Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 18.06.2018 Fume- and Smell-Events in Verkehrsflugzeugen – Situation der Betroffenen Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis, wie viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sowie Pilotinnen und Piloten, die in Bayern gemeldet sind, aufgrund von Schädigungen nach Fume- and Smell-Events in Verkehrsflugzeugen in den letzten zehn Jahren arbeitsunfähig waren bzw. sind? b) Wie vielen davon wurde eine dauerhafte Flugunfähigkeit vom medizinischen Dienst attestiert? c) Welche Auswirkungen hat eine dauerhafte Flugunfähigkeit für die Betroffenen? 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung die medizinische Versorgungssituation zur Akutdiagnostik nach Fumeand Smell-Events für betroffene Crewmitglieder und Passagiere? b) Wie ist die ärztliche Versorgung in Randzeiten geregelt ? c) Ist ein Biomonitoring, wenn von Crewmitgliedern gewünscht , jederzeit möglich? 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung die medizinische Versorgungssituation von betroffenen Besatzungsmitgliedern bei chronischen Gesundheitsbeschwerden? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass Geruchsereignisse zwar als Arbeitsunfall anerkannt werden, aber nicht als Berufskrankheit, vor allem im Hinblick auf die medizinische, soziale und finanzielle Situation der Betroffenen? 4. Sieht die Staatsregierung Defizite in der medizinischen Versorgung nach Fume- and Smell-Events? 5. Inwieweit hält die Staatsregierung eine unabhängige Erforschung der Vorfälle mit kontaminierter Kabinenluft in einem interdisziplinären Ansatz für notwendig? 6. a) Inwieweit werden Passagiere bei entsprechenden Vorkommnissen an Bord über mögliche Gefährdungen aufgeklärt? b) Sieht die Staatsregierung ein allgemeines Aufklärungsdefizit im Zusammenhang mit Fume- and Smell- Events? c) Wenn ja, welche Maßnahmen will sie dahin gehend ergreifen? 7. Mit welchen Maßnahmen will die Staatsregierung dazu beitragen, die Situation von Betroffenen nachhaltig zu unterstützen und zu verbessern? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Familie , Arbeit und Soziales und dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr vom 21.08.2018 1. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis, wie viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sowie Pilotinnen und Piloten, die in Bayern gemeldet sind, aufgrund von Schädigungen nach Fume- and Smell-Events in Verkehrsflugzeugen in den letzten zehn Jahren arbeitsunfähig waren bzw. sind? b) Wie vielen davon wurde eine dauerhafte Flugunfähigkeit vom medizinischen Dienst attestiert? Der Staatsregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Eine Abfrage bei der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr zu Fallzahlen von Fume- and Smell-Events ergab folgendes Ergebnis: Fallzahlen Fume- and Smell-Events-Verletzte mit Wohnort im Bundesland Bayern Auswertung 2013 bis 08.07.2018 (BG Verkehr) Kriterium Fallzahlen gemeldete Unfälle mit einem Wohnort in Bayern 578 kein Versicherungsfall 61 verbleibende Unfälle 517 davon nicht meldepflichtig 420 davon meldepflichtig (Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen) 97 Methodische Hinweise: Die erste Meldung über Gesundheitsbeschwerden nach einem Fume- and Smell-Event erhält die BG Verkehr meist über die D-Ärzte (Durchgangsarzt ), gelegentlich auch über andere Ärzte. Aber auch von den Betroffenen selbst gehen Unfallanzeigen ein. Alle Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.10.2018 Drucksache 17/23637 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23637 diese Fälle werden fortlaufend bei der BG erfasst, und die Meldungen fließen in die Fallzahlen ein, auch dann, wenn nach einem Fume- and Smell-Event vorsorglich und ohne gesundheitliche Beschwerden eine Meldung erfolgt. Liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor, wird der Fall in der Regel als Arbeitsunfall anerkannt. Diese Anerkennung bezieht sich auf das Unfallereignis und die unmittelbar daraus resultierenden akuten Gesundheitsschäden, wie z. B. Übelkeit, Kopfschmerzen oder sonstige Reizerscheinungen. c) Welche Auswirkungen hat eine dauerhafte Flugunfähigkeit für die Betroffenen? Eine dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit schließt einen Einsatz an Bord von Flugzeugen aus. Nach Bescheinigung einer Flugdienstuntauglichkeit kann z. B. die Tätigkeit des Flugbegleiters für die Geltungsdauer der Bescheinigung nicht mehr ausgeübt werden. 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung die medizinische Versorgungssituation zur Akutdiagnostik nach Fume- and Smell-Events für betroffene Crewmitglieder und Passagiere? b) Wie ist die ärztliche Versorgung in Randzeiten geregelt ? 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung die medizinische Versorgungssituation von betroffenen Besatzungsmitgliedern bei chronischen Gesundheitsbeschwerden ? Eine ausreichende ärztliche Versorgung wird als gegeben angesehen, da in Bayern eine flächendeckende ambulante und stationäre Versorgung gegeben ist. 2. c) Ist ein Biomonitoring, wenn von Crewmitgliedern gewünscht, jederzeit möglich? Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung (BT- Drs. 18/11686) zu Frage 15 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 18/11385). 3. b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass Geruchsereignisse zwar als Arbeitsunfall anerkannt werden, aber nicht als Berufskrankheit, vor allem im Hinblick auf die medizinische, soziale und finanzielle Situation der Betroffenen? Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt. Arbeitsunfälle sind Unfälle, die Personen infolge ihrer versicherten Tätigkeit erleiden. In diesem Sinne kann bei einem objektivierten „Fume- Event“ und entsprechend dokumentierten Befunden bei davon Betroffenen ein Arbeitsunfall anerkannt werden. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge ihrer beruflichen Tätigkeit erleiden. Die Berufskrankheiten sind in der An lage 1 der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt. Der bloße Zusammenhang einer Erkrankung mit einer beruflichen Tätigkeit allein reicht nicht aus, um eine Krankheit als Berufskrankheit anerkennen zu können. Bei Krankheiten, die nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sind, gibt es in Einzelfällen die Möglichkeit, diese „wie eine Berufskrankheit“ anzuerkennen, wenn nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu berät ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Grundsätzlich muss es sich bei einer Erkrankung, die im Verdacht steht, berufsbedingt zu sein, um ein allgemein anerkanntes Krankheitsbild handeln. Dies ist bei dem zur Diskussion stehenden Symptomkomplex, der auch als aerotoxisches Syndrom oder „Sick-Aeroplane-Syndrom“ bezeichnet wird, nicht der Fall. Nach einem „Fume-Event“ klagen die Betroffenen z. B. über kognitive Einschränkungen, Kopfschmerzen, Herzrasen , Übelkeit und Schwindel. Derzeit gibt es keine wissenschaftlich anerkannte Ursache dieses Phänomens. Entsprechend gibt es aus dem Ärztlichen Sachverständigenbeirat im Hinblick auf gesundheitliche Schäden nach „Fume-Events“ keine Beratungen und keine entsprechenden Empfehlungen. Damit ist auch eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht möglich. 4. Sieht die Staatsregierung Defizite in der medizinischen Versorgung nach Fume- and Smell-Events? Siehe Antwort zu den Fragen 2 a, 2 b und 3 a. 5. Inwieweit hält die Staatsregierung eine unabhängige Erforschung der Vorfälle mit kontaminierter Kabinenluft in einem interdisziplinären Ansatz für notwendig? Die Zusammensetzung der Kabinenluft und die Untersuchung von deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus sind seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung. So stellte z. B. die Flugsicherheitsbehörde der Europäischen Union, die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), am 23.03.2017 ihren Abschlussbericht zu einer Studie über die Kabinenluftqualität in kommerziellen Großraumflugzeugen vor und kommt darin zu dem Ergebnis, dass es aktuell keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Kabinenluft und gesundheitlichen Problemen gibt. Die Staatsregierung hat keinen Anlass für Zweifel an der Unabhängigkeit dieser Untersuchung. 6. a) Inwieweit werden Passagiere bei entsprechenden Vorkommnissen an Bord über mögliche Gefährdungen aufgeklärt? Der Staatsregierung sind keine Fälle bekannt, in denen aufgrund solcher Vorkommnisse eine Aufklärung der Passagiere erforderlich gewesen wäre. b) Sieht die Staatsregierung ein allgemeines Aufklärungsdefizit im Zusammenhang mit Fume- and Smell-Events? c) Wenn ja, welche Maßnahmen will sie dahin gehend ergreifen? 7. Mit welchen Maßnahmen will die Staatsregierung dazu beitragen, die Situation von Betroffenen nachhaltig zu unterstützen und zu verbessern? Die EU-Flugsicherheitsbehörde EASA stellte am 23.03.2017 ihren Abschlussbericht zu einer Studie über die Kabinen- Drucksache 17/23637 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 luftqualität in kommerziellen Großraumflugzeugen vor und kommt darin zu dem Ergebnis, dass es aktuell keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Kabinenluft und gesundheitlichen Problemen gibt. Vielmehr war die Luftqualität der Messflüge vergleichbar mit der in normalen Innenräumen wie Klassenzimmern oder Büros. Zu diesem Ergebnis waren bereits schon frühere Messreihen gekommen. Maßnahmen erscheinen insoweit nicht veranlasst. Auch ist der Staatsregierung kein allgemeines Aufklärungsdefizit bekannt , das entsprechende Maßnahmen erfordern würde.