Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 29.04.2014 Gams Das Magazin „Quer“ des Bayerischen Rundfunks berichtete am 05. April 2014 über das Gamssymposium in GarmischPartenkirchen . In dem Bericht übten Vertreter der Jagdagenda 21, örtliche Tierschützerinnen und Jäger scharfe Kritik an Förstern der Bayerischen Staatsforsten und bezeichneten die Gams als Tierart kurz vor der Ausrottung. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Welche Vorgaben macht das Ministerium für Gamsen, die sich überwiegend im Wald aufhalten? 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung nach einer „artgerechten, frühzeitigen Fütterung“ der Schalenwildbestände ? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung nach Einstellung der Bewegungsjagden generell und speziell im Gebirge? 4. Ist es gesichert, dass auch künftig die Ga msen im Gebirge bzw. im Werdenfelser Land in ausreichender Anzahl vorkommen? 5. Ist es bereits jetzt gesichert, dass die standörtlich wichtigen Baumarten, insbesondere die Tanne, zur Sicherung der Schutzfunktion des Bergwaldes in ausreichendem Umfang vorkommen? 6. Beabsichtigt die Staatsregierung durch Medienauftritte oder Ähnlichem in Garmisch-Partenkirchen und Umland die bisherige jagdliche Linie der Bayerischen Staatsforsten zu bestätigen und somit auch die dortigen Behördenvertreter zu stärken? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27.06.2014 1. Welche Vorgaben macht das Ministerium für Gamsen , die sich überwiegend im Wald aufhalten? Die Hege hat nach den Jagdgesetzen die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden , möglichst vermieden werden. Nach den jagdrechtlichen Vorschriften ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Für die Einschätzung der tragbaren Wilddichte in einem bestimmten Lebensraum ist der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung vorrangig zu berücksichtigen . Besonders im Bergwald, dessen natürliche Verjüngung aus klimatischen Gründen ohnehin einen wesentlich längeren Zeitraum beansprucht, ist ein dem Zustand der Vegetation angemessener Wildbestand von besonderer Bedeutung . Im Schutzwald nach Art. 10 Abs. 1 des Waldgesetzes für Bayern ist einer vom Wildbestand nicht beeinträchtigten Entwicklung der Vegetation Priorität einzuräumen. Zum Schutz gegen Wildschäden darf nach den Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Bayern Gamswild, das ganzjährig in geschlossenen Waldgebieten steht, nicht gehegt werden. 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung nach einer „artgerechten, frühzeitigen Fütterung“ der Schalenwildbestände? Die Grenzen einer zulässigen Wildfütterung sind durch das Jagdrecht (§ 23 Bundesjagdgesetz, Art. 43 Bayerisches Jagdgesetz, § 23 a Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz) festgelegt. Die Fütterung des Wildes stellt eine Maßnahme des Jagdschutzes dar. Durch die Fütterung des Wildes darf die Verwirklichung des Hegeziels (§ 1 Abs. 2 BJagdG) nicht gefährdet werden. Eine das Hegeziel gefährdende Fütterung ist missbräuchlich. Eine solche kann im Regelfall u. a. dann angenommen werden, wenn Schalenwild nicht mit Futtermitteln, die nach Zusammensetzung , Qualität oder Menge den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen der jeweiligen Wildart entsprechen, oder außerhalb der Notzeit (ausgenommen hiervon sind Ablenkungsmaßnahmen für Schwarzwild) gefüttert wird. In der Notzeit ist der Revierinhaber verpflichtet, für eine angemessene Wildfütterung zu sorgen. Bei der Errichtung von Fütterungsanlagen und bei der Durchführung der Fütterung Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2014 17/2534 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2534 hat der Revierinhaber diese Vorschrift zu beachten. Darüber hinaus kann die Jagdbehörde die erforderlichen Regelungen im Einzelfall treffen, um eine missbräuchliche Wildfütterung zu verhindern. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung nach Einstellung der Bewegungsjagden generell und speziell im Gebirge? Bewegungsjagden sind rechtlich zulässige Jagdmethoden, die als effektiv und tierschutzgerecht allgemein empfohlen werden. Sie finden i. W. Anwendung in unterschiedlichen, den Revierverhältnissen angepassten Formen bei der Bejagung von Schalenwild. Auch in den Stellungnahmen der Verbände zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 25.10.2011, Drs. 16/10023, „Revierübergreifende Bewegungsjagden verstärkt durchführen“ werden revierübergreifende Bewegungsjagden grundsätzlich als eine effektive Jagdmethode, insbesondere zur Regulation von Schwarzwild angesehen. Sie werden als wichtige Ergänzung zu den an die jeweiligen Revierverhältnisse angepassten Jagdarten verstanden. Bewegungsjagden im Gebirge stellen eine auf die besonderen Verhältnisse abgestellte Form der Bejagung dar. Sie werden traditionell als sog. Riegeljagden, aber auch in abgeänderter Art und Weise durchgeführt. In bestimmten Regionen oder auch Revieren haben sich revierübergreifende Bewegungsjagden bereits seit Jahren etabliert. In der jagdlichen Fachpresse werden bundesweit Erfahrungsberichte und Hinweise zur Organisation derartiger Jagden ausführlich dargestellt. Die Verantwortung für die Organisation und Durchführung von Bewegungsjagden obliegt den jeweiligen Revierinhabern . Sie haben eine gesetzeskonforme Durchführung sicherzustellen . Bewegungsjagden in unterschiedlicher Form und Ausprägung haben sich weitgehend bewährt und werden auch in Zukunft weiterhin Bestandteil der eigenverantwortlichen Umsetzung von revierspezifischen Jagdkonzepten bleiben. Gleichsam werden sie ebenso große Bedeutung als gelebtes jagdliches Kulturgut behalten. 4. Ist es gesichert, dass auch künftig die Gamsen im Gebirge bzw. im Werdenfelser Land in ausreichender Anzahl vorkommen? Für den Status von Wildtierpopulationen ist bei bejagten Arten die Streckenentwicklung in der Zeitreihe ein wichtiger Weiser. Je länger die Zeitreihe, desto besser sind Rückschlüsse auf den Populationsverlauf möglich. Der Populationsverlauf bei Wildtieren unterliegt generell jährlichen und regionalen Schwankungen, da frei lebende Wildarten stets den natürlichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Gamswild zeigt im Populationsverlauf eine auffällig hohe Dynamik im Vergleich zu anderem Schalenwild. Dies ist den mitunter widrigen Umwelteinflüssen in den Hochlagen des Gamslebensraumes geschuldet, an welche sich diese Wildart evolutiv angepasst hat. Neben der Qualität des Lebensraumes spielen Schneehöhe, Wetter und Klima sowie Krankheiten und die Jagd eine Rolle. Da sich diese Faktoren auf räumlicher, zeitlicher und jährlicher Ebene stark verschieben können, sind Gamspopulationen stetigen und z. T. intensiven Schwankungen unterworfen. Die Jagdstrecken als Weiser der Gamspopulation sowohl im Landkreis Garmisch-Partenkirchen als auch im bayeri- schen Alpenraum zeigen, dass die Abschüsse in den letzten 25 Jahren ebenfalls schwanken. Die Abschusshöhe ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich und zeigt in 5- bis 10-jährigen Intervallen Hochs und Tiefs. Da die biotischen Faktoren (u. a. Schneehöhe, Wetter, Krankheiten) schwer definierbar sind, ist die Jagdstrecke ein wichtiger Populationsweiser. Eine langjährige Übernutzung der Gamspopulation durch zu hohe Abschüsse würde in stark rückläufigen Streckenzahlen resultieren. Diese Entwicklung ist gegenwärtig nicht der Fall. Aus o. g. Gründen kann davon ausgegangen werden, dass Gamswild in ausreichender Anzahl vorkommt und die Gamswildpopulation als gesichert gilt. 5. Ist es bereits jetzt gesichert, dass die standörtlich wichtigen Baumarten, insbesondere die Tanne, zur Sicherung der Schutzfunktion des Bergwaldes in ausreichendem Umfang vorkommen? Die für die Schutzfunktion des Bergwaldes notwendige Baum- artenzusammensetzung kann in großen Bereichen des bayerischen Hochgebirges noch nicht als gesichert angesehen werden. Die Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens zur Situation der Waldverjüngung 2012 zeigen zwar, dass die für den Bergwald standörtlich wichtigen Baumarten ins- gesamt zu angemessenen Teilen in der Verjüngung (20 cm bis maximale Verbisshöhe) vorhanden sind (Buche 22,8 %, Fichte 34,8 %, Edellaubholz 25,8 %). Die für die Schutzfunktion der Bergwälder besonders wichtige Tanne liegt mit insgesamt rund 6 % jedoch aktuell noch deutlich unter den für einen stabilen Bergmischwald notwendigen An- teilen. Auch der Verbiss von jungen Pflanzen durch Schalenwild über alle Baumarten hinweg hat sich in den letzten Jahren insgesamt (starke regionale Unterschiede) nicht oder nur geringfügig verbessert. Aufgrund des im Hochgebirge durch Klima und Standort bedingten langsameren Pflanzenwachstums im Vergleich zum Flachland sind im Bergwald angepasste Schalenwildbestände über lange Zeiträume besonders wichtig, um einen funktionsfähi- gen und stabilen Bergmischwald langfristig zu gewährleisten . 6. Beabsichtigt die Staatsregierung durch Medienauftritte oder ähnlichem in Garmisch-Partenkirchen und Umland die bisherige jagdliche Linie der Bayerischen Staatsforsten zu bestätigen und somit auch die dortigen Behördenvertreter zu stärken? Die forst- und jagdpolitischen Zielsetzungen in Bayern sind Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Konsenses. In den einschlägigen Vorschriften (u. a. Waldgesetz für Bayern , Bayerisches Jagdgesetz) sind dazu entsprechende Regelungen gesetzlich normiert. Eine Abkehr von diesen bewährten Zielsetzungen steht nicht zur Diskussion. Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erfolgt durch die nachgeordneten Behörden bzw. die Bayerischen Staatsforsten nach den regionalspezifischen Erfordernissen. Im Rahmen der jeweiligen Öffentlichkeitsarbeit wird diese Thematik regelmäßig vor Ort aufgegriffen. Grundsätzliche Informationen erfolgen zudem gesondert z. B. durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (u. a. Beiträge zum Bergwald in der Veröffentlichungsreihe „LWF aktuell“).