Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.08.2018 Ermittlungen wegen Wehrmachtsverbrechen Ein Gericht in Verona verurteilte im Juli 2011 sieben Angehörige der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ wegen ihrer Beteiligung an Massakern an der Zivilbevölkerung zwischen März und Juni 1944 in der Toskana und der Emilia Romagna zu lebenslangen Haftstrafen. Einer der Verurteilten ist der heute in Unterföhring lebende damalige Feld webel Wilhelm St. Vor der deutschen Justiz musste sich St. wegen der Verbrechen in Italien bisher nicht verantworten . In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1.1 Wird bzw. wurde in der Vergangenheit gegen St. wegen der Beteiligung an den Massakern von der Staatsanwaltschaft ermittelt? 1.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 1.3 Wenn nein, warum wurde trotz der Faktenlage bisher kein Ermittlungsverfahren gegen St. eingeleitet? 2.1 Trifft es zu, dass Angehörige der Opfer im Jahr 2015 gegen ihn Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in München erstattet haben? 2.2 Wenn ja, wie ist der Stand des Verfahrens? 3.1 Wenn ja, wurden die Angehörigen über die Ermittlungsarbeit von der Staatsanwaltschaft auf dem Laufenden gehalten? 3.2 Wenn ja, wie ist es zu erklären, dass seit Erstattung der Anzeige mehrere Jahre verstrichen sind, ohne dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen und das Verfahren entweder eingestellt oder zur Anklage gebracht hat? 3.3 Wenn die Angehörigen nicht unterrichtet wurden, warum nicht? 4. Wenn keine Anzeige gestellt wurde, wird die Staatsanwaltschaft selbst tätig werden und gegen St. Ermittlungen einleiten? Antwort des Staatsministeriums der Justiz auf Basis eines Berichts der Staatsanwaltschaft München I vom 18.09.2018 1.1 Wird bzw. wurde in der Vergangenheit gegen St. wegen der Beteiligung an den Massakern von der Staatsanwaltschaft ermittelt? 1.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 1.3 Wenn nein, warum wurde trotz der Faktenlage bisher kein Ermittlungsverfahren gegen St. eingeleitet ? Am 19.11.2012 erhielt die Staatsanwaltschaft München I aufgrund einer dort von Herrn Rechtsanwalt Italo R. erstatteten Strafanzeige Kenntnis davon, dass der Beschuldigte Wilhelm St. am 06.07.2011 durch das Militärgericht Verona u. a. wegen der Beteiligung an der Tötung von 24 Zivilisten am 20.03.1944 in Cervarolo, Italien, verurteilt worden ist. Der Anzeigeerstatter legte damals auch die Entscheidung des Militärgerichts von Verona vom 06.07.2011 vor. Daraufhin wurde seitens der Staatsanwaltschaft München I gegen den Beschuldigten Wilhelm St. am 20.11.2012 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes gemäß § 211 Strafgesetzbuch (StGB) eingeleitet. Nachdem die Staatsanwaltschaft Dortmund bereits seit dem Jahr 2004 ein Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang B. und andere ehemalige Angehörige der Fallschirm- Panzer-Division „Hermann Göring“ wegen des Verdachts des Mordes bzw. der Beihilfe zum Mord im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen im Zeitraum vom 18.03.1944 bis 05.05.1944 in verschiedenen Orten Italiens führte, u. a. auch wegen der dem Beschuldigten Wilhelm St. zur Last liegenden Tat vom 20.03.1944, wurde das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wegen des bestehenden Sachzusammenhangs an die Staatsanwaltschaft Dortmund mit der Bitte um Prüfung der Übernahme übersandt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat in der Folge das ihr von der Staatsanwaltschaft München I übersandte Ermittlungsverfahren übernommen. Durch die Staatsanwaltschaft München I konnte anlässlich der vorliegenden Schriftlichen Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Dortmund in Erfahrung gebracht werden, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wilhelm St. bereits mit Verfügung vom 03.02.2015 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden ist. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 16.11.2018 Drucksache 17/23975 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23975 2.1 Trifft es zu, dass Angehörige der Opfer im Jahr 2015 gegen ihn Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in München erstattet haben? 2.2 Wenn ja, wie ist der Stand des Verfahrens? 3.1 Wenn ja, wurden die Angehörigen über die Ermittlungsarbeit von der Staatsanwaltschaft auf dem Laufenden gehalten? 3.2 Wenn ja, wie ist es zu erklären, dass seit Erstattung der Anzeige mehrere Jahre verstrichen sind, ohne dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen und das Verfahren entweder eingestellt oder zur Anklage gebracht hat? 3.3 Wenn die Angehörigen nicht unterrichtet wurden, warum nicht? Ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wilhelm St. aufgrund einer im Jahre 2015 erstatteten Strafanzeige konnte seitens der Staatsanwaltschaft München I im dortigen Vorgangsverwaltungssystem nicht festgestellt werden. Üblicherweise werden bei der Staatsanwaltschaft München I eingehende Schreiben, die ein bereits von einer anderen Staatsanwaltschaft übernommenes Ermittlungsverfahren betreffen, an diese andere Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Es ist daher – soweit tatsächlich im Jahr 2015 eine weitere Anzeigeerstattung erfolgt sein sollte – davon auszugehen, dass mit einer eventuell bei der Staatsanwaltschaft München I eingegangenen weiteren Strafanzeige gegen den Beschuldigten Wilhelm St. dort entsprechend verfahren wurde. Bei der Staatsanwaltschaft Dortmund konnte seitens der Staatsanwaltschaft München I anlässlich der vorliegenden Schriftlichen Anfrage insoweit lediglich in Erfahrung gebracht werden, dass eine Frau Rechtsanwältin H. bereits mit einem auf den 25.11.2013 datierenden Schreiben gegenüber der Staatsanwaltschaft München I die Vertretung der Tochter eines am 20.03.1944 in Cervarolo zu Tode gekommenen Opfers angezeigt und u. a. eine Sachstandsmitteilung und Akteneinsicht beantragt hatte. Das Schreiben von Frau Rechtsanwältin H. wurde damals – entsprechend der in der Antwort auf die Fragen 1.1 bis 1.3 geschilderten Vorgehensweise – mit Verfügung vom 03.12.2013 an die Staatsanwaltschaft Dortmund weitergeleitet. Gleichzeitig wurde Frau Rechtsanwältin H. durch die Staatsanwaltschaft München I darüber informiert, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wilhelm St. an die Staatsanwaltschaft Dortmund abgegeben und dort übernommen worden ist. Auf diese Auskunft der Staatsanwaltschaft München I hat sich Frau Rechtsanwältin H. nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Dortmund in einem an diese gerichteten Schreiben vom 11.12.2013 auch ausdrücklich bezogen. Aufgrund dieses Schreibens hat sich die Staatsanwaltschaft Dortmund am 18.12.2013 zunächst telefonisch und sodann am 17.01.2014 schriftlich mit der Kanzlei von Frau Rechtsanwältin H. bzw. mit Frau Rechtsanwältin H. in Verbindung gesetzt. Zur sonstigen Kommunikation zwischen der Staatsanwaltschaft Dortmund und anwaltlichen Vertretern von Geschädigten bzw. Geschädigten selbst liegen der Staatsanwaltschaft München I darüber hinaus keine weitergehenden Informationen vor. 4. Wenn keine Anzeige gestellt wurde, wird die Staatsanwaltschaft selbst tätig werden und gegen St. Ermittlungen einleiten? Auf die Antwort zu den Fragen 1.1 bis 1.3 wird Bezug genommen . Seitens der Staatsanwaltschaft München I konnte anlässlich der vorliegenden Schriftlichen Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Dortmund in Erfahrung gebracht werden , dass dieser beim Abschluss ihrer Ermittlungen gegen den Beschuldigten Wilhelm St. insbesondere auch die Entscheidungen des Militärgerichts von Verona vom 06.07.2011 sowie des Appellationsmilitärgerichts von Verona vom 26.10.2012 bekannt gewesen sind und daher bei der Würdigung des Tatverdachts auch berücksichtigt wurden.