Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.05.2014 Neonazis bei der Polizei Laut einem Artikel der Nürnberger Nachrichten vom 20. Mai 2014 sind Fußballfans am 18. Mai 2014 beim Relegationsspiel zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth und dem Hamburger SV „in einem Bus des Unterstützungskommandos der Bayerischen Bereitschaftspolizei auf Neonaziaufkleber gestoßen“. Nach Auskunft des Fürther Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus handelt es sich dabei um Aufkleber mit den Aufschriften „Good night left side“ und „Anti-Antifa organisieren“. Exakt solche Aufkleber werden vom Neonaziversand „Final Resistance“ vertrieben . Dieses Unternehmen führen seit Ende letzten Jahres die beiden Neonazikader Matthias Fischer (Fürth) und Tony Gentsch (Oberprex), die, neben Norman Kempken (Nürnberg ), im Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) tonangebend sind. Zuvor zeichnete sich der oberpfälzische FNS-Aktivist Daniel Weigl für den Vertrieb verantwortlich. Gegen das FNS läuft derzeit ein vereinsrechtliches Verbotsverfahren . Vor diesem Hintergrund fragen wir die Staatsregierung: 1. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über den geschilderten Fall vor? 2. Auf welche konkrete Einheit der Bayerischen Bereitschaftspolizei ist der Vorfall zurückzuführen? 3. Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass die eindeutig der Neonaziszene zuzuordnenden Aufkleber nicht bereits vorher von Vorgesetzten bzw. von Kolleginnen oder Kollegen beanstandet wurden? 4. Mit welchen Konsequenzen haben die für das Anbringen bzw. für die Duldung der Aufkleber verantwortlichen Beamtinnen und Beamten zu rechnen? 5. Sind der Staatsregierung in der betroffenen Einheit über diesen konkreten Fall hinaus rechtsextreme Vorfälle bzw. Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt? 6. Sind der Staatsregierung in der bayerischen Polizei und insbesondere in der Bereitschaftspolizei seit 2010 rechtsextreme Vorfälle bzw. Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt geworden (Fälle ggf. bitte einzeln aufschlüsseln )? 7. Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse jeweils nach sich gezogen? 8. In Form welcher konkreten Maßnahmen (Auswahlverfahren , Prävention etc.) stellt die Staatsregierung sicher, dass sich unter den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten keine Personen mit rechtsextremen Einstellungen befinden ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 02.07.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über den geschilderten Fall vor? Am Dienstag, 20.05.2014, wurde durch das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei (BPP) bei der Presseauswertung festgestellt, dass in den Nürnberger Nachrichten vom 20.05.2014 Artikel mit der Überschrift „Neonaziaufkleber im Polizei-Fahrzeug“ und „Neonazis bei der Polizei?“ erschienen waren. Bei der anschließenden Überprüfung aller im Einsatz beim Relegationsspiel Greuther Fürth gegen den Hamburger SV eingesetzten Fahrzeuge durch die Bayerische Bereitschaftspolizei wurde festgestellt, dass es sich um ein Fahrzeug des USK Würzburg (III. Bereitschaftspolizeiabteilung ) handelte. Die besagten Aufkleber waren auf einer sogenannten „Funkkiste“ angebracht, einer Holzkiste zum Transport von Funkgeräten vom Lager zum Einsatzfahrzeug sowie während der Einsatzfahrt. Diese Kiste war versehen mit folgenden 4 Szeneaufklebern und einem selbst erstellten Gruppenlogo: – Aufkleber 1 („Kein Sex mit Zecken! Den Feind erkennen. Den Feind benennen.“): L 18,5 cm x B 6,5 cm – Aufkleber 2 („Anti-Antifa organisieren. Den Feind erken- nen. Den Feind benennen.“): L 18,5 cm x B 6,5 cm – Aufkleber 3 („CC 97“ – Ultragruppierung Commando Canstatt des VfB Stuttgart): L 12 cm x B 6 cm – Aufkleber 4 („Good Night Left Side“): rund Durchmesser 9,5 cm – Aufkleber 5 („USK Würzburg III. Gruppe“): L 15 cm x B 11,5 cm Die Funkkiste wurde umgehend durch die Abteilungsführung in Würzburg sichergestellt und dort verwahrt. Am 21.05.2014 meldete sich ein Beamter des USK Würzburg freiwillig bei seinem Zugführer und gab zu, die Aufkleber auf Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.08.2014 17/2588 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2588 der Holzkiste angebracht zu haben. Er gab eine schriftliche Stellungnahme hierzu ab, in der er das Aufkleben zugibt, eine rechte Gesinnung verneint und zum Ausdruck bringt, auch keine politische Haltung mit dem Aufkleben verbunden zu haben. Die Aufkleber stammen laut aktuellen Erkenntnissen nicht aus der Sphäre des Beamten, sondern wurden im Rahmen eines früheren USK-Einsatzes am 03.05.2014 in Zellingen anderen USK-Beamten ausgehändigt: Anlässlich einer Musikveranstaltung von Rechten war der USK-Zug dort zu Kontrollen eingesetzt gewesen. Im Rahmen des Einsatzes war eine Vielzahl von Fahrzeugen kontrolliert worden, wobei die Aufkleber bei einer Person auffielen, die diese daraufhin zur Überprüfung aushändigte. Die Aufkleber sollten sodann mit auf die Dienststelle genommen werden; dort sollte über eine etwaige dienstliche Verwendung entschieden werden (z. B. Ausstellung in einem Schaukasten mit Lehrmaterialien oder für den Unterricht der Beamten in Ausbildung). Mit Datum vom 21.05.2014 wurden disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen den Beamten eingeleitet und gemäß Art. 24 BayDG bis zum Abschluss des gleichzeitig eingeleiteten strafrechtlichen Vorermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Würzburg ausgesetzt, in welchem geprüft wurde, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Mit Verfügung vom 18.06.2014 kam die Staatsanwaltschaft Würzburg zu dem Ergebnis, dass kein Anlass zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beamten bestehe, da ein strafbares Verhalten nicht festgestellt werden könne. Die Aufschriften und Symbole auf den Aufklebern seien ohne strafrechtliche Relevanz. Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei wird das Disziplinarverfahren nunmehr fortsetzen und prüfen, ob der Beamte durch sein Verhalten Dienstpflichten verletzt hat. Der Beamte wurde unverzüglich aus dem USK genommen und mittlerweile zu einer anderen Dienststelle abgeordnet. 2. Auf welche konkrete Einheit der Bayerischen Bereitschaftspolizei ist der Vorfall zurückzuführen? Der betroffene Beamte gehörte zum USK-Zug der III. Bereitschaftspolizeiabteilung Würzburg. 3. Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass die eindeutig der Neonaziszene zuzuordnenden Aufkleber nicht bereits vorher von Vorgesetzten bzw. von Kolleginnen oder Kollegen beanstandet wurden? Die Zeugenvernehmungen der übrigen Beamten der USKTeileinheit ergaben, dass allen Beamten bezüglich des Zustands der Holzkiste keine Veränderungen auffielen bzw. solche nicht mehr erinnerlich waren. Zugestanden wurde seitens des Gruppenführers jedoch, dass es durchaus üblich sei, Aufkleber auf Funkkisten zu kleben. Dies geschehe zur Individualisierung der Kisten. Zu berücksichtigen ist, dass die Beamten des USK vor, während und nach ihren Einsätzen – so insbesondere auch bei dem diesem Vorfall zugrunde liegenden Einsatz im Rahmen des Fußball-Relegationsspieles Greuther Fürth gegen den Hamburger SV – unter einer großen physischen wie psychischen Anspannung und Belastung stehen, sodass die Wahrnehmung von nicht unmittelbar einsatzrelevanten Umgebungsdetails diesbezüglich eingeschränkt gewesen sein kann. Weitere, insbesondere vorgesetzte Personen kommen mit den Funkkisten der Einheiten nicht in Kontakt, weshalb diese keine Kenntnis von den auf diesen befindlichen Auf- klebern hätten erlangen können. 4. Mit welchen Konsequenzen haben die für das Anbringen bzw. für die Duldung der Aufkleber verantwortlichen Beamtinnen und Beamten zu rechnen? Die Frage, ob und ggf. welche Disziplinarmaßnahmen gegen die beteiligten Beamten ergriffen werden, werden aktuell durch das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei geprüft. Dort wird das Disziplinarverfahren, welches bis zum Abschluss des strafrechtlichen Vorermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Würzburg ausgesetzt war, nunmehr fortgesetzt und geprüft, ob die Beamten durch ihr Verhalten Dienstpflichten verletzt haben. Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei ist hierbei an die rechtlichen Feststellungen der Staatsanwaltschaft gebunden. Diese hat in ihrer Verfügung vom 18.06.2014 entschieden, dass kein Anlass zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beamten bestehe, da ein strafbares Verhalten nicht festgestellt werden könne. Die Aufschriften und Symbole auf den Aufklebern seien ohne strafrechtliche Relevanz, insbesondere enthielten sie keine Kennzeichen im Sinne des § 86 a StGB und erfüllten nicht den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB. Auch eine Aufforderung zur Begehung einer rechtswidrigen Tat gemäß § 111 StGB sei in den Aufklebern nicht enthalten. Die Tatbestände der Beleidigung (§185 StGB), des Verwahrungsbruchs (§133 StGB), des Diebstahls (§ 242 StGB) und der Unterschlagung (§ 246 StGB) seien ebenfalls nicht erfüllt. Dienstaufsichtlich steht jedoch ein zu ahndender Verstoß gegen Beamtenpflichten, wie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie die politische Neutralitätsverpflichtung , im Raum. 5. Sind der Staatsregierung in der betroffenen Einheit über diesen konkreten Fall hinaus rechtsextreme Vorfälle bzw. Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt? Nein. 6. Sind der Staatsregierung in der bayerischen Polizei und insbesondere in der Bereitschaftspolizei seit 2010 rechtsextreme Vorfälle bzw. Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt geworden (Fälle ggf. bitte einzeln aufschlüsseln)? Seit 2010 sind innerhalb der bayerischen Polizei folgende Vorfälle mit möglicherweise rechtsextremem Hintergrund bekannt geworden: – Bei einem Beamten des Polizeipräsidiums München stand 2010 ein rechtsextremer Vorwurf (Besitz verschiedener nationalsozialistischer Gegenstände) im Raum, dieser wurde jedoch in strafrechtlicher Hinsicht nicht bestätigt . Das parallel eingeleitete Disziplinarverfahren in gleicher Sache ist noch nicht abgeschlossen. – In einem Sport- und Technikraum des Polizeipräsidiums Schwaben Nord wurden 2013 augenscheinlich einem Hakenkreuz sehr ähnliche Einritzungen (Durchmesser ca. 2 cm) auf einer Weichbodenmatte festgestellt. Obwohl auch ein Schaden durch Abnutzung nicht auszuschließen war, wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen unbekannt durchgeführt. Nachdem kein Täter ermittelt werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg dieses Ermittlungsverfahren gegen unbekannt zum Nachteil des Polizeipräsidiums Schwaben Nord wegen Drucksache 17/2588 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Sachbeschädigung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Da die Ermittlungen ergebnislos verliefen und aufgrund dessen auch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, konnten in der Folge keine dienstaufsichtlichen Maßnahmen ergriffen werden. – Aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord ist ein Fall, in dem ein togoischer Staatsangehöriger eine Verkehrskontrolle als „diskriminierend“ bezeichnete, derzeit noch bei der Zentralstelle für Interne Ermittlungen des LKA wegen Verdachts der Beleidigung anhängig. Der Vorwurf gegen den Beamten bezieht sich zwar auf eine angeblich geäußerte Beleidigung, konkrete ausländerfeindliche Inhalte beinhalten die Vorwürfe jedoch nicht. – Beim Polizeipräsidium Oberpfalz wurden 2012 in einem Fall Ermittlungen wegen Volksverhetzung bzw. des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen geführt. Anlass der Ermittlungen war eine Mitteilung eines Bürgers wegen Lärmbelästigung. Konkret wurde vorgetragen, es seien gegen 05.00 Uhr morgens mehrere Personen lallend mit einer Art „Stechschritt“ an seiner Wohnung vorbeigelaufen. Der Mitteiler gab weiterhin an, die von ihm beobachteten Personen hätten dabei den „Hitler-Gruß“ gezeigt und Musik abgespielt, wobei eindeutig eine rassistische Beleidigung zu hören gewesen wäre. Die Ermittlungen ergaben dann, dass in der fraglichen Nacht zwar eine Feier stattgefunden hatte, an der auch Polizeibeamte teilgenommen hatten. Nach Befragung der Zeugen und aller beteiligten Beamten ergaben sich jedoch Zweifel, ob es sich bei den beobachteten Störern um Teilnehmer dieser Feier gehandelt hatte . Zudem konnte nicht geklärt werden, ob von diesen Personen tatsächlich Straftaten begangen wurden. Das gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft Weiden i. d. OPf. gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Aufgrund dessen und weil die Ermittlungen ergebnislos verliefen, wurden in der Folge keine dienstaufsichtlichen Maßnahmen ergriffen . 7. Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse jeweils nach sich gezogen? Siehe Antwort zu Frage 6. 8. In Form welcher konkreten Maßnahmen (Auswahlverfahren , Prävention etc.) stellt die Staatsregierung sicher, dass sich unter den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten keine Personen mit rechtsextremen Einstellungen befinden? a) Einstellungsverfahren Bewerber für den öffentlichen Dienst, die an verfassungsfeindlichen Bestrebungen teilnehmen oder diese unterstützen , dürfen nicht eingestellt werden. Bei Einstellungen von Polizeibeamten erfolgt eine Überprüfung nach der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 3. Dezember 1991, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 27. November 2007 zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst. Die Bekanntmachung regelt die genaue Verfahrensweise bei Einstellungen von Bewerbern in den öffentlichen Dienst in Bayern. Die Überprüfung läuft ab wie folgt: Vor der Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst ist der Bewerber über die freiheitliche demokratische Grundordnung zu belehren. Ihm ist ein Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen zu übergeben. Der Bewerber hat daraufhin einen Fragebogen auszufüllen und eine Erklärung gem. der Bekanntmachung zu unterzeichnen. Bestehen aufgrund der Angaben im Fragebogen, der Weigerung des Bewerbers, die Erklärung zu unterschreiben , oder aufgrund anderweitig bekannt gewordener Tatsachen (insb. polizeilicher Erkenntnisse) Zweifel daran, dass der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung eintritt, so müssen diese Zweifel vor einer Einstellung ausgeräumt werden. Mittel dazu ist insbesondere eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen. Verweigert der Bewerber auch die Zustimmung zur Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz beziehungsweise beim Bundesbeauftragten, so scheidet eine Einstellung aus. Beamte, die sich einer Pflichtverletzung schuldig machen, müssen damit rechnen, dass gegen sie ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Arbeitnehmer müssen in diesen Fällen mit einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches rechnen. b) Ausbildung / Prävention Die Themenkomplexe „interkulturelle Kompetenz“ im Allgemeinen und „Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit“ im Speziellen werden mit den entsprechenden Präventionsansätzen in der Aus- und Fortbildung der bayerischen Polizei umfassend und fächerübergreifend behandelt. Die Beamten werden nicht nur rechtlich geschult und mit entsprechendem Hintergrundwissen ausgestattet, sondern durch sog. persönlichkeitsbildende Unterrichtsfächer wie „Politische Bildung / Zeitgeschehen“ und „Berufsethik“ auch sensibilisiert. Hier sind im Rahmen von Projekttagen Exkursionen vorgesehen bzw. zu NS-Dokumentationszentren in Dachau, Flossenbürg oder Nürnberg. Dabei werden nicht nur verfassungsrechtliche Grundsätze, sondern vor allem auch das Menschenbild und die Würde des Menschen zentral behandelt, um kulturelle sowie religiöse Fragen und auch den Umgang mit sozialen Randgruppen, ethnische Besonderheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen, interkulturelle Zusammenhänge und Hintergründe von Migration und Integration zu vermitteln. Den Beamten wird dies zudem durch den Besuch von Moscheen oder Synagogen, beispielsweise an Projekttagen, verdeutlicht. Im Fach Politische Bildung und Zeitgeschehen erfolgt insbesondere die Behandlung des Bereiches Politischer Extremismus von links und rechts (Gedankengut, Organisationsformen , Erkennungsmerkmale). Im Rahmen dessen sind z. B. Exkursionen zum Polizeimuseum in Ingolstadt, dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg oder zu KZ-Gedenkstätten möglich und vorgesehen. Im Fach Organisation und Dienstbetrieb werden die Themen „Politisch motivierte Kriminalität“ (Radikalismus/ Extremismus, Verbände, Parteien, Nationalismus, Fundamentalismus , Terrorismus) sowie Maßnahmen des Ersten Angriffs bei Staatsschutzdelikten (Hitlergruß, Hakenkreuz; Sachbeschädigung bei Asylbewerberunterkunft; Beleidigung , Körperverletzung; Verdachtskriterien islamischer Terrorismus ) behandelt. Weiterer Inhalt der Polizeiausbildung ist auch das Thema „Staatsschutz“. Hier wird den Beamten insbesondere die Rolle der Polizei in der NS-Zeit und allgemein der Bereich „Rechtsextremismus“ nähergebracht. Die Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2588 Beamten lernen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen kennen und beschäftigen sich zudem mit der Problematik des rechtsextremen Liedguts, mit Demokratiegrundlagen und dem diktatorischen Regime und dessen Brisanz. Dabei findet auch eine Zusammenarbeit mit dem BLKA und dem Landesamt für Verfassungsschutz statt. Hierbei wird großer Wert auf Aktualität gelegt. Jüngste Ereignisse und neueste Erkenntnisse aus dem Bereich des Rechtsextremismus werden ebenso wie gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert und in Bezug zur polizeilichen Aufgabenstellung gebracht. Die bayerische Polizei ist stets bemüht, die Vorbereitung der Polizeibeamten noch weiter zu optimieren, wozu Inhalte und Methoden einer kontinuierlichen Überprüfung unterzogen und Anregungen jeglicher Art konstruktiv aufgenommen werden. Natürlich gilt dies ganz besonders auch für Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen. Die knapp 50 Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses beim Deutschen Bundestag sind präsent und fließen in die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung ein. Durch Einbindung von Fachstellen, ganz besonders der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, fließen die aktuellsten Tendenzen im Bereich des Rechtsextremismus in die Aus- und Fortbildung ein.