Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Inge Aures SPD vom 09.04.2014 Aufklärung der Verhaftung von Herrn S. durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Landshut Herr S. wurde am 31.12.2013 um 7:51 Uhr durch die Polizeibeamten W. und S. auf dem Privatgelände der Firma „Buchbinder“ in Landshut verhaftet; dies soll auf Antrag des Polizeibeamten K. von der Verkehrspolizeiinspektion Freising geschehen sein. Hintergrund der Festnahme ist, dass Herr S. tags zuvor, am 30.12.2013, einen Verkehrsunfall auf der A 9 Höhe Allershausen hatte, bei dem ein PKW auf das Fahrzeug des Herrn S. auffuhr. Herr S. trug laut Unfallbericht keine Schuld an diesem Unfall. Herr S. zeigte sich laut eigener Aussage kooperativ bei der Kontrolle durch die Beamten W. und S. Dennoch wurde Herr S. mit der Begründung der „Eigensicherung“ zwangsweise körperlich untersucht; weiterhin wurden die Daten seiner Mastercard und der Geldbetrag seiner Geldbörse kontrolliert, mit Hinweis des Beamten W., er müsse sich vergewissern , dass darin „keine Rasierklinge versteckt“ sei. Um 8:20 Uhr wurde Herr S. zur Wache gebracht, wo ihm weder ein Tatvorwurf gemacht noch ein begründeter Tatverdacht geäußert wurde. Vom Polizeibeamten W. erfuhr Herr S. lediglich, dass ein Staatsanwalt die Verhaftung angeordnet hätte und Herr S. am 01.01.2014 dem Haftrichter vorgeführt werden solle. Auf der Polizeiinspektion wurden Herrn S. schließlich Geld, Wertsachen, ein Ordner mit persönlichen Unterlagen, Jacke und Schuhe abgenommen. Um 12:30 Uhr kam der Beamte W. zusammen mit weiteren Beamten in Herrn S. Zelle und forderte Geld von Herrn S., damit er ihn rauslassen würde. Von einem Haftbefehl o. Ä. war laut Aussage des Herrn S. keine Rede mehr. Mit Hinweis, dass die Verhaftung rechtswidrig sei und er nichts getan habe, forderte Herr S. die unverzügliche Freilassung. Herr S. erhielt bei seiner Entlassung eine Niederschrift, nach der er angeblich 900,- Euro Sicherheitsleistung für ein zu erwartendes Strafverfahren freiwillig hinterlegt hätte, was Herr S. bestreitet getan zu haben. Dieser Beschlagnahme hat Herr S. nicht zugestimmt und die Einwilligung unter Punkt c der Niederschrift, „Einer eventuellen Einstellung des Verfahrens nach §153 a StPO stimme ich nicht zu“, hat Herr S. nicht gegeben. Von Herrn S. und dessen Anwalt wird diese Urkunde daher als Fälschung durch Polizeibeamte der PI Landshut gewertet. Um 12:31 Uhr wurde Herrn S. Geldbörse mit einem Restbetrag von 157,12 Euro sowie seine Bankkarten an ihn übergeben. Wegen der Vorfälle am 31.12.2013 zwischen 7:51 Uhr und 12:31 Uhr wirft Herr S. den Beamten W. und S. und der PI Landshut die Ausspähung von Daten, Freiheitsberaubung, schweren Raub, Urkundenfälschung, sexuelle Nötigung und die Verfolgung Unschuldiger vor. Um den Kontext des Vorgangs zu verstehen, sind weitere Hintergründe zu Herrn S. zu schildern. Herr S. verbüßte eine 4-jährige Haftstrafe wegen Einbrüchen. Nach Verbüßung der Haftstrafe 2012 legte Herr S. seine Erfahrungen aus der Haftzeit in einem Buch mit dem Titel „Idioten rundum – Erfahrungsbericht aus dem Bayerischen Justizvollzug“ dar. Infolgedessen wurde Herr S. mehrfach willkürlich verhaftet. So am 05.06.2012 am Flughafen München (die Rechtswidrigkeit der Verhaftung wurde mit Beschluss des AG Landshut vom 02.01.2013 festgestellt), sowie am 11.08.2013, als er von einer Zivilstreife aufgrund eines Haftbefehls über drei Monate wegen angeblicher Körperverletzung verhaftet wurde. Da Herr S. tschechischer Staatsbürger ist und die Tat auf tschechischem Staatsgebiet an einer tschechischen Staatsbürgerin verübt worden sein soll, bestand laut Herrn S. Aussage für ihn kein Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund Herrn S. öffentlicher Meinungsäußerung über das bayerische Justizvollzugssystem sowie weiterer Vorgänge und Verhaftungen steht der Verdacht im Raum, dass Herr S. unter Druck gesetzt werden soll. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Hat die Bayerische Staatsregierung Kenntnis über die Vorgänge der Verhaftung von Herrn S. am 31.12.2013? 1.2 Womit wird die Verhaftung von Herrn S. am 31.12.2013 begründet? 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Verhaftung sowie die Vorgänge auf der PI Landshut am 31.12.2013? 2.2 Wie bewertet die Staatsregierung das Verhalten der Polizeibeamten W. und S. bei der Verhaftung und auf der PI Landshut? 2.3 Ist die Staatsregierung der Meinung, dass die Verhaftung legitim gewesen ist und die Verhaftung und Behandlung auf der Polizeiinspektion Landshut nach Vorschrift gelaufen ist? 3.1 Gab oder gibt es formelle Anweisungen zur Verhaftung des Herrn S. von höheren Stellen (Vorgesetzten der Polizeiinspektionen, Dienststellen, Polizeipräsidien, Ministerium, Justiz)? 3.2 Gab oder gibt es informelle Anweisungen zur Verhaftung des Herrn S. von höheren Stellen (Vorgesetzten der Polizeiinspektionen, Dienststellen, Polizeipräsidien , Ministerium, Justiz)? 3.3 Gibt es formelle oder informelle Anweisungen verschiedener Stellen (Polizei, Ministerium, Justiz), Herrn S. auf unterschiedliche Weisen unter Druck zu setzen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.07.2014 17/2367 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2367 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.06.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Soweit die Schriftliche Anfrage „öffentliche Meinungsäußerungen “ des Herrn S. „über das bayerische Justizvollzugssystem “, insbesondere in einem von ihm verfassten Buch erwähnt, ist zunächst festzuhalten, dass Herr S. in diesem Zusammenhang rechtskräftig wegen zweier Fälle der Verleumdung , davon jeweils in drei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Das Landgericht Landshut hatte insoweit mit Urteil vom 1. Oktober 2013 die auch von Herrn S. gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 3. April 2013 eingelegte Berufung mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die durch das Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe von zehn auf acht Monate reduziert wurde. Die hiergegen gerichtete Revision des Herrn S. wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Februar 2014 als unbegründet verworfen. Der Bayerische Landtag hat zuletzt mit Beschluss des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden vom 26. November 2013 (EB.2433.16) die Eingabe des Herrn S. vom 5. Mai 2013 zu angeblichen Missständen in der Justizvollzugsanstalt Landshut aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung vom 18. Juli 2013 gemäß § 80 Nr. 4 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags einstimmig für erledigt erklärt und durch das Landtagsamt unter dem 9. Dezember 2013 Herrn S. mitgeteilt, dass nach durchgeführter Überprüfung die erhobenen Vorwürfe unbegründet sind. 1.1 Hat die Bayerische Staatsregierung Kenntnis über die Vorgänge der Verhaftung von Herrn S. am 31.12.2013? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat für die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage das örtlich zuständige Polizeipräsidium Niederbayern um Stellungnahme gebeten und dadurch am 25. April 2014 Kenntnis vom Sachverhalt erlangt. Der Generalstaatsanwalt in München hat auf Anforderung anlässlich der vorliegenden Schriftlichen Anfrage unter Einbindung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Landshut am 5. Mai 2014 an das Staatsministerium der Justiz berichtet. 1.2 Womit wird die Verhaftung von Herrn S. am 31.12.2013 begründet? Die vorläufige Festnahme wurde auf Antrag des Herrn S. gerichtlich überprüft und mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 20. März 2014, Gz. I Gs 16/14, deren Rechtswidrigkeit festgestellt. Zur Begründung des Feststellungsantrags führt das Gericht aus: „Nach den eingeholten Stellungnahmen der eingesetzten Polizeibeamten stützte sich die vorläufige Festnahme des Beschuldigten auf eine (vermeintliche?) Festnahme- anordnung des Jour-Staatsanwalts. Der Beschuldigte sei auf Ersuchen der VPI Freising am Morgen des 31.12.2013 in 84034 Landshut, Altdorfer Straße 1, als Beschuldigter zum Tatvorwurf eines Verdachtes eines Vergehens des Betruges gegenüber Sozialversicherungen vernommen worden. Nach Eröffnung des Tatvorwurfs und Belehrung habe der Beschuldigte stark abweisend reagiert und den Sachverhalt ins Lächerliche gezogen. Auch habe er verweigert, vollständige Angaben zu seiner Wohnanschrift zu machen bzw. die Angabe seiner vollständigen Personalien verweigert. Nach Rücksprache mit der sachbearbeitenden Dienststelle (VPI Freising) und deren Rücksprache mit dem Jour-Staatsanwalt habe dieser die vorläufige Festnahme des Beschuldigten angeordnet. Der Beschuldigte solle zur weiteren Abklärung auf die Polizeiinspektion Landshut verbracht werden und die Staatsanwaltschaft würde sich nochmals melden, wie weiter zu verfahren sei. Daraufhin sei dem Beschuldigten die vorläufige Festnahme erklärt und dieser zur Dienststelle verbracht worden. Dieser Sachverhaltsschilderung widerspricht die dienstliche Stellungnahme des Jour-Staatsanwalts. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, ob er am Telefon tatsächlich ausdrücklich die vorläufige Festnahme angeordnet habe. Er habe den Beamten nach seiner Erinnerung mitgeteilt, dass er sich die Sache kurz überlegen möchte und die Beamten den Beschuldigten „erst mal da behalten sollen“. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschuldigte jedoch bereits auf der Inspektion befunden. Im Raum gestanden hätten zu diesem Zeitpunkt definitiv auch die nunmehr zur Anzeige gebrachten Delikte, insbesondere auch der Beleidigung (Anmerkung des unterzeichnenden Richters: welche schon nach den Stellungnahmen der eingesetzten Polizeibeamten erst nach der vorläufigen Festnahme des Beschuldigten erfolgten ). Die Stellungnahme des Staatsanwalts steht auch in Einklang mit dessen handschriftlichen Aufzeichnungen über den Bereitschaftsdienst, aus welchen sich ebenfalls ergibt, dass schon beim ersten Telefonat von einer bereits erfolgten Festnahme durch die PI Landshut gesprochen worden sei. Im Ergebnis stützen damit die eingesetzten Polizeibeamten die vorläufige Festnahme und Verbringung auf die Dienststelle auf eine Festnahmeanordnung des Staatsanwalts . Dieser aber beruft sich seinerseits darauf, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt seiner Verständigung bereits zur Dienststelle verbracht (also vorläufig festgenommen) worden war. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Situation einem Missverständnis in der Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden geschuldet ist. Jedenfalls kann dies nicht zulasten des Beschuldigten gehen. Auf seinen Antrag war daher die Rechtswidrigkeit der Festnahme festzustellen .“ Ergänzend hat der Leitende Oberstaatsanwalt in Landshut mitgeteilt, dass Herr S. aus der vorläufigen Festnahme nach Anordnung einer Sicherheitsleistung entlassen worden sei. Ausweislich der Akten habe er sich am 31. Dezember 2013 von 8:00 Uhr bis 9:07 Uhr, ausweislich seiner eigenen Angaben von 7:51 Uhr bis 12:31 Uhr, in Gewahrsam befunden . 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Verhaftung sowie die Vorgänge auf der PI Landshut am 31.12.2013? Die vorläufige Festnahme war Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung (vgl. Antwort zu Frage 1.2). Wegen der verfassungsrechtlich gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit ist es der Staatsregierung verwehrt, gerichtliche Verfahren zu überprüfen oder gerichtliche Entscheidungen zu bewerten. Die Gerichte sind nach Art. 97 Abs. 1 GG und Drucksache 17/2367 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nach Art. 85 BV unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen . Ihre Entscheidungen können nur im ordentlichen Rechtsmittelweg angefochten werden. 2.2 Wie bewertet die Staatsregierung das Verhalten der Polizeibeamten W. und S. bei der Verhaftung und auf der PI Landshut? Herr S. hat im Hinblick auf den Vorfall am 31. Dezember 2013 mit Schreiben vom 2. Januar 2014 an die Generalstaatsanwaltschaft in München Strafantrag gegen die beiden beteiligten Polizeibeamten wegen des Vorwurfs der Ausspähung von Daten, der Freiheitsberaubung, des schweren Raubes, der Urkundenfälschung, der sexuellen Nötigung sowie der Verfolgung Unschuldiger gestellt. Das daraufhin von der Staatsanwaltschaft Landshut eingeleitete Ermittlungsverfahren dauert derzeit noch an. Der weitere Fortgang der Ermittlungen bleibt daher zunächst abzuwarten. 2.3 Ist die Staatsregierung der Meinung, dass die Verhaftung legitim gewesen ist und die Verhaftung und Behandlung auf der Polizeiinspektion Landshut nach Vorschrift gelaufen ist? Auf die Antworten zu den Fragen 1.2, 2.1 und 2.2 wird Bezug genommen. 3.1 Gab oder gibt es formelle Anweisungen zur Verhaftung des Herrn S. von höheren Stellen (Vorgesetzten der Polizeiinspektionen, Dienststellen, Polizeipräsidien , Ministerium, Justiz)? Sowohl für den Polizeibereich als auch für den Bereich der Justiz wird die Frage mit Nein beantwortet. 3.2 Gab oder gibt es informelle Anweisungen zur Verhaftung des Herrn S. von höheren Stellen (Vorgesetzten der Polizeiinspektionen, Dienststellen, Polizeipräsidien , Ministerium, Justiz)? Weder von vorgesetzten Polizeidienststellen noch aus dem Bereich der Justiz gab oder gibt es solche. 3.3 Gibt es formelle oder informelle Anweisungen verschiedener Stellen (Polizei, Ministerium, Justiz), Herrn S. auf unterschiedliche Weisen unter Druck zu setzen? Derartige Anweisungen gab und gibt es nicht.