Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.06.2014 Vereinbarung über Umsatzsteuer mit dem ADAC Nach einer Vereinbarung aus dem Jahr 1980, die unter den Finanzbehörden aller Bundesländer abgestimmt wurde, zahlt der ADAC für 10 % seiner regulären Mitgliedsbeiträge Umsatzsteuer. 90 % der Beiträge sind demnach als echte Vereinsbeiträge anerkannt. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Parteien haben diese Vereinbarung abgeschlos- sen und wer war auf beiden Seiten dafür verantwortlich? 2. Wo liegt diese Vereinbarung heute? Ist die Vereinbarung einsehbar, und wenn ja, unter welchen Bedingungen? 3. Liegt die Vereinbarung dem ADAC vor? 4. Welchen konkreten Inhalt hat diese Vereinbarung? 5. Wie wurde diese Vereinbarung begründet? 6. Wie oft und wann wurde diese Vereinbarung in den Folgejahren überprüft? 7. Mit welcher Begründung wurde in den Folgejahren eine Veränderung dieses Prozentsatzes abgelehnt? 8. Besteht die Vereinbarung in der ursprünglichen Form weiter oder wurde sie im Laufe der Jahre angepasst? Wenn ja, welche Änderungen sind wann erfolgt? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 01.07.2014 1. Welche Parteien haben diese Vereinbarung abgeschlossen und wer war auf beiden Seiten dafür verantwortlich ? Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat hat dem Bayerischen Landtag am 13. Mai 2014 einen ausführlichen Bericht zum Thema Steuervollzug beim ADAC vorgelegt. Der Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium trug den Bericht im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen vor und stand auch in der anschließenden Aussprache Rede und Antwort. Die in der Schriftlichen Anfrage aufgeworfenen Fragen wurden im Bericht der Staatsregierung und in der Aussprache am 13. Mai 2014 bereits angesprochen (vgl. Protokoll zur 25. HA-Sitzung). Bei der in der Anfrage als „Vereinbarung aus dem Jahr 1980, die unter den Finanzbehörden aller Bundesländer abgestimmt wurde“ bezeichneten Regelung handelt es sich nicht um eine Abmachung zwischen einem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung. Vielmehr geht es um die zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erforderliche und durchgeführte Abstimmung zur Sicherstellung der einheitlichen Behandlung der Umsatzbesteuerung der ADAC-Mitgliederbeiträge im Bundesgebiet. Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine Gemeinschaftssteuer , deren Aufkommen u. a. dem Bund und den Ländern zusteht. Bund und Länder haben deshalb großes Interesse daran, dass die Steuer in zutreffender Höhe erhoben wird. Dies gilt insbesondere in Fällen mit großer steuerlicher Bedeutung. Hinzu kommt im Fall des ADAC, dass zwar der ADAC-Hauptverein in Bayern umsatzsteuerlich erfasst ist, die selbstständigen Gauvereine aber überwiegend in den anderen Ländern. Die Entscheidung hatte damit bundesweite Bedeutung. Um eine einheitliche umsatz- steuerliche Behandlung der ADAC-Mitgliederbeiträge sicherzustellen, wurde die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Angelegenheit innerhalb der Finanzverwaltung auf Bund-Länder-Ebene abgestimmt. Zu diesem Zweck wurde die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Mitgliederbeiträge des ADAC im Jahr 1980 von den Umsatzsteuerreferatsleitern des Bundes und der – damaligen – Länder erörtert. Auf ihrer Besprechung im Dezember 1980 stellten sie fest, dass die von den Mitgliedern entrichteten Beiträge zum Teil Entgelt für steuerpflichtige Sonderleistungen des Hauptvereins und der Gauvereine an die Mitglieder sind. 2. Wo liegt diese Vereinbarung heute? Ist die Vereinbarung einsehbar, und wenn ja, unter welchen Bedingungen ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.08.2014 17/2587 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2587 Die Umsatzsteuerreferatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben die Angelegenheit auf einer Sitzung im Dezember 1980 erörtert und sich auf eine einheitliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung verständigt . Sie beschlossen dabei, dem ADAC das Ergebnis der Erörterung mit ebenfalls auf Bund-Länder-Ebene abgestimmtem Schreiben mitzuteilen. Dies geschah – nach erfolgter Abstimmung des Antwortschreibens – durch ein Schreiben des damaligen Staatsministers der Finanzen Dr. Max Streibl an den Präsidenten des ADAC vom 25. Februar 1981. Das Bundesfinanzministerium und die – damaligen – obersten Finanzbehörden der anderen Länder sowie die Oberfinanzdirektion München – und über diese das zuständige Finanzamt – erhielten einen Abdruck des Schreibens. Der Inhalt des Schreibens an den ADAC ist unter Frage 4 wiedergegeben. 3. Liegt die Vereinbarung dem ADAC vor? Dem ADAC wurde – wie unter Frage 2 ausgeführt – die Auffassung der Finanzverwaltung mitgeteilt. 4. Welchen konkreten Inhalt hat diese Vereinbarung? Das Schreiben vom 25. Februar 1980 an den ADAC hat folgenden Wortlaut: „In obiger Angelegenheit darf ich Ihnen als Ergebnis mehrerer Besprechungen der Umsatzsteuerreferenten des Bundes und der Länder Folgendes mitteilen: Die Mitgliederbeiträge des ADAC sind zum Teil Entgelt für steuerbare Sonderleistungen des Hauptvereins und der Gaue an die Mitglieder. Bei der Festlegung des Entgeltsanteils ist zu berücksichtigen , dass der ADAC einerseits in erheblichem Umfang unternehmerische Leistungen an die Mitglieder durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und Organgesellschaften gegen besonderes Entgelt erbringt, andererseits mit den Mitgliederbeiträgen neben den allgemeinen Vereinstätigkeiten in erheblichem Umfang Leistungen für die Allgemeinheit und an Nichtmitglieder ausführt. Unter Würdigung aller Umstände erscheint es daher angemessen, den Anteil der Sonderleistungen an der mit den Mitgliederbeiträgen vom Hauptverein und den Gauen durchgeführten Gesamttätigkeit auf 10 v. H. festzusetzen und diesen Sonderleistungen 10 v. H. der Mitgliederbeiträge zuzurechnen.“ 5. Wie wurde diese Vereinbarung begründet? Die Begründung der rechtlichen Beurteilung durch die Finanzverwaltung ergibt sich aus dem Schreiben an den ADAC (vgl. Antwort zu Frage 4). Zum Hintergrund der rechtlichen Beurteilung ist darauf hinzuweisen, dass Vereine Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sind, wenn sie als solche nach außen auftreten, d. h. wenn sie selbstständig und nachhaltig Leistungen zur Erzielung von Einnahmen ausführen. Die vom Verein ausgeführten Leistungen unterliegen der Umsatzsteuer , wenn sie gegen Entgelt (auch in Form von Mitgliederbeiträgen) im Rahmen seines Unternehmens er- bracht werden. Diese sog. steuerbaren Umsätze können steuerpflichtig oder steuerfrei sein. Erhebt ein Verein dagegen zur Erfüllung seiner den Gesamtbelangen sämtlicher Mitglieder dienenden Gemeinschaftszwecke echte Mitgliederbeiträge, liegt kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts und damit kein steuerbarer Umsatz vor. Echte Mitgliederbeiträge sind dazu bestimmt, dem Verein die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen, es fehlt an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied . Insoweit wird der Verein nicht unternehmerisch tätig. Im Fall des ADAC hat die Finanzverwaltung – wie dargestellt – im Jahr 1980 festgestellt, dass die von den Mitgliedern entrichteten Beiträge zum Teil Entgelt für steuerpflichtige Sonderleistungen des Hauptvereins und der Gauvereine an die Mitglieder sind. Dieser Anteil der Sonderleistungen an der aus dem Beitragsaufkommen finanzierten Gesamttätigkeit des Hauptvereins und der Gauvereine wurde auf 10 % geschätzt. Den Sonderleistungen wurden dementsprechend 10 % der Mitgliederbeiträge als Entgelt zugerechnet. 6. Wie oft und wann wurde diese Vereinbarung in den Folgejahren überprüft? Bei den Mitgliedern der ADAC-Gruppe wurden von bayerischen Finanzbehörden u. a. laufend Betriebsprüfungen (bei den Großbetrieben ohne zeitliche Lücken) durchgeführt. Die 10 %-Regelung wurde in diesen Betriebsprüfungen regelmäßig überprüft. An den beiden letzten Betriebsprüfungen (Prüfungszeiträume 2002–2006 und 2007–2010) war bzw. ist ein Bundesprüfer des Bundeszentralamts für Steuern beteiligt (Mitwirkung gemäß § 19 FVG, §§ 20 ff. BpO). Ein Aufgabenschwerpunkt des Bundesprüfers war und ist die steuerliche Beurteilung der Mitgliederbeiträge. Zu Überprüfungen bei den Gauvereinen in den anderen Bundesländern liegen dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat keine Erkenntnisse vor. 7. Mit welcher Begründung wurde in den Folgejahren eine Veränderung dieses Prozentsatzes abgelehnt? Wie zu Frage 6 ausgeführt, wurde die Besteuerung der Mitgliederbeiträge in den durchgeführten Betriebsprüfungen jeweils überprüft. Die Prüfer stellten dabei keine Anhaltspunkte fest, wonach die 10 %-Regelung nicht mehr zu zutreffenden Ergebnissen führen würde. Sie kamen deshalb jeweils zum Ergebnis, dass die Besteuerung der Mitgliederbeiträge in den jeweiligen Prüfungszeiträumen zutreffend erfolgt ist. 8. Besteht die Vereinbarung in der ursprünglichen Form weiter oder wurde sie im Laufe der Jahre angepasst? Wenn ja, welche Änderungen sind wann erfolgt? Wie zu Frage 7 ausgeführt, ergaben die von der Betriebsprüfung jeweils festgestellten Verhältnisse keine Veranlassung für eine Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung der Mitgliederbeiträge.