Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16.06.2014 Verhältnis zwischen Anfangsverdacht und Klageerhebung Ich frage die Staatsregierung: 1. Werden über die Häufigkeit des Vorliegens eines Anfangsverdachts, über die Einleitung von Vorermittlungen (AR-Verfahrens) bzw. die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens (Js-Verfahren) und die daraus resultierenden Klageerhebungen statistische Erhebungen geführt? 1.1 Wenn ja, wie lauten die Daten für die letzten fünf Jahre? 1.2 Wenn nein, warum nicht? 2. Wie oft wird im Verhältnis zur Klageerhebung ein JsVerfahren aus Rechtsgründen gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, weil sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt hat? 3. Liegen dazu bundesweite Vergleichswerte vor? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 18.07.2014 1. Werden über die Häufigkeit des Vorliegens eines Anfangsverdachts, über die Einleitung von Vorermittlungen (AR-Verfahrens) bzw. die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens (Js-Verfahren) und die daraus resultierenden Klageerhebungen statistische Erhebungen geführt? 1.1 Wenn ja, wie lauten die Daten für die letzten fünf Jahre? 1.2 Wenn nein, warum nicht? In den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften werden die in das AR-Register einzutragenden Anzeigen und Mitteilungen erfasst, die nicht zu einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führen. In der Aktenordnung (§ 47 Abs. 5) ist hierzu geregelt, dass darunter insbesondere Mittei- lungen der Amtsgerichte über die Eröffnung eines Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens fallen. Bei den im AR-Register zu führenden Verfahren können bei Bedarf Vorermittlungen durchgeführt werden, es kann sich dabei aber auch um Verfahren handeln, bei denen derartige Vorermittlungen nicht eingeleitet werden. Gesonderte Daten über die Einleitung von Vorermittlungen werden nicht erhoben. Statistisch erfasst werden darüber hinaus die in das JsRegister eingetragenen Verfahren. Eine Eintragung erfolgt, wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen bzw. das Ermittlungsverfahren gegen eine bzw. mehrere Personen einleitet . Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen verfolgbarer Straftaten vorliegen. Gesonderte Daten über die Häufigkeit des Vorliegens eines Anfangsverdachts werden nicht erhoben , allerdings ist in derartigen Fällen regelmäßig eine Eintragung in das Js-Register vorzunehmen. In den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften wird ferner die Anzahl der Anklagen, Anträge auf Erlass eines Strafbefehls, Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) und Anträge auf vereinfachtes Jugendverfahren (§ 76 JGG) erhoben, die unter dem Oberbegriff Klageerhebungen zusammengefasst werden können. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz liegen für die Jahre 2009 bis 2013 insoweit folgende Zahlen vor: Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 AR-Verfahren 11.150 11.937 11.756 10.719 10.546 Js-Neuzugänge 558.861 545.668 539.802 536.364 549.343 Anklagen 65.126 65.612 64.694 61.281 57.130 Anträge auf Erlass eines Strafbefehls 76.466 77.991 75.336 77.168 80.839 Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) 7.132 6.208 5.507 5.704 4.808 Anträge auf vereinfachtes Jugendverfahren (§ 76 JGG) 3.800 3.154 2.780 2.719 2.529 2. Wie oft wird im Verhältnis zur Klageerhebung ein Js-Verfahren aus Rechtsgründen gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, weil sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt hat? In den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften wird die Anzahl der Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO erhoben , also die Verfahren, in denen es an einem genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage fehlt. Dies kann sachliche oder rechtliche Gründe haben. Die Einstellung kann beispielsweise auf dem Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts oder auf einem Verfahrenshindernis beruhen. In den Geschäftsstatistiken wird keine weitere Unterglie- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.08.2014 17/2800 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2800 Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Erledigte JsVerfahren 554.773 547.492 544.425 535.917 550.722 *) *) *) *) *) Einstellungen gem. § 170 Abs. 2 StPO 155.256 28,0 % 153.513 28,0 % 148.365 27,3% 144.465 27,0 % 148.833 27,0 % Anklagen 65.126 11,7% 65.612 12,0 % 64.694 11,9% 61.281 11,4% 57.130 10,4% Anträge auf Erlass eines Strafbefehls 76.466 13,8 % 77.991 14,2 % 75.336 13,8 % 77.168 14,4% 80.839 14,7 % Anträge auf Entscheidung im beschl. Verfahren (§ 417 StPO) 7.132 1,3 % 6.208 1,1 % 5.507 1,0 % 5.704 1,1 % 4.808 0,9 % Anträge auf vereinfachtes Jugendverfahren (§ 76 JGG) 3.800 0,7 % 3.154 0,6 % 2.780 0,5 % 2.719 0,5 % 2.529 0,5 % Klage- erhebungen 152.524 27,5 % 152.965 27,9 % 148.317 27,2 % 146.872 27,4 % 145.306 26,4 % *) Prozentangaben beziehen sich auf die Zahl der erledigten Verfahren. Als weitere – nicht aufgeführte – Erledigungen sind beispielsweise die Einstellungen gemäß §§ 153 Abs. 1, 153 a Abs. 1 und 154 Abs. 1 StPO zu nennen. 3. Liegen dazu bundesweite Vergleichswerte vor? Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz liegen für die Jahre 2009 bis 2012 folgende bundesweite Vergleichswerte vor (Bundeszahlen für das Jahr 2013 liegen noch nicht vor): Deutschland Jahr 2009 2010 2011 2012 AR-Verfahren 116.242 111.581 106.846 99.820 Js-Neuzugänge 4.705.021 4.610.969 4.587.467 4.564.814 Klageerhebung s. nachstehende Zahlen Deutschland Jahr 2009 2010 2011 2012 Erledigte JsVerfahren 4.710.262 4.602.685 4.609.786 4.556.600 *) *) *) *) Einstellungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO 1.325.271 28,1 % 1.305.090 28,4 % 1.289.063 28,0 % 1.271.389 27,9 % Anklagen 533.247 11,3 % 512.498 11,1 % 508.026 11,0 % 485.525 10,7 % Anträge auf Erlass eines Strafbefehls 541.988 11,5 % 533.732 11,6 % 538.739 11,7 % 531.775 11,7 % derung hinsichtlich der Gründe für eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO vorgenommen. Zum Vergleich werden im Folgenden unter dem Oberbegriff Klageerhebungen die Anzahl der Anklagen, Anträge auf Erlass eines Strafbefehls, Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) sowie Anträge auf vereinfachtes Jugendverfahren (§ 76 JGG) dargestellt. Bei dem Strafbefehlsantrag und der möglichen mündlichen Klageerhebung im beschleunigten Verfahren handelt es sich um besondere Arten der Klageerhebung. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine gesonderte Kategorie „Klageerhebung “ in den Geschäftsstatistiken nicht ausgewiesen wird und hier nur angefügt wurde, um einen besseren Vergleich mit den Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO zu ermöglichen. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz liegen für die Jahre 2009 bis 2013 insoweit folgende Daten vor: Drucksache 17/2800 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) 22.928 0,5% 21.064 0,5% 19.723 0,4% 18.693 0,4% Anträge auf vereinfachtes Jugendverfahren (§ 76 JGG) 15.129 0,3 % 13.433 0,3 % 11.951 0,3 % 11.118 0,2 % Klageerhebungen 1.113.292 23,6 % 1.080.727 23,5 % 1.078.439 23,4 % 1.047.111 23,0 % *) Prozentangaben beziehen sich auf die Zahl der erledigten Verfahren. Als weitere – nicht aufgeführte – Erledigungen sind beispielsweise die Einstellungen gemäß §§ 153 Abs. 1, 153 a Abs. 1 und 154 Abs. 1 StPO zu nennen.