Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Günther Knoblauch SPD vom 27.07.2018 Einrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Eröffnet das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) nach Ansicht der Staatsregierung Möglichkeiten , dass hinsichtlich der Mindestgrößen von Schlafräumen Ausnahmen bzw. Ermessensspielräume zugelassen werden – etwa, wenn die Räume 11,00 bis 11,99 qm statt der geforderten 12 qm aufweisen, dafür aber die zusammenhängenden Gemeinschaftswohnräume in der Wohngruppe größer sind als gefordert ? b) Wenn ja, wie sehen diese Ausnahmen aus und was muss eine Einrichtung beachten, um darunterzufallen? c) Wenn nein, wie bewertet die Staatsregierung die Härte für die Einrichtungen, wenn deshalb Abriss und Neubauten erfolgen müssen und die Situation, dass durch Ausnahmen zudem staatliche Fördermittel eingespart werden könnten? 2. a) Erwägt die Staatsregierung Ausnahmen bzw. einen Ermessensspielraum hinsichtlich einer pragmatischen Lösung bei den Mindestgrößen beim PfleWoqG zuzulassen ? b) Wenn ja, bis wann? c) Wenn nein, warum nicht? 3. a) Nachdem es aufgrund der Berentung des zuständigen Bauberaters derzeit beim Zentrum Bayern Familie und Soziales zu einem Stau der Prüfung der Stellungnahmen und Pläne hinsichtlich der Fördergelder für Bauvorhaben von Werkstätten für Menschen mit Behinderung kommt, frage ich, wann mit einem Nachfolger zu rechnen ist ? b) Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Stellungnahmen und Pläne schnell abgearbeitet werden, da Werkstätten in ganz Bayern durch die Blockade unter Zeitdruck geraten? 4. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, dass künftig bei öffentlichen Ausschreibungen Werkstätten für Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigt werden, die neben den sozialen Aspekten auch Qualität und Regionalität bieten? Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales nach Beteiligung des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 01.10.2018 1. a) Eröffnet das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) nach Ansicht der Staatsregierung Möglichkeiten, dass hinsichtlich der Mindestgrößen von Schlafräumen Ausnahmen bzw. Ermessensspielräume zugelassen werden – etwa, wenn die Räume 11,00 bis 11,99 qm statt der geforderten 12 qm aufweisen, dafür aber die zusammenhängenden Gemeinschaftswohnräume in der Wohngruppe größer sind als gefordert? b) Wenn ja, wie sehen diese Ausnahmen aus und was muss eine Einrichtung beachten, um darunterzufallen ? c) Wenn nein, wie bewertet die Staatsregierung die Härte für die Einrichtungen, wenn deshalb Abriss und Neubauten erfolgen müssen und die Situation, dass durch Ausnahmen zudem staatliche Fördermittel eingespart werden könnten? In der mit Wirkung zum 01.09.2011 aufgehobenen Heimmindestbauverordnung aus dem Jahr 1978 war eine Mindestgröße für einen Wohn-Schlaf-Raum von 12 qm vorgesehen. Seit 01.09.2011 gilt die Verordnung zur Ausführung des Pflege - und Wohnqualitätsgesetzes (AVPfleWoqG). Diese sieht eine Mindestgröße von 14 qm für die Fläche des Wohn- Schlaf-Raumes vor. Hierzu hat das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) eine Verwaltungsvorschrift erlassen. Danach sind die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FQA) gehalten, Befreiungsanträge gemäß § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG abzulehnen, wenn die Zimmer kleiner sind, als dies die Heimmindestbauverordnung vorgegeben hat. Eine Abweichung von dem Erfordernis der Mindestzimmergröße ist deshalb auch nur in einem engen Rahmen möglich. Gemäß § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG kann der Einrichtungsträger im Einzelfall u. a. dann von den Vorgaben der Zimmergröße abweichen, wenn die FQA zustimmt und die Abweichung in Übereinstimmung mit dem verfolgten fachlichen Konzept erfolgt. Ähnliches gilt bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderung (§ 50 Abs. 4 AVPfleWoqG). Die besonderen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner, die sich aus der Art und der Schwere der Behinderung ergeben , sind zu berücksichtigen. Sollten die Voraussetzungen für die genannten Abweichungsmöglichkeiten nicht vorliegen, ist es der FQA lediglich möglich, die Angleichungsfrist angemessen zu verlängern . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.11.2018 Drucksache 17/24217 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/24217 2. a) Erwägt die Staatsregierung Ausnahmen bzw. einen Ermessensspielraum hinsichtlich einer pragmatischen Lösung bei den Mindestgrößen beim PfleWoqG zuzulassen? b) Wenn ja, bis wann? c) Wenn nein, warum nicht? Sich in einen geschützten Wohnraum zurückziehen zu können , ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Hierzu gehört auch, dass die Wohn-Schlaf-Räume ausreichend groß sind. Die Staatsregierung beabsichtigt derzeit nicht, weitere Regelungen über Abweichungen von den baulichen Mindestanforderungen zu erlassen, die über die in der Antwort zu den Fragen 1 a bis 1 c skizzierten Möglichkeiten hinausgehen . 3. a) Nachdem es aufgrund der Berentung des zuständigen Bauberaters derzeit beim Zentrum Bayern Familie und Soziales zu einem Stau der Prüfung der Stellungnahmen und Pläne hinsichtlich der Fördergelder für Bauvorhaben von Werkstätten für Menschen mit Behinderung kommt, frage ich, wann mit einem Nachfolger zu rechnen ist ? b) Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Stellungnahmen und Pläne schnell abgearbeitet werden, da Werkstätten in ganz Bayern durch die Blockade unter Zeitdruck geraten? Die Beteiligung des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) an Baumaßnahmen von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist in der Richtlinie für die Förderung von Investitionen für WfbM nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) geregelt. Federführend für die Förderung solcher Maßnahmen durch das ZBFS sind – neben der Zuarbeit des Technischen Beraters – die Inklusionsämter in den Regionen. Die Stelle des Technischen Beraters der Zentrale des ZBFS, der in der Vergangenheit Baumaßnahmen von WfbM begleitet hat, ist seit 01.08.2018 wieder besetzt. Für die Zeit der Vakanz war bestimmt, dass die Technischen Berater der Regionalstellen, soweit sie fachlich dazu in der Lage sind, die technische Begleitung der Bauvorhaben in ihrer Region übernehmen oder sich hilfsweise über die Zentrale an den Technischen Berater der Regionalstelle Oberfranken wenden. Nach Mitteilung der Regionalstellen sind alle Verfahren derzeit auf aktuellem Bearbeitungsstand. Für die Zukunft ist vorgesehen, die für die Beteiligung des ZBFS an Raumprogrammen der WfbM erforderlichen Fachkenntnisse (auch) in den Regionalstellen zu etablieren, damit die Verfahren künftig einerseits arbeitsteilig und damit effizienter bearbeitet werden können und andererseits eine funktionierende Vertretung in jedem Fall gesichert ist. 4. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, dass künftig bei öffentlichen Ausschreibungen Werkstätten für Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigt werden, die neben den sozialen Aspekten auch Qualität und Regionalität bieten? Die soziale und berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung und von benachteiligten Personen ist ein wichtiges Anliegen der Staatsregierung, was auch an den Bemühungen der vergangenen Jahre deutlich wird, den Anteil an öffentlichen Vergaben an WfbM weiter zu erhöhen. Seit 01.01.2018 haben die staatlichen Stellen in Bayern bei Vergaben im sog. Unterschwellenbereich die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) anzuwenden. Gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 16a UVgO können öffentliche Aufträge ausschließlich an WfbM vergeben werden. Im Behörden-lntranet steht den Beschaffungsstellen mit dem „Leistungskatalog der Werkstätten für behinderte Menschen in Bayern“ eine Datenbank zur Verfügung, über die sie gezielt (regional oder sachbezogen) entsprechende Einrichtungen zur Angebotsabgabe auffordern können. Auch wenn die Ausschreibung nicht ausschließlich WfbM vorbehalten ist, sondern allgemein erfolgt, werden Angebote von WfbM bevorzugt berücksichtigt (siehe Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen – VVöA). Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit werden Preisangebote dieser „bevorzugten Bieter“ mit einem Abschlag von 10 v. H. gewertet. Ist danach das Angebot eines bevorzugten Bieters wirtschaftlicher oder ebenso wirtschaftlich wie das eines sonstigen Bieters, so erhält der bevorzugte Bieter den Zuschlag. In Fällen von Verhandlungsvergaben oder beschränkten Ausschreibungen, in denen kein Teilnahmewettbewerb erfolgt, müssen zudem regelmäßig auch bevorzugte Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Zur weiteren Erhöhung des Auftragsvolumens an WfbM sowie an Inklusionsbetriebe im Sinne der §§ 215 ff Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX – neu) wurden mit der Aufstellung des Doppelhaushalts 2017/2018 für alle Ressorts neue Haushaltsstellen (Titel 547 26 und Titel 812 26) geschaffen. Die dort veranschlagten Mittel dürfen ausschließlich für Aufträge an derartige Einrichtungen verausgabt werden. Die Deckungsfähigkeit im Rahmen der dezentralen Budgetverantwortung wirkt dabei nur einseitig zugunsten der neuen Haushaltsstellen. Damit ist gewährleis tet, dass die Mittel nicht im Wege der Deckungsfähigkeit anderweitig verwendet werden können, es andersherum aber möglich ist, mehr als die dort veranschlagten Beträge für Aufträge an WfbM oder an Inklusionsbetriebe zu vergeben.