Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27.08.2018 Familiengeld – Vermeidung von Nachteilen für betrof fene einkommensarme Familien angesichts der recht lich ungeklärten Lage Von der Einführung des Familiengeldes sollten nach Aus sagen der Staatsregierung auch die Kinder und deren Fa milien profitieren, die staatliche Transferleistungen, wie z. B. Hartz IV, in voller Höhe oder teilweise bekommen (sog. Aufstockerinnen und Aufstocker, darunter beispielswei se auch viele Alleinerziehende), ähnlich wie beim bis zum 31.08.2018 befristeten einkommensabhängigen „Landeser ziehungsgeld“. Das für die Anrechnung von Einkommen auf Hartz IV zuständige Bundesministerium argumentiert aber, das Fami liengeld müsse als Einkommen gemäß § 11 Sozial gesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) bei den Leistungsbe zieherinnen und Leistungsbeziehern angerechnet und die HartzIVZahlung entsprechend gekürzt werden und hält deshalb die Auszahlung des Familiengeldes nach Medien berichten von vornherein für rechtswidrig. Um zu verhindern, dass eine als rechtswidrig angesehene Leistung ausgezahlt wird, möchte das Bundesministerium die Auszahlung der Leistung untersagen, während die Staatsregierung, die die Auszahlung des Familiengeldes für rechtskonform hält, an der Auszahlung festhalten will und ggf. eine gerichtliche Klä rung anstrebt, wie den Medienberichten der letzten Wochen zu entnehmen war. Bei Auszahlung von Kindergeld wird die Auszahlung an die Familien erfasst und Hartz IV als soziale Transferleis tungen automatisch um den entsprechenden Betrag gekürzt. Beim neu eingeführten Familiengeld bekommt aber nicht jede einkommensarme Familie, die HartzIVLeistungen be zieht, ab September 2018 automatisch Familiengeld, son dern nur diejenigen, die es bis dahin beantragt haben. Nur diese bekommen auch einen Bescheid, der die Höhe und den erstmaligen Auszahlungszeitpunkt belegt und den sie beim Jobcenter vorlegen müssen, um die Frage abzuklären, wie und in welcher Höhe das zusätzliche Einkommen auf Hartz IV angerechnet werden wird. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Welche Hinweise hatte die Staatsregierung, dass das zuständige Bundesministerium die Einführung eines Bayerischen Familiengeldes im Hinblick auf eine Anrechnung als Einkommen für die Bezieher von steuer finanzierten staatlichen Transferleistungen wie Hartz IV, kritisch sieht (z. B. aus den vorangegangenen Koalitionsverhandlungen oder aus Vorgesprächen)? 1.2 Wie hat die Staatsregierung versucht sicherzustellen, dass das Familiengeld eben nicht als Einkommen an gerechnet wird? 1.3 Hat sich die Staatsregierung im Rahmen der Erarbei tung des Gesetzestextes auch direkt mit dem für die Einkommensanrechnung zuständigen Bundesministe rium abgesprochen? 2.1 Inwiefern hat sich die Staatsregierung auf Bundesebe ne bisher dafür eingesetzt, dass einkommensarme Fa milien zusätzlich zu den staatlichen Transferleistungen des Bundes weitere Zahlungen durch Landesregierun gen erhalten dürfen? 2.2 Wie begründet die Staatsregierung in diesem Zusam menhang ihren Standpunkt, dass einkommensarme Familien vom zusätzlichen Bezug von Kindergeld so wie vom Bayerischen Betreuungsgeld ausgeschlos sen werden? 2.3 Hält es die Staatsregierung in diesem Zusammenhang für sinnvoll, bundespolitische Regelungen so zu ver ändern, dass einkommensarme Familien Leistungen wie Kindergeld, Betreuungsgeld und Familiengeld an rechnungsfrei erhalten dürfen? 3.1 Unterstützt die Staatsregierung die bundespolitische Vorgabe, dass Überzahlungen von (steuerfinanzier ten) Transferleistungen nach dem SGB vermieden werden müssen, um die Belastung für die Steuerzah lerinnen und Steuerzahler möglichst gering zu halten? 3.2 Gibt es nach Meinung der Staatsregierung in dem Zu sammenhang überhaupt eine rechtliche Möglichkeit, den einkommensarmen betroffenen Familien die Aus zahlung des Familiengeldes zusätzlich zu staatlichen Transferleistungen ohne eine unmittelbare Rückforde rung durch die Jobcenter zu ermöglichen, solange die zugrunde liegende Fragestellung, ob das Familiengeld rechtskonform ist oder nicht, noch nicht gerichtlich ge klärt ist? 3.3 Welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Staatsregie rung in der jetzigen Situation, die bisherigen Bezie herinnen und Bezieher von Landeserziehungsgeld zum 01.09.2018 nicht schlechter zu stellen als bisher, wenn das Landeserziehungsgeld wegfällt, aber das Familiengeld dann nicht ausgezahlt werden darf bzw. unmittelbar zurückgefordert werden muss und den Be troffenen somit weniger Geld zur Verfügung steht als vorher? 4.1 Rechnet die Staatsregierung damit, dass in den Job centern Bayerns je nach Trägerschaft (Bundesagen tur oder Kommune) unterschiedlich verfahren werden wird, was die Rückforderung von überzahlten Leistun gen angeht? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.11.2018 Drucksache 17/24214 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/24214 4.2 Auf welcher Rechtsgrundlage beabsichtigt die Staats regierung die kommunalen Träger der Jobcenter auf zufordern, von einer Rückforderung des ausbezahlten Familiengeldes abzusehen? 4.3 Wird die Staatsregierung eine einstweilige Verfügung durch das zuständige Gericht beantragen, um die an rechnungsfreie Auszahlung des Familiengeldes für die betroffenen einkommensschwachen Familien bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung zu ermögli chen? 5.1 Auf welche Sozialtransferleistungen wird das zustän dige Bundesministerium nach Kenntnis der Staatsre gierung das nach Meinung des Bundesministeriums unrechtmäßig ausbezahlte Familiengeld anrechnen lassen und zurückfordern? 5.2 Wie viele Kinder bzw. anspruchsberechtigte Familien werden nach Kenntnis der Staatsregierung davon be troffen sein? 5.3 Inwieweit setzt sich die Staatsregierung aktuell dafür ein, eine vom Bundesministerium anerkannte Lösung der Situation durch eine Änderung der bestehenden Gesetze auf Landes oder Bundesebene zu errei chen? 6.1 Kann es nach Einschätzung der Staatsregierung dazu kommen, dass die Umsetzung sowie der Zeitpunkt der Anrechnung und Rückforderung des Familiengeldes je nach Wohnort aufgrund der unterschiedlichen Trä ger der Jobcenter unterschiedlich gehandhabt werden wird? 6.2 Was wird die Staatsregierung tun, um ein konformes Vorgehen der Behörden zu erreichen? 6.3 Rechnet die Staatsregierung mit einer endgültigen juristischen Klärung innerhalb der nächsten zwölf Mo nate? 7.1 Wie viele Anträge auf Familiengeld wurden bisher von Familien gestellt, die gleichzeitig Transferleistungen beziehen (bitte konkrete Anzahl und prozentualen An teil aufführen)? 7.2 Wie will die Staatsregierung verhindern, dass Familien, die noch gar keinen Antrag auf Familiengeld gestellt haben und demzufolge auch gar keinen Bescheid be kommen, das Familiengeld nicht als „fiktives Einkom men“ angerechnet wird und somit vom Jobcenter Geld abgezogen bekommen? 8.1 Ist ein Datenaustausch zwischen den Jobcentern und dem Zentrum Bayern Familien und Soziales möglich, um – solange die Rechtslage unklar ist – den Fami lien jeden Monat zu Monatsbeginn den vollen zuste henden Betrag zu überweisen, also entweder Hartz IV ohne Abzug, weil gar kein Familiengeld beantragt wur de, oder Hartz IV mit Abzug, weil Familiengeld bean tragt wurde? 8.2 Welche konkrete Vorgehensweise hält die Staatsre gierung für sinnvoll, um angesichts der ungeklärten rechtlichen Lage den zusätzlichen Aufwand für die bayerischen Behörden, die Bundesbehörden, die kommunalen Behörden und die betroffenen Familien zu vermeiden, sodass die einkommensarmen Fami lien letztlich nicht noch Nachteile haben in Form von späterer Auszahlung der zustehenden HartzIVBeträ ge, zusätzlichem zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Einlegung von Widersprüchen oder die Erhe bung einer Klage? 8.3 Wie will die Staatsregierung verhindern, dass jeden Monat aufs Neue durch die Jobcenter geprüft und durch die Betroffenen bewiesen werden muss, ob und in welcher Höhe Familiengeld ausgezahlt und bis zu einer gerichtlichen Klärung von Hartz IV abgezogen werden muss? Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 01.10.2018 1.1 Welche Hinweise hatte die Staatsregierung, dass das zuständige Bundesministerium die Einfüh rung eines Bayerischen Familiengeldes im Hin blick auf eine Anrechnung als Einkommen für die Bezieher von steuerfinanzierten staatlichen Trans ferleistungen wie Hartz IV, kritisch sieht (z. B. aus den vorangegangenen Koalitionsverhandlungen oder aus Vorgesprächen)? Der Staatsregierung lagen keine entsprechenden Erkennt nisse vor. In einem Schreiben vom 23.04.2018 hatte das Bundesmi nisterium für Arbeit und Soziales (BMAS) allgemein auf den geltenden Nachranggrundsatz der Grundsicherung für Ar beitsuchende hingewiesen. Zugleich hat das BMAS selbst die bestehende Ausnahmeregelung (§ 11a Abs. 3 SGB II) benannt und die Eckpunkte für deren Vorliegen ganz allge mein und abstrakt dargelegt. Diese bezogen sich auf lan despolitische Familienleistungen insgesamt, nicht auf das Bayerische Familiengeld, das es in einer konkreten Ausge staltung zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht gab. Die Staatsregierung hat genau die in diesem Schreiben aufge zeigte Ausnahmeregelung genutzt und bei der Ausgestal tung des Familiengeldes die mitgeteilten Hinweise berück sichtigt. Mit Schreiben vom 20.07.2018 hat auch die Regionaldi rektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit (BA) zunächst die Auffassung vertreten, das Bayerische Familiengeld sei bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht anzurech nen. Drucksache 17/24214 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Das BMAS hat jedoch seiner eigenen nachgeordneten Behörde widersprochen und die BA mit Schreiben vom 10.08.2018 angewiesen, eine Anrechnung vorzunehmen. Dabei hat das BMAS – über das in seinem Schreiben vom 23.04.2018 Formulierte hinaus – die Anforderungen an die Ausnahmeregelung nochmals erhöht. Eine solche Ausle gung von § 11a Abs. 3 SGB II lässt sich nach Auffassung der Staatsregierung allerdings nicht mehr argumentativ nach vollziehen. Mit einer solchen Auffassung konnte und musste die Staatsregierung nicht rechnen. 1.2 Wie hat die Staatsregierung versucht sicherzustel len, dass das Familiengeld eben nicht als Einkom men angerechnet wird? Die Staatsregierung hat bereits vorhandene bundesrecht liche Ausnahmebestimmungen zum sog. Nachranggrund satz der Grundsicherung für Arbeitsuchende genutzt. Dem entsprechend wurde das Bayerische Familiengeldgesetz und insbesondere seine Zweckbestimmung in Art. 1 Baye risches Familiengeldgesetz (BayFamGG) einschließlich der differenzierten Gesetzesbegründung ausgestaltet. Die Zweckbestimmung wurde dabei auf zwei voneinander un abhängige rechtliche Säulen gestellt. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Das Bayerische Familiengeld ist eine Weiterentwicklung des Landeserziehungsgeldes. Das stellt das Bayerische Familiengeldgesetz in der Zweckbestimmung in Art. 1 aus drücklich klar. Erziehungsgeldartige Leistungen der Länder sind bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nach § 27 Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG) nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine Anrechnung scheidet nach Auffassung der Staats regierung außerdem deswegen aus, weil das Bayerische Familiengeld andere Zwecke als die Existenzsicherung verfolgt. Es soll den Eltern einen größeren finanziellen Ge staltungsspielraum im Hinblick auf die frühe Erziehung und Bildung der Kinder sowie der Kindergesundheit verschaffen (Art. 1 BayFamGG). Außerdem werden im Gesetzestext ganz konkrete Erwartungen an die Verwendung („frühe Er ziehung und Bildung der Kinder einschließlich gesundheits förderlicher Maßnahmen“) benannt und in der Gesetzes begründung ausdrücklich beschrieben. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zwecksetzung scheidet nach Auffassung der Staatsregierung eine Anrechnung des Bayerischen Fa miliengeldes als Einkommen auf die Leistungen der Grund sicherung aus (vgl. § 11a Abs. 3 SGB II). Die Staatsregierung hat damit alles getan, um eine An rechnung zu vermeiden. 1.3 Hat sich die Staatsregierung im Rahmen der Erar beitung des Gesetzestextes auch direkt mit dem für die Einkommensanrechnung zuständigen Bun desministerium abgesprochen? Nein, dafür bestand aus Sicht der Staatsregierung u. a. auf grund des Schreibens vom 23.04.2018 kein Anlass (siehe auch Antwort zu Frage 1.1). 2.1 Inwiefern hat sich die Staatsregierung auf Bun desebene bisher dafür eingesetzt, dass einkom mensarme Familien zusätzlich zu den staatlichen Transferleistungen des Bundes weitere Zahlungen durch Landesregierungen erhalten dürfen? Mit Schreiben vom 28.03.2018 hat das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) die Frage der Anrech nung von landespolitischen Familienleistungen auf Transfer leistungen (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe, Kinderzuschlag) gegenüber dem BMAS im Allgemeinen thematisiert. Problematisiert wurde dabei insbesondere die Tatsache, dass die meisten Leistungen der Länder ange rechnet werden (Ausnahme: Landeserziehungsgeld). Dies hat zur Folge, dass Leistungsempfänger von Ver besserungen auf Landesebene nicht profitieren. Vielmehr refinanziert ein Land mit einer eigenen Familienleistung zu einem gewissen Teil faktisch Bundesleistungen. Dieses Ergebnis erscheint aus Sicht der Staatsregierung jedenfalls in Bezug auf Familien mit kleinen Kindern unbillig. Die ersten drei Lebensjahre eines Kindes sind unterhalts rechtlich und sozialrechtlich besonders privilegiert. In dieser Phase kommt es nicht vorrangig darauf an, Anreize für beide Elternteile zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu setzen. Stattdessen sollte z. B. ein landespolitisches Ziel greifen können, Eltern Wahlfreiheit zu verschaffen. Nur im Falle der Nichtanrechnung verbleibt den Ländern nach Auffassung der Staatsregierung ein ausreichender Handlungsspielraum. Mit einem Schreiben vom 23.04.2018 (siehe Antwort zu Frage 1.1) hat das BMAS daraufhin mitgeteilt, für eine Ände rung der Rechts und Weisungslage bezüglich der Anrech nung von Familienleistungen der Länder auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe sowie der Berücksichtigung des Kinderzuschlags sehe es derzeit keinen Anlass. Unabhängig davon hat das BMAS auf bereits vorhandene Ausnahmeregelungen verwiesen (siehe Antwort zu Frage 1.1). Mit Schreiben vom 28.09.2018 hat sich die Staatsminis terin für Familie, Arbeit und Soziales Kerstin Schreyer zur konkreten Frage der Anrechnung des Familiengeldes an den Bundesminister für Arbeit uns Soziales Hubertus Heil gewandt und gebeten, seine bisherige Haltung zum Wohle der betroffenen Familien zu überdenken. Dabei wurde auf das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ferdinand Wollenschlä ger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Euro parecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht der Universität Augs burg, Bezug genommen. Professor Dr. Ferdinand Wollenschläger kommt in sei nem Gutachten insbesondere zu dem Ergebnis, dass das Familiengeld sowohl als eine dem Bundeserziehungs geld vergleichbare Leistung des Landes (§ 27 BEEG) als auch eine von der Existenzsicherung zu unterscheidende (Mehr)Bedarfsleistung (§ 11a Abs. 3 SGB II) zu werten ist. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/24214 2.2 Wie begründet die Staatsregierung in diesem Zu sammenhang ihren Standpunkt, dass einkom mensarme Familien vom zusätzlichen Bezug von Kindergeld sowie vom Bayerischen Betreuungs geld ausgeschlossen werden? Die Frage gibt den Standpunkt der Staatsregierung un zutreffend wieder. Mit Schreiben vom 28.03.2018 (siehe Antwort zu Frage 2.1) hat die Staatsregierung generell die Frage der Anrechnung von Familienleistungen auf Transfer leistungen (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe, Kinderzuschlag) gegenüber dem BMAS thematisiert (siehe Antwort zu Frage 2.1). Die Rechtslage beim Bayerischen Betreuungsgeld und Kindergeld ist dennoch eine andere als beim Bayerischen Familiengeld: Das Bundesbetreuungsgeld wurde nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2015 zu des sen Verfassungswidrigkeit aufgrund Unzuständigkeit des Bundes in Bayerisches Landesrecht übernommen. Genau so wie das Bundesbetreuungsgeld hat daher die Regionaldi rektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit das Bayerische Betreuungsgeld als anzurechnendes Einkommen gewertet. Das Kindergeld als bundesweite Leistung ist mit den Fa milienleistungen auf Landesebene nicht vergleichbar: Es ist insbesondere eine Steuerrückzahlung aufgrund der von Verfassungsrecht wegen gebotenen steuerlichen Freistel lung des Existenzminimums. Insoweit ist das Kindergeld zweckidentisch zu den Leistungen der Grundsicherung und wird aufgrund des Nachranggrundsatzes auf diese ange rechnet. 2.3 Hält es die Staatsregierung in diesem Zusammen hang für sinnvoll, bundespolitische Regelungen so zu verändern, dass einkommensarme Familien Leistungen wie Kindergeld, Betreuungsgeld und Familiengeld anrechnungsfrei erhalten dürfen? Zu der Ansicht der Staatsregierung, Familienleistungen auf Landesebene anrechnungsfrei zu stellen, siehe Antwort zu Frage 2.1. Hinsichtlich des Familiengeldes wird auf die Ant wort zu Frage 1.2 und hinsichtlich des Betreuungsgeldes und Kindergeldes auf die Antwort zu Frage 2.2 verwiesen. 3.1 Unterstützt die Staatsregierung die bundespoliti sche Vorgabe, dass Überzahlungen von (steuer finanzierten) Transferleistungen nach dem SGB vermieden werden müssen, um die Belastung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglichst gering zu halten? Grundsätzlich unterstützt die Staatsregierung auch wei terhin den geltenden Nachranggrundsatz bei existenzsi chernden Leistungen. Für eine Anrechnungsfreiheit des Familiengeldes wurden bestehende bundesrechtliche Aus nahmevorschriften genutzt, siehe Antworten zu den Fragen 1.2 und 2.1. 3.2 Gibt es nach Meinung der Staatsregierung in dem Zusammenhang überhaupt eine rechtliche Mög lichkeit, den einkommensarmen betroffenen Fami lien die Auszahlung des Familiengeldes zusätzlich zu staatlichen Transferleistungen ohne eine un mittelbare Rückforderung durch die Jobcenter zu ermöglichen, solange die zugrunde liegende Fra gestellung, ob das Familiengeld rechtskonform ist oder nicht, noch nicht gerichtlich geklärt ist? Die Rechtskonformität des Familiengeldes steht nicht in frage. Infrage steht nur, ob das Familiengeld auf Leistungen des SGB II anzurechnen ist und inwieweit die hierzu beste hende Rechtsauffassung durchgesetzt werden kann. In Bayern gibt es zehn Optionskommunen (Städte: In golstadt, Schweinfurt, Erlangen, Kaufbeuren; Landkreise: Würzburg, Ansbach, München, Miesbach, Günzburg, Oberallgäu). Diese nehmen alle Aufgaben der Grundsi cherung für Arbeitsuchende allein wahr. Die Aufsicht obliegt dem Freistaat. Die unter der Aufsicht des Freistaates ste henden zehn Optionskommunen wurden mit Schreiben vom 14.08.2018 angewiesen, das Bayerische Familiengeld nicht auf SGBIILeistungen anzurechnen. In Bayern sind aber auch 86 Kommunen in 83 „gemein samen Einrichtungen“ (gE) organisiert (an drei bayerischen gE sind jeweils zwei Kommunen beteiligt). Es handelt sich um Mischverwaltungsbehörden unter Beteiligung der ört lichen Arbeitsagentur und des kommunalen Trägers (Land kreis bzw. kreisfreie Gemeinde), die weitgehend unter Auf sicht des BMAS stehen. Hier kann das BMAS seine aus Sicht der Staatsregierung unzutreffende Rechtsauffassung weitgehend durchsetzen, indem die Jobcenter das Familiengeld auf die Grundsi cherung für Arbeitsuchende anrechnen, also weniger Leis tungen auszahlen. In diesem Fall muss sich der Bürger – notfalls gerichtlich gegenüber den Jobcentern – gegen die Anrechnung wehren. Die in der Antwort zu Frage 1.2. dar gelegte Argumentationslinie der Staatsregierung ist in Form eines Informationsblatts auf der Website des StMAS zur Verfügung gestellt. Es ist zu erwarten, dass diese Thematik sehr bald gericht lich verhandelt wird. Mittelfristig wird sich die Rechtsanwen dung aufgrund der Rechtsprechung wieder angleichen. 3.3 Welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Staatsre gierung in der jetzigen Situation, die bisherigen Be zieherinnen und Bezieher von Landeserziehungs geld zum 01.09.2018 nicht schlechter zu stellen als bisher, wenn Landeserziehungsgeld wegfällt, aber das Familiengeld dann nicht ausgezahlt wer den darf bzw. unmittelbar zurückgefordert werden muss und den Betroffenen somit weniger Geld zur Verfügung steht als vorher? Das Bayerische Familiengeld wird – entsprechend der Rechtsauffassung der Staatsregierung – immer an die Drucksache 17/24214 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Berechtigten ausgezahlt. Dazu wurde das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) ange wiesen. Die unter der Aufsicht des Freistaates stehenden zehn Optionskommunen wurden angewiesen, das Bayerische Familiengeld nicht auf SGBIILeistungen anzurechnen (sie he Antwort zu Frage 3.2). Die Frage stellt sich hier also nicht. Das Familiengeld soll nach Auffassung der Staatsregie rung ein „Mehr“ für alle Familien bedeuten, gerade auch für einkommensschwächere Familien. Die Gesamtleistung Familiengeld soll immer günstiger als das bisherige Be treuungsgeld und Landeserziehungsgeld zusammen sein. „Schlechterstellungen“ in Einzelfällen, wie sie in der Frage anklingen, sind daher ausschließlich der Entscheidung des BMAS zur Anrechnung des Familiengeldes geschuldet, wo hingegen das bisherige Landeserziehungsgeld unstrittig nicht anzurechnen war. Insoweit bleibt die Entscheidung der Gerichte zur Anrechenbarkeit des Familiengeldes abzuwar ten. Unabhängig von der Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes wird das Landeserziehungsgeld unter den Voraussetzungen des Art. 9a Abs. 2 BayFamGG in Über gangsfällen weiter gezahlt bzw. bewilligt. Die Regelung stellt sicher, dass der monatliche Auszahlungsbetrag aus Landes erziehungsgeld und Betreuungsgeld zumindest er halten bleibt oder sich durch das Familiengeld steigert. 4.1 Rechnet die Staatsregierung damit, dass in den Jobcentern Bayerns je nach Trägerschaft (Bun desagentur oder Kommune) unterschiedlich ver fahren werden wird, was die Rückforderung von überzahlten Leistungen angeht? Gegenwärtig sind BMAS einerseits und Staatsregierung an dererseits unterschiedlicher Auffassung im Hinblick auf die Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes auf Leistun gen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die komplexen Organisationsstrukturen in der Grundsi cherung für Arbeitsuchende mit unterschiedlichen Aufsichts regelungen in den Jobcentern bedingen die Möglichkeit, dass die Rechtsanwendung auseinanderläuft (siehe Ant wort zu Frage 3.2). Das ist aktuell unvermeidbar. Soweit gemeinsame Einrichtungen das Familiengeld an rechnen, erhalten die Leistungsempfänger bereits gekürzte SGBIILeistungen. Grundsätzlich geht es daher nicht um Rückforderungen. 4.2 Auf welcher Rechtsgrundlage beabsichtigt die Staatsregierung die kommunalen Träger der Job center aufzufordern, von einer Rückforderung des ausbezahlten Familiengeldes abzusehen? Die Jobcenter haben keinerlei Auftrag zum Vollzug des Fa miliengeldes und können dieses daher nicht zurückfordern. Die Jobcenter haben ausschließlich über den Vollzug des SGB II einschließlich der Frage der Anrechnung des Fami liengeldes und infolgedessen über ggf. gekürzte SGBII Leistungen oder Rückforderung überzahlter SGBIILeistun gen zu entscheiden. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 3.2. 4.3 Wird die Staatsregierung eine einstweilige Verfü gung durch das zuständige Gericht beantragen, um die anrechnungsfreie Auszahlung des Fami liengeldes für die betroffenen einkommensschwa chen Familien bis zu einer endgültigen gerichtli chen Klärung zu ermöglichen? Hinsichtlich der Optionskommunen in Bayern ist eine derar tige einstweilige Verfügung nicht notwendig (siehe Antwort zu Frage 3.2). Im Übrigen prüft die Staatsregierung alle rechtlichen Möglichkeiten. 5.1 Auf welche Sozialtransferleistungen wird das zu ständige Bundesministerium nach Kenntnis der Staatsregierung das nach Meinung des Bundes ministeriums unrechtmäßig ausbezahlte Familien geld anrechnen lassen und zurückfordern? Es geht nicht um eine Rückforderung des Familiengeldes, wofür das BMAS in keiner Weise zuständig ist, sondern um die Anrechnung bei anderen Sozialleistungen, die folge richtig zu kürzen wären (vgl. Antwort zu Frage 4.2). Nach Kenntnis der Staatsregierung geht das BMAS von einer An rechnung bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus. Es ist davon auszugehen, dass dies auch für den Kin derzuschlag gilt. 5.2 Wie viele Kinder bzw. anspruchsberechtigte Fa milien werden nach Kenntnis der Staatsregierung davon betroffen sein? Die Mehrheit der Eltern, die das Bayerische Familiengeld erhalten, ist nach Ansicht der Staatsregierung von der Fra ge der Anrechnung auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht betroffen, geschätzt über 90 Prozent. Denn lediglich ca. 8 Prozent der Kinder unter drei Jahren beziehen in Bayern Leistungen der Grundsicherung für Ar beitsuchende. Hinzu kommen geringe Auswirkungen im Be reich des Kinderzuschlags oder bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. 5.3 Inwieweit setzt sich die Staatsregierung aktuell dafür ein, eine vom Bundesministerium anerkann te Lösung der Situation durch eine Änderung der bestehenden Gesetze auf Landes oder Bundes ebene zu erreichen? Die Staatsregierung prüft alle rechtlichen Möglichkeiten und schließt auch einen weiteren Vorstoß zur Änderung beste hender Gesetze nicht aus. Einen ersten Vorstoß hatte das BMAS indes abgewiesen (vgl. Antwort zu Frage 2.1). 6.1 Kann es nach Einschätzung der Staatsregierung dazu kommen, dass die Umsetzung sowie der Zeit punkt der Anrechnung und Rückforderung des Fa miliengeldes je nach Wohnort aufgrund der unter schiedlichen Träger der Jobcenter unterschiedlich gehandhabt werden wird? Siehe Antwort zu Frage 3.2. Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/24214 6.2 Was wird die Staatsregierung tun, um ein konfor mes Vorgehen der Behörden zu erreichen? Siehe Antwort zu Frage 3.2 und 4.3. 6.3 Rechnet die Staatsregierung mit einer endgültigen juristischen Klärung innerhalb der nächsten zwölf Monate? Ein genauer Zeitpunkt für eine abschließende juristische Klärung des Sachverhalts ist aus Sicht der Staatsregierung nicht prognostizierbar. 7.1 Wie viele Anträge auf Familiengeld wurden bisher von Familien gestellt, die gleichzeitig Transferleis tungen beziehen (bitte konkrete Anzahl und pro zentualen Anteil aufführen)? Daten hierzu liegen nicht vor. Ein Antrag ist aufgrund der Antragsfiktion in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayFamGG in aller Re gel nicht zu stellen. Familiengeld wird an alle berechtigten Personen unabhängig von ihrem Einkommen ausgezahlt. Es kommt für das Familiengeld daher auch nicht darauf an, ob Transferleistungen bezogen werden. 7.2 Wie will die Staatsregierung verhindern, dass Familien, die noch gar keinen Antrag auf Fami liengeld gestellt haben und demzufolge auch gar keinen Bescheid bekommen, das Familiengeld nicht als „fiktives Einkommen“ angerechnet wird und somit vom Jobcenter Geld abgezogen bekom men? Wer in Bayern bereits Elterngeld beantragt und bezogen hat, braucht keinen Antrag auf Familiengeld zu stellen, vgl. Antwort zu Frage 7.1. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) kommt in diesen Fällen „automatisch“ auf die Berechtigten zu. Bereits rd. 178.000 Eltern haben einen Bescheid erhalten, rd. 76 Prozent aller Fälle sind damit ab gearbeitet. Wer existenzsichernde Leistungen bezieht, muss jegliche Art von Einkünften gegenüber der jeweiligen Sozialbehörde (im Falle des SGB II gegenüber dem Jobcenter) angeben. Die gE werden in diesen Fällen das Familiengeld direkt an rechnen. Darüber hinaus stellt sich hinsichtlich der Optionskommu nen diese Frage mangels Anrechnung nicht (siehe Antwort zu Frage 3.2). 8.1 Ist ein Datenaustausch zwischen den Jobcentern und dem Zentrum Bayern Familien und Soziales möglich, um – solange die Rechtslage unklar ist – den Familien jeden Monat zu Monatsbeginn den vollen zustehenden Betrag zu überweisen, also entweder Hartz IV ohne Abzug, weil gar kein Fami liengeld beantragt wurde, oder Hartz IV mit Abzug, weil Familiengeld beantragt wurde? Ein Datenaustausch ist aus Sicht der Staatsregierung nicht möglich, allerdings auch nicht notwendig. Familiengeld wird vom ZBFS an alle berechtigten Personen ausgezahlt. Hin sichtlich der Optionskommunen stellt sich diese Frage auch mangels Anrechnung nicht (siehe Antwort zu Frage 3.2). 8.2 Welche konkrete Vorgehensweise hält die Staatsre gierung für sinnvoll, um angesichts der ungeklär ten rechtlichen Lage den zusätzlichen Aufwand für die bayerischen Behörden, die Bundesbehörden, die kommunalen Behörden und die betroffenen Familien zu vermeiden, sodass die einkommensar men Familien letztlich nicht noch Nachteile haben in Form von späterer Auszahlung der zustehenden HartzIVBeträge, zusätzlichem zeitlichen und fi nanziellen Aufwand für die Einlegung von Wider sprüchen oder die Erhebung einer Klage? Es ist zu erwarten, dass diese Thematik bald vor den Ge richten verhandelt wird. Mittelfristig wird sich die Rechtsan wendung aufgrund der Rechtsprechung wieder angleichen. 8.3 Wie will die Staatsregierung verhindern, dass je den Monat aufs Neue durch die Jobcenter geprüft und durch die Betroffenen bewiesen werden muss, ob und in welcher Höhe Familiengeld ausgezahlt und bis zu einer gerichtlichen Klärung von Hartz IV abgezogen werden muss? Hinsichtlich der Optionskommunen stellt sich diese Frage mangels Anrechnung nicht (siehe Antwort zu Frage 3.2). Die gE können dem Familiengeldbescheid Beginn und Ende der Familiengeldzahlung entnehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8.2 verwiesen.