausbaus der Solarthermie in Bayern geben? b) Gibt es Überlegungen, über das 10.000-Häuser-Programm die Errichtung von Sonnenkollektoranlagen wieder zu fördern, nachdem momentan lediglich Wärmespeicher förderfähig sind? c) Gibt es Überlegungen, den Ertrag von Solarthermieanlagen anstelle der installierten Kollektorfläche als Grundlage für die Berechnung der Förderung heranzuziehen ? 6. a) Warum bewegen sich die Anforderungen für thermische Speicher im aktuellen 10.000-Häuser-Programm an der Grenze der Machbarkeit, während an die Förderung von Batteriespeichern keinerlei Anforderungen gestellt werden? b) Warum wird im 10.000-Häuser-Programm die Förderung von anderen Technologien in vorhandenen und geplanten Fernwärmegebieten ausgeschlossen (Merkblatt A, Stand 24.01.2018, S. 6, Abs. 1)? c) Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um auf Bundesebene Änderungen bei der Förderung von Wärmenetzen (durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau – KfW – und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) herbeizuführen, damit klimapolitisch sinnvolle Planungen nicht allein an wirtschaftlichen Kriterien scheitern und dezentrale Solarthermieanlagen in diese Netze eingebunden werden können? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.10.2018 Drucksache 17/23629 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23629 Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie vom 24.08.2018 1. a) Welche Ausbauziele hat sich die Staatsregierung generell für die erneuerbare Wärmeerzeugung, insbesondere für die Solarthermie gesetzt? b) Gibt es eine konkrete Zielsetzung für den Ausbau der Solarthermie für die Jahre 2020, 2025 und 2030? c) Falls nein, warum nicht? Die Staatsregierung hat sich in Anlehnung an die Bundesregierung für 2025 das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch auf 20 Prozent zu erhöhen. Zwischen 2010 und 2012 waren hohe Steigerungsraten von rund 15 Prozent auf 18,5 Prozent beim Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch zu verzeichnen. Vorläufige Berechnungen zeigen einen moderaten weiteren Anstieg auf 19,8 Prozent im Jahr 2016 an. Somit wird das für das Jahr 2025 gesetzte Ziel der Deckung von 20 Prozent des Endenergieverbrauchs voraussichtlich bereits früher erreicht. Betrachtet man innerhalb des Endenergieverbrauchs allein den Wärmeverbrauch, zeigt sich, dass der Beitrag des Anteils der erneuerbaren Energien am Gesamtwärmeverbrauch bei knapp 20 Prozent liegt. Dominant sind dabei die biogenen Energieträger. Allein aus fester Biomasse werden knapp 70 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien bereitgestellt, gefolgt von Biogas mit rund 10 Prozent. Umgebungswärme und Solarthermie leisten beide einen Beitrag von mehr als 7 Prozent. Darüber hinausgehende Prognosezahlen liegen nicht vor. Ursache dafür ist, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur solarthermischen Wärmegewinnung i. d. R. genehmigungsfrei sind. Insofern liegen auf Bundes- und Landesebene keine flächendeckenden Erhebungen zu Bestand und Erzeugung vor. Die in den Statistiken des Bundes und der Länder aufgeführten Zahlen basieren damit auf sekundärstatistischem Material und etwaigen ergänzenden Schätzungen. Diese sind naturgemäß mit Unschärfen behaftet , die sich in Abhängigkeit der Förderkulisse und des Ordnungsrechts stetig verändern. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung konkreter Zielsetzungen für Solarthermie wenig sinnvoll, da deren Erreichung nur unzureichend überprüft werden könnte. Anstelle von Zielsetzungen scheint es für die Marktdurchdringung und damit den Deckungsbeitrag der Solarthermie zur Wärmebereitstellung zielführender, auf marktgerechte Anreize, finanzielle Förderungen und Information zu setzen. 2. a) Wie viele Quadratmeter Kollektorfläche wurden in Bayern in den letzten 20 Jahren installiert (bitte einzeln nach Jahren aufschlüsseln)? b) Welche Gründe sind verantwortlich für den starken Rückgang seit 2015? c) Würde eine klare Zielsetzung (s. Frage 1) durch den Freistaat den Ausbau der Solarthermie unterstützen ? Folgende Tabelle basiert auf Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Baden -Württemberg auf Basis der MAP-Förderanteile (MAP = Marktanreizprogramm) der Bundesländer (Solaratlas) und der Solarthermie-Bundeswerte nach der Arbeitsgruppe Erneuerbare -Energien-Statistik (es liegen keine Daten für die Jahre vor 2004 vor). Jahr Fläche in m2 Davon Zubau (m2) 2017 6.288.800 76.700 2016 6.212.100 144.000 2015 6.068.100 178.700 2014 5.889.400 222.000 2013 5.667.400 266.200 2012 5.401.200 331.200 2011 5.070.000 360.300 2010 4.709.700 354.200 2009 4.355.500 424.000 2008 3.931.500 534.300 2007 3.397.200 256.100 2006 3.141.100 379.200 2005 2.761.900 309.800 2004 2.452.100 - Die Tabelle verdeutlicht, dass der Rückgang der Solarthermie in Bayern (sowie z. B. auch in Österreich) seit etwa zehn Jahren mehr oder weniger ungebrochen anhält. Der Rückgang ist eng mit dem Preisverfall bei der Photovoltaik und einem enormen Aufschwung bei Wärmepumpen in Verbindung zu setzen. Die Konkurrenz am Wärmemarkt wächst en- Drucksache 17/23629 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 orm. Der traditionelle Markt der Kleinanlagen bricht zunehmend weg und wird von Photovoltaik und Wärmepumpen übernommen, dafür werden immer mehr flächige Anlagen, die mehrere Megawatt (MW) produzieren können, installiert (bei Betrieben, Siedlungen und im Fernwärmenetz). Für kleinere Anlagen im häuslichen Bereich bedarf es künftig neuer Ansätze wie sehr vereinfachte Sonnenheizungen oder aber auch Lösungen zur Anbindung an Smart- Home-Systeme, damit Heizen nicht immer mehr von der Stromwelt (durch Wärmepumpen und Photovoltaik) übernommen wird. Neue Großanlagen sind im Kommen, stellen aber einen völlig neuen Markt dar, auf den sich die Branche erst einstellen muss. Sie können den Rückgang am Massenmarkt derzeit mengenmäßig noch nicht auffangen. Eine quantitative Zielsetzung wird, wie in der Antwort auf Frage 1 erläutert, nicht für sinnvoll erachtet. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Potenziale der Solarthermie a) bei der Wärmeversorgung von Gebäuden mit Einzelfeuerungsanlagen ? b) bei der Wärmeversorgung von Gebäuden mit Anschluss an ein Wärmenetz? c) für die Wärmenutzung in gewerblich-industriellen Prozessen? Bayern verfügt über deutschlandweit überdurchschnittlich hohe solare Einstrahlwerte. Diese Ressourcen können in großem Umfang mit Solarkollektoren zur Brauchwassererwärmung und Gebäudeheizung genutzt werden. Im Neubau kommen solche Anlagen – auch bedingt durch ordnungsrechtliche Vorgaben im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und in der Energieeinsparverordnung – bereits vielfach zum Einsatz. Im Gebäudebestand werden sie hingegen wegen der meist notwendigen baulichen Eingriffe und der damit verbundenen Unannehmlichkeiten, insbesondere aber wegen der nicht unerheblichen Kosten bislang nur in begrenztem Umfang eingesetzt. Den wenigen Zehntausend jährlich neu errichteten Gebäuden stehen in Bayern mehr als 4 Millionen Bestandsgebäude gegenüber. Ein Großteil dieser Gebäude bietet zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Solarkollektoren zu installieren, die Realisierbarkeit hängt jedoch stets von den konkreten Rahmenbedingungen im Einzelfall ab. Neben wirtschaftlichen Aspekten zählen zu den Hemmnissen u. a. auch rechtliche oder technische Sachverhalte. Letzteres gilt insbesondere auch bei der solarthermischen Bereitstellung von Prozesswärme. Hier sind die prozessbedingten Temperaturniveaus von entscheidender Bedeutung. Aber auch z. B. Nutzungskonkurrenzen, gesellschaftliche Belange, mangelnde Information oder subjektive Beweggründe können einer Umsetzung entgegenstehen . Potenziale sind somit von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Die Berechnung eines Potenzials kann daher allenfalls auf vereinfachenden Annahmen basieren. Je weniger Restriktionen Berücksichtigung finden, desto einfacher stellt sich zwar die Berechnung dar, jedoch ist das Ergebnis der Berechnung dafür umso realitätsferner. Die Ergebnisse der Berechnungen variieren entsprechend mit den getroffenen Annahmen. Man unterscheidet in der Literatur daher verschiedene Arten von Potenzialen, welche jeweils im entsprechenden Kontext diskutiert werden müssen. 4. a) Zu welchen Prozentanteilen werden diese jeweiligen Potenziale der Solarthermie nach den jüngsten statistischen Daten bereits genutzt? Bei der Solarthermie ist Bayern mit Abstand führend. Knapp ein Drittel der deutschen Solarkollektorfläche ist in Bayern installiert. Von 2011 bis 2016 wuchs die Gesamtkollektorfläche der in Bayern installierten Solarthermieanlagen von 4,8 Mio. m² auf über rund 6,3 Mio. m². Infolge des Zubaus bei der Kollektorfläche konnten 2015 und 2016 rund 9,2 Petajoule an Wärme aus Solarthermie erzeugt werden. Die Solarthermie trug damit in beiden Jahren über 7 Prozent zur Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien bzw. jeweils knapp 1,5 Prozent zur Wärmebereitstellung insgesamt bei. Die Entwicklung seit 2010 stellt sich wie folgt dar: Tabelle zu Frage 4 a 2010 2011 2012 2013 2014 2015* 2016* Wärmeerzeugung aus Solarthermie in Petajoule 6,9 6,8 8,1 8,0 8,6 9,2 9,2 Anteil an der Wärmebereitstellung in Prozent 1,0 1,1 1,2 1,2 1,4 1,5 1,4 * Vorläufige Werte b) Welchen Beitrag kann die Solarthermie leisten, um die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels der Bundesregierung für 2020 zu schließen? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5. a) Welche Förderinstrumente soll es zukünftig zur Unterstützung des Ausbaus der Solarthermie in Bayern geben? Durch das 10.000-Häuser-Programm wird die Errichtung von Solarthermie-Anlagen in Kombination mit einem energieeffizienten Wärmespeicher weiterhin gefördert. b) Gibt es Überlegungen, über das 10.000-Häuser- Programm die Errichtung von Sonnenkollektoranlagen wieder zu fördern, nachdem momentan lediglich Wärmespeicher förderfähig sind? Bezüglich des TechnikBonus T4 (Solarthermie-Speicherung ) hat es seit Programmbeginn keine grundsätzlichen Änderungen gegeben. Gefördert wird nach wie vor die Kombinationslösung (s. Frage 5 a). Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23629 c) Gibt es Überlegungen, den Ertrag von Solarthermieanlagen anstelle der installierten Kollektorfläche als Grundlage für die Berechnung der Förderung heranzuziehen? Nein. Das Programm hat den Anspruch von Einfachheit, Transparenz, Objektivität und vertretbarem Aufwand im Vollzug . Das Ergebnis der angesprochenen Berechnung hängt von vielen Voraussetzungen und Randbedingungen ab, sodass vermutlich unterschiedliche Berechner zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kämen. Die Anregung ist daher nicht zielführend. 6. a) Warum bewegen sich die Anforderungen für thermische Speicher im aktuellen 10.000-Häuser-Programm an der Grenze der Machbarkeit, während an die Förderung von Batteriespeichern keinerlei Anforderungen gestellt werden? Die der Frage zugrunde liegenden Annahmen decken sich weder mit den Rückmeldungen von Bauherren noch mit wissenschaftlichen Einschätzungen. Die Anforderung eines 12-kWh-Batteriespeichers (kWh = Kilowattstunden) wird üblicherweise als ambitionierter angesehen als die Anforderungen an Größe und Wärmedämmung der Wärmespeicher. Die Anforderungen sind fachlich begründet und haben den Hintergrund, dass die Hausbewohner sowohl vor Energieverlusten im Winter wie auch vor Überhitzung der Gebäude im Sommer geschützt werden sollen. Zudem können große Wärmespeicher im Energiesystem der Zukunft auch zur Speicherung von Energieüberschüssen aus den Energienetzen genutzt werden. b) Warum wird im 10.000-Häuser-Programm die Förderung von anderen Technologien in vorhandenen und geplanten Fernwärmegebieten ausgeschlossen (Merkblatt A, Stand 24.01.2018, S. 6, Abs. 1)? Die Förderung von Gebäuden mit Fernwärmenutzung im Rahmen des 10.000-Häuser-Programms ist aus förderrechtlichen Gründen unter den gegenwärtigen Randbedingungen nicht möglich. Wärmenetze werden aber energetisch positiv bewertet. Im 10.000-Häuser-Programm werden daher keine konkurrierenden Techniken gefördert, um keine Marktverzerrungen zuungunsten der Wärmenetze herbeizuführen. c) Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um auf Bundesebene Änderungen bei der Förderung von Wärmenetzen (durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau – KfW – und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) herbeizuführen , damit klimapolitisch sinnvolle Planungen nicht allein an wirtschaftlichen Kriterien scheitern und dezentrale Solarthermieanlagen in diese Netze eingebunden werden können? Die Staatsregierung ist für den Ausbau von Wärmenetzen und setzt sich somit grundsätzlich für den Erhalt und die Optimierung der BAFA- und KfW-Wärmenetzförderung ein. Es bleibt abzuwarten, wie gut und schnell sich die sehr großen Solarthermieanlagen für die Fernwärme als Geschäftsfeld etablieren und was für zusätzliche Unterstützung benötigt wird, um Hürden zu überwinden.