Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein SPD vom 28.05.2014 Gegendemonstration zum NPD-Bayerntag in Scheinfeld (Mittelfranken) am 24.05.2014 Am Samstag, den 24. Mai 2014, fand im Ort Scheinfeld (Mittelfranken) der sogenannte „Bayerntag“ statt, den die NPD Bayern veranstaltete. Gleichzeitig wurde eine Gegendemonstration durchgeführt, an der sich rund 2.000 Menschen beteiligten. Beide Veranstaltungen waren angemeldet . In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Trifft es zu, dass die Einsatzkräfte der Polizei während der Kundgebung immer mit dem Rücken zu den rechtsgerichteten Veranstaltungsteilnehmern standen, während die Gegendemonstranten von USK-Beamten und Polizei umstellt wurden? 2. Trifft es zu, dass vonseiten der Polizei nicht eingegriffen wurde, als die Gegendemonstranten von der rechten Gruppierung mit Flaschen und Wasserbomben beworfen wurden? 3. Trifft es zudem zu, dass die Polizei nicht reagiert hat, als es zu verfassungsrechtlichen Verstößen kam, und a) dass verbotenes Liedgut abgespielt wurde (u. a. das Rudolf-Heß-Lied) und b) dass rechte Teilnehmer wiederholt den „Hitler-Gruß“ gezeigt und „Sieg Heil“ gerufen haben? 4. Trifft es zu, dass ausführliche Polizeikontrollen bei Gegendemonstranten durchgeführt wurden, a) insbesondere, dass ein Bus kontrolliert wurde, trotz Absprache mit der Polizeieinsatzleitung, dass die Busse ungehindert passieren dürfen? 5. Trifft es zu, dass die Polizeieinsatzkräfte nicht einschritten , als Mitglieder rechter Gruppierungen versuchten, sicht unter die Protestkundgebung zu mischen? 6. Trifft es zu, dass Polizeieinsatzkräfte nicht einschritten, als sich Mitglieder rechter Gruppierungen auf dem Gelände der Gegenkundgebung aufhielten? 7. Trifft es zu, dass ein Banner mit dem Schriftzug „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ sichergestellt wurde, bei dem die beiden „s“ mit SigRunen dargestellt waren, obwohl die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen dann straffrei ist, wenn zugleich mit ihrer Verwendung die Ablehnung derselben zum Ausdruck gebracht wird? 8. Trifft es zu, dass ein Banner mit dem Schriftzug „Nur Scheiße ist braun“ mit der Begründung „Es habe einen beleidigenden Hintergrund gegen Rechts“ sichergestellt wurde, obwohl es seit 1994 ein Bundesverfassungsgerichtsurteil (sog. Soldaten sind Mörder-Urteil) gibt, dass Beleidigungen nicht strafbar sind und in die Meinungsfreiheit des Einzelnen eingreifen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.07.2014 Die Schriftliche Anfrage wird nach Einbindung des Polizeipräsidiums (PP) Mittelfranken wie folgt beantwortet: 1. Trifft es zu, dass die Einsatzkräfte der Polizei während der Kundgebung immer mit dem Rücken zu den rechtsgerichteten Veranstaltungsteilnehmern standen, während die Gegendemonstranten von USK-Beamten und Polizei umstellt wurden? 2. Trifft es zu, dass vonseiten der Polizei nicht eingegriffen wurde, als die Gegendemonstranten von der rechten Gruppierung mit Flaschen und Wasserbomben beworfen wurden? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet. Vonseiten der Versammlungsteilnehmer des Bündnisses gegen Rechts kam es wiederholt zu Eier-, Farbbeutel- und Flaschenwürfen in Richtung der NPD-Versammlung. Zudem versuchten mehrere Personen die dortigen Gittersperren zu überwinden. Aus diesen Gründen standen die Einsatzkräfte in der Mehrzahl an den Gittersperren mit Blickrichtung Gegenversammlung . Ferner wurden Einsatzkräfte bereitgehalten, um gegebenenfalls auf derartige Störungen reagieren zu können. Zu einer Umstellung kam es zu keiner Zeit, da sich die Einsatzeinheiten deutlich abgesetzt von den Versammlungsteilnehmern befanden und keine geschlossene Polizeikette bildeten. Die Versammlungsteilnehmer konnten jederzeit von allen Seiten hinzukommen oder sich entfernen. Später kam es aus der NPD-Versammlung heraus unter Ausnutzung des Sichtschutzzauns zu Flaschen- und „Wasserbombenwürfen “. Diese landeten auf einer Straße, welche in diesem Bereich als Rettungsweg freigehalten war, ohne jemanden zu treffen. Es kam hierdurch zu keinen Straftaten. Die Einsatzleitung reagierte hierauf umgehend und führte Einsatzkräfte unmittelbar an den Sichtschutzzaun heran, um Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.08.2014 17/2687 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2687 den Bewurf durch die Versammlungsteilnehmer der NPD zu unterbinden. Durch die Polizeipräsenz konnte weiteres Bewerfen verhindert und konnten die Teilnehmer der Gegenversammlung somit geschützt werden. 3. Trifft es zudem zu, dass die Polizei nicht reagiert hat, als es zu verfassungsrechtlichen Verstößen kam, und a) dass verbotenes Liedgut abgespielt wurde (u. a. das Rudolf-Heß-Lied) und b) dass rechte Teilnehmer wiederholt den „HitlerGruß “ gezeigt und „Sieg Heil“ gerufen haben? Die NPD-Versammlung wurde von der Polizei auch hinsichtlich des Abspielens oder Vortragens strafrechtlich relevanter Lieder überwacht. Dies war fester Bestandteil des Einsatzkonzepts . Für die Bayerische Polizei besteht insbesondere in diesem sensiblen Deliktsbereich kein Handlungsspielraum . Verstöße werden konsequent und ausnahmslos zur Anzeige gebracht. Durch die polizeilichen Einsatzkräfte konnte eine Wiedergabe strafbaren Liedguts im Rahmen dieses Einsatzes jedoch nicht festgestellt werden. Strafbares, verfassungsfeindliches Handeln, wie das Zeigen des Hitler-Grußes oder Sieg-Heil-Rufe, wurden von den Polizeikräften unverzüglich unterbunden und entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Insgesamt leitete die Polizei 22 Strafverfahren gegen NPD-Versammlungsteilnehmer nach § 86 a StGB ein. 4. Trifft es zu, dass ausführliche Polizeikontrollen bei Gegendemonstranten durchgeführt wurden, a) insbesondere, dass ein Bus kontrolliert wurde, trotz Absprache mit der Polizeieinsatzleitung, dass die Busse ungehindert passieren dürfen? In Zusammenhang mit dem NPD-Bayerntag wurde auch überregional zum Protest mobilisiert. Am Einsatztag lagen dem PP Mittelfranken belastbare Erkenntnisse vor, dass gewaltbereite Gegendemonstranten anreisen würden. Unter anderem sollte „der NPD-Bayerntag zum Desaster für die Nazis“ gemacht werden. Vor diesem Hintergrund entschloss sich das einsatzführende Polizeipräsidium Mittelfranken, Vorkontrollen durchzuführen . In einem Kooperationsgespräch mit den Organisatoren der Gegenversammlung am 15.05.2014 wurde explizit darauf hingewiesen, dass lageorientiert und abgestuft in jedem Fall Vorkontrollen durchgeführt werden. Eine Zusage, dass Busse Vorkontrollstellen ungehindert passieren dürfen, gab es nicht. Im Rahmen dieser Vorkontrollen wurden zwei Busse angehalten . Die Anhaltung des ersten Busses nahm nur kurze Zeit in Anspruch, da sich in diesem überwiegend Personen aus dem bürgerlichen Spektrum befanden. Nach Wahrnehmung der Einsatzkräfte saßen im zweiten Bus allerdings zur Hälfte Personen, die dem gewaltbereiten linken Spektrum zuzuordnen waren. Das Polizeipräsidium Mittelfranken verfolgte mit der Kontrolle das Ziel, gewaltbereite Versammlungsteilnehmer zu isolieren und das Mitführen von gefährlichen bzw. verbotenen Gegenständen sowie Pyrotechnik in der Versammlung zu verhindern, um deren friedlichen Verlauf zu gewährleisten . Obwohl Gespräche mit einem Verantwortlichen im Bus geführt wurden und die Maßnahme erläutert wurde, verhielt sich ein Teil der Insassen äußerst unkooperativ und weigerte sich, den Bus zu verlassen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wurde seitens der Einsatzleitung entscheiden, die Kontrollörtlichkeit zu verlagern, um eine Beeinträchtigung der friedlichen Businsassen soweit wie möglich zu minimieren . Der Bus wurde anschließend in der Nähe des Versammlungsorts nochmals angehalten. Den Businsassen wurde durch die Einsatzkräfte mitgeteilt, dass sie diesen durch die vordere Türe verlassen können. Die Insassen verließen in der Folge Zug um Zug den Bus. Vereinzelt wurden Personen nach dem Aussteigen zielgerichtet abgetastet und mitgeführte Gegenstände gesichtet. Im Rahmen der Kontrolle kam es zu einer Widerstandshandlung sowie zu vier Beleidigungen zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten. Im Bus selbst wurden ein Knüppel sowie ein Tierabwehrspray aufgefunden und sichergestellt . 5. Trifft es zu, dass die Polizeieinsatzkräfte nicht einschritten , als Mitglieder rechter Gruppierungen versuchten, sicht unter die Protestkundgebung zu mischen? 6. Trifft es zu, dass Polizeieinsatzkräfte nicht einschritten , als sich Mitglieder rechter Gruppierungen auf dem Gelände der Gegenkundgebung aufhielten ? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 6 zusammen beantwortet. Hierzu ist dem einsatzführenden Polizeipräsidium bislang nur ein entsprechender Vorfall bekannt geworden. In diesem Fall verließen gegen Abend zwei Teilnehmer der NPDVersammlung das Versammlungsgelände und überquerten den Freibadparkplatz, wo die Abschlusskundgebung des Bündnisses gegen Rechts mit ca. 30 Teilnehmern stattfand. Das Überqueren erfolgte ohne erkennbare Störungs- oder Verweilabsicht. Sobald sich die Personen in ausreichender Distanz zur Gegenversammlung befanden, wurden sie von den Einsatzkräften angehalten und angesprochen. Um eine Störung der Gegenversammlung zu vermeiden und Auseinandersetzungen zu verhüten, begleiteten die Polizeikräfte die NPD-Anhänger zum Versammlungsgelände der NPD zurück. 7. Trifft es zu, dass ein Banner mit dem Schriftzug „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen “ sichergestellt wurde, bei dem die beiden „s“ mit Sig-Runen dargestellt waren, obwohl die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen dann straffrei ist, wenn zugleich mit ihrer Verwendung die Ablehnung derselben zum Ausdruck gebracht wird? Die Einsatzkräfte der Polizei stellten bei Teilnehmern der Gegenversammlungen zwei nicht entfaltete Transparente („Rassismus ist keine Meinung, Rassismus ist ein Verbrechen “ und „Wir wollen keine Extremisten“) fest, für deren Aufschriften anstelle des Buchstaben „s“ sogenannte „SigRunen “ verwendet wurden. Noch während der Überprüfung gaben die Betroffenen an, die Transparente nicht verwenden zu wollen, wenn die Symbole auch bei der Polizei zu Nachfragen führen. Die Betroffenen blieben in Besitz ihrer Transparente. Zu einer Sicherstellung kam es zu keiner Zeit. 8. Trifft es zu, dass ein Banner mit dem Schriftzug „Nur Scheiße ist braun“ mit der Begründung „Es habe einen beleidigenden Hintergrund gegen Rechts“ sichergestellt wurde, obwohl es seit 1994 Drucksache 17/2687 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ein Bundesverfassungsgerichtsurteil (sog. Soldaten sind Mörder-Urteil) gibt, dass Beleidigungen nicht strafbar sind und in die Meinungsfreiheit des Einzelnen eingreifen? Im Rahmen von Vorkontrollen fiel in einem zur Kontrolle angehaltenen Fahrzeug unter anderem ein Transparent mit der Hauptaufschrift „Scheiße ist Braun“ auf. Die Beamten bewerteten dieses Transparent vor dem Hintergrund der angespannten Lage als zu provokativ, da es geeignet erschien, die ohnehin aufgeheizte Stimmung sowohl bei Teilnehmern der NPD-Versammlung als auch bei den Teilnehmern der Versammlung des Bündnisses gegen Rechts noch zusätzlich anzuheizen. Die Sicherstellung des Transparents erfolgte aus diesem Grund ausschließlich zur Gefahrenabwehr und nicht wegen strafrechtlich relevanten Inhalts. Deshalb wurde das Transparent nach Beendigung der Versammlung noch vor Ort gegen 19:20 Uhr wieder ausgehändigt.