Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 02.08.2018 Häufigkeit und Anstieg von Krebserkrankungen in baye rischen Justizvollzugsanstalten (JVA) Am 28.04.2018 gab es einen Pressebericht zum Thema „Strahlenangst in der JVA Straubing“ im Straubinger Tagblatt und in ähnlicher, elektronischer Form auf idowa.de. Darin ist zu lesen, dass in der JVA Straubing im Zeitraum zwischen 2012 und 2017 ein drastischer Anstieg von Krebserkrankungen verzeichnet wurde. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Trifft es zu, dass zwischen 2012 und 2017 mindestens 13 Krebserkrankungen bei Beamtinnen und Beamten der Justizvollzugsanstalt Straubing festgestellt wurden ? b) Trifft es zu, dass bis Ende März 2018 bereits vier der Erkrankten verstorben sind? 2. a) Wie hoch war im Zeitraum von 2010 bis 2018 die Zahl der langzeiterkrankten Beamtinnen und Beamten in allen bayerischen Justizvollzugsanstalten (aufgeschlüsselt nach Standort und Jahr)? b) Wie viele davon sind an Krebs erkrankt? 3. Wann wurde in den bayerischen Justizvollzugsanstalten jeweils der Terrestrial-Trunked-Radio(TETRA)- Funk eingeführt (aufgeschlüsselt nach Standort und Einführungsjahr)? 4. Wie viele Geräte (TETRA-Funk) sind in den einzelnen Justizvollzugsanstalten maximal im Einsatz (aufgeschlüsselt nach Standort, Geräteanzahl und Jahr)? 5. a) Welche Möglichkeiten gibt es, die vorhandenen TETRA- Funkgeräte zu ersetzen? b) Ist ein schonender Einsatz der vorhandenen TETRA- Funkgeräte mit geringerer Strahlenbelastung für die Beamtinnen und Beamten möglich? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 30.08.2018 1. a) Trifft es zu, dass zwischen 2012 und 2017 mindes tens 13 Krebserkrankungen bei Beamtinnen und Beamten der Justizvollzugsanstalt Straubing fest gestellt wurden? b) Trifft es zu, dass bis Ende März 2018 bereits vier der Erkrankten verstorben sind? Zu den Fragen können keine verifizierten Aussagen getroffen werden. Krankenmeldungen von Bediensteten enthalten grundsätzlich keine Angaben über die Art und Ausprägung der zugrunde liegenden Erkrankungen. Der Dienstherr ist regelmäßig nicht befugt, derartige Informationen einzufordern , der betroffene Mitarbeiter ist zur Offenlegung nicht verpflichtet. 2. a) Wie hoch war im Zeitraum von 2010 bis 2018 die Zahl der langzeiterkrankten Beamtinnen und Be amten in allen bayerischen Justizvollzugsanstal ten (aufgeschlüsselt nach Standort und Jahr)? Zunächst wird darauf hingewiesen, dass hier als langzeiterkrankte Personen solche Bediensteten verstanden werden , die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren und bei denen deshalb nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ein betriebliches Eingliederungsmanagement erforderlich ist. Dabei sind neben den Beamtinnen und Beamten auch die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der jeweiligen Justizvollzugsanstalten umfasst. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.11.2018 Drucksache 17/23665 Bayerischer Landtag Tabelle zu Frage 2 a Justizvollzugsanstalt: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 – 1. Halbjahr Aichach o. A. o. A. o. A. 36 30 26 32 32 14 Amberg 21 29 35 25 30 37 27 37 27 Ansbach 2 3 4 0 1 2 3 5 5 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23665 Justizvollzugsanstalt: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 – 1. Halbjahr Aschaffenburg 4 5 4 6 4 6 9 5 0 Augsburg-Gablingen 19 10 17 24 16 21 25 35 18 Bad Reichenhall 1 2 0 1 2 3 1 2 2 Bamberg 7 8 6 13 12 12 13 17 7 St. Georgen-Bayreuth 16 17 15 26 32 38 53 49 27 Bernau 15 10 12 12 12 18 27 24 12 Ebrach 17 22 13 15 16 22 29 18 20 Eichstätt 1 3 4 3 2 4 5 4 4 Erding 3 5 2 2 2 4 4 5 1 Erlangen 0 6 3 3 2 4 6 3 4 Garmisch 3 3 2 4 4 3 2 4 3 Hof 8 8 8 12 14 11 6 4 7 Ingolstadt 0 1 0 1 1 0 0 2 3 Kaisheim o. A. o. A. o. A. 21 17 31 29 36 30 Kempten 13 9 9 11 11 7 11 4 13 Kronach 6 7 9 8 4 9 8 5 8 Landsberg 15 19 17 24 18 16 21 37 25 Landshut o. A. 12 15 29 26 30 23 21 10 Laufen-Lebenau 15 20 19 18 20 10 15 14 13 Memmingen 7 10 7 3 5 7 3 5 12 Mühldorf a. Inn 3 4 3 2 5 4 3 3 0 München 68 70 70 113 115 131 130 138 73 Neuburg a. d. Donau 0 1 1 2 4 2 2 2 2 Neuburg-Herrenwörth 4 7 8 9 6 12 12 9 11 Niederschönenfeld 14 19 26 13 13 12 13 13 8 Nürnberg 56 59 50 56 41 45 47 71 24 Passau 1 1 1 5 4 7 2 3 3 Regensburg o. A. o. A. o. A. 24 15 18 23 24 17 Schweinfurt 1 2 2 5 2 4 6 4 2 Straubing 35 37 45 42 45 53 68 71 35 Traunstein 5 6 3 4 1 2 9 8 5 Weiden i. OPf. 3 6 8 7 12 5 8 9 3 Drucksache 17/23665 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Justizvollzugsanstalt: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 – 1. Halbjahr Würzburg 20 26 26 31 37 39 44 25 12 Summen 383 447 444 610 581 655 719 748 460 o. A.: keine Daten vorhanden Tabelle zu Frage 4 Justizvollzugsanstalt: Anzahl der eingesetzten Personen-Notsignal-Geräte nach TETRA-Standard 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 – 1. Halbjahr Aichach 204 204 Ansbach 41 41 Aschaffenburg 15 15 15 15 15 15 25 25 Augsburg-Gablingen 250 310 310 310 Bernau 9 9 9 9 40 60 60 133 133 133 Erlangen 54 54 54 54 Memmingen 67 67 67 67 67 67 67 67 67 In den Justizvollzugsanstalten Aichach, Kaisheim, Landshut und Regensburg wurden bisher keine statistischen Aufzeichnungen über die Anzahl der langzeiterkrankten Bediensteten geführt. Aufgrund der turnusmäßigen Löschung dieser personenbezogenen Daten ist eine automatisierte Auswertung für den Zeitraum vor 2013 nun nicht mehr möglich . b) Wie viele davon sind an Krebs erkrankt? Auf die Antwort zu den Fragen 1 a und 1 b wird Bezug genommen . 3. Wann wurde in den bayerischen Justizvoll zugsanstalten jeweils der TerrestrialTrunked Radio(TETRA)Funk eingeführt (aufgeschlüsselt nach Standort und Einführungsjahr)? Derzeit sind in 13 bayerischen Justizvollzugsanstalten Personen -Notsignal-Anlagen nach TETRA-Standard (Terrestrial Trunked Radio-Standard) installiert. Justizvollzugsanstalt: Betrieb einer Personen-Notsignal- Anlage nach TETRA-Standard Aichach seit 2017 Ansbach seit 2017 Aschaffenburg seit 2011 Augsburg-Gablingen seit 2015 Justizvollzugsanstalt: Betrieb einer Personen-Notsignal- Anlage nach TETRA-Standard Bernau seit 2009 Erlangen seit 2015 Memmingen seit 2010 München Hauptanstalt Frauenanstalt seit 2014 seit 2009 Nürnberg seit 2013 Passau seit 2014 Regensburg seit 2016 Straubing seit 2013 Würzburg seit 2015 Hinsichtlich der Zahl der eingesetzten Geräte wird auf die Antwort zu Frage 4 Bezug genommen. 4. Wie viele Geräte (TETRAFunk) sind in den einzel nen Justizvollzugsanstalten maximal im Einsatz (aufgeschlüsselt nach Standort, Geräteanzahl und Jahr)? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23665 Justizvollzugsanstalt: Anzahl der eingesetzten Personen-Notsignal-Geräte nach TETRA-Standard 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 – 1. Halbjahr München Hauptanstalt Frauenanstalt 374 374 390 390 390 47 60 60 60 60 60 75 75 75 75 Nürnberg 488 488 488 488 490 500 Passau 30 30 30 30 30 Regensburg 140 140 140 Straubing 640 640 660 660 670 670 Würzburg 236 236 236 242 1 http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/wirkung/wirkung_node.html (zuletzt abgerufen am 22.08.2018). 5. a) Welche Möglichkeiten gibt es, die vorhandenen TETRAFunkgeräte zu ersetzen? Mit den Personen-Notsignal-Anlagen wird für die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten eine zusätzliche Alarmierungsmöglichkeit im Notfall geschaffen und so eine erhebliche Verbesserung der persönlichen Sicherheit erreicht. Sowohl willensabhängig als auch willensunabhängig kann ein Alarm ausgelöst werden, dieser einer konkreten Person oder einem konkreten Dienstposten zugeordnet, die Position des Alarmierenden geortet und können weitgehend automatisiert Hilfskräfte gerufen werden. Das Wissen um diese weitere Alarmierungsmöglichkeit trägt im täglichen Einsatz auch zu einer deutlichen Stärkung des eigenen Sicherheitsgefühls und damit zu einer psychischen Entlastung der Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten bei. Einen ähnlich hohen Sicherheitsstandard wie Personen- Notsignal-Anlagen nach TETRA-Standard erreichen auch Systeme, die auf DECT-Standard (Digital-Enhanced-Cordless -Telecommunications-Standard) basieren. Die im Pflichtenheft zur Ausschreibung einer Personen-Notsignal-Anlage für die hoch gesicherte Justizvollzugsanstalt Straubing genannten Anforderungen konnten Anlagen nach DECT- Standard aber aus technischen Gründen nicht erfüllen. Die Erweiterung einer DMR-Anlage (Digital Mobile Radio) zur Personen-Notsignal-Anlage, die bis zum Sommer 2018 in der Justizvollzugsanstalt Ebrach pilotiert wurde, erwies sich als unzureichend für die Anforderungen des Justizvollzugs und steht als Alternative daher nicht zur Verfügung. b) Ist ein schonender Einsatz der vorhandenen TETRA Funkgeräte mit geringerer Strahlenbelastung für die Beamtinnen und Beamten möglich? Eine Reduzierung der Strahlungsintensität könnte lediglich erreicht werden, indem der über die Personen-Notsignal- Anlage abgedeckte Bereich mit noch mehr Antennen ausgestattet würde. Die einzelnen Personen-Notsignal-Geräte nutzen nämlich jeweils nur die Leistung, die tatsächlich benötigt wird. Dabei ist weniger Leistung, d. h. auch weniger Strahlung, notwendig, je kürzer der Abstand zur nächsten Antenne ist. Die in den Justizvollzugsanstalten eingesetzten TETRA- Funkgeräte entsprechen jedoch bereits jetzt in jeder Hinsicht den gesetzlich vorgegebenen Standards und halten die festgesetzten Grenzwerte zur Strahlenbelastung stets ein. Mit dem Hauptpersonalrat beim Staatsministerium der Justiz wurde am 29.08.2013 eine Rahmendienstvereinbarung über die Einführung und den Einsatz der Personen- Notsignal-Anlagen im Justizvollzug abgeschlossen. Ebenso wie die Belegschaft der Justizvollzugsanstalt Straubing begrüßten die Bediensteten in den übrigen bayerischen Justizvollzugsanstalten weit mehrheitlich den Einsatz dieses zusätzlichen Sicherungssystems. Aufgrund der über die verwendeten TETRA-Systeme vorliegenden Erkenntnisse ist ein noch schonenderer, d. h. strahlungsärmerer Einsatz der Funkgeräte daher nicht veranlasst. Grundsätzlich werden bei allen Funkanwendungen elektromagnetische Wellen übertragen, die zu elektromagnetischer Strahlung führen. Generell kann angenommen werden, dass mit der Höhe der genutzten Frequenz zwar auch die Sendeleistung ansteigt, gleichzeitig aber auch die Strahlenbelastung. Allgemein genutzte Mobilfunknetze wie GSM (Global System for Mobile Communications – 890 bzw. 1.880 Megahertz – MHz) und LTE (Long Term Evolution – bis zu 2.600 MHz), WLAN-Netze (Wireless Local Area Network – 2.400 bis 5.350 MHz) und DECT-Systeme (1.880 bis 1.900 MHz) funken dabei in weit höheren Frequenzen als TETRA-Systeme (380 bis 430 MHz). Laut Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz werden „hochfrequente elektromagnetische Felder vom Körper aufgenommen („absorbiert“) und können dort unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Eindeutig nachgewiesen und physikalisch definiert sind Kraftwirkungen bzw. die Wärmewirkung hochfrequenter Felder“. Weiter wird dort ausgeführt, dass die Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms „sowie weiterer aktueller nationaler und internationaler Studien (…) gesundheitsrelevante Wirkungen unterhalb der Grenzwerte nicht bestätigen“ konnten.1 Um gesundheitsschädliche Auswirkungen auszuschließen , wurden in der Europäischen Funkanlagen Richtlinie (RED 2014/53/EU) Grenzwerte für die spezifischen Absorptionsraten (SAR) von 2 Watt/kg für die Allgemeinbevölkerung und 10 Watt/kg im beruflichen Umgang festgelegt. Laut Auskunft des Herstellers der in den bayerischen Justizvollzugsanlagen betriebenen TETRA Personen-Notsignal-Anla- Drucksache 17/23665 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 gen unterschreiten die genutzten Funkgeräte diese Grenzwerte deutlich und liegen sogar bei einer Nutzung direkt am Körper (0 mm Abstand zum Körper) unter den für die Allgemeinbevölkerung geltenden Grenzwerten. Der umfangreiche Ausbau der Personen-Notsignal-Anlage der Justizvollzugsanstalt Straubing wurde durch die Bundesnetzagentur genehmigt. Ein Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder war nicht erforderlich , da die Sendeleistung der Anlage bei maximal 5 Watt liegt und eine Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur erst bei einer Sendeleistung von 10 Watt erforderlich wird (§ 4 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder). Im Frühjahr 2012 wurde eine Prüfung der Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für hochfrequente Strahlung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Straubing vorgenommen . Im Auftrag des Staatlichen Bauamts Landshut führte eine akkreditierte Prüffirma Messungen zu den elektromagnetischen Immissionen der Personen-Notsignal-Anlage durch. In ihrem Prüfbericht kommt die Firma zu dem Ergebnis , dass in der Justizvollzugsanstalt Straubing die Belastung der Bediensteten und Gefangenen durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder im Hochfrequenzbereich mit einer Ausschöpfung der Grenzwerte nach der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes von durchschnittlich 0,1 Prozent als sehr gering anzusehen ist. Das Ergebnis des Prüfberichts wurde dem gesamten Personal der Justizvollzugsanstalt mitgeteilt. Auf Verlangen können die Bediensteten jederzeit Einsicht in den Prüfbericht nehmen. Ergänzend wird auf die Ausführungen hinsichtlich des Beschlusses des Landtags vom 16.07.2013 betreffend den Antrag der SPD-Fraktion zu Personen-Notsignal-Anlagen in bayerischen Justizvollzugsanstalten (Drs. 16/17942) und die hierauf ergangenen Berichte des Staatsministeriums der Justiz, insbesondere denjenigen vom 15.10.2013, sowie auf die Antwort zur Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller (SPD) vom 16.04.2014 betreffend die Gesundheitsfürsorge in der Justizvollzugsanstalt Straubing Bezug genommen.