Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 07.05.2014 Waffen- und Sprengstofffunde in der rechtsextremen Szene Wiederholt wurden in Bayern in den letzten Monaten bei Personen mit rechtsextremem Hintergrund illegale Waffen, Chemikalien bzw. Sprengstoff gefunden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. In wie vielen Fällen wurden in Bayern seit 2012 illegale Waffen oder weiteres illegales Material (Sprengstoffe, Chemikalien) sichergestellt (aufgeschlüsselt nach Datum , Ort und genauem Sachverhalt)? 1.1 In wie vielen dieser Fälle wurden darüber hinaus rechtsextreme und nationalsozialistische Materialien bzw. Devotionalien sichergestellt? 1.2 In welcher Statistik schlagen sich diese Fälle jeweils nieder? 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fällen? 3. In welcher Statistik schlägt sich beispielsweise der Fund von Pistolen, Gewehren, Chemikalien zum Bombenbau und Nazi-Devotionalien bei einem Münchner Rechtsanwalt vom 26. Juli 2013 nieder (http://www. augsburger-allgemeine.de/bayern/Polizei-findet-Hit lerbilder-und-Waffen-bei-Anwalt-id26491866.html)? 3.1 In welcher Statistik schlägt sich beispielsweise der Fund von Gewehren, Pistolen, Revolvern und Munition sowie einem Hakenkreuzwimpel bei einem Münchner Arzt vom 27. März 2014 nieder (http://www.br.de/nachrichten /oberbayern/nachbarschaftsstreit-waffenarse nal-muenchen-100.html)? 3.2 Was haben in den beiden genannten Fällen jeweils die weiteren Ermittlungen zu einem rechtsextremen Hintergrund ergeben? 4. Welchen Einfluss hatte die Tatsache, dass die Betroffenen der beiden genannten Fälle in die psychiatrische Klinik eingewiesen wurden, für die statistische Erfassung der jeweiligen Vorfälle? 4.1 Werden Fälle bei festgestellter Schuldunfähigkeit trotz vorliegenden rechtsextremen Sachverhalten grundsätzlich nicht in die Statistik „Politisch motivierte Kriminalität “ (PMK-rechts) übernommen? 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über die Person vor, die laut Medienberichten in Begleitung von Fabian F. war, unmittelbar bevor in dessen Wohnung in München-Schwabing am 28. Juni 2013 eine Nagelbombe sichergestellt wurde (http://www. sueddeutsche.de/muenchen/sprengsatz-in-schwabing -entdeckt-polizei-stellt-scharfe-nagelbombe-sicher -1.1709304)? 5.1 Auf welche konkreten Erkenntnisse stützte die Staatsanwaltschaft , wie in der Antwort auf Frage 7.2 der Drs. 17/936 dargelegt, ihre Argumentation, dass F. „Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen“ habe? 6. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , ob Dominic H., in dessen Wohnung im Münchner Glockenbachviertel am 16. April 2014 Waffen, brandfördernde Mittel und Zündvorrichtungen sichergestellt wurden, Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte ? 6.1 Wurden bei der Durchsuchung der Wohnung von Dominic H. neben Waffen auch noch Materialien gefunden , die auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen lassen? 6.2 Inwiefern haben mögliche Verbindungen zur rechtsextremen Szene in den Ermittlungen der Polizei eine Rolle gespielt und welches Ergebnis hatten sie ggf.? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.06.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. In wie vielen Fällen wurden in Bayern seit 2012 illegale Waffen oder weiteres illegales Material (Sprengstoffe, Chemikalien) sichergestellt (aufgeschlüsselt nach Datum, Ort und genauem Sachverhalt )? Dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) sind für den Zeitraum 01.01.2012 bis 21.05.2014 insgesamt 2.712 Fälle mit Sicherstellungen illegaler Waffen bekannt geworden. Die Auswertung bezog sich auf Schusswaffen und diesen gleichgestellten Gegenständen (§ 1 Abs. 2 Waffengesetz). Hiervon entfallen auf das Jahr 2012 1.332 Fälle, auf das Jahr 2013 1.061 Fälle und auf das Jahr 2014 bis zum Auswertezeitpunkt 319 Fälle. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2524 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2524 Für den gleichen Zeitraum wurden insgesamt 1.105 Fälle mit Sicherstellungen von illegalen Spreng- und Zündmitteln bekannt. Auf das Jahr 2012 entfallen dabei 522 Fälle, auf das Jahr 2013 499 Fälle und auf das Jahr 2014 bis zum Auswertezeitpunkt 84 Fälle. Die Zahlen enthalten dabei Fälle der Verwendung und Sicherstellung von explosionsgefährlichen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes und auch in Deutschland nicht zugelassenen pyrotechnischen Gegenständen . Der Großteil der Fälle steht in Zusammenhang mit der Einfuhr pyrotechnischer Gegenstände. Eine Aufschlüsselung der einzelnen Fälle nach Datum, Ort und genauem Sachverhalt ist aufgrund der großen Anzahl der Fälle innerhalb der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit leider nicht möglich. 1.1 In wie vielen dieser Fälle wurden darüber hinaus rechtsextreme und nationalsozialistische Materialien bzw. Devotionalien sichergestellt? Entsprechendes statistisches Datenmaterial zur Beantwortung der Frage liegt nicht vor. 1.2 In welcher Statistik schlagen sich diese Fälle jeweils nieder? Waffen- und Sprengstoffsicherstellungen werden in Bayern mittels der polizeilichen „Waffen-/Sprengstoffmeldung“ und für unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen mittels des hierfür vorgesehenen Tatmittelmeldedienstes gemeldet und sind dort recherchierbar. Politisch motivierte Hintergründe sind in den Tatmittelmeldediensten nicht hinterlegt. Sofern in den jeweiligen Fällen ein politischer Hintergrund erkennbar ist, sind diese nach den Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) meldepflichtig und werden gemäß der bundesweit gültigen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität statistisch verarbeitet. Straftaten nach dem Waffengesetz bzw. Sprengstoffgesetz werden zudem in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fällen? Im Kontext der vorangehenden Fragestellungen der Anfrage ist festzustellen, dass entsprechendes statistisches Datenmaterial beim BLKA nicht vorliegt (siehe auch Antwort zu Ziffer 1.1.). Im Rahmen der Ermittlungsführung zu Straftaten finden Motivlagen und Erkenntnisse, unter anderem aus den polizeilichen Meldediensten, regelmäßig Berücksichtigung. 3. In welcher Statistik schlägt sich beispielsweise der Fund von Pistolen, Gewehren, Chemikalien zum Bombenbau und Nazi-Devotionalien bei einem Münchener Rechtsanwalt vom 26. Juli 2013 nieder (http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/ Polizei-findet-Hitlerbilder-und-Waffen-bei-Anwaltid 26491866.html)? Im Zusammenhang mit diesem Fall wurde durch die zu- ständige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein- geleitet. Die Straftat wurde polizeilich der „Politisch motivierten Kriminalität – Rechts“ zugeordnet und schlägt sich somit statistisch im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) nieder. Zudem ist die Straftat in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. 3.1 In welcher Statistik schlägt sich beispielsweise der Fund von Gewehren, Pistolen, Revolvern und Munition sowie einem Hakenkreuzwimpel bei einem Münchner Arzt vom 27. März 2014 nieder (http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/nach barschaftsstreit-waffenarsenal-muenchen-100. html)? Hinsichtlich des benannten Falles werden Ermittlungen wegen Bedrohung und eines Vergehens nach dem Waffengesetz , unter Einbindung der Staatsschutzdienststelle des Polizeipräsidiums München, geführt, die noch andauern . Da in diesem Fall, neben der Sicherstellung des Hakenkreuzwimpels , der sich als Teil einer persönlichen Erbmasse herausstellte, bisher keine Hinweise auf eine rechtsgerichtete Motivation vorliegen, schlägt sich der Fall bisher statistisch nicht im KPMD-PMK nieder. Eine Erfassung in der PKS findet im Falle von Straftaten, wie in diesem Fall, statt. 3.2 Was haben in den beiden genannten Fällen jeweils die weiteren Ermittlungen zu einem rechtsextremen Hintergrund ergeben? Hinsichtlich des in Ziffer 3 genannten Falles ist eine gewisse Affinität zu Adolf Hitler nicht von der Hand zu weisen. Hinsichtlich des unter Ziffer 3.1 geschilderten Sachverhalts ergaben sich neben dem Auffinden der Nazi-Devotionalien, die sich als Teil einer persönlichen Erbmasse herausstellte, im Rahmen der Ermittlungen bislang keine Hinweise, die auf einen rechtsextremistischen Hintergrund der Beschuldigten hinweisen. 4. Welchen Einfluss hatte die Tatsache, dass die Betroffenen der beiden genannten Fälle in die psychi- atrische Klinik eingewiesen wurden, für die statistische Erfassung der jeweiligen Vorfälle? Sofern ein meldepflichtiges Delikt nach den Richtlinien des KPMD-PMK vorliegt, wird unabhängig von der Schuldfähigkeit der Betroffenen eine statistische Erfassung in den Fallzahlen Politisch motivierter Kriminalität vorgenommen. Ebenfalls sind die Fakten der Auffindung von z. B. Waffen meldepflichtig und gehen in die Zählung des jeweiligen Meldedienstes ein. Im Falle des Vorliegens von Straftaten erfolgt auch eine Erfassung in der PKS. 4.1 Werden Fälle bei festgestellter Schuldunfähigkeit trotz vorliegenden rechtsextremen Sachverhalten grundsätzlich nicht in die Statistik „Politisch Motivierte Kriminalität“ (PMK-rechts) übernommen? Auf die Antwort unter Ziffer 4 wird verwiesen. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über die Person vor, die laut Medienberichten in Be- gleitung von Fabian F. war, unmittelbar bevor in des- Drucksache 17/2524 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 sen Wohnung in München-Schwabing am 28. Juni 2013 eine Nagelbombe sichergestellt wurde (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/sprengsatz -in-schwabing-entdeckt-polizei-stellt-scharfenagelbombe -sicher-1.1709304)? Die Person, ein bulgarischer Staatsangehöriger, wurde im Rahmen des polizeilichen Einsatzes am 28. Juni 2013 zusammen mit Fabian F. außerhalb dessen Wohnung kontrolliert , wobei bei diesem eine Schreckschusswaffe aufgefunden wurde. Aufgrund des Führens dieser Waffe wurde ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz geführt und mit richterlicher Weisung noch im Jahr 2013 rechtskräftig abgeschlossen. Hinweise auf eine Beteiligung an den Straftaten im Komplex der Herstellung der unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung liegen nicht vor. Der Staatsregierung liegen bezüglich der Person keine rechtsextremistischen Erkenntnisse vor. 5.1 Auf welche konkreten Erkenntnisse stützte die Staatsanwaltschaft, wie in der Antwort auf Frage 7.2. der Drs. 17/936 dargelegt, ihre Argumentation, dass F. „Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen“ habe? Der Verdacht, dass der Beschuldigte Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen haben könnte, gründete für die Staatsanwaltschaft insbesondere auf der bei ihm festgestellten Tätowierung, seiner Vorstrafe wegen mittäterschaftlichen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) und den in seiner Wohnung aufgefundenen Gegenständen, worunter sich auch NS-Devotionalien befanden. So war auf einem Finger der rechten Hand des Beschuldigten ein stilisiertes Keltenkreuz tätowiert. Zudem war er durch Urteil des Amtsgerichts München vom 11. März 2009 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Mittäterschaft zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschuldigte am 28. Juli 2008 zusammen mit einem anderen Beteiligten in dessen Wohnung so laut die Worte „Sieg Heil“ gerufen hatte, dass dies auf der Straße von anderen Personen wahrgenommen werden konnte. Darüber hinaus war der Beschuldigte bereits im Jahr 2008 mit der Keltenkreuztätowierung an seiner rechten Hand in Erscheinung getreten. Das diesbezüglich eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung mit Verfügung vom 23. Dezember 2008 vorläufig und am 12. März 2009 endgültig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 28. Juli 2013 wurden – neben der von ihm hergestellten, funktionstüchtigen „Nagelbombe“ – eine Dekorationswaffe in Form einer Maschinenpistole, mehrere Waffenzeitschriften sowie ein Exemplar der Zeitschrift Pallas zum Thema „Waffen-SS“ aufgefunden. 6. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , ob Dominic H., in dessen Wohnung im Münchner Glockenbachviertel am 16. April 2014 Waffen, brandfördernde Mittel und Zündvorrichtungen sichergestellt wurden, Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte? 6.1 Wurden bei der Durchsuchung der Wohnung von Dominic H. neben Waffen auch noch Materialien gefunden, die auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen lassen? 6.2 Inwiefern haben mögliche Verbindungen zur rechtsextremen Szene in den Ermittlungen der Polizei eine Rolle gespielt und welches Ergebnis hatten sie ggf.? Die Fragen 6, 6.1 und 6.2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Der Staatsregierung liegen bisher keine Erkenntnisse vor, die einen rechtsextremen Hintergrund des Dominic H. begründen könnten. Aufgrund des Auffindens des Buches „Mein Kampf“ von Adolf Hitler und Büchern über den sogenannten „Oklahoma -Bomber“ wurden weitere Ermittlungen durch die Staatsschutzdienststelle des Polizeipräsidiums München geführt, die noch andauern. Bisher ergaben sich keine weiteren Hinweise darauf, dass Dominic H. Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene unterhielt.