Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Horst Arnold SPD vom 11.04.2014 Fahndungsmaßnahmen der Bayerischen Polizei Ich frage die Staatsregierung: 1. Unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen finden derzeit in Bayern öffentliche Fahndungsmaßnahmen nach Straftätern und Straftäterinnen statt? 2. Wie viele Fälle öffentlicher Fahndung in welchen Medien fanden in den letzten drei Jahren (gegliedert nach Jahr) statt, und führten diese jeweils zum gewünschten Erfolg? 3. Unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen finden derzeit Fahndungsmaßnahmen in Rundfunk - und Fernsehsendungen statt und spielen dabei datenschutzrechtliche Erwägungen eine Rolle? 4. Ist derzeit eine Fahndungsstrategie im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, etc.) angedacht, geplant oder bereits vollzogen? 5. Welche rechtlichen Voraussetzungen müssten zu einer rechtskonformen Fahndung im Internet aus der Sicht der Staatsregierung erfüllt sein? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.06.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen finden derzeit in Bayern öffentliche Fahndungsmaßnahmen nach Straftätern und Straftäterinnen statt? Nach § 131 Abs. 3 StPO können bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung der Richter und die Staatsanwaltschaft Öffentlichkeitsfahndungen veranlassen, wenn andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wären. Voraussetzung hierfür ist ein vorliegender Haft- oder Unterbringungsbefehl . Ausnahmsweise, wenn der Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nicht ohne Gefährdung des Fahndungserfolges abgewartet werden kann, genügt bereits das Vorliegen der Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls . Unter den gleichen Voraussetzungen steht die Befugnis bei Gefahr im Verzug, und wenn der Richter oder die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichbar sind, auch den polizeilichen Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu. In diesen Fällen ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft unverzüglich herbeizuführen. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn diese Bestätigung nicht binnen 24 Stunden erfolgt. Nach § 131 b Abs. 1 StPO ist die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Im Bereich der Strafverfolgung sind daneben die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), Anlage B „Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren“ zu beachten. 2. Wie viele Fälle öffentlicher Fahndung in welchen Medien fanden in den letzten drei Jahren (gegliedert nach Jahr) statt, und führten diese jeweils zum gewünschten Erfolg? Die Bayer. Polizei führt keine Statistik über die Zahl öffentlicher Fahndungen und deren Fahndungserfolge. Eine Durchsicht und manuelle Auswertung von allen in Betracht kommenden polizeilichen Ermittlungsvorgängen ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Vor dem Hintergrund, dass Presseberichte der Bayer. Polizei grundsätzlich im Internet veröffentlicht und zusätzlich an regionale sowie überregionale Vertreter der Hörfunk-, Print-, Online- und Fernsehmedien verteilt werden, konnten seitens der nachgenannten Polizeipräsidien über manuelle Auswertungen der Presseberichte zumindest Annäherungswerte zu den tatsächlich getätigten Öffentlichkeitsfahndungen und deren Erfolge recherchiert werden. Bayerisches Landeskriminalamt: 2011: 0 Veröffentlichungen 2012: 3 Veröffentlichungen; 1 Fahndungserfolg 2013: 0 Veröffentlichungen Polizeipräsidium München: 2011: 15 Veröffentlichungen; 9 Fahndungserfolge 2012: 16 Veröffentlichungen; 7 Fahndungserfolge 2013: 11 Veröffentlichungen; 5 Fahndungserfolge Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2467 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2467 Polizeipräsidium Oberbayern: 2011: 10 Veröffentlichungen; 4 Fahndungserfolge 2012: 25 Veröffentlichungen; 8 Fahndungserfolge 2013: 18 Veröffentlichungen; 3 Fahndungserfolge Polizeipräsidium Niederbayern: 2011: 9 Veröffentlichungen; 0 Fahndungserfolge 2012: 7 Veröffentlichungen; 2 Fahndungserfolge 2013: 8 Veröffentlichungen; 1 Fahndungserfolg Polizeipräsidium Schaben Süd/West: 2011: 4 Veröffentlichungen; 1 Fahndungserfolg 2012: 5 Veröffentlichungen; 0 Fahndungserfolge 2013: 6 Veröffentlichungen; 2 Fahndungserfolge Polizeipräsidium Mittelfranken: 2011: 22 Veröffentlichungen 2012: 9 Veröffentlichungen 2013: 6 Veröffentlichungen; 6 Fahndungserfolge für die Jahre 2011 bis 2013 Polizeipräsidium Unterfranken: 2011: 2 Veröffentlichungen; 0 Fahndungserfolge 2012: 4 Veröffentlichungen; 0 Fahndungserfolge 2013: 8 Veröffentlichungen; 3 Fahndungserfolge Es ist darauf hinzuweisen, dass die veröffentlichten Pressemitteilungen der Bayer. Polizei keine Rückschlüsse darüber enthalten, welche Medien die öffentlichen Fahndungen tatsächlich verbreitet haben. Die geforderte Zuordnung zu den Hörfunk-, Print-, Online- und Fernsehmedien kann daher nicht erfolgen. 3. Unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen finden derzeit Fahndungsmaßnahmen in Rundfunk- und Fernsehsendungen statt und spielen dabei datenschutzrechtliche Erwägungen eine Rolle? Fahndungsmaßnahmen in Rundfunk- und Fernsehsendungen unterfallen der unter der Antwort zu Frage 1 beschriebenen Öffentlichkeitsfahndung. Die auf Breitenwirkung gerichtete Öffentlichkeitsfahndung stellt für den Betroffenen wegen der damit verbundenen Rufschädigung und Bloßstellung einen Eingriff von besonders hoher Intensität dar (vgl. Karlsruher Kommentar, § 131 Rn. 14). Daher sind ihre Voraussetzungen durch das Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung, die Subsidiaritätsklausel des § 131 Abs. 1, 2. Halbsatz StPO sowie den grundsätzlichen Anordnungsvorbehalten zugunsten des Richters oder des Staatsanwalts zum Schutz der Betroffenenrechte stark eingeschränkt . Außerdem ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall unter Einbeziehung datenschutzrechtlicher Erwägungen zu prüfen. 4. Ist derzeit eine Fahndungsstrategie im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter etc.) angedacht, geplant oder bereits vollzogen? Im Internetangebot der Bayerischen Polizei unter http:// www.polizei.bayern.de/ werden seit Jahren Fahndungsaufrufe nach bekannten und unbekannten Straftätern sowie nach Vermissten und unbekannten Toten eingestellt. Hierbei handelt es sich um eine Sonderform der Öffentlichkeitsfahndung nach der unter der Antwort zu Frage 1 angeführten Rechtsgrundlage. Die Bayer. Polizei nutzt soziale Netzwerke wie z. B. Facebook derzeit nicht für die Veröffentlichung von Fahndungen. Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass soziale Netzwerke die Öffentlichkeitsfahndung in herkömmlichen Medien wie Fernsehen, Rundfunk, Printmedien und Internet sinnvoll ergänzen können. Die Vorteile des zusätzlichen großen Nutzerkreises aufgrund des hohen Verbreitungsgrads von Beiträgen in sozialen Netzwerken stehen aber im Spannungsverhältnis zu wichtigen Fragen des Datenschutzes. 5. Welche rechtlichen Voraussetzungen müssten zu einer rechtskonformen Fahndung im Internet aus Sicht der Staatsregierung erfüllt sein? Fahndungsaufrufe im Internet unterfallen der unter der Antwort zu Frage 1 beschriebenen Öffentlichkeitsfahndung, sodass die dortigen Anforderungen gelten. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier insbesondere zu berücksichtigen , dass die Daten weltweit abgerufen werden können, was den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte noch vertieft. Zusätzlich sind im Rahmen solcher Maßnahmen, wie bei anderen Internetveröffentlichungen, technische Schutzmaßnahmen zu prüfen, durch die z. B. das Auslesen der Fahndungsinformationen durch Suchmaschinen, oder das Kopieren bestimmter Inhalte, wie z. B. von Bildern , gesteuert werden kann. Wann eine Fahndung im Internet verhältnismäßig ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann daher nicht allgemein beantwortet werden.