Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.08.2018 Vollsperrung Terminal 2 am Münchner Flughafen Am frühen Samstagmorgen, den 28.07.2018, wurde das Terminal 2 am Flughafen München komplett von der Poli zei gesperrt und geräumt: Eine Frau ist unkontrolliert in den Sicherheitsbereich geraten. Die Räumung löste Chaos im Flugbetrieb und am Terminal aus. Stundenlang warteten Fluggäste am ersten Samstag der bayerischen Sommerfe rien ohne konkrete und hilfreiche Informationen in der Hitze. Betroffene Reisende klagten darüber, dass sie über Durch sagen am Flughafen immer wieder zur Umbuchung ihres Fluges via Internet aufgerufen wurden, obwohl die entspre chenden Internetauftritte der Fluggesellschaften keine Um buchung möglich machten, Telefonhotlines überlastet waren und sich an den Schaltern Schlagen bildeten, an denen man stundenlang warten musste. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Welcher Sachverhalt führte konkret zur Räumung des Terminals 2 (bitte unter genauer Darstellung der Ereig nisse, die zur Räumung führten und unter zeitgenauer Darstellung des Informationsverlaufs bei den handeln den Akteuren)? 1.2 Warum begann der Abfertigungsstopp erst eine Stun de nach dem Vorfall, zu einem Zeitpunkt, zu dem die gesuchte Person bereits mit einem Flugzeug abgeflo gen war? 1.3 Ist es nach Kenntnis der Staatsregierung zutreffend, dass die Bundespolizei keinen direkten Zugriff auf die Überwachungsvideos der Kontrollstellen hat und, wenn ja, warum? 2.1 Ist es nach Kenntnis der Staatsregierung zutreffend, dass an anderen deutschen Flughäfen die Bundespo lizei die Fachaufsicht für die Personenkontrollen inne hat, die Dienstpläne der Kontrolleure erstellt, direkt an den Sicherheitsschleusen platziert ist und die Arbeit der Kontrolleure überwacht und, wenn ja, mit welcher Begründung ist das in Bayern anders geregelt und wie genau? 2.2 Wie beurteilt die Staatsregierung die Schnelligkeit der Alarmierungskette, bei der die Kontrolleure der Sicher heitsgesellschaft zunächst ihre Vorgesetzten infor mieren, die dann an das Luftamt berichten, welches daraufhin die Bundespolizei in Kenntnis setzt, welche dann noch nicht einmal auf eigenen Bildschirmen den Vorfall überprüfen kann, sondern zur Ansicht von Überwachungsvideos zur Luftsicherheitsstelle wech seln muss? 2.3 Hat die Staatsregeriung Kenntnis darüber, wie diese Alarmierungskette in anderen Bundesländern geregelt ist? 3.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Einschätzung und die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter der Sicherheitskontrollen am Flughafen Mün chen, nachdem in den Medien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flughafens mit der Aussage zitiert werden, dass sie „eigentlich nur darauf gewartet [hät ten], dass so etwas passiert“, da die Sicherheitskräfte unter enorm hohem zeitlichen Druck stünden und sich nicht ausreichend um jeden Fluggast kümmern könn ten und Fehler deshalb nicht zu vermeiden seien? 3.2 Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten am Flughafen München bei den Sicherheitskontrollen, bei welchen Firmen sind diese angestellt und wie viele Kontrollen müssen sie durchschnittlich pro Stunde an einem durchführen? 4.1 Ist der Flughafen München im Bereich der Sicherheits kontrolle personell und qualitativ unterbesetzt? 4.2 Wie viele Überstunden hatten die nun beurlaubten Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter (bitte jeweils die Qualifi kationen angeben)? 5.1 Weshalb war das Krisenmanagement des Flughafens München der Lufthansa und weiterer Airlines so kata strophal? 5.2 Welche Auswirkungen hatte die Totalsperrung insge samt (bitte unter Nennung der Anzahl der stornierten Flüge und der Anzahl der betroffenen Fluggäste)? 5.3 Welche Entschädigungsansprüche erhalten die Rei senden (bitte unter Nennung des Anspruchsgegners)? 6.1 Gab es im Zuge der Vollsperrung medizinische Notfäl le (bitte aufzählen wie viele und welche)? 6.2 Wie wurde die Versorgung von Personen mit Handi cap, Kindern, Schwangeren, älteren und gesundheit lich eingeschränkten Reisenden sichergestellt, deren Flüge storniert worden waren? 7.1 Wie beurteilt die Staatsregierung das Vorhaben des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer (CSU), die Sicherheitskontrollen an den deutschen Flughäfen künftig – nach bayerischem Modell – generell den privaten Flughafenbetreibern zu übertragen, nach dem Münchner Flughafenchaos vom 28.07.2018? 7.2 Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus diesem Vorfall für das Sicherheitskonzept des Flugha fens München? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.11.2018 Drucksache 17/23697 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23697 Antwort des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie auf Grundla ge von Informationen der Flughafen München GmbH vom 04.09.2018 1.1 Welcher Sachverhalt führte konkret zur Räumung des Terminals 2 (bitte unter genauer Darstellung der Ereignisse, die zur Räumung führten und unter zeitgenauer Darstellung des Informationsverlaufs bei den handelnden Akteuren)? Am Samstag, 28.07.2018, 05.45 Uhr, gelangte eine Pas sagierin unkontrolliert in den nichtöffentlichen Bereich des Terminals 2 am Flughafen München. Die betroffene Passagierin wurde um 05.27 Uhr erstmals bei der Sicherheitskontrolle vorstellig. Hierbei wurde jedoch eine Tasche mit Flüssigkeiten in deren Handgepäck festge stellt, deren Mitnahme nicht zulässig ist. Die Passagierin verließ die Kontrollstelle, um das beanstandete Gepäck stück als Reisegepäck aufzugeben. Um 05.45 Uhr betrat die Passagierin erneut die Kon trollschleuse. Sie durchschritt unaufgefordert, zügig und unkontrolliert den in der Kontrollschleuse befindlichen Si cherheitsscanner. Die an der Position der Personenkontrol le eingeteilten Luftsicherheitsassistenten (je eine weibliche und männliche Kontrollkraft) bemerkten den Durchgang der Passagierin nicht. Eine weitere Kontrollkraft, die für die Nachkontrolle des Handgepäcks eingesetzt war, bemerk te jedoch den Durchgang der Passagierin. Anstatt, wie in der Dienstanweisung für Luftsicherheitsassistenten vor geschrieben, unverzüglich den Alarmtaster für einen sog. Durchbruch zu betätigen und die Passagierin unter Zuruf „Durchbruch“ zu verfolgen, nahm diese Kontrollkraft nur Kontakt zu ihrem Kollegen an der Personenkontrolle auf. Dieser rief daraufhin fälschlicherweise eine andere Passa gierin zurück. Auch nachdem die Kontrollkräfte von weiteren Passagieren auf die sich noch in Sichtweite befindliche un kontrollierte Passagierin aufmerksam gemacht wurden, lös te keiner der Kontrollkräfte den Durchbruchsalarm aus oder versuchte, die unkontrollierte Passagierin noch zu erreichen. Um ca. 05.50 Uhr – zu diesem Zeitpunkt hatte sich die unkontrollierte Passagierin von der zentralen Kontrollstelle bereits entfernt und war außer Sichtweite – informierten die Kontrollkräfte ihren Vorgesetzten von der Sicherheitsgesell schaft am Flughafen München mbH (SGM) darüber, dass eine Passagierin möglicherweise unkontrolliert die Kontroll schleuse passiert habe. In der Zeit von 05.55 Uhr bis 06.00 Uhr wurde diese In formation zusammen mit einer Personenbeschreibung der Passagierin von der SGM telefonisch an das Luftamt Süd bayern weitergegeben. Zwischen 06.00 Uhr und 06.15 Uhr erfolgte die Sichtung und Auswertung des Videomaterials durch einen Mitarbei ter des Luftamtes Südbayern. Dabei bestätigte sich der von der SGM mitgeteilte Verdacht. Aus einer bislang lediglich ab strakten Gefährdung wurde damit eine konkrete Gefahr einer sog. Passagiervermischung. Das Verwaltungsabkommen vom 22.07.1992 zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern sieht für diesen Fall eine Übernahme der Zuständigkeit durch die Bundespolizei vor. Um 06.15 Uhr verständigte das Luftamt Südbayern da her die Bundespolizei und meldete einen „Durchbruch“ an der Kontrollschleuse 8 der zentralen Fluggastkontrollstelle im Terminal 2. Mit der Feststellung dieser Situation übernahm die Bun despolizei die Einsatzleitung und veranlasste die weiteren Maßnahmen. Zwischen 06.20 Uhr und 06.40 Uhr sichtete ein Vertreter der Bundespolizei am Ereignis/Tatort, also an der Kontrollstelle, das Videomaterial. Dieses Verfahren war als Konsequenz aus dem sog. Laptopvorfall vom 20.01.2010 mit der Bundespolizei vereinbart worden. Um 06.47 Uhr verfügte die Bundespolizei einen Abferti gungsstopp. Zwischen 06.53 Uhr und 07.07 Uhr erfolgte die Schließung sämtlicher Passagierkontrollstellen des Termi nals 2 und des SatellitenTerminals. Ab ca. 08.30 Uhr räum te die Bundespolizei Terminal 2, ab ca. 08.45 Uhr wurden im Terminal Satellit alle dort in den Ebenen 4 und 5 befindlichen Passagiere auf die Ebene 6 geleitet. In der Folgezeit wur den Terminal 2 und Terminal Satellit durch die Bundespolizei durchsucht und ebenen und gebäudeweise ab 10.46 Uhr (Terminal 2 Ebene 4) bis 11.23 Uhr (Terminal Satellit) nach erneuter Sicherheitskontrolle wieder für den Passagierver kehr freigegeben. 1.2 Warum begann der Abfertigungsstopp erst eine Stunde nach dem Vorfall, zu einem Zeitpunkt, zu dem die gesuchte Person bereits mit einem Flug zeug abgeflogen war? Die Verzögerung ist zunächst entstanden, weil das Sicher heitspersonal nicht entsprechend den Handlungsanwei sungen reagiert hat. Wird ein unkontrolliertes Durchschreiten der Sicherheits kontrolle festgestellt, ist ein sog. Durchbruchsalarm in der Kontrollstelle auszulösen. Hierdurch werden das Luftamt Südbayern und die Bundespolizei sofort alarmiert und die entsprechenden Kameraaufzeichnungen direkt in den bei den Einsatzzentralen aufgeschaltet. Zudem werden die Bun despolizisten vor Ort alarmiert und können hierdurch sofort die Verfolgung und ggf. Suche nach der Person aufnehmen. Dieser Durchbruchsalarm wurde vom Sicherheitsperso nal entgegen den Anweisungen nicht ausgelöst. Zwischen 05.55 Uhr und 06.00 Uhr wurde dem Luftamt Südbayern ge meldet, dass eine Passagierin möglicherweise unkontrolliert die Kontrollschleuse passiert habe. Das Luftamt Südbayern sichtete daraufhin unverzüglich die Kameraaufzeichnungen und informierte direkt im Anschluss um 06.15 Uhr die Bun despolizei vom Vorliegen einer konkreten Gefährdung der Luftsicherheit („Durchbruchsalarm“). Die Bundespolizei ist gemäß Verwaltungsabkommen vom 22.07.1992 für den bewaffneten Schutz der Kontroll stellen und die Abwehr konkreter Gefahren, wozu auch Einsätze bei Vermischungslagen (z. B. nach einem „Durch bruch“) zählen, zuständig. Zu den von der Bundespolizei veranlassten Maßnahmen ist seitens der Staatsregierung in zeitlicher Hinsicht keine Stellungnahme möglich. 1.3 Ist es nach Kenntnis der Staatsregierung zutref fend, dass die Bundespolizei keinen direkten Zu griff auf die Überwachungsvideos der Kontrollstel len hat und, wenn ja, warum? Nein, die Bundespolizei verfügt über einen direkten Zugriff auf die Überwachungsvideos (ohne Aufzeichnungsmög lichkeit). Aufzeichnungen werden der Bundespolizei im Be darfsfall am Ereignis/Tatort zur Verfügung gestellt. Dieses Drucksache 17/23697 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Verfahren war als Konsequenz aus dem sog. Laptopvorfall vom 20.01.2010 mit der Bundespolizei vereinbart worden. 2.1 Ist es nach Kenntnis der Staatsregierung zutref fend, dass an anderen deutschen Flughäfen die Bundespolizei die Fachaufsicht für die Personen kontrollen inne hat, die Dienstpläne der Kontrol leure erstellt, direkt an den Sicherheitsschleusen platziert ist und die Arbeit der Kontrolleure über wacht und, wenn ja, mit welcher Begründung ist das in Bayern anders geregelt und wie genau? Nein, die Annahme ist unzutreffend. An den 13 deutschen Verkehrsflughäfen in der Zuständigkeit der Bundespolizei werden weder die Dienstpläne der Sicherheitskontrollkräfte der privaten Sicherheitsdienstleister von der Bundespolizei erstellt noch hat diese wegen des Arbeitnehmerüberlas sungsgesetzes (AÜG) einen direkten aufsichtlichen Zugriff auf die einzelne Kontrollkraft. Aus diesem Grund hat Bayern von der vormals im Luft verkehrsgesetz eröffneten Möglichkeit einer einvernehm lichen Rückdelegation der Luftsicherheitsaufgaben auf die Bundespolizei lediglich insoweit Gebrauch gemacht, dass gemäß Verwaltungsabkommen vom 22.07.1992 am Ver kehrsflughafen München der bewaffnete Schutz der Kon trollstellen und die Abwehr konkreter Gefahren, wozu auch Einsätze bei Vermischungslagen zählen, an die Bundespoli zei übergehen. Die Bundespolizei ist dazu auch mit Einsatz kräften direkt an den Kontrollstellen präsent. Die Fluggastkontrollen nach § 5 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) sind in der Bundesauftragsverwaltung Aufgabe der zuständigen Landesluftsicherheitsbehörde. In Bayern wer den die Luftsicherheitskontrollen der Fluggäste und deren Gepäcks durch Personal von Sicherheitsgesellschaften in der privatrechtlichen Rechtsform von Gesellschaften mit be schränkter Haftung (GmbHs) erbracht, die im (Mehrheits) Eigentum des Freistaates Bayern stehen. Eine wiederkeh rende Ausschreibung dieser Sicherheitsdienstleistungen erübrigt sich dadurch. Die fachliche Aufsicht über die Si cherheitsgesellschaften obliegt den beiden Luftämtern Nord und Südbayern, die die Kontrollen organisieren (Prüfung und Beleihung des Personals, Beschaffung von Ausrüstung und Technik, Festsetzung und Abrechnung der Luftsicher heitsgebühren) und die Qualität der Kontrollprozesse fort laufend überwachen. Die eigentliche Aufgabenerfüllung erfolgt in Bayern damit durch staatliche Sicherheitsgesellschaften mit folgenden Vorteilen: – NonProfitOrganisationen, – sorgfältige Personalvorauswahl, – gute und stetige Aus und Fortbildung, – tarifliche Eingruppierung gemäß Tarifvertrag für den öf fentlichen Dienst (TVöD), – langjähriges Personal mit geringer Fluktuation. Durch die Organisationshoheit über die Kontrollen gewähr leistet der Freistaat sichere Kontrollabläufe und stellt gleich zeitig die notwendigen Anforderungen in Bezug auf Komfort und Schnelligkeit sicher. Diese Organisationsform gewähr leistet ein hohes Sicherheitsniveau durch erfahrenes und langjährig tätiges Personal. Die Organisation und Überwachung der Kontrollprozesse erfolgt durch die beiden Luftämter Nord und Südbayern. Im Bundesvergleich verursacht diese Organisationsform keine höheren Kosten. 2.2 Wie beurteilt die Staatsregierung die Schnelligkeit der Alarmierungskette, bei der die Kontrolleure der Sicherheitsgesellschaft zunächst ihre Vorge setzten informieren, die dann an das Luftamt be richten, welches daraufhin die Bundespolizei in Kenntnis setzt, welche dann noch nicht einmal auf eigenen Bildschirmen den Vorfall überprüfen kann, sondern zur Ansicht von Überwachungsvideos zur Luftsicherheitsstelle wechseln muss? Wie in der Antwort zu Frage 1.2 beschrieben, wurde die vor gesehene Alarmierungskette nicht eingehalten. Bei Einhal tung der Vorgaben wäre eine deutlich schnellere Abarbei tung des Vorfalls möglich gewesen. 2.3 Hat die Staatsregeriung Kenntnis darüber, wie die se Alarmierungskette in anderen Bundesländern geregelt ist? Nein. 3.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Einschätzung und die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitskontrollen am Flugha fen München, nachdem in den Medien Mitarbei terinnen und Mitarbeiter des Flughafens mit der Aussage zitiert werden, dass sie „eigentlich nur darauf gewartet [hätten], dass so etwas passiert“, da die Sicherheitskräfte unter enorm hohem zeit lichen Druck stünden und sich nicht ausreichend um jeden Fluggast kümmern könnten und Fehler deshalb nicht zu vermeiden seien? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse über Defizite bei den Arbeitsbedingungen der SGM und an den Sicher heitskontrollstellen vor. Die SGM ist zur Erfüllung der ihr übertragenen luftsicherheitsrechtlichen Aufgaben personell und organisatorisch gut aufgestellt: Die ausgewiesene Stel lenzahl der bei der SGM beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entspricht einer stets aktualisierten bedarfsge rechten Planung, in die die Höhe des Fluggast und Gepäck aufkommens und jede sich aus luftsicherheitsrechtlichen Vorgaben resultierende, personalbindende Veränderung einfließen. Zum Zeitpunkt des Vorfalls vom 28.07.2018 wa ren alle ausgewiesenen Stellen bei der SGM besetzt. Die Personalsituation erlaubt es, den im Kontrolldienst einge setzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stets die erfor derlichen Ruhepausen zu gewähren. Die Vorgesetzten der SGM sind angewiesen, diese Ruhepausen umzusetzen. Zusätzliche sog. Personalverstärkungsdienste an einzelnen Tagen wurden im bisherigen Jahresverlauf bis einschließ lich 28.07.2018 insgesamt nur 254mal geleistet, damit hat umgerechnet nicht einmal jede bzw. jeder fünfte im Kon trolldienst tätige Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter im Jahr 2018 einen zusätzlichen Personalverstärkungsdienst geleistet. Ungeachtet der guten Personalsituation sind die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter der SGM unter dem Gesichtspunkt ei ner Vorrangigkeit der Luftsicherheit vor sonstigen Belangen nach den ausdrücklichen Vorgaben der Dienstanweisung der Regierung von Oberbayern Luftamt Südbayern angehal ten, gründlich zu kontrollieren und sich bei Kontrollmaßnah men nicht zur Eile drängen zu lassen. Eine gute, nicht von hohem zeitlichen Leistungsdruck geprägte Arbeitssituation bei der SGM und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spiegelt sich nicht zuletzt in einer niedrigen Fluktuationsrate mit nur rund 4 Prozent im Jahr 2018 wider. Ein Zusammen Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23697 hang zwischen den Arbeitsbedingungen und dem Vorfall ist nicht zu erkennen. 3.2 Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten am Flughafen München bei den Sicherheitskon trollen, bei welchen Firmen sind diese angestellt und wie viele Kontrollen müssen sie durchschnitt lich pro Stunde an einem durchführen? Mit der Durchführung der Fluggastkontrolle ist die SGM be traut. Es handelt sich um eine Gesellschaft des Freistaates Bayern, welche gegenwärtig über 1.580 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand 15.07.2018) beschäftigt. Aufgrund der vom jeweiligen Fluggastaufkommen abhän gigen Auslastung der einzelnen Kontrollschleusen und der zahlenmäßig nicht erfassbaren einzelnen Kontrollvorgänge pro Fluggast (Bildauswertung, Körperkontrolle, manuelle Nachschau, Sprengstofftest, FlüssigkeitenScan etc. – je nach zugewiesener Arbeitsposition und Kontrollstelle diver gierend) lassen sich Aussagen zur durchschnittlichen An zahl der Kontrollen pro Stunde nicht treffen. 4.1 Ist der Flughafen München im Bereich der Sicher heitskontrolle personell und qualitativ unterbe setzt? Nein. Wie vorstehend ausgeführt, sind die Fluggastkontroll stellen mit ausreichend Personal ausgestattet und waren es auch zum Zeitpunkt des Vorfalls. Die Aus und Fortbildung des Sicherheitspersonals entspricht den gesetzlichen Vor gaben und wird durch die Luftsicherheitsbehörde überwacht. Die bei der SGM beschäftigten Kontrollkräfte werden gemäß den Vorgaben der „Richtlinien über die Anforderungen an Luftsicherheitsassistenten zum Vollzug des § 5 LuftSiG auf deutschen Flughäfen“ des damaligen Bundesministeriums des Innern vom 10.07.2006 und gemäß den für die Ausbil dung und für die Fortbildung von Sicherheitskontrollkräften einschlägigen Bestimmungen der Verordnung – VO – (EU) 1998/2015 vom 05.11.2015 eingestellt, ausgebildet, regel mäßig fortgebildet und zertifiziert. Vor Aufnahme ihrer Tätig keit müssen die Kontrollkräfte der SGM eine Prüfung beim Luftamt Südbayern ablegen. Die Kontrollqualität wird von der Luftsicherheitsbehörde permanent im Rahmen der Fachaufsicht und der innerbe trieblichen sowie behördlichen Qualitätskontrollen über wacht. 4.2 Wie viele Überstunden hatten die nun beurlaubten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (bitte jeweils die Qualifikationen angeben)? Die beim relevanten Sicherheitsvorfall involvierten Kon trollkräfte verfügen über die Befähigung als Luftsicher heitsassistent (Nr. 11.2.3.1 des Anhangs zur Durchfüh rungsverordnung (EU) 2015/1998) sowie als Personal für Überwachungen und Streifengänge (Nr. 11.2.3.5 VO (EU) 2015/1998) und weisen im Monat Juli (bis einschließlich 27.07.2018) Stundenstände zwischen minus 2 Stunden 35 Minuten und plus 3 Stunden 40 Minuten auf. 5.1 Weshalb war das Krisenmanagement des Flugha fens München der Lufthansa und weiterer Airlines so katastrophal? 5.2 Welche Auswirkungen hatte die Totalsperrung ins gesamt (bitte unter Nennung der Anzahl der stor nierten Flüge und der Anzahl der betroffenen Flug gäste)? Das Terminal 2 ist auf eine jährliche Passagierkapazität von 25 Mio. Fluggästen, das Terminal Satellit auf eine Kapazität von weiteren 11 Mio. Passagieren ausgelegt. Erforderliche Räumungen und Durchsuchungen derart großvolumiger Baukörper sind stets zeitintensiv und mit Beeinträchtigun gen für eine große Anzahl von Fluggästen verbunden. Es steht außer Frage, dass es infolge der Sperrung und Räumung des Sicherheitsbereichs des Terminals 2 und des Satellitengebäudes zu erheblichen Unregelmäßigkeiten in der Passagierabfertigung und zur Beeinträchtigung der Fluggäste gekommen ist. Keinesfalls kann jedoch von einem katastrophalen Krisenmanagement gesprochen wer den. Die Flughafen München GmbH (FMG) hat umgehend eine Vielzahl wichtiger Maßnahmen zur Bewältigung des Vorfalls in die Wege geleitet, um die Auswirkungen auf die Passagiere so gering wie möglich zu halten. Die mehrstündige Unterbrechung des Flugbetriebes hatte vom 28.07.2018 bis 30.07.2018 insgesamt den Ausfall von rund 330 Flügen und einen durcheinanderge ratenen Flugplan zur Folge. Die Nacht vom 28.07.2018 auf den 29.07.2018 verbrachten 2.000 Fluggäste im Terminal 2. Insgesamt waren ca. 34.000 Fluggäste von Flugaus fällen, verschiebungen und verspätungen betroffen. Rund 15.000 Gepäckstücke sind zunächst am Flughafen München zurückgeblieben. Bis 05.08.2018 konnten in der Verantwor tung der Airlines alle Gepäckstücke den Besitzern zugestellt bzw. auf den Weg zu ihren Eigentümern gebracht werden. Eine Umbuchung der betroffenen Fluggäste auf andere Flugverbindungen war den Airlines aufgrund der zu Ferien beginn sehr hohen Auslastung der Flugverbindungen nur sehr eingeschränkt und mit entsprechendem Zeitaufwand möglich. Dies führte zu langen Wartezeiten an den Service und Ticketschaltern und einer damit verbundenen hohen Frequentierung des öffentlichen Bereichs des Terminals 2. Innerhalb kurzer Zeit versammelten sich infolge der Termi nalräumung tausende von Passagieren in der Abfertigungs halle. Für die Versorgung der Fluggäste wurden bereits ab dem Morgen des 28.07.2018 Terminalnah Zelte aufgestellt. Es wurden über das Wochenende hinweg kostenlose Getränke und Snacks sowie Essensgutscheine verteilt. Zu jeder Zeit stand eine ausreichende Zahl von Rettungskräften für die medizinische Betreuung der Fluggäste zur Verfügung. Zur Verbesserung der aufgrund der hohen sommerlichen Tem peraturen schwierigen klimatischen Verhältnisse im Terminal wurden mobile Lüftungsanlagen installiert. Für die Passa giere, die für die Nacht nicht in Hotels untergebracht werden konnten, wurden Feldbetten und Decken zur Verfügung ge stellt. Der Restaurantbetrieb sowie ein Apothekennotdienst Drucksache 17/23697 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 wurden während der Nacht gewährleistet. Insgesamt waren mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FMG im Einsatz, die ihre Dienstzeiten verlängerten oder kurzfris tig in ihrer Freizeit an den Flughafen kamen. Trotz der er heblichen Dauer und des Umfangs der Sperrung sowie des verkehrsreichen Zeitpunkts (Ferienbeginn) konnten schlim mere Folgen für die Passagiere auch dadurch weitgehend verhindert werden. Negative Auswirkungen und Unannehm lichkeiten für die Passagiere waren nicht vermeidbar. 5.3 Welche Entschädigungsansprüche erhalten die Reisenden (bitte unter Nennung des Anspruchs gegners)? Gegen die FMG bestehen nach Auffassung der Staatsre gierung keine Entschädigungsansprüche, da sie weder der Vertragspartner des Passagiers (Beförderungsvertrag nur zwischen Passagier und Airline) noch für die Sicherheits kontrolle der Passagiere verantwortlich ist und auch die Sperrung und Räumung des Sicherheitsbereichs des Termi nals 2 nicht veranlasst hat. Gleichwohl bietet die FMG den betroffenen Passagieren, deren Flüge am 28.07.2018 oder 29.07.2018 aufgrund der Sperrung des Terminals 2 ausfielen oder mindestens eine Stunde verspätet waren, als freiwillige Geste einen Gut schein über 50 Euro an. Der Gutschein ist drei Jahre gültig und kann in zahlreichen Läden und Restaurants am Airport eingelöst werden. Davon unberührt bleiben Entschädigungsansprüche ge gen die Bundesrepublik Deutschland oder den Freistaat Bayern unter Amtshaftungsgesichtspunkten. Die Frage, ob im Rahmen der Amtshaftung ein Schaden ersatzanspruch gegen den Freistaat Bayern besteht, wird derzeit geprüft. 6.1 Gab es im Zuge der Vollsperrung medizinische Notfälle (bitte aufzählen wie viele und welche)? Rund 50 Personen wurden im betreffenden Zeitraum durch die Rettungskräfte vor Ort medizinisch betreut. Rund 30 Personen haben sich selbstständig in das im Terminal 1 gelegene Flughafenmedizinische Zentrum begeben. In vier Fällen wurden Patienten durch den externen Rettungsdienst zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht. 6.2 Wie wurde die Versorgung von Personen mit Han dicap, Kindern, Schwangeren, älteren und gesund heitlich eingeschränkten Reisenden sichergestellt, deren Flüge storniert worden waren? Die Versorgung dieser Personen, die besondere Unterstüt zung brauchten, wurde über die bekannten und etablierten Prozesse am Flughafen München mit Dienstleistern vor Ort sichergestellt. Bei der Versorgung mit Getränken und Spei sen sowie der Koordinierung von Übernachtungsmöglich keiten wurden diese Personengruppen bevorzugt behandelt. 7.1 Wie beurteilt die Staatsregierung das Vorhaben des Bundesministers des Innern, für Bau und Hei mat Horst Seehofer (CSU), die Sicherheitskontrol len an den deutschen Flughäfen künftig – nach bayerischem Modell – generell den privaten Flug hafenbetreibern zu übertragen, nach dem Münch ner Flughafenchaos vom 28.07.2018? Der Vorschlag bezieht sich nicht auf den bewaffneten Schutz der Kontrollstellen und die Abwehr konkreter Gefahren, son dern auf die Tätigkeit als Luftsicherheitsbehörde nach § 5 LuftSiG, welche in anderen Bundesländern teilweise von der Bundespolizei wahrgenommen wird. Es wird diskutiert, die Organisation der Passagierkontrollen auf die Flughafenbe treiber zu übertragen. Die Aufsicht der Bundespolizei über die privaten Sicherheitsdienstleister soll dabei erhalten blei ben. Diese Überlegungen sind auf das in Bayern praktizierte System der Aufgabenerledigung durch staatliche Sicher heitsgesellschaften unter der Aufsicht bayerischer Luftsi cherheitsbehörden nur bedingt anwendbar. 7.2 Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus diesem Vorfall für das Sicherheitskonzept des Flughafens München? Bei dem den Vorfall auslösenden Ereignis handelt es sich um ein individuelles Versäumnis einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SGM. Im Hinblick darauf hat die Staats regierung als erste vorläufige Sofortmaßnahmen Folgendes veranlasst: – nochmalige Belehrung des gesamten SGMPersonals zur Anweisungslage „Verlassen der Arbeitsposition“, – nochmalige Belehrung des gesamten SGMPersonals zur Anweisungslage „Durchbruch“, – Erhöhung der Luftamtspräsenz vor Ort an den Kontroll stellen und der dortigen Fachaufsicht, – zahlenmäßige Verstärkung der auch bereits in der Ver gangenheit durchgeführten Testläufe mit dem Szenario „Durchbruch“, – Prüfung der Möglichkeit, an den Sicherheitsscannern eine Lichtschranke anzubauen, die bei fehlender Frei gabe des Durchgangs durch das Kontrollpersonal ein akustisches Alarmsignal auslöst, – Prüfung der Möglichkeit, den Zwischenraum zwischen Sicherheitsscannern und daneben stehenden Gepäck prüfanlagen durch bauliche Maßnahmen zu schließen (im vorliegenden Fall nicht schadensursächlich), – Erhöhung der Personalstärke der SGMLuftsicherheits assistenten um einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeite rin pro DoppelKontrollschleuse zur Beobachtung des Schleusenbereichs, insbesondere des Sicherheitsscan ners bis auf Weiteres. Mittel und langfristig sollen technische Maßnahmen ergrif fen und umgesetzt werden, die ähnliche Vorfälle zuverlässig Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23697 erkennbar machen – ohne den Komfort und die Prozesse der Sicherheitskontrollen zu beeinträchtigen. Da das Risiko und die Folgen einzelner menschlicher Fehlleistungen nie völlig ausgeschlossen werden können, werden darüber hinaus weitergehende strukturelle Maßnah men zur Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit aller betei ligten Stellen geprüft. Ein weiteres Ziel ist die Reduzierung der nachteiligen Auswirkungen menschlicher Fehler. Zu diesem Zweck werden Verfahrensänderungen zur Sicher stellung eines rechtzeitigen Abfertigungsstopps und einer schnelleren Identifizierung der maßgeblichen Verursacher eines Sicherheitsvorfalls untersucht. Unmittelbar nach dem Vorfall wurde auch durch die FMG eine systematische Einsatznachbereitung angestoßen. In mehreren Besprechungen zwischen den Prozessbeteilig ten wurden erste Maßnahmen definiert, die kurz, mittel und langfristig zur Vermeidung sowie zur einfacheren und schnelleren Abarbeitung ähnlicher Vorfälle beitragen. Auch Maßnahmen zur besseren Information und Versor gung der Reisenden wurden bereits definiert. So soll ins besondere die Passagierinformation in Abstimmung aller Beteiligten und die Zusammenarbeit zwischen Flughafen Terminaldienst und Airlines optimiert werden. Die Erkennt nisse aus der noch laufenden Einsatznachbereitung werden zur Weiterentwicklung des Krisenmanagements der FMG als Optimierungsmaßnahmen in die etablierten Prozesse einfließen. Die Staatsregierung begleitet die Aufarbeitung der Vor kommnisse in ihrer Funktion als Gesellschafterin der FMG und der SGM sowie ihrer luftverkehrlichen und luftsicher heitsrechtlichen Zuständigkeit.