Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 26.09.2018 Neuer Lebensmittelskandal in Landsberger Wurstfa brik – was unternahmen die zuständigen Behörden? Die Verbraucherorganisation Foodwatch e. V. verfügt über amtliche Kontrollberichte des Landratsamts Landsberg über Kontrollen einer Fleisch- und Wurstfabrik. Diese Berichte weisen auf ernstzunehmende Hygieneverstöße und mögliche bakterielle Belastungen hin. Trotz laut diesem Bericht erheblicher Mängel verhängte das zuständige Landratsamt in Landsberg am Lech keine Sanktionen. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure äußerte nach Durchsicht der Berichte, sei es völlig unverständlich , warum das Landratsamt den Betrieb einfach monatelang weiterlaufen ließ. Seiner Ansicht nach hätten bei dem Ausmaß der Hygienemängel die beanstandeten Maschinen zwecks Reinigung und Desinfektion stillgelegt werden müssen. Im Verpackungsbereich der Produktion wurden Bakterien entdeckt, welche schwerwiegende Infektionen auslösen können. Der Fall Sieber mit acht ursächlichen Toten durch Listerien hat deutlich gemacht, welche Gefahren davon ausgehen können. Während die Lebensmittelkontrolleure von „schweren Fehlern in der Handhabung der Basishygiene“, tagelangen und wiederholt auftretenden „Altverschmutzungen“ und zeitweise sogar von „Reinigungsmängeln bei allen kontrollierten Maschinen“ sprechen, schreibt das Landratsamt Landsberg am Lech in einer nachträglichen Stellungnahme, dass es sich „nicht um gravierende, sondern in der Regel lediglich um geringfügige Verstöße“ handele, welche „in der Regel unmittelbar durch den Betrieb abgestellt wurden“. Daraus ergibt sich ein eklatanter Widerspruch zu den eigenen Kontrollberichten. Das betroffene Unternehmen hat nach Medienberichten zudem dagegen geklagt, den Kontrollen der neuen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) unterworfen zu werden, und damit bisher solche Kontrollen verhindert. Das wirft die Frage auf, ob Lebensmittelunternehmen in Bayern die nach dem Bayern-Ei-Skandal erfolgte Reform des Verbraucherschutzes erfolgreich unterlaufen können. Ich frage daher die Staatsregierung 1. a) Wie lautet der vollständige und genaue Wortlaut der Kontrollberichte des Landratsamts bezüglich der betroffenen Firma, die Foodwatch über das Verbraucherinformationsgesetz erhalten hat (bitte der Anfrage den vollständigen Kontrollbericht im unveränderten Wortlaut , gegebenenfalls anonymisiert, anfügen)? b) Wie erklärt sich die Staatsregierung die konträren Aussagen bezüglich der Schwere der Mängel zwischen den genannten Kontrollberichten und den Stellungnahmen des Landratsamts? c) Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass trotz der genannten mikrobiellen Verunreinigungen und der Hygienemängel eine Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher definitiv ausgeschlossen werden kann? 2. a) Wie viele Unternehmen klagen seit 01.01.2018 gegen die Kontrollzuständigkeit der Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) für die Kontrollen in ihrem Unternehmen? b) Wie begründen diese Unternehmen ihre rechtlichen Schritte gegen die Zuständigkeit des KBLV für Kontrollen nach Erkenntnissen der Staatsregierung? c) Was unternimmt die Staatsregierung, um möglichst schnell Kontrollen durch die KBLV in allen für diese Kontrollen vorgesehen Unternehmen durchzusetzen? 3. a) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung aus den letzten zwei Jahren bekannt, in denen Kontrollberichte oder Einträge in Tizian nachträglich zugunsten von Lebensmittelunternehmern geändert oder nicht ernst genommen wurden? b) Welche Maßnahmen haben die Aufsichtsbehörden – die Regierung von Oberbayern und das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz – im vorliegenden Fall bisher ergriffen (bitte unter Nennung der Schritte bzw. Maßnahmen und des Handlungsdatums )? c) Welche Maßnahmen wurden bis heute durch das Landratsamt Landsberg am Lech zur Beseitigung der in den Kontrollberichten genannten Mängel von der betroffenen Firma eingefordert? 4. a) Welche konkreten Mängel bei dem betroffenen Unternehmen wurden bei den Kontrollen in den letzten sechs Monaten immer wieder moniert und nicht abgestellt (bitte mit konkreter Beschreibung der Mängel bzw. Verstöße und der Dauer bzw. Häufigkeit laut Kontrollen )? b) Wie beurteilt die Staatsregierung die vom Landratsamt Landsberg am Lech bisher verhängten Maßnahmen? c) Wie beurteilt die Staatsregierung die in den Kontrollberichten beschriebene Tatsache, dass mehrere Mängel über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten immer wieder beanstandet wurden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www . bayern . landtag . de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www . bayern . landtag . de – Aktuelles / Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.12.2018 Drucksache 17/24272 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/24272 5. a) Welche Maßnahmen werden jetzt von bayerischen Behörden ergriffen, um Hygienemängel bei der betroffenen Firma in Zukunft im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verhindern? b) Gibt es in diesem Fall nach Erkenntnissen der Staatsregierung Verdachtsmomente oder Hinweise auf unzulässige Verbindungen zwischen der betroffenen Firma bzw. ihrem Mutterkonzern und bayerischen Behörden ? c) Gab es nach Erkenntnissen der Staatsregierung Versuche der betroffenen Firma bzw. ihres Mutterkonzerns, Einfluss auf Presseberichterstattung zu nehmen oder rechtliche Schritte gegen Medien anzudrohen bzw. zu ergreifen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucher schutz vom 31.10.2018 1. a) Wie lautet der vollständige und genaue Wortlaut der Kontrollberichte des Landratsamts bezüglich der betroffenen Firma, die Foodwatch über das Verbraucher informationsgesetz erhalten hat (bitte der Anfrage den vollständigen Kontrollbericht im unveränderten Wortlaut, gegebenenfalls anonymi siert, anfügen)? Die vom Landratsamt Landsberg am Lech aufgrund der Bestimmungen des Verbraucherinformationsgesetzes an Foodwatch e. V. übermittelten Kontrollberichte wurden dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) übermittelt und liegen zur möglichen Einsichtnahme vor. b) Wie erklärt sich die Staatsregierung die konträren Aussagen bezüglich der Schwere der Mängel zwi schen den genannten Kontrollberichten und den Stellungnahmen des Landratsamts? In den Kontrollberichten wurden vom amtlichen Personal vor Ort alle Feststellungen der jeweiligen Kontrolle sowie die vom Betrieb zu ergreifenden Maßnahmen detailliert festgehalten . Allein aus der Anzahl von aufgeführten Mängeln kann – auch angesichts der Größe eines Betriebes – nicht abgeleitet werden, ob diese als erheblich einzustufen sind. Die Bewertung von getroffenen Feststellungen ist Aufgabe der zuständigen Behörden vor Ort. Grundsätzlich bescheinigen das Landratsamt Landsberg am Lech sowie die Regierung von Oberbayern dem Betrieb einen allgemein guten Hygienestatus. c) Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass trotz der genannten mikrobiellen Verunreinigungen und der Hygienemängel eine Gefahr für die Verbrau cherinnen und Verbraucher definitiv ausgeschlos sen werden kann? Gemäß den dem StMUV vorliegenden Unterlagen gingen sowohl das Landratsamt Landsberg am Lech als auch die Regierung von Oberbayern als zuständige Fachaufsichtsbehörde nicht von einer Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher aus. 2. a) Wie viele Unternehmen klagen seit 01.01.2018 ge gen die Kontrollzuständigkeit der Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) für die Kontrollen in ihrem Unternehmen? b) Wie begründen diese Unternehmen ihre rechtli chen Schritte gegen die Zuständigkeit des KBLV für Kontrollen nach Erkenntnissen der Staatsre gierung? c) Was unternimmt die Staatsregierung, um mög lichst schnell Kontrollen durch die KBLV in allen für diese Kontrollen vorgesehen Unternehmen durchzusetzen? Nach Mitteilung der KBLV vom 28.09.2018 haben 19 Unternehmen gegen den behördlichen Bescheid geklagt, mit dem der Übergang der Kontrollzuständigkeit auf die KBLV erfolgte. Hinsichtlich der Gründe der Betriebe teilte die KBLV mit, dass die Klagen unterschiedlich begründet werden. Einige Kläger tragen vor, sie seien nicht überregional tätig und für ihre Überwachung seien keine speziellen Fähigkeiten notwendig. Darüber hinaus führen vereinzelte Kläger aus, dass sie die Reform und damit die Änderungen in der Verordnung über den gesundheitlichen Verbraucherschutz (GesVSV) bzw. im Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG) bezüglich der Zuständigkeitsänderung für rechtswidrig halten. Die Staatsregierung kann aufgrund des im Grundgesetz verankerten Prinzips der Gewaltenteilung auf die unabhängigen Gerichtsverfahren keinen Einfluss nehmen. Bis zur Entscheidung der Gerichte bleiben die Betriebe in der Kontrollzuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörden und werden von diesen überwacht. 3. a) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung aus den letzten zwei Jahren bekannt, in denen Kontrollbe richte oder Einträge in Tizian nachträglich zuguns ten von Lebensmittelunternehmern geändert oder nicht ernst genommen wurden? Der Staatsregierung wurden keine derartigen Fälle zur Kenntnis gebracht. b) Welche Maßnahmen haben die Aufsichtsbehörden – die Regierung von Oberbayern und das Staatsmi nisterium für Umwelt und Verbraucherschutz – im vorliegenden Fall bisher ergriffen (bitte unter Nen nung der Schritte bzw. Maßnahmen und des Hand lungsdatums)? c) Welche Maßnahmen wurden bis heute durch das Landratsamt Landsberg am Lech zur Beseitigung der in den Kontrollberichten genannten Mängel von der betroffenen Firma eingefordert? Der Betrieb unterliegt der lebensmittelrechtlichen Überwachung des Landratsamts Landsberg am Lech und wird von diesem kontrolliert. Auch für Anordnungen, wie etwa zur Beseitigung festgestellter Mängel, ist die Behörde vor Ort zuständig . Die Mängel wurden nach Auskunft der zuständigen Behörden durch das Lebensmittelunternehmen in der Regel sofort abgestellt. Am 10.07.2018 wurde der Betrieb durch die Regierung von Oberbayern zusammen mit dem Landratsamt Landsberg am Lech kontrolliert. Mit Schreiben des Landratsamts Drucksache 17/24272 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 vom 17.07.2018 wurde der Betrieb mit Fristsetzung zur Behebung der festgestellten Mängel aufgefordert. Bei einer Nachkontrolle am 31.07.2018 durch das Landratsamt Landsberg am Lech konnte festgestellt werden, dass bis auf drei geringgradige Mängel die Mängel fristgerecht abgestellt worden waren. Die Regierung von Oberbayern wurde nach Bekanntwerden als zuständige Aufsichtsbehörde aufgefordert, sich über den Sachverhalt und die bisherigen Kontrollen durch die zuständigen Kontrollbehörden im Rahmen einer umfassenden Überprüfung zu vergewissern und notwendige Maßnahmen unmittelbar durchzusetzen. Die Regierung wurde als zuständige Aufsichtsbehörde auch aufgefordert, sofern erforderlich, die konsequente Mängelabstellung im Hygienebereich zu veranlassen. Am 27.09.2018 erfolgte in Abstimmung mit dem StMUV eine gemeinsame Kontrolle durch die Regierung von Oberbayern , das Landratsamt Landsberg am Lech und Vertreter des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Es erfolgte eine Überprüfung aller Räume, die mit der Lebensmittelproduktion in Zusammenhang stehen, sowie des Eigenkontrollkonzepts. Im Bereich der Prozesshygiene sowie im Eigenkontrollkonzept wurden keine Mängel festgestellt , wenige bauliche Mängel wurden als geringgradig bewertet. 4. a) Welche konkreten Mängel bei dem betroffenen Unternehmen wurden bei den Kontrollen in den letzten sechs Monaten immer wieder moniert und nicht abgestellt (bitte mit konkreter Beschreibung der Mängel bzw. Verstöße und der Dauer bzw. Häu figkeit laut Kontrollen)? b) Wie beurteilt die Staatsregierung die vom Landrats amt Landsberg am Lech bisher verhängten Maß nahmen? c) Wie beurteilt die Staatsregierung die in den Kon trollberichten beschriebene Tatsache, dass mehre re Mängel über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten immer wieder beanstandet wurden? Die Überprüfung des Sachverhalts durch die Regierung von Oberbayern als Fachaufsichtsbehörde hat gezeigt, dass die Kontrollbehörden auf die Beseitigung von Mängeln gedrungen und deren Beseitigung überwacht haben. Bei der Auswahl der Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Ergebnis der Kontrolle mit Beteiligung des LGL belegt nach den vorliegenden Unterlagen, dass die vom Landratsamt eingeleiteten Maßnahmen geeignet waren, um die Mängel abzustellen. 5. a) Welche Maßnahmen werden jetzt von bayerischen Behörden ergriffen, um Hygienemängel bei der betroffenen Firma in Zukunft im Interesse der Ver braucherinnen und Verbraucher zu verhindern? Grundsätzlich ist für die Einhaltung des Lebensmittelrechts, insbesondere der Hygienebestimmungen, nach den gesetzlichen Vorgaben der Lebensmittelunternehmer zuständig. Die zuständigen Behörden der amtlichen Überwachung prüfen weiterhin die Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen durch den Lebensmittelunternehmer. b) Gibt es in diesem Fall nach Erkenntnissen der Staatsregierung Verdachtsmomente oder Hinwei se auf unzulässige Verbindungen zwischen der betroffenen Firma bzw. ihrem Mutterkonzern und bayerischen Behörden? c) Gab es nach Erkenntnissen der Staatsregierung Versuche der betroffenen Firma bzw. ihres Mutter konzerns, Einfluss auf Presseberichterstattung zu nehmen oder rechtliche Schritte gegen Medien an zudrohen bzw. zu ergreifen? Dem StMUV liegen entsprechende Erkenntnisse nicht vor.