Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.04.2014 Gleichstellung von Frauen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Seit mehreren Jahren ist der Anteil der Frauen, die das erste und zweite juristische Staatsexamen erwerben, in etwa gleich hoch wie der Anteil der Männer. An den juristischen Fakultäten ist der Anteil der Professorinnen dennoch äußerst gering. Selbst in den Naturwissenschaften ist der Anteil der Frauen in der Professorenschaft häufig höher. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. Wie hoch ist der Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten in Bayern (unterschieden nach Besoldung) und a) wie stellt sich dieser Anteil zu anderen Kennzahlen zur Gleichstellung von Frauen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten in Bayern dar – etwa dem Anteil der Studentinnen, Absolventinnen, weiblichen Promovierten? 2. Worin werden die Gründe für den geringen Anteil von Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten gesehen? 3. Wie laufen Berufungsverfahren an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten ab, insbesondere welche Organe wirken bei den Berufungsverfahren mit und wie hoch ist der Frauenanteil in diesen Organen? 4. Welche Rolle spielen Gleichstellungsbeauftragte bei Berufungsverfahren an den Universitäten und auf welche Weise können sie Einfluss auf die Verfahren nehmen? 5. Wie hoch ist derzeit der Anteil von Professorinnen in anderen Disziplinen bzw. Fakultäten in Bayern? 6. Welche Gründe gibt es dafür, dass der Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten im Vergleich zu dem Anteil der Professorinnen in anderen Disziplinen bzw. Fakultäten besonders gering ist? 7. Welche Maßnahmen werden zur Erhöhung des Anteils der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten von diesen bereits umgesetzt? 8. Welche Maßnahmen plant sie darüber hinaus, um den Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten zu erhöhen? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 16.06.2014 1. Wie hoch ist der Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten in Bayern (unterschieden nach Besoldung) und a) wie stellt sich dieser Anteil zu anderen Kennzahlen zur Gleichstellung von Frauen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten in Bayern dar – etwa dem Anteil der Studentinnen, Absolventinnen, weiblichen Promovierten? Eine Gliederung nach Fakultäten wird in der amtlichen Hochschulstatistik nicht vorgenommen. Im Folgenden werden daher für die fachliche Gliederung der statistischen Angaben die Lehr- und Forschungsbereiche (organisatorische Zugehörigkeit) für das Hochschulpersonal sowie die Studienbereiche für Studierende und Abschlüsse verwendet . Im Jahr 2012 waren im Lehr- und Forschungsbereich Rechtswissenschaften an den staatlichen Universitäten in Bayern insgesamt 14 Professorinnen und 141 Professoren zu verzeichnen. Das entspricht einem Frauenanteil von 9,0 %. Die Frauenanteile in Rechtswissenschaften an den einzelnen Universitäten sind der folgenden Tabelle zu entnehmen . Hochschule Professorinnen Professoren Anteil Professo- rinnen U Augsburg 1 20 4,8% U Bayreuth 1 19 5,0% U Erlangen-Nürnberg 0 20 0,0% U München 3 29 9,4% U Passau 2 17 10,5% U Regensburg 2 16 11,1% U Würzburg 5 20 20,0% Gesamt 14 141 9,0% Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung , Personalbestand an den Hochschulen in Bayern 2012 (Statistische Berichte B III 4-1 j ), Stand: 1. Dezember 2012; eigene Berechnungen Gegliedert nach Besoldungsgruppen lag der Frauenanteil bei W3/C4-Professuren bei 8,1 % und bei W2/C3-Professuren bei 16,7 %. Juniorprofessorinnen waren im Jahr 2012 nicht zu verzeichnen. Angaben für einzelne Hochschulen sind aus statistikrechtlichen Gründen nicht möglich. Bezüglich des Frauenanteils bei Juniorprofessuren ist zu beachten, dass in den Rechtswissenschaften die Habilitation verbreitet ist. Bei den abgeschlossenen Habilitationen lag der Frauenanteil im Jahr 2012 bei 30,8 %. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2369 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2369 Die Frauenanteile im Studienbereich Rechtswissenschaften an den einzelnen Universitäten bei Studierenden und Abschlüssen sind in der folgenden Tabelle angegeben. Hochschule Studierende Abschlüs- se o. Promo- tionen Promotionen WS 2012/13 WS 2013/14 Prüfungsjahr 2012 U Augsburg 58,4% 58,1% 61,0% 13,3% U Bayreuth 48,4% 47,1% 51,0% 21,1% U Erlangen-Nürnberg 62,1% 60,7% 63,4% 36,8% U München 59,2% 60,2% 62,2% 43,1% U Passau 55,7% 56,3% 55,0% 38,7% U Regensburg 58,5% 59,0% 62,0% 47,2% U Würzburg 54,8% 56,1% 55,1% 41,2% Gesamt 57,1% 57,3% 59,2% 36,0% Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung/ CEUS; eigene Berechnungen 2. Worin werden die Gründe für den geringen Anteil von Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten gesehen? Im Gegensatz zu vielen anderen geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es in der Rechtswissenschaft gerade für diejenigen hoch qualifizierten Absolventinnen, die für eine wissenschaftliche Karriere infrage kommen, eine Reihe von attraktiven Karriereoptionen: Die Hochschulen stehen im Wettbewerb mit großen Kanzleien, Notariaten, der Wirtschaft , der Justiz sowie Verwaltungsbehörden in Europa, dem Bund, den Ländern bis hin zur Kommunalverwaltung. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ziehen hoch qualifizierte Juristinnen nicht selten den Staatsdienst und damit eine örtlich eingegrenzte, gut planbare Karriere dem langen Ausbildungsweg an der Hochschule mit Promotion, Auslandserfahrung, Habilitation und Dozententätigkeit – meist verbunden mit hoher örtlicher Flexibilität und unwägbarem Berufungserfolg – vor. 3. Wie laufen Berufungsverfahren an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten ab, insbesondere welche Organe wirken bei den Berufungsverfahren mit und wie hoch ist der Frauenanteil in diesen Organen? Berufungsverfahren an rechtswissenschaftlichen Fakul- täten unterliegen – wie alle Berufungsverfahren – den Vorschriften des Art. 18 BayHSchPG. Beteiligte Gremien sind der Berufungsausschuss, der Fakultätsrat, der Senat und die Universitätsleitung. Der Frauenanteil in den Hochschulgremien variiert je nach Gremium und Hochschule. In der Regel sind in allen Gremien Frauen vertreten. Im Hinblick auf die für die Aufstellung der Berufungsvorschläge zuständigen Berufungsausschüsse ist festzustellen, dass alle bayerischen Universitäten darauf hinwirken, Professorinnen in dieses Gremium zu bestellen. Teilweise ist in Berufungsleitfäden der Universitäten verankert, dass neben den Gleichstellungsbeauftragten mindestens zwei Professorinnen dem Berufungsausschuss angehören sollen . Darüber hinaus sehen beispielsweise die Berufungsleitfäden der Universität Bayreuth und der Universität ErlangenNürnberg vor, dass in der Bewerbungsphase fachlich qualifizierte Wissenschaftlerinnen gezielt angesprochen werden sollen. 4. Welche Rolle spielen Gleichstellungsbeauftragte bei Berufungsverfahren an den Universitäten und auf welche Weise können sie Einfluss auf die Verfahren nehmen? Die Frauenbeauftragten gehören nach dem Bayerischen Hochschulpersonalgesetz dem Berufungsausschuss an (Art. 18 Abs. 4 Satz 1 BayHSchPG). Dieser wird vom Fakultätsrat im Einvernehmen mit der Hochschulleitung gebildet und bereitet den Berufungsvorschlag vor. Im Berufungsausschuss verfügen Professorinnen und Professoren über die Stimmenmehrheit. Die jeweilige Frauenbeauftragte ist stimmberechtigt. Der Berufungsvorschlag, bei dessen Erstellung auf die Erhöhung des Anteils der Frauen in der Wissenschaft hinzuwirken ist (Art. 18 Abs. 4 Satz 7 BayHSchPG), wird von der Hochschulleitung beschlossen. Soweit Hochschulen von der Möglichkeit, die Frauenbeauftragte als Mitglied der Hochschulleitung mit beratender Stimme zu berufen, Gebrauch machen, – bislang die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg – kann die Frauenbeauftragte auch auf dieser Ebene beratend Einfluss nehmen. Über die Berufung selbst entscheiden in den meisten Fällen die Präsidentin oder der Präsident der Hochschule (§ 2 BayBerufV) bzw. bei Nichtdelegation des Berufungsrechtes der Staatsminister (Art. 18 Abs. 6 Satz 1 BayHSchPG). 5. Wie hoch ist derzeit der Anteil von Professorinnen in anderen Disziplinen bzw. Fakultäten in Bayern? Im Jahr 2012 lag der Anteil von Professorinnen an den staatlichen Universitäten in Bayern insgesamt bei 16,7 %. Betrachtet man – um statistisch aussagekräftige Angaben zu erhalten – die Lehr- und Forschungsbereiche mit bayernweit mindestens 20 Professuren, so schwankt der Frauenanteil zwischen 4,6 % in Elektrotechnik und 50,0 % in Romanistik. 6. Welche Gründe gibt es dafür, dass der Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten im Vergleich zu dem Anteil der Professorinnen in anderen Disziplinen bzw. Fakultäten besonders gering ist? S. Ziff. 2. 7. Welche Maßnahmen werden zur Erhöhung des Anteils der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten von diesen bereits umgesetzt? Alle bayerischen Hochschulen sind bemüht, den Professorinnenanteil insgesamt, besonders aber innerhalb der rechtswissenschaftlichen Fakultäten zu erhöhen, und haben diesbezüglich Zielvereinbarungen mit den Fakultäten abgeschlossen. Die Universitäten bieten spezielle Mentoring - Programme für Nachwuchswissenschaftlerinnen an und verfügen über einen Familienservice, der u. a. auch Professorinnen dabei unterstützt, Arbeit und Familie zu vereinbaren . Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen der einzelnen Universitäten beispielhaft hervorzuheben: Universität Augsburg Es wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die analysieren soll, wie die Attraktivität einer wissenschaftlichen Laufbahn für Juristinnen allgemein und konkret an der Universität Augsburg erhöht werden kann. Entsprechend den forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft Drucksache 17/2369 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 wurde schon früh das Kaskadenmodell in die Gleichstellungsbemühungen der Universität Augsburg integriert. Universität Bayreuth Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät spricht junge Juristinnen bereits während der Schwerpunktausbildung des Studiums bzw. im Rahmen der Staatsexamensprüfung proaktiv an und versucht, frühzeitig ein Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten zu wecken und die jungen Frauen für eine Promotion oder Habilitation zu gewinnen. Im Rahmen der Berufungsverfahren wird der Arbeitsmarkt ganz bewusst nach allen in Betracht kommenden Wissenschaftlerinnen durchsucht, die dann gezielt auf eine Bewerbung in Bayreuth angesprochen werden. Im Jahr 2014 ist es der Fachgruppe gelungen, gleich zwei juristische Lehrstühle mit Frauen zu besetzen. Eine Mitarbeiterin wurde erfolgreich habilitiert. Universität Erlangen-Nürnberg Die Universität finanziert Gastprofessuren für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen, wodurch der Fachbereich vor Ort Kontakt mit hoch qualifizierten Juristinnen aufbauen kann. Mit dem „Fakultätsfrauenpreis“ werden Promotions- und Habilitationsprojekte von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen durch Teilzeitstellen ohne Lehrverpflichtung und Projektmittel gefördert. Durch die Preisvergabe auf der Absolventenfeier des Fachbereichs hat der Preis eine erhebliche psychologische Bedeutung für die Rolle von Nachwuchswissenschaftlerinnen und ihre Förderung. Universität München An der Juristischen Fakultät werden gut qualifizierte Frauen ermutigt, Promotion und spätere Habilitation anzustreben. Der Frauenanteil bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen liegt bei ca. 35 %. Darüber hinaus erfolgt neben der finanziellen Förderung über die Bayerische Gleichstellungsförderung seitens der Universität im Rahmen der Exzellenzinitiative (LMUexcellent) das LMU-Mentoring zur Unterstützung von qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen, flankiert durch universitätseigene Kinderbetreuungsmöglichkeiten . Universität Passau Aufgrund des gerade abgeschlossenen Generationenwechsels an der Juristischen Fakultät sind die Möglichkeiten zur Erhöhung des Frauenanteils derzeit nur sehr begrenzt. Die Juristische Fakultät wird bemüht sein, bei künftigen Berufungsverfahren den Anteil an Professorinnen an der Fakultät zu erhöhen. Universität Regensburg Die Universität bietet ein gezieltes Frauenförderprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen an, die eine Laufbahn im deutschen Wissenschaftssystem anstreben. Im Wintersemester 2013/14 hat die Fakultät für Rechtswissenschaft eine Online-Umfrage unter Studentinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen zu deren Wünschen mit Blick auf eine besondere Förderung des weiblichen Nachwuchses durchgeführt. Ein Ergebnis war, dass die Fakultät Habilitationsstipendien anbieten sollte. Ein entsprechendes Stipendienprogramm ist bereits in Arbeit. Universität Würzburg Die Juristische Fakultät fördert Habilitationen gerade auch von Frauen. Jüngst wurden zwei an der Würzburger Fakultät habilitierte Frauen auf Lehrstühle an anderen juristischen Fakultäten berufen. Bei einem eigenen Berufungsverfahren hat die Fakultät kürzlich das Verfahren verlängert, um auch einer Bewerberin, die gerade entbunden hatte, die Gelegenheit zum Vortrag und Erhalt eines Listenplatzes zu geben. 8. Welche Maßnahmen werden darüber hinaus geplant ,um den Anteil der Professorinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten zu erhöhen ? Die Erhöhung des Frauenanteils an den Professorenstellen ist ein wichtiges Ziel der Staatsregierung und bezieht sich auf alle Fakultäten. In den kürzlich abgeschlossenen Zielvereinbarungen mit den Universitäten hat das Staatsministerium die Gleichstellung und Frauenförderung als hochschulpolitisch verpflichtendes Ziel verankert. Die Universitäten haben sich zu konkreten Zielgrößen verpflichtet , an denen auch die Juristischen Fakultäten ihren Anteil haben werden.