Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernhard Roos SPD vom 16.06.2014 EU-Förderkulissen 2014–2020 C-/D-Fördergebiete in Bayern und Oberösterreich In österreichischen Medien ist zu lesen, dass das Innviertel mit den Bezirken Schärding, Braunau und Ried insgesamt 21 zusätzliche Empfängergemeinden für Regionale Wirtschaftsförderung zugeteilt bekommen hat. Diese Bezirke bzw. deren zugehörige Kommunen haben keine gemeinsame Grenze mit Tschechien, was auf bayerischer Seite als eines der unverzichtbaren Förderkriterien gilt. Soweit der Staatsregierung dazu Kenntnisse vorliegen, bitte ich um Beantwortung folgender Fragen: 1. Nach welcher Systematik wird in unserem Nachbarland Österreich, insbesondere in Oberösterreich, die Gebietskulisse festgelegt? 2. Wie sah deren ursprüngliche Verhandlungsposition gegenüber der EU-Kommission aus? 3. Wie kam zustande, dass Gemeinden mit 60–80 km Distanz zur tschechischen Grenze als förderfähig gelten? 4. Welche wesentlichen Gesichtspunkte sind aus bayerischer Sicht nachverhandelbar? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 16.07.2014 1. Nach welcher Systematik wird in unserem Nachbarland Österreich, insbesondere in Oberösterreich, die Gebietskulisse festgelegt? Österreich muss sich – wie Deutschland auch – an die Vorgaben der „Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014–2020“ (Regionalleitlinien ) der Europäischen Kommission halten. Diese sehen für Österreich einen Anteil der Fördergebietsbevölke- rung (C-Fördergebiete) von maximal 25,87 % für den Zeitraum 2014–2020 vor. Der Wert ergibt sich nach der in Anhang II der Regionalleitlinien vorgeschriebenen Berechnungsmethode . Er hängt ab von Pro-Kopf-BIP und Arbeitslosenquote der NUTS-3-Regionen jedes Mitgliedstaates im Vergleich zum nationalen und zum EU-Durchschnitt. Ein Ermessensspielraum besteht hierbei nicht. Da Österreich für den Zeitraum 2007–2013 ein Fördergebietsplafond von insgesamt nur 22,5 % zustand, kann das Land in der neuen Förderperiode im Vergleich dazu nun mehr Fördergebiete ausweisen. Für die Festlegung der konkreten C-Gebietskulisse im Rahmen dieses zugeteilten Plafonds haben die Mitgliedstaaten der EU ebenfalls die Anmeldekriterien der Regionalleitlinien zu beachten. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um wirtschaftsstrukturelle Kriterien, die die Regionen erfüllen müssen (Pro-Kopf-BIP nicht über EU-27-Durchschnitt, Arbeitslosenquote bei mindestens 115 % des nationalen Durchschnitts, tief greifender Strukturwandel). Unabhängig von wirtschaftsstrukturellen Vorgaben können daneben auch Regionen als Fördergebiet ausgewiesen werden, die an Höchstfördergebiete angrenzen (Grenzlagenkriterium). Nach den hier vorliegenden Informationen wurde der Zuwachs an Fördergebieten in Österreich grundsätzlich nach wirtschaftsstrukturellen Kriterien auf die Bundesländer verteilt . Alle Fördergebiete in Österreich wurden auf der Grundlage dieser wirtschaftsstrukturellen Daten ausgewiesen. Informationen darüber, nach welchen Kriterien darüber hinaus die einzelnen österreichischen Länder ihre Förderkulisse gestaltet haben, liegen nicht vor. In Deutschland richtet sich die Verteilung der Fördergebiete auf die Bundesländer grundsätzlich ebenfalls nach der Strukturschwäche der Regionen, und zwar auf Basis eines gesamtdeutschen Regionalindikatorenmodells (Arbeitslosenquote , Lohn pro Beschäftigtem, Erwerbstätigenprognose , Infrastrukturindikator). Aufgrund der überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Entwicklung auch der strukturschwächeren Gebiete in Bayern erfüllt inzwischen keine bayerische Region mehr die hierfür erforderlichen Kriterien. Dass Bayern dennoch gut 500.000 Fördergebietseinwohner erhielt , ist ein großer Verhandlungserfolg. Die C-Gebiete für Bayern stammen aus einem Fördergebietskontingent, das Berlin freiwillig abgibt. Die Zuteilung an Bayern erfolgte im Rahmen einer nationalen Sonderlösung außerhalb des an der Strukturschwäche der Regionen orientierten Rankings und nur zur Anmeldung von Regionen als C-Gebiete nach dem Grenzlagenkriterium. Diese Lösung konnte auch bei den Verhandlungen in Brüssel erfolgreich durchgesetzt werden . Die nun für Bayern gefundene Lösung ist außerdem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der deutsche Fördergebietsplafond – im Gegensatz zu dem in Österreich – nicht gestiegen, sondern deutlich von 29,6 % auf 25,85 % gesunken ist. Ein noch stärkerer Rückgang konnte durch eine verbesserte Rechenformel zur Verteilung der C-Gebiete auf die Mitgliedstaaten verhindert werden. Bund und Länder haben Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.09.2014 17/2802 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2802 gemeinsam bei der EU auf diese Verbesserung hingewirkt. Ausführlichere Erläuterungen zur Neuabgrenzung der Fördergebiete der GRW finden sich in den Berichten zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 27.10.2010 betreffend Zukunft der Regionalförderung (Drs. 16/6134). 2. Wie sah deren ursprüngliche Verhandlungsposition gegenüber der EU-Kommission aus? Nach Vorliegen der ersten Papiere der GD Wettbewerb zu den neuen Regionalleitlinien (beginnend mit dem sogenannten „Non-Paper“ im Dezember 2011) forderte Österreich Änderungen mit dem Ziel, den nach der unter Frage 1 beschriebenen Berechnungsmethode auf Österreich entfallenden Fördergebietsanteil zu erhöhen, z. B.: • Anhebung des ursprünglich vorgesehenen gesamteuro- päischen Fördergebietsplafonds von nur 42 % der Einwohner der EU. • Berücksichtigung auch des nationalen und nicht nur des europäischen Vergleichsmaßstabs bei der Berechnung der Fördergebietskontingente für die einzelnen Mitgliedstaaten . Diese Forderungen wurden von mehreren Mitgliedstaaten, auch von Deutschland, sowie von der Staatsregierung an die GD Wettbewerb herangetragen. Mit Erfolg: Sie wurden berücksichtigt und erhöhten sowohl den auf Österreich als auch den auf Deutschland entfallenden Fördergebietsplafond im Vergleich zur ursprünglich vorgesehenen Berechnung . Daneben forderte Österreich, genau wie Deutschland und viele andere Mitgliedstaaten, dass Beihilfen an Großunternehmen in C-Fördergebieten zulässig bleiben. Auch diese Forderung war erfolgreich, wenngleich die Großunternehmensförderung in C-Gebieten zukünftig nur mehr eingeschränkt möglich ist. Österreich schloss sich außerdem der Kernforderung Bayerns nach einem zusätzlichen Fördergebietsplafond für Regionen an, die an Höchstfördergebiete anderer Mitgliedstaaten angrenzen. Damit ist die Zuweisung zusätzlicher Fördergebietseinwohner an Mitgliedstaaten für Grenzgebiete gemeint, und zwar neben den Fördergebietseinwohnern , die sich aus der unter Frage 1 bereits ausgeführten Berechnungsmethode aufgrund rein wirtschaftsstruktureller Daten ergeben. Auf Initiative Bayerns wurde gemeinsam mit Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten und Friaul Julisch Venetien ein Positionspapier zu diesem „Sonderfördergebietsplafond “ erarbeitet, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Das Positionspapier wurde bereits im September 2012 dem zuständigen Kommissar Almunia vorgelegt. Auch die Bundesregierung unterstützte die Forderung nach dem Sonderfördergebietsplafond. Leider verschloss sich der EUWettbewerbskommissar dieser Forderung. Eine ausführliche Berichterstattung dazu findet sich in der Antwort zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 24.04.2013 betreffend Regionalbeihilfen Bayern (Drs. 16/16565). 3. Wie kam zustande, dass Gemeinden mit 60–80 km Distanz zur tschechischen Grenze als förderfähig gelten? Wie unter Frage 1 bereits ausgeführt, hat Österreich alle seine Regionalfördergebiete unter wirtschaftsstrukturellen Kriterien (Kriterien 1, 2, 3, 5 der Randziffer 168 der Regionalleitlinien ) bei der EU-Kommission angemeldet. Ein Rückgriff auf das Grenzlagenkriterium (Kriterium 4 der Randziffer 168 der Regionalleitlinien) erfolgte nicht. Bayern stand demgegenüber die Option einer Anmeldung von C-Gebieten unter wirtschaftsstrukturellen Kriterien aus den oben genannten Gründen nicht zur Verfügung. Bayern konnte C-Gebiete nur nach dem Grenzlagenkriterium anmelden. Deshalb befinden sich alle bayerischen C-Gebiete in NUTS-3-Regionen, die an die Tschechische Republik angrenzen. 4. Welche wesentlichen Gesichtspunkte sind aus bayerischer Sicht nachverhandelbar? Die jetzt gefundene Gebietskulisse ist unter den von der EU-Kommission gesetzten engen Rahmenbedingungen, insbesondere dem Rückgang der Deutschland zustehenden Fördergebietseinwohner, und der relativen Strukturstärke der bayerischen Regionen ein gutes Ergebnis für Bayern. Die Staatsregierung wird dennoch von der EU-Kommission weiterhin die Berücksichtigung der besonderen Problemlage der bayerischen Grenzregionen fordern und vom neuen Wettbewerbskommissar einen „Nachschlag“ an C-Fördergebieten für die Grenzlandkreise verlangen.