Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.08.2018 Polizeieinsatz am 03.08.2018 im Anker-Zentrum Donauwörth Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wer hat den Einsatz angeordnet (die genauen Gründe bitte benennen)? 1.2 Welche Polizeieinheiten waren dabei (bitte die ge nauen Zahlen und die Ausrüstung benennen)? 1.3 Was genau wurde bei dem Polizeieinsatz gefunden und beschlagnahmt? 2.1 Trifft es zu, wie in der Presse berichtet wurde, dass keine Straftaten festgestellt wurden? 2.2 Wenn doch, welche? 3.1 Trifft es zu, wie in der Presse berichtet wurde, dass le diglich ein Verstoß gegen die Hausordnung festgestellt wurde? 3.2 War vor diesem Hintergrund der massive Polizeiein satz zu rechtfertigen? 4.1 Wie viele Personen wurden aufgrund des Polizeiein satzes verlegt (bitte die Gründe und die neuen Orte benennen)? 4.2 Wie viele Asylsozialberaterinnen und Asylsozialberater arbeiten im Ankerzentrum Donauwörth und in den De pendancen? 5.1 Aus welchen Gründen können solche Konflikte nicht niederschwellig gelöst werden? 5.2 Wurde der Betreiber und/oder die Regierung von Schwaben bei der Entscheidung zum Polizeieinsatz kontaktiert und einbezogen? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration nach Einbindung des Polizeipräsidiums Schwaben Nord vom 21.09.2018 1.1 Wer hat den Einsatz angeordnet (die genauen Gründe bitte benennen)? 3.2 War vor diesem Hintergrund der massive Polizeieinsatz zu rechtfertigen? 5.1 Aus welchen Gründen können solche Konflikte nicht niederschwellig gelöst werden? 5.2 Wurde der Betreiber und/oder die Regierung von Schwaben bei der Entscheidung zum Polizeieinsatz kontaktiert und einbezogen? Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Schwaben Nord versuchte am 01.08.2018 gegen 10:00 Uhr die Regierung von Schwaben mithilfe des Sicherheitsdienstes insgesamt 31 Personen zum Umzug von Gebäude 10 in das Gebäu de 11 zu bewegen. Die Zimmer der betreffenden Personen wurden aufgrund der Größe für die Unterbringung von Fa milien benötigt. Der Sicherheitsdienst teilte den 31 Personen das Vor haben mit und forderte diese auf, ihre Sachen zusam menzupacken und umzuziehen. Damit waren diese nicht einverstanden und weigerten sich, den Anweisungen des Sicherheitsdienstes Folge zu leisten. Weiter äußerten sie, dass sie nicht umziehen werden und kündigten Gegenwehr beim Vollzug des Umzuges an. Es lagen konkrete Hinweise vor, dass mehrere Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte gefährliche Gegenstände, wie z. B. Messer, Glasflaschen und Steine in ihren Zimmern deponiert haben, um diese möglicherweise bei Konfliktsitua tionen einzusetzen. Der Umzugsversuch wurde schließlich gegen 11:00 Uhr abgebrochen, da die Gefahr für den Sicherheitsdienst zu groß war. Im Anschluss informierte die Regierung von Schwaben das Polizeipräsidium Schwaben Nord. Am selben Tag fand in der Ankereinrichtung Donauwörth eine Besprechung zwischen den beteiligten Stellen zum weiteren Vorgehen statt. Es wurde vereinbart, dass präventive Polizeimaßnahmen unter der Einsatzleitung des Polizeipräsidiums Schwaben Nord im Zusammenhang mit einer Begehung der Unterkunft durchgeführt werden, um einer Gefährdung anderer Bewoh ner sowie des in der Ankereinrichtung tätigen Personals vor zubeugen. Darüber hinaus leisteten die Einsatzkräfte Vollzugshilfe für die Regierung von Schwaben bei der Verlegung der Asyl bewerber. Bei Einsätzen in der Erstaufnahmeeinrichtung Donau wörth (jetzt: ANKEREinrichtung) ist es in der Vergangen heit regelmäßig und häufig zur Anwendung psychischer und Androhung und Anwendung physischer Gewalt seitens der Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 16.11.2018 Drucksache 17/23990 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/23990 Asylbewerber gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regierung, des Sicherheitsdienstes und Malteser Hilfs dienstes und auch polizeilichen Einsatzkräften gekommen. So musste z. B. die Abschiebung eines gambischen Asyl bewerbers am 14.03.2018 abgebrochen werden, da sich am frühen Morgen, gegen 04:00 Uhr, ca. 50 Personen in der Einrichtung zusammenrotteten, um die Abschiebung zu verhindern. Trotz des Zusammenziehens von 17 Streifen fahrzeugen der umliegenden Dienststellen konnte die Lage nur beruhigt werden, indem der Abschiebeversuch abgebro chen wurde. Im weiteren Einsatzverlauf konnten die Ermitt lung wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs gegen zahlreiche Beschuldigte nur mit starkem Kräfteeinsatz ge führt werden. Hier kam es weiterhin zu massiver verbaler Gewaltandrohung und zu Sachbeschädigungen (detailliert erläutert in der Antwort des Staatsministeriums des Innern unf für Integration vom 29.05.2018 zu der Schriftlichen An frage der Abgeordneten Christine Kamm vom 27.03.2018 auf Drs. 17/22353). Am 28.05.2018 kam es in der Einrichtung zu einer ver suchten gefährlichen Körperverletzung unter Asylbewerbern aus einer Gruppe von sechs bis acht gambischen Staats angehörigen heraus. Die Täterfestnahmen konnten nur durch den Einsatz und die Präsenz von zwölf Streifen der umliegenden Dienststellen durchgeführt werden, da den zunächst drei eingesetzten Streifen massiv verbal lautstark und aggressiv gegenübergetreten wurde. Aufgrund Selbst und Fremdgefährdung sollte am 17.07.2018 ein unter einer psychischen Erkrankung lei dender gambischer Asylbewerber ins Bezirkskrankenhaus Donauwörth gebracht werden. Bei der Verbringung in den Rettungswagen des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) leistete er heftige Gegenwehr, sodass eine Fesselung un umgänglich war. Dies veranlasste ca. 30 Bewohner der Einrichtung, die Polizeibeamten und den Rettungsdienst massiv, teils körperlich, zu bedrängen. Durch Wegstoßen und Wegdrängen sollte die Verbringung in den Rettungswa gen verhindert werden. Bei diesem Einsatz wurde ein Poli zeibeamter verletzt. Mit Blick auf die oben beschriebene Gefährdungslage und auf die Erfahrungen aus früheren Einsätzen in der Erstaufnahmeeinrichtung Donauwörth galt es, jede weitere Eskalation zu vermeiden. Der Einsatz wurde unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und trans parenter Kommunikation durchgeführt. Mit Durchsagen mittels Mega phonen in deutscher, englischer und türkischer Sprache wurden die Bewohner über die Maßnahmen infor miert. 1.2 Welche Polizeieinheiten waren dabei (bitte die genauen Zahlen und die Ausrüstung benennen)? Bei diesem Einsatz waren 91 Beamtinnen und Beamte des Polizeipräsidiums Schwaben Nord, der örtlichen Polizei inspektion Donauwörth und der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Dillingen eingesetzt. Diese Beamtinnen und Beamten trugen Uniform oder aus Gründen der Eigensicherung und Erkennbarkeit die Schutzweste mit Aufdruck „Polizei“ am Rücken und der Vorderseite der Weste. Unterstützt wurde das Polizeipräsidium Schwaben Nord bei diesem Einsatz von 169 Beamtinnen und Beamten der Bereitschaftspolizei und des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Dies waren eine Bereitschaftspolizeieinsatzhundertschaft, eine Hundertschaft des Unterstützungskommandos (USK) ohne einen Zug und ein Zug USK des Polizeipräsi diums Mittelfranken. Diese polizeilichen Einsatzkräfte trugen die Schlagschutzausstattung und den Einsatzoverall. Die eingesetzten Kommunikationsbeamtinnen und Kom munikationsbeamten waren zusätzlich mit Megaphonen ausgestattet. 1.3 Was genau wurde bei dem Polizeieinsatz gefunden und beschlagnahmt? Es wurden insgesamt 19 Besteckmesser in den Zimmern von Asylbewerbern, die umziehen mussten, festgestellt. Da dies ein Verstoß gegen die Hausordnung darstellt, wur den die Messer an die Mitarbeiter des Betreibers (Malteser Werke gGmbH) übergeben. 2.1 Trifft es zu, wie in der Presse berichtet wurde, dass keine Straftaten festgestellt wurden? 2.2 Wenn doch, welche? Bei dem Einsatz am 03.08.2018 wurden keine Straftaten festgestellt. Wegen des beschriebenen Verhaltens am 01.08.2018 wird von der KPI Dillingen derzeit gegen einen bekannten Täter wegen Nötigung ermittelt. Die Ermittlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. 3.1 Trifft es zu, wie in der Presse berichtet wurde, dass lediglich ein Verstoß gegen die Hausordnung festgestellt wurde? Beim Einsatz wurden Verstöße gegen die Hausordnung (Besitz von Messern im Zimmer) festgestellt (siehe Antwort zu Frage 1.3). Darüber hinaus wird auf die Antwort zu den Fragen 1.1, 5.1 und 5.2 verwiesen. 4.1 Wie viele Personen wurden aufgrund des Polizeieinsatzes verlegt (bitte die Gründe und die neuen Orte benennen)? Von den 31 vom Umzug betroffenen Asylbewerbern konnten 26 Personen angetroffen werden. Auf Weisung der Regie rung von Schwaben wurden davon 22 Asylbewerber vom Gebäude 10 in das Gebäude 11 innerhalb der Ankereinrich tung verlegt. Bei der Verweigerung des freiwilligen Umzuges konnten vier Rädelsführer identifiziert werden, die sich aggressiv und unkooperativ zeigten sowie die anderen Asylbewerber gegen die Mitarbeiter des Betreibers und des Sicherheits dienstes aufbrachten. Um einer Gefahr für die Mitarbeiter in der Ankereinrich tung Donauwörth vorzubeugen, verlegte die Regierung von Schwaben diese vier Asylbewerber in andere Gemein schaftsunterkünfte im Regierungsbezirk Schwaben. Jeweils eine Person wurde untergebracht in: – Kempten, – Senden, – Ettringen, – Mindelheim. 4.2 Wie viele Asylsozialberaterinnen und Asylsozialberater arbeiten im Ankerzentrum Donauwörth und in den Dependancen? Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie für die Förderung der so zialen Beratung, Betreuung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (sog. Beratungs und Integra tionsrichtlinie – BIR) zum 01.01.2018 wurden die bisherigen Förderbereiche der Asylsozialberatung und der landesge Drucksache 17/23990 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 förderten Migrationsberatung zur sog. Flüchtlings und Inte grationsberatung zusammengelegt. Hierbei sieht die BIR verlässliche Strukturen vor, um auch dem erhöhten Beratungsbedarf in ANKEREinrichtungen Rechnung zu tragen. So hat die Existenz einer ANKEREin richtung in einem Landkreis bzw. in einer kreisfreien Stadt nach der BIR gleich in zweifacher Hinsicht Einfluss auf die Höhe der auf den Landkreis/die kreisfreie Stadt als Gebiets kulisse entfallenden Mittel: Zum einen wird die Anzahl der in einer Aufnahmeeinrichtung lebenden Ausländer in dem für die Mittelverteilung maßgeblichen Ausländerzentralregister abgebildet und führt zu einer dieser Anzahl entsprechenden Mittelauskehr. Zum anderen löst die Existenz einer ANKER Einrichtung (AE) – abhängig von ihrer maximalen Kapazi tät – einen zusätzlichen sog. AEBonus an Mitteln für den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt aus, in dem/der sie sich befindet. Wie viele der insgesamt in einem Landkreis/einer kreisfreien Stadt auf der jeweiligen Mittelgrundlage mög lichen Stellen in einer konkreten Aufnahmeeinrichtung zum Einsatz kommen, liegt dann im Ermessen der geförderten Träger.