Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Peter Winter CSU vom 05.05.2014 Rotwild in Bayern, insbesondere im bayerischen Spessart Das Rotwild ist ein wesentlicher Bestandteil unserer bayerischen Heimat. Viele Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch aus Reihen der nichtjagenden Bevölkerung, zeigen großes Interesses an dieser beeindruckenden Wildart. So ist ein Spessart ohne Hirsche auch aus kulturhistorischen Gründen nicht denkbar. Für den Erhalt des Rotwilds in unserer durch vielfältige Ansprüche geprägten Kulturlandschaft bedarf es einer tief verwurzelten gesellschaftlichen Akzeptanz. Besondere Bedeutung kommt dabei neben waldverträglichen Beständen auch der Sichtbarkeit und Erlebbarkeit des Rotwilds, insbesondere bei der nichtjagenden Bevölkerung zu. Darüber hinaus sind für viele Jagdgenossenschaften in Rotwildgebieten neben der Zusammensetzung des Reviers insbesondere Struktur und Höhe des vorkommenden Rotwildbestandes ein bedeutender Faktor für Verpachtungsmöglichkeiten . Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie haben sich die Rotwildbestände in Bayern, insbesondere auch im Spessart entwickelt? 2. Nach welchen Vorgaben erfolgt die Hege des Rotwilds in Bayern? 3. Welche Maßnahmen werden durchgeführt, um eine Erlebbarkeit des Rotwildes für die Bevölkerung zu ermöglichen ? Gibt es dazu auch Initiativen für den Spessart? 4. Wie haben sich die Jagdpachtpreise in Bayern, insbesondere im Spessart in den letzten 30 Jahren entwickelt und welche Faktoren spielen hierfür eine Rolle? 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die tatsächliche Höhe der Rotwildbestände, insbesondere im Spessart? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 09.07.2014 1. Wie haben sich die Rotwildbestände in Bayern, insbesondere auch im Spessart entwickelt? Für die Einschätzung des Rotwildbestandes in Bayern und in regionalen Teileinheiten wie dem Spessart ist die Entwicklung der Jagdstrecke ein wichtiger Weiser. Rotwildpopulationen unterliegen stets einer gewissen Dynamik, da sie als frei lebende Wildart durch natürliche Umweltbedingungen, populationsinterne Mechanismen (u. a. Geschlechterverhältnis ) und die Jagd beeinflusst werden. Eine Einschätzung der Bestände kann umso profunder erfolgen, je länger die betrachteten Zeitreihen zurückreichen. Sie geben einen Trend im Populationsverlauf. Die folgende Grafik zeigt die Streckenentwicklung des Rotwildes bayernweit sowie im Spessart. Für Bayern ist in den vergangenen Jahren im Trend eine kontinuierliche Steigerung festzustellen. Für den Spessart ist in der jüngsten Vergangenheit eine Stabilisierung der Streckenentwicklung zu erkennen. Seite 2 von 8 Die folgende Grafik zeigt die Streckenentwicklung des Rotwildes bayern- weit sowie im Spessart. Für Bayern ist in den vergangenen Jahren im Trend eine kontinuierliche Steigerung festzustellen. Für den Spessart ist in der jüngsten Vergangenheit eine Stabilisierung der Streckenentwicklung zu er- kennen. Zu Frage 2: Nach welchen Vorgaben erfolgt die Hege des Rotwilds in Bayern? Die Hege hat nach den jagdrechtlichen Vorgaben die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten, artenrei- chen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirt- schaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden. Nach den jagdrechtlichen Vorschriften ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fische- reiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Für 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1 9 90 1 9 91 1 9 92 1 9 93 1 9 94 1 9 95 1 9 96 1 9 97 1 9 98 1 9 99 2 0 00 2 0 01 2 0 02 2 0 03 2 0 04 2 0 05 2 0 06 2 0 07 2 0 08 2 0 09 2 0 10 2 0 11 2 0 12 HHG Spessart HHG Spessart Nord&Süd Bayern Bayern 2. Nach welchen Vorgaben erfolgt die Hege des Rotwilds in Bayern? Die Hege hat nach den jagdrechtlichen Vorgaben die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten, artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden. Nach den jagdrechtlichen Vorschriften ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.08.2014 17/2658 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2658 und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Für die Einschätzung der tragbaren Wilddichte in einem bestimmten Lebensraum ist der Zustand der Vegetation, insbesondere die Waldverjüngung vorrangig zu berücksichtigen. Um den Bestand und seinen Lebensraum zu sichern, wurden in Bayern sogenannte Rotwildgebiete geschaffen. Das Hegen und Aussetzen von Rotwild ist nur in diesen Gebieten zulässig. Sie sind Teil der freien Natur, nicht abgezäunt und für Mensch und Tier frei zugänglich. Diese umfassen mit insgesamt ca. 800.000 ha mehr Fläche als die Rotwildgebiete der Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen zusammen. Bei der Planung wurden auch die Rotwildlebensräume der angrenzenden Länder berücksichtigt , wodurch unsere Rotwildgebiete über die bayerischen Grenzen hinweg vernetzt worden sind. Die Rotwildgebiete wurden vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof positiv beurteilt. Im einschlägigen Grundsatzurteil wurde festgestellt, dass die Festlegung von Rotwildgebieten dem Erhalt des Rotwildbestands dient und gleichzeitig die unterschiedlichen Interessen von Landeskultur und Jagd gewahrt bleiben. Die Rotwildgebiete liegen in verschiedenen Regionen Bayerns; von den rauen Hochlagen der Alpen bis zu den milden Auwaldgebieten an der Isar. Die stark unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse verlangen daher Flexibilität bei der Jagd und Hege. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Jagdzeiten sind dabei als ein zeitlicher Rahmen zu sehen. Diesen sinnvoll in zeitlichen Intervallen zu nutzen, liegt in der Eigenverantwortung des jeweiligen Jagdrevierinhabers . Dabei spielen wildbiologische Erkenntnisse und örtliche Besonderheiten eine wichtige Rolle. 3. Welche Maßnahmen werden durchgeführt, um eine Erlebbarkeit des Rotwildes für die Bevölkerung zu ermöglichen? Gibt es dazu auch Initiativen für den Spessart? Erfahrungsgemäß steht die Erlebbarkeit des Rotwildes für die Bevölkerung in keinem direkten Zusammenhang mit der Dichte des vorhandenen Rotwildbestands. Die entscheidenden Faktoren sind das Ruhe- und das Sicherheitsbedürfnis dieser Wildart. Sehr wichtig ist der ungestörte Zugang zu Äsungsflächen. Aus diesem Grund haben die Bayerischen Staatsforsten in den Alpen den größten Teil der Almflächen und der Krummholzbestände in den regionalen Jagdkonzepten zu sogenannten jagdberuhigten Zonen ausgewiesen. Dort findet grundsätzlich keine Einzeljagd statt. Das Gleiche gilt für die großen Mähwiesen im Bereich des Forstbetriebs Neureichenau . In den Forstbetrieben Fichtelberg und Pegnitz sind für das Rotwild mehrere Hundert Hektar große Ruhezonen ausgewiesen worden. Die darin eingebetteten Hochmoorund Heideflächen sowie Wildwiesen und Äsungsstreifen kann das Rotwild untertags ohne jagdliche Störung nutzen. Die Kombination von Ruhezonen und Äsungsflächen findet sich auch in den beiden Wildparken Ebersberg und Forstenried . In den großen geschlossenen Waldgebieten ist es generell schwierig, einheimischen „Sonntagsausflüglern“ und Touristen die Beobachtung von Rotwild in der freien Natur ohne Aufwand zu ermöglichen. Aus diesem Grund unterhalten die Bayerischen Staatsforsten mehrere, sehr gut akzeptierte Rotwildschaugatter. Dort können die Besucher das Rotwild in einer naturnahen Umgebung direkt beobachten. Beispiele sind die Hohenlindner Sauschütt im Ebersberger Forst und das Wildgehege Hufeisen im Veldensteiner Forst. Zudem betreiben die Bayerischen Staatsforsten im Winter in den Alpen mehrere Schaufütterungen, an denen Einheimische und Touristen Rotwild erleben können. Vergleichbare Initiativen und Überlegungen gibt es auch für den Spessart. Ein Ergebnis des „Rotwildkonzepts Bayerischer Spessart“ (Projektbericht Juli 2002 erstellt im Auftrag des StMELF) ist das Faltblatt „Rotwildjagd im Spessart“, das von der Interessengemeinschaft-Rotwild-Spessart 2007 herausgegeben wurde. Die Hinweise und Empfehlungen des Flyers verfolgen das Ziel, den Jagddruck auf das Rotwild zu mindern, zu einer besseren Raumverteilung beizutragen und dadurch Wildschäden im Wald zu verringern. Die Forstbetriebe Hammelburg, Heigenbrücken und Rothenbuch setzen diese Empfehlungen um, wie insbesondere : – Reduzierung des Jagddrucks durch Intervalljagd, – Schaffung von Ruhezonen, weitestgehend in den offenen Talgründen des Spessarts, – grundsätzlich Jagdruhe auf Äsungsflächen, – Begrenzung der Schwarzwildkirrung, – Rotwild ist die Leitart, – grundsätzlich keine Nachtjagd. Alle diese Maßnahmen haben zum Ziel, Rotwild auch für die nichtjagende Bevölkerung wahrnehmbarer werden zu lassen . Wesentlich unterstützt wird das Ziel dann, wenn auch auf den verbleibenden 50 % der Rotwildfläche der Hegegemeinschaft „Spessart Süd“ die gleichen Maßnahmen umgesetzt werden. Allerdings hängt die eigenverantwortliche Umsetzung von sehr vielfältigen Interessen der privaten und kommunalen Revierinhaber ab. Die meisten Maßnahmen werden nur dann Erfolg zeigen, wenn sie waldbesitz- und jagdrevierübergreifend umgesetzt werden. Das Rotwildkonzept Bayerischer Spessart sieht in Punkt 3 „Mensch und Rotwild“ den Ausbau von Beobachtungsgattern und einen „Rotwild-Lehrpfad“ vor, beides mit dem Ziel, der Bevölkerung und den Spessart-Besuchern das Rotwild erlebbar zu machen und dessen Rolle im Wald aufzuzeigen. Diese Ideen wurden bislang noch nicht weiter aufgegriffen. Nachdem, wie bereits oben erwähnt, der Schlüssel zum Erfolg in einer waldbesitz- und revierübergreifenden Vorgehensweise liegt, sind hier die Hochwildhegegemeinschaften Spessart Nord und Süd sowie auf Teilflächen die Hochwildhegegemeinschaft Bayerische Rhön gefordert. Die Bayerischen Staatsforsten, vertreten durch die Forstbetriebe Hammelburg, Heigenbrücken und Rothenbuch, sind gerne bereit, weiterhin engagiert an der Umsetzung des Rotwildkonzepts Bayerischer Spessart mitzuarbeiten. 4. Wie haben sich die Jagdpachtpreise in Bayern, insbesondere im Spessart in den letzten 30 Jahren entwickelt und welche Faktoren spielen hierfür eine Rolle? Gesicherte Daten zu Jagdpachtpreisen liegen erst seit 1990 vor. Die durchschnittlichen Jagdpachtpreise für die bayerischen Hoch- und Niederwildreviere (Privat- und Staatsjagdreviere) verlaufen weitgehend konstant. Die durchschnittlichen Jagdpachtpreise der Hoch- und Niederwildreviere für die Privat- und Staatsjagdreviere in den Rotwildhegegemeinschaften Spessart Nord und Süd liegen zwischen 12–16 €/ha. Sie befinden sich damit etwas über dem bayernweiten Durchschnitt. Faktoren, die die Pachtpreisbildung maßgeblich beeinflussen sind u. a. das Vorkommen Drucksache 17/2658 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 von Wildarten (z. B. Rot-, Gams-, Schwarzwild), die räumliche Lage der Reviere (z. B. im Nahbereich von Ballungsräumen ), die Erreichbarkeit der Reviere (z. B. durch die Anbindung über Autobahnen), die revierbezogene Infrastruktur (z. B. Jagdhütte, Fütterung, Wintergatter), sowie landschaftlich attraktive Regionen (z. B. Gebirgsreviere). Pachtpreise für Rotwildreviere erreichen ein höheres Niveau, da das Vorkommen von Rotwild jagdlich attraktiver ist. Seite 7 von 8 Jagdhütte, Fütterung, Wintergatter), sowie landschaftlich attraktive Regio- nen (z. B. Gebirgsreviere). Pachtpreise für Rotwildreviere erreichen ein hö- heres Niveau, da das Vorkommen von Rotwild jagdlich attraktiver ist. Zu Frage 5: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die tat- sächliche Höhe der Rotwildbestände insbesondere im Spes- sart? Die exakte tatsächliche Höhe eines Wildbestandes zu ermitteln ist nach all- gemeiner wissenschaftlicher Erkenntnis nicht möglich. Die Wildbiologie bedient sich daher verschiedener anerkannter Methoden (u. a. Scheinwer- fertaxation, Losungszählverfahren, Zählungen am Futterplatz), um die Be- standsentwicklung von Wildtierpopulationen abzuschätzen. Aus vorliegenden Streckenzahlen lässt sich mittels Zeitreihen zumindest rückwirkend hochrechnen, welcher Mindestbestand zur Erreichung der Stre- cke vorhanden gewesen sein muss. Wildbiologen gehen davon aus, dass als Faustzahl die durchschnittliche jährliche Strecke mit einem Faktor von 2,5 bis 3 (je nach örtlichen Rahmenbedingungen) zur Annäherung an einen Mindestbestand hochgerechnet werden kann. 0,00 € 2,00 € 4,00 € 6,00 € 8,00 € 10,00 € 12,00 € 14,00 € 16,00 € 18,00 € 1 99 0 1 99 1 1 99 2 1 99 3 1 99 4 1 99 5 1 99 6 1 99 7 1 99 8 1 99 9 2 00 0 2 00 1 2 00 2 2 00 3 2 00 4 2 00 5 2 00 6 2 00 7 2 00 8 2 00 9 2 01 0 2 01 1 2 01 2 2 01 3 durchschnittlicher Jagdpachtpreis Hochund Niederwildreviere für Bayern - Privat- und Staatsjagdreviere durchschnittlicher Jagdpachtpreis Hochund Niederwildreviere in den Rotwildhegegemeinschaften Spessart Nord und Süd - Privat- und Staatsjagdreviere 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die tatsächliche Höhe der Rotwildbestände, insbesondere im Spessart? Die exakte tatsächliche Höhe eines Wildbestandes zu ermitteln ist nach allgemeiner wissenschaftlicher Erkenntnis nicht möglich. Die Wildbiologie bedient sich daher verschiedener anerkannter Methoden (u. a. Scheinwerfertaxation, Losungszählverfahren , Zählungen am Futterplatz), um die Bestandsentwicklung von Wildtierpopulationen abzuschätzen. Aus vorliegenden Streckenzahlen lässt sich mittels Zeitreihen zumindest rückwirkend hochrechnen, welcher Mindestbestand zur Erreichung der Strecke vorhanden gewesen sein muss. Wildbiologen gehen davon aus, dass als Faustzahl die durchschnittliche jährliche Strecke mit einem Faktor von 2,5 bis 3 (je nach örtlichen Rahmenbedingungen ) zur Annäherung an einen Mindestbestand hochgerechnet werden kann. In der HHG Spessart Nord und Süd muss infolge dessen in den vergangenen Jahren ein Mindestbestand von rund 600–1000 Stück Rotwild vorhanden gewesen sein, damit die getätigten Abschüsse der letzten Jahre nachhaltig erbracht werden konnten.